Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer in der Kundenakquisition für einen Handelsbetrieb
Tätigen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen
Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund von einer seit 2005
für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH den Vertrieb, Handel, Import, die Produktion und Planung von LED-Leuchtsystemen
und anderen Produkten sowie die Beratung von Unternehmen in Bezug auf energieeffiziente Beleuchtungssysteme.
Die Beigeladene zu 1. ist seit 2005 für die Klägerin im Bereich Kundenakquise tätig. Dabei nahm sie Kontakt zu potentiellen
Kunden der Klägerin auf und vermittelte unter Nutzung eines Laptops der Klägerin mit Zugriff auf die firmeneigene Software
Termine für eine Beratung. Teilweise geschieht dies nach den Vorgaben der Klägerin, teilweise in Eigeninitiative mit einer
Internetrecherche. Ihre Tätigkeit übt die Beigeladene zu 1. in einem separaten Arbeitszimmer in ihrer Wohnung aus. Die Klägerin
legt mit ihr einen Zeitrahmen pro Woche fest. Teilweise erfolgte die Absprache auch monatlich. Innerhalb dieses Zeitrahmens
gestaltet die Beigeladene zu 1. ihre Arbeitszeiten für die Klägerin eigenständig. Die Beigeladene zu 1. erhält für ihre Tätigkeit
einen festen Stundensatz, der regelmäßig an ihre steigenden Kosten angepasst wird. Nach einem Angebot vom 1. April 2011 belief
sich der Stundensatz auf 28 €. Ein Nachweis über die abgerechneten Stunden wird nicht geführt, Urlaub und Krankheitszeiten
werden nicht vergütet. Die Beigeladene zu 1. beschäftigt keine eigenen Mitarbeiter. Im streitgegenständlichen Zeitraum hatte
die Beigeladene zu 1. nach ihren Angaben weitere Auftraggeber. Im Jahr 2011 schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin
eine Haftungsvereinbarung. Hinsichtlich des Inhaltes wird auf Bl. 68 der Verwaltungsakte verwiesen.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 11. Februar 2014 bis zum 25. Februar 2014 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den
Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 durch und prüfte dabei das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin
und der Beigeladenen zu 1. Sie leitete ein Statusfeststellungsverfahren ein.
Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Beigeladene zu 1. auf der Homepage der Klägerin für den Bereich Marketing
aufgeführt wird. Ein Screenshot wurde von der Beklagten zur Akte genommen.
Die Beigeladene zu 1. füllte am 25. Juni 2014 einen von der Beklagten übersandten Fragebogen aus. Sie gab u.a. an, mit der
Telefonakquise mit zugehöriger Korrespondenz betraut gewesen zu sein. Sie habe über den Verlauf der Gespräche informiert und
Termine vereinbart, das unternehmerische Risiko ist von ihr mit „Null“ bewertet worden. Die Tätigkeit werde von ihr seit 2005
ausgeübt. Die Klägerin teilte im Rahmen der von der Beklagten durchgeführten Anhörung mit, dass die Tätigkeit ausschließlich
von zu Hause aus im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses ausgeübt werde. Die Beigeladene zu 1. sei ausschließlich mit
der Suche nach Kunden und Terminvereinbarungen beauftragt gewesen, die weitere Auftragsbearbeitung sei die Sache von fest
angestellten Mitarbeitern gewesen. Es habe keinen Gesprächsleitfaden oder anderweitige Vorgaben für die Tätigkeit gegeben.
Ebenso wenig seien Zielvorgaben mit einer möglichen Anzahl von Anrufen oder Kundenkontakten gemacht worden. Die Eingaben der
Termine seien in ein eigenes System der Klägerin erfolgt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen habe die Klägerin der Beigeladenen
zu 1. einen Laptop zur Verfügung gestellt. Des Weiteren seien Unterlagen über die verschiedenen Produkte ausgehändigt worden.
Dass die Beigeladene zu 1. im Namen der Firma aufgetreten sei, sei auch bei Dienstleistungsverhältnissen üblich.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2015 stellte die Beklagte fest, dass mit der Beigeladenen zu 1. seit 2005 ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis bestehe. Der Beigeladenen zu 1. seien für die Durchführung der Terminvereinbarungen und der Akquise
technische Unterlagen und ein Laptop zur Verfügung gestellt worden. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sei die Beigeladene zu 1. weisungsgebunden
und habe die Klägerin über den Verlauf der Gespräche informieren müssen, besonders im Rahmen von Terminvereinbarungen. Bei
den Terminvergaben sei sie im Namen der Firma nach außen hin aufgetreten. Die Beigeladene zu 1. müsse Einblick in die Terminkalender,
Übersicht über die eventuelle Dauer der einzelnen Termine und Verfügbarkeit der Arbeitnehmer der Klägerin haben. Hierbei handele
es sich um eine klare Eingliederung in den Firmenablauf. Dass es keine Vorgabe der Art der Gesprächsführung oder einen Gesprächsleitfaden
gebe, sei kein schlüssiges Argument gegen ein Beschäftigungsverhältnis, da das Gesprächsverhalten extrem abhängig davon sei,
wie der Gesprächspartner auf die Ansprache reagiere. Zudem sei es Hauptaufgabe der Beigeladenen zu 1. Termine für die Mitarbeiter
der Klägerin zu vereinbaren. Dies lasse nicht viel Spielraum in der Gesprächsführung. Es sei ein Arbeitszeitrahmen vereinbart
worden und die Vergütung sei nach festen Stundensätzen erfolgt. Die Arbeit werde und müsse von der Beigeladenen zu 1. persönlich
ausgeführt werden. Im Krankheitsfall werde eine Rückmeldung bei der Klägerin erwartet und die Beigeladene zu 1. könne nicht
selbst Ersatz für sich bestimmen. Eine fehlende Vereinbarung fester Arbeitszeiten könne kein ausschlaggebendes Argument für
die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sein. In Zeiten der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeit sei eine Entscheidung
über den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit allein anhand dieses Kriteriums nicht mehr angemessen. Ein
unternehmerisches Risiko trage die Beigeladene zu 1. nicht. Der von ihr genutzte Laptop sei Eigentum der Klägerin, ebenso
die verwendeten Programme. Die Beigeladene zu 1. müsse über ein Basiswissen der Produktpalette verfügen, was wiederum für
eine Integration in den Betrieb spreche. Die Klägerin habe lediglich bei fehlerhaft erbrachten Leistungen das Recht auf Nachbesserung.
Eine weitere Haftung des Auftragnehmers werde laut Haftungsvereinbarung ausgeschlossen. Der Internetauftritt der Klägerin
lasse deutliche Rückschlüsse auf eine faktische Eingliederung der Beigeladenen zu 1. zu. Die Beigeladene zu 1. arbeite ohne
den Einsatz von Mitarbeitern. Es lägen zwar Hinweise vor, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen würden, es handele
sich hierbei jedoch lediglich um gering zu gewichtende Indizien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juli 2015 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass
die Beigeladene zu 1. in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Widerspruchsführerin stünde. Sie sei
mit ihrer Firma selbständig tätig. Die Beigeladene zu 1. betreibe für die Klägerin Akquise und vermittle potentielle Kundenkontakte.
Sie nehme keinen Schriftverkehr für die Klägerin vor oder sei mit inhaltlichen Angebotsausarbeitungen befasst. Die Tätigkeit
sei vielmehr als Maklertätigkeit zu verstehen. Sie sondiere den Markt und gehe selbständig und weisungsfrei auf potentielle
Kunden zu. Bei Interesse an einer fachlichen Beratung stelle sie den Kontakt zwischen der Klägerin und den Interessenten her.
Sie berate nicht inhaltlich und verfüge nicht über technisches Know-how hinsichtlich der Produkte und Leistungen der Klägerin.
Die Beigeladene zu 1. schulde keinen Bericht über die geführten Gespräche oder deren Inhalt. Sie habe keinen Arbeitsplatz
bei der Klägerin und sei nicht in die Betriebsstruktur eingebunden. Die Ansprache der potentiellen Kunden finde aus den eigenen
Büroräumen der Beigeladenen zu 1. statt. Der Laptop sei ihr aus datenschutzrechtlichen Gründen zur Verfügung gestellt worden.
Sie trage die vereinbarten Kundengespräche in die Terminkalender der Geschäftsführung oder der Mitarbeiter der Klägerin ein.
Diesbezüglich sei sie in die Serverstruktur der Klägerin eingebunden. Der Laptop werde allein für diese Dinge zur Verfügung
gestellt. Die Recherchetätigkeiten, die die Beigeladene zu 1. ausführe, würden auf ihrem eigenen Laptop stattfinden. Aus der
Tatsache, dass die Beigeladene zu 1. Zugriff auf einige Kalender der Klägerin habe, sei nicht zu schließen, dass sie in den
Firmenablauf eingegliedert sei. Dies sei allein eine technische Möglichkeit um Synergieeffekte zu erzeugen und Abläufe zu
verschlanken. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Beigeladene zu 1. die Termine als Vorschlag notiere und an die Klägerin
weiterleite, damit diese die Verfügbarkeit prüfen könne, oder sie direkt in die onlinegebundenen Kalender eintrage. Die Beigeladene
zu 1. trage das unternehmerische Risiko. Es finde keine Beteiligung der Klägerin am Gewinn oder Verlust der Firma der Beigeladenen
zu 1. statt. Sie erhalte nach ordentlicher Rechnungsstellung die geleisteten Arbeitsstunden entsprechend der Vereinbarung
vergütet. Wenn sie nicht von der Klägerin beauftragt sei, könne sie auch nichts abrechnen. Eine Abhängigkeit gegenüber der
Klägerin bestehe auch deshalb nicht, weil die Beigeladene zu 1. für mehrere Kunden tätig sei. Sie trage zwar das unternehmerische
Risiko für einen Wegfall der Beauftragung durch die Klägerin, sei aber gleichzeitig nicht auf diese Aufträge angewiesen, da
sie auch über andere Kunden verfüge. Die Beigeladene zu 1. könne ihre Tätigkeit auch delegieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung
vertiefte sie ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid.
Daraufhin hat die Klägerin am 10. März 2016 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat sie ihre Ausführungen
aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, der Beigeladenen zu 1. werde gerade kein konkreter Gesprächsleitfaden
vorgegeben. Sie sei in ihrer Gesprächsführung völlig frei. Zudem übe die Beigeladene zu 1. eine reine Bürotätigkeit aus. Das
unternehmerische Risiko sei bei dieser Tätigkeit ebenso wie die Investitionskosten grundsätzlich zu vernachlässigen und könne
nicht als Argument herangezogen werden. Die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dass die Merkmale eines sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses nicht erfüllt seien. Bereits im Jahr 2010 sei eine Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2009
beanstandungsfrei durchgeführt worden. Auch zu dieser Zeit sei die Beigeladene zu 1. schon für die Klägerin tätig gewesen.
Die Nichtbeanstandung in der ersten Prüfung müsse mit einem Statusfeststellungsverfahren gleichgesetzt werden, da der Sozialversicherungsträger
den gleichen Sachverhalt prüfe. Der Überprüfte müsse aus Gründen der Rechtssicherheit davon ausgehen dürfen, dass diese Nichtbeanstandung
bestand habe.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2019 hat die Beklagte den Bescheid vom 30. Juni 2015 dahingehend ergänzt, dass für die Beigeladene
zu 1. seit Aufnahme der Tätigkeit im Jahr 2005 Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehe. Versicherungspflicht
in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe erst für die Zeit ab dem 1. März 2011, weil bis zum 28. Februar.2011 Versicherungspflicht
in der Kranken- und Pflegeversicherung wegen hauptberuflicher Selbständigkeit nicht vorgelegen habe.
Die Beigeladene zu 1. ist in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2019 zu ihrer Tätigkeit befragt worden. Sie habe bei potentiellen
Interessenten angerufen und Termine vereinbart. Hierfür – für die Eintragung der Termine – sei es erforderlich gewesen, einen
Blick in den Kalender der Klägerin zu nehmen. Sie sehe sich dann die bestehenden Termine an und versuche im direkten örtlichen
Umfeld weitere Kunden zu gewinnen. Die Suche erfolge im Internet. Wenn es zu einem Termin komme, bestätige sie dies dem Kunden
und der Klägerin. Sie sei völlig frei bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit, entscheide selbst, wann und wo sie telefoniere und
wen sie anrufe. Es komme aber auch vor, dass die Klägerin Wunschkunden habe und der Geschäftsführer sie darum bitte, Kontakt
aufzunehmen. Der wöchentliche Zeitrahmen werde von der Klägerin festgelegt. Die Abrechnung erfolge nach einem Stundensatz.
Sie nutze einen PC/Laptop wegen der Software der Klägerin und dem erforderlichen Kalenderzugriff für die Termine. Darüber
hinaus pflege sie dort die Daten zu den Örtlichkeiten, der Firma und den Räumlichkeiten in eine Kundenkartei ein. Ein Stundennachweis
sei nicht erforderlich. Sie habe in dieser Zeit für weitere 2-3 Auftraggeber gearbeitet. Sie könne sich nicht erinnern, an
Besprechungen teilgenommen zu haben. Sie habe eine eigene E-Mail-Adresse über die Klägerin, jedoch keine eigene Rufdurchwahl
bzw. Telefonnummer. Zu Weihnachtsfeiern sei sie eingeladen worden. Tiefere Kenntnisse zu den Produkten habe sie nicht gehabt,
wegen bestimmter Fachausdrücke habe sie manchmal Rücksprache bei der Klägerin gehalten. Dem von der Beklagten übersandten
Fragebogen habe sie das Unternehmerrisiko mit Null bewertet, weil sie bei Beanstandungen der Kunden kein Haftungsrisiko gehabt
habe. So habe sie die Frage verstanden.
Mit Urteil vom 1. Juli 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei von einer Eingliederung in den Betrieb der
Klägerin durch die Nutzung des Laptops mit firmeneigener Software und Kalenderfunktion auszugehen. Damit habe die Beigeladene
zu 1. Zugriff auf die Serverstruktur der Klägerin gehabt und in das System Termine eintragen können sowie die Kundendatei
gepflegt. Von einer Eingliederung sei auch dann auszugehen, wenn sie aus technischen Gründen erfolgt sei. Die Beigeladene
zu 1. sei nach außen als Mitarbeiterin der Klägerin in Erscheinung getreten, was sich aus dem Internetauftritt der Klägerin
ergebe. Außer der Nutzung einer firmeneigenen E-Mail-Adresse habe es auch Weisungen in der Form gegeben, dass sogenannte Wunschkunden
vorgegeben worden seien, zu denen die Beigeladene zu 1. Kontakt aufnehmen sollte. Darüber hinaus sei der Zeitrahmen für die
Akquise-Tätigkeit von der Klägerin wöchentlich vorgegeben worden. Es sei nur von einem geringen unternehmerischen Risiko auszugehen
und soweit es die Weisungsfreiheit bei der Art der Tätigkeit betreffe, unterscheide sie sich nicht von Mitarbeitern, die im
Rahmen ihrer Kompetenzen das Arbeitsergebnis mit beeinflussen könnten.
Gegen das am 28. August 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. September 2019 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung
des Sozialgerichts sei nicht von einer Eingliederung in den Betrieb der Klägerin auszugehen. Die Nutzung des Laptops habe
lediglich technische Gründe gehabt und würde eine Eingliederung nicht begründen. Darüber hinaus sei es zum Beispiel im Bereich
von IT-Dienstleistungen üblich, auf die Software des Auftraggebers zurückzugreifen. Ursprünglich sei beabsichtigt gewesen,
der Beigeladenen zu 1. nur eingeschränkte Zugriffsrechte auf die Software zu gewähren, was seinerzeit aus technischen Gründen
nicht möglich gewesen sei. Derzeit werde kein Laptop mehr zur Verfügung gestellt. Ein beschränkter Zugriff auf die Software
sei nun möglich. Auch sei es heutzutage bei externen Dienstleistern durchaus üblich, eine E-Mail-Adresse des Auftraggebers
zu nutzen und für diesen nach außen in Erscheinung zu treten. Das Sozialgericht habe zu Unrecht die völlige inhaltliche Weisungsfreiheit
unberücksichtigt gelassen, genauso wie die Freiheit in zeitlicher und örtlicher Hinsicht bei der Ausführung der Tätigkeit.
Es habe auch keine Weisungen im Hinblick auf die Wunschkunden gegeben. Hierbei handele es sich lediglich um eine Abstimmung
im Rahmen eines Auftragsverhältnisses bei einer externen Dienstleistung. Diese sei für eine Abstimmung erforderlich, wenn
der Geschäftsführer Kunden in Deutschland besuche, damit im örtlichen Umfeld weitere Termine vereinbart werden könnten. Auch
in zeitlicher Hinsicht habe es keine Weisungen gegeben. Der vom Sozialgericht als wöchentlich und gelegentlich auch monatlich
bezeichnete Zeitrahmen beziehe sich auf die Beauftragung. Da diese stark variiere, buche die Klägerin bei der Beigeladenen
zu 1. unterschiedliche Zeitdeputate, die dann völlig autark und flexibel abgearbeitet würden. Dieser Punkt spreche weniger
für ein Weisungsrecht, sondern vielmehr für ein unternehmerisches Risiko der Beigeladenen zu 1. Dieses ergebe sich auch daraus,
dass sie einen eigenen Arbeitsplatz mit PC, Telefon und Internetzugang vorhalten müsse, die Beauftragungen schwankend und
kampagnenabhängig gewesen seien und eine Delegationsmöglichkeit bestanden habe. Darüber hinaus werde noch einmal auf die vorherige
Betriebsprüfung verwiesen. Die Zusammenarbeit mit der Beigeladenen zu 1. habe zu dieser Zeit schon bestanden und die somit
von der Prüfung erfasst worden. Ein Vertrauensschutz müsse angenommen werden.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juli 2019 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2015 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2016 in der Gestalt des Bescheides vom 27. Juni 2019 aufzuheben bzw. abzuändern
und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1. nicht seit 2005 mit ihrer Tätigkeit im Bereich Akquise der Sozialversicherungspflicht
in der Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Kranken- und Pflegeversicherung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juli 2019 zurückzuweisen.
Die Beklagte hat auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Die Beigeladene zu 1. hat auf Befragen des Berufungsgerichts schriftlich nähere Angaben zu ihrer Tätigkeit für die Klägerin
gemacht. Der Anteil für die Wunschkundensuche gegenüber der freien Akquise sei sehr gering und mit unter 10% zu bewerten.
Sie sei schon lange Zeit für die Klägerin tätig, deshalb seien ihr die Voraussetzungen bekannt, welche Unternehmen als potentielle
Kunden in Betracht kommen würden. Sie recherchiere über Internetsuchmaschinen, aber auch über Anzeigen und Werbung. Potentielle
Kunden würden häufig auf ihrer Internetseite Partner und Referenzadressen benennen, die ebenfalls für die Klägerin von Interesse
sein könnten. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen, ermittele sie die möglichen Kunden und rufe dort an. Wichtiger als die
zufällige Nähe zu einem anderen Kunden sei das Potential. Bei Terminen, die die Mitarbeiter oder Herr K. selbst vereinbart
haben, suche sie nicht speziell zusätzliche regionale potentielle Kunden, sie habe dies aber unaufgefordert recherchiert,
um zu prüfen, ob mögliches weiteres Potential vorhanden sei. Die E-Mail-Adresse der Klägerin werde auch benutzt, um SPAM-Filter
der Unternehmen zu umgehen, Abrechnungen seien auch mit anderen Kunden erfolgt, sie arbeite insgesamt für fünf weitere Kunden
und sei früher zusätzlich in Teilzeit angestellt gewesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§
153 Abs.
1 und
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die Berufung ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zum überwiegenden Teil — unter Berücksichtigung des
im Gegenstandsbescheid vom 27. Juni 2019 liegenden Teilanerkenntnisses –– zu Recht abgewiesen.
Die Beigeladene zu 1. unterlag mit ihrer Tätigkeit für die Klägerin ab 2005 der Versicherungspflicht nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (
SGB V) in der Rentenversicherung und §
25 Abs.
1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch (
SGB III) und Arbeitslosenversicherung und für die gesetzliche Krankenversicherung, §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch (
SGB XI) sowie für die Pflegeversicherung, gemäß §
1 Abs.
1 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (
SGB VI) ab dem 1. März 2011.
Nach §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV ist Beschäftigung im Sinne des §
2 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, siehe etwa Urt. vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R) setzt danach eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit,
Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
Beschäftigter oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild
der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. Dieser
Rechtsprechung folgt der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung. Sie stimmt überein mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(vgl. Urt. vom 09.03.2005 – 5 AZR 493/04), wonach Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener,
fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist und wonach sich die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation
insbesondere darin zeigt, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt, welches Inhalt, Durchführung,
Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betrifft und wonach für die Abgrenzung in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter
denen die Dienstleistung zu erbringen ist, von Bedeutung sind und wonach schließlich eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen
Umstände des Einzelfalles zu erfolgen hat.
Grundsätzlich ist auch für „Verkaufsförderer“, „Werber“, „Propagandisten“ oder „Promoter“ die Beurteilung im Wege der Gesamtbetrachtung
vorzunehmen (Voelzke in: Küttner, Personalbuch 2010, Scheinselbständigkeit, Rz. 21).
Auch für Handelsvertreter gilt unter Berücksichtigung von § 84 HGB nichts Abweichendes. In einer Entscheidung zum sog. „Rackjobbing“ (Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Verkaufsförderung, „selbständige Regalauffüller“) hat das BSG (B 12 KR 16/13 R vom 18.11.2015) unter anderem dargelegt, dass die freie Gestaltung der Arbeitszeit als Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts nicht nur
Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung sein dürfe. Die eingeräumten Freiheiten bei der
Ausübung der Tätigkeit dürften sich nicht an den Bedürfnissen des Arbeitgebers orientieren bzw. überwiegend hierauf zurückzuführen
sein. Hinzukommen muss vielmehr ein spürbarer Eigennutz durch Eigenverantwortung zur Steigerung der Verdienstchancen, wie
es z.B. bei einer Honorierung in Abhängigkeit vom Arbeitsergebnis bzw. Arbeitserfolg der Fall sei.
Gemessen an diesen Kriterien ergibt sich unter Berücksichtigung der gebotenen Abwägung das Bild einer abhängigen Beschäftigung.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass es auch Gesichtspunkte gibt, die einer selbständigen Tätigkeit entsprechen.
Nach Aktenlage, der Anhörung der Beigeladenen zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht und der schriftlichen
Stellungnahme vor dem Berufungsgericht ergibt sich folgendes Tätigkeitsbild:
Die Beigeladene zu 1. übt ihre Tätigkeit ausschließlich von zu Hause aus. Sie nutzte zunächst einen von der Klägerin gestellten
Laptop, wodurch ein Zugriff auf die Serverstruktur der Klägerin ermöglicht wurde, damit Einsicht in den Kalender von Geschäftsführer
und Vertriebsmitarbeitern genommen werden konnte, um Termine abzustimmen und ggf. einzutragen. Ebenfalls notwendig war ein
Zugriff auf die Software der Klägerin, um Kundendaten, die durch die Telefonakquise gewonnen wurden, einzupflegen. Aus dem
Vorbringen im Berufungsverfahren ist ersichtlich, dass nunmehr kein PC mehr gestellt wird, weil ein eingeschränkter Zugriff
auf die internen Systeme der Klägerin ermöglich worden ist. Daneben nutzte die Beigeladene zu 1. einen eigenen PC/Laptop,
ein eigenes Telefon und einen eigenen Internetanschluss. Die eigentliche Akquise und Terminvereinbarung erfolgte telefonisch
nach einer vorherigen Internetrecherche oder nach den Vorgaben der Klägerin, wenn diese Wunschkunden benannte bzw. im Rahmen
einer Dienstreise des Geschäftsführers (oder anderer Vertriebsmitarbeiter). Nach den Angaben der Beigeladenen zu 1. führte
sie in weniger als 10% ihrer Tätigkeit eine Wunschkundenrecherche durch. Darüber hinaus versuchte die Beigeladene zu 1. auch
weitere Termine mit Firmen in der Umgebung eines bereits vereinbarten Kundenbesuchs zu vereinbaren. Bei der überwiegend praktizierten
freien Recherche war der Beigeladenen zu 1. aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit für die Klägerin bekannt, welche Unternehmen
als potentielle Kunden in Betracht kommen und diese über Internetsuchmaschinen, aber auch über Anzeigen und Werbung recherchiert
und angerufen. Potentielle Kunden werden — so die Beigeladene zu 1. — häufig auf ihrer Internetseite Partner und Referenzadressen,
die ebenfalls für die Klägerin von Interesse sein könnten, benennen. Konkrete Vorgaben zur Art der Ausführung sind nicht gemacht
worden, es gab auch keine Listen, die abzuarbeiten waren sowie keinen Gesprächsleitfaden für die Kontaktaufnahme bzw. die
Telefonate. Die Bezahlung erfolgt nach einem festvereinbarten Stundensatz, die Beauftragung erfolgte kontinuierlich, mehrheitlich
wöchentlich, manchmal monatlich. Es mussten keine Tätigkeits- oder Stundenzettel zur Dokumentation geführt werden, die Abrechnung
erfolgte schriftlich. Die Beigeladene zu 1. trat gegenüber den Kunden als Mitarbeiterin der Klägerin auf und nutzte eine firmeneigene
E-Mailadresse. Sie erzielte in der Zeit von 2010 bis 2014 einen jährlichen Verdienst von durchschnittlich 10.000 €. Nach eigenen
Angaben war sie noch für weitere Auftraggeber tätig.
Der Umstand, dass die Klägerin zu Hause arbeitet und insoweit keinem Weisungsrecht nach dem Ort der Ausführung unterliegt
ist in Anbetracht der vielfältigen heutigen Möglichkeiten im Homeoffice zu arbeiten, kein taugliches Abgrenzungskriterium
mehr.
Der zunächst durch den zur Verfügung gestellten Laptop und später anderweitig ermöglichte Zugriff auf die Serverstruktur bzw.
interne Software der Klägerin spricht für eine Einbindung in vorgegebene betriebliche Strukturen und eine Tätigkeit, die sich
an den firmeninternen Abläufen/Vorgaben orientiert. Die Beigeladene zu 1. benötigte den Zugriff, um die Termine mit den bereits
bestehenden Terminen im Kalender koordinieren bzw. nach ihren Angaben eintragen zu können und wohl auch, um für ihre Recherche
Ort und Zeit für weitere Termine ermitteln zu können. Darüber hinaus hat sie die Kundendatenbank gepflegt und im Hinblick
auf neue Kunden oder neue potentielle Kunden vervollständigt. Soweit die Klägerin hierin nur eine Nutzung eines technischen
Hilfsmittels sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Im Vordergrund der Betrachtung steht nicht die Nutzung eines zur Verfügung
gestellten Hilfsmittels, sondern der Zugriff auf die IT-Struktur und die Software der Klägerin, die erforderlich war und ist,
um die Akquise und Terminvereinbarung durchführen zu können. Wie anschaulich beschrieben, funktioniert dies nur, wenn die
Kalender der Mitarbeiter bzw. des Geschäftsführers eingesehen werden können und auch Eintragungen möglich sind. Damit werden
vorgegebene digitale Strukturen genutzt, was grundsätzlich gegen eine selbständige Tätigkeit spricht. Dass nur ein eingeschränkter
Zugriff möglich war, ändert nichts daran, dass die Serverstruktur der Klägerin genutzt wurde, soweit es für die Ausübung der
Tätigkeit erforderlich war/ist. Der Verweis auf IT-Dienstleistungen, bei denen ebenfalls ein Zugriff externer Dienstleister
erforderlich ist, verfängt nicht. Denn es handelt sich nicht um eine IT-Tätigkeit bzw. Dienstleistung, sondern um Bürotätigkeiten
bzw. um eine Art von Kundenakquise. Diese ist in einer Vielzahl von Varianten möglich und Vergleichsmaßstäbe müssen sich an
solchen Tätigkeiten orientieren. IT-Dienstleistungen werden vielfach extern benötigt, um bestimmte Programme zu etablieren,
zu warten und neu zu programmieren. Dass insoweit die Software des Auftraggebers benutzt wird, ist bei solchen inhaltlich
vordefinierten Einzelaufträgen nicht statusrelevant. Unabhängig davon werden IT-Dienstleistungen, die längerfristig angelegt
sind und in einer Art Dauerschuldverhältnis erbracht werden, vielfach in der Rechtsprechung auch als abhängige und sozialversicherungspflichtige
Tätigkeiten eingestuft (s. hierzu: BSG v. 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R und BSG v. 28.11.2018 – B 12 R 34/18 B, jeweils in juris mit weiteren Nachweisen).
Im Hinblick auf die Ausführung der Tätigkeit ergibt sich ein differenziertes Bild mit für und gegen eine selbständige Tätigkeit
sprechenden Umständen. Zunächst ist festzustellen, dass die Beigeladene zu 1. weitgehend ohne inhaltliche Weisungen tätig
ist, soweit es die Internetrecherche und die Anrufe bei den Kunden betrifft. Es gab keinen Gesprächsleitfaden und auch sonst
keine Vorgaben, wie die Internetrecherche durchzuführen wäre bzw. was die Gestaltung der Telefonate angeht. Es waren auch
keine vorgegebenen Listen abzuarbeiten, so konnte die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit weitgehend selbst gestalten. Zwar ergeben
sich die Abläufe auch nicht aus der Natur der Tätigkeit, sondern es sind sowohl im Hinblick auf die Durchführung der Internetrecherche
als auch was die Gesprächsführung angeht, verschiedene Strategien und Handlungsabläufe möglich, jedoch stellt sich die Frage,
ob derartige Freiheiten bei der Ausführung der Tätigkeit nicht auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen denkbar und
üblich sind. Wenn die Akquise-Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Klägerin mit flexiblen Arbeitszeiten oder aber auch im Homeoffice
im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt würde, wäre auch eine größere Freiheit bei der Ausführung
der Tätigkeit nicht ungewöhnlich bzw. wie vom Sozialgericht unter Verweis auf eine Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen
(v. 28.03.2012 – L 8 R 156/09) dargelegt, begründen entsprechende Kompetenzen von Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Qualifikation den Arbeitsprozess oder
das Arbeitsergebnis maßgeblich beeinflussen zu können, noch nicht automatisch eine selbständige Tätigkeit. Hinzu kommt, dass
es teilweise – wenn auch nur in geringem Umfang – zu Vorgaben im Hinblick auf Wunschkunden gekommen ist bzw. kommt. Dann sind
bestimmte potentielle Kunden von der Klägerin benannt worden. Darüber hinaus war die Beigeladene zu 1. gehalten bzw. hat in
eigener Initiative um bestehende Termine herum weitere Kundentermine versucht zu akquirieren, wenn Mitarbeiter aus dem Vertrieb
oder der Geschäftsführer auswärtige Termine wahrnehmen. Es sollte dann eine Recherche in einer bestimmten Region stattfinden.
Hierbei handelt es sich um inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf die Ausführungen der Tätigkeit. Soweit die Beigeladene zu
1. in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass sie hier in eigener Initiative tätig geworden ist, führt dies nicht zu einer
anderen Bewertung. Denn die Beigeladene zu 1. wird hier im Hinblick auf eine allgemeine Direktive tätig, die nicht ständig
für jeden einzelnen Termin konkretisiert werden muss und sich aus den allgemeinen Abläufen ergibt und die der Beigeladenen
zu 1. aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit auch bekannt sind. Der Unterschied zu der Vorgabe von Listen, die abzuarbeiten
sind, besteht lediglich darin, dass hier nicht einzelne Weisungen erteilt werden. Es ist jedoch anerkannt, dass Listen, die
abgearbeitet werden müssen, eine abhängige Beschäftigung kennzeichnen. Soweit die Klägerin hierin lediglich die Konkretisierung
eines Auftrages im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses erblickt, kann dem vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden.
Die Beigeladene zu 1. war/ist frei im Hinblick auf die Lage ihrer Arbeitszeiten. Vorgegeben ist nur das wöchentliche oder
monatliche Auftragsvolumen in Arbeitsstunden, was jedoch ungewöhnlich für eine selbständige Tätigkeit erscheint (s.u.). An
welchen Tagen und zu welchen Zeiten am Tag die Klägerin die Akquisetätigkeit durchführt, ist nicht geregelt und steht der
Beigeladenen zu 1. frei. Diese Freiheit spricht tendenziell eher für eine selbständige Tätigkeit, obwohl auch bei abhängig
ausgeübten Tätigkeiten gerade im Homeoffice grundsätzlich weitgehende Freiheiten im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeiten
bestehen.
Die Bezahlung der Stunden zu einem festen Stundensatz deutet eher auf eine abhängige Beschäftigung hin. Geschuldet wird nicht
ein Arbeitsergebnis, hier denkbar in Form einer Anzahl von Anrufen oder erfolgreichen Terminvereinbarung, sondern eine Dienstleistung
für eine bestimmte Zeit. Im Zusammenhang mit der Bewertung des unternehmerischen Risikos, welches keinerlei Investitionen
erfordert (was allerdings bei derartigen Dienstleistungen üblich ist), besteht nicht die vom BSG hervorgehobenen Möglichkeit, zumindest durch besonderen Fleiß einen höheren Verdienst zu erzielen. Die Bezahlung der Stunden
der eingesetzten Arbeitskraft entspricht eher einer abhängigen Beschäftigung. Bei einer selbstständigen Recherche dürfte man
erwarten, dass die Akquise nach eigenen Vorstellungen erfolgt, z.B. um möglichst viele Anrufe zu tätigen und/oder Termine
zu vereinbaren, um so den Umsatz bzw. Verdienst zu steigern. Erfolgt jedoch eine Bezahlung nach Stunden, die vorher in ihrem
Umfang festgelegt werden, ergibt sich nicht die vom BSG für erforderlich und maßgeblich gehaltene Möglichkeit der Verdienstoptimierung bei einer Dienstleistungstätigkeit (BSG v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R). Es besteht noch nicht einmal bei der auch im Rahmen vieler abhängigen Beschäftigungen bestehende Option, durch hohen Arbeitseinsatz
und Fleiß einen höheren Verdienst zu erzielen. Denn die Anzahl der Stunden war vorgegeben.
Ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung spricht die Nutzung einer E-Mail-Adresse der Klägerin und der Internetauftritt,
in welchem die Beigeladene zu 1. als Mitarbeiterin im Bereich Marketing geführt worden ist. Das Sozialgericht hat zutreffend
darauf hingewiesen, dass die Beigeladene zu 1. nach außen gegenüber den potentiellen Kunden als Mitarbeiterin der Klägerin
aufgetreten ist. Die Behauptung, dass das bei externen Dienstleistungen zwingend erforderlich sei, kann nicht nachvollzogen
werden. So ist es durchaus möglich, dass externe Dienstleister im Kontakt mit Kunden zu erkennen gegeben, dass sie im Auftrag
einer anderen Firma handeln und der betreffende Mitarbeiter nicht zu dieser Firma gehört. Die Nutzung einer entsprechenden
E-Mail ist auch bei externen Dienstleistungen nicht zwangsläufig und automatisch erforderlich, sie erweckt aber nach außen
den Anschein der Zugehörigkeit zu der sich aus der E-Mail-Adresse ergebenden Organisation. Es mag sein, dass aufgrund der
Tendenz, bestimmte Arbeitsabläufe an externe Dienstleister zu übertragen das Bedürfnis besteht, dies nach außen nicht erkennen
zu lassen. Dieser äußere Anschein, der bewusst gesetzt wird, um die Auslagerung von Arbeitsprozessen gegenüber den Kunden
und Ansprechpartnern zu verschleiern, spricht jedoch als Indiz für eine abhängige Beschäftigung, weil hierdurch eine Zugehörigkeit
zu dem eigenen Betrieb bewusst erzeugt wird und damit auch eine hieraus folgende Einflussmöglichkeit auf den betreffenden
Mitarbeiter. Soweit vorgetragen worden ist, dass die Nutzung einer firmeneigenen E-Mail-Adresse branchenüblich sie, ergibt
sich auch aus diesem Befund keine abweichende Beurteilung. Hieraus folgt nur, dass möglicherweise in der Branche ein erhöhtes
Bedürfnis besteht, Tätigkeiten an externe Dienstleister auszulagern. Die durch den Corporate-Look bzw. hier die Nutzung einer
firmeneigenen E-Mailadresse bewusst und gezielt hervorgerufene Zugehörigkeit zu dem Unternehmen bleibt auch dann ein Indiz,
wenn in der betreffenden Branche häufig so vorgegangen wird. Das allein schon deshalb, weil möglicherweise in einer Vielzahl
von Fällen tatsächlich abhängige Beschäftigungen vorliegen können.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung überwiegen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände. Die Beigeladene
zu 1. war über den (eingeschränkten) Serverzugriff und Nutzung der IT-Struktur bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in die betriebliche Organisation der Klägerin
eingegliedert. Die Tätigkeit erfolgte zwar im Hinblick auf die freie Akquise ohne inhaltliche Vorgaben, was jedoch nicht zwangsläufig
auf eine selbständige Tätigkeit hindeutet, wenn es sich aus der Art der Tätigkeit ergibt und/oder auf der Qualifikation und
damit verbundener Autonomie beruht. Hinzu kommt, dass es teilweise auch Vorgaben im Hinblick auf Wunschkunden oder durch die
bereits feststehenden Termine als organisatorische Einbindung durch vorgegebene Betriebsstrukturen gegeben hat. Die Bezahlung
nach Arbeitsstunden und die insoweit fehlende Möglichkeit, einer Verdienststeigerung kennzeichnet eine abhängige Beschäftigung,
ebenso die Nutzung einer E-Mailadresse der Klägerin. Demgegenüber steht die bereits erwähnte Freiheit bei der Ausübung der
Tätigkeit in Form der freien Akquise, der Wille der Beteiligten, die offensichtlich eine selbständige Tätigkeit etablieren
wollten und die Möglichkeit, sich die Arbeit zeitlich relativ frei einteilen zu können sowie die Nutzung nicht sehr kostenintensiver
Arbeitsmittel, wie Telefon, PC und Internetanschluss, die normalerweise in einem Haushalt ohnehin vorgehalten werden. Der
Einbindung in die IT-Strukturen der Klägerin mit der Möglichkeit der Termineintragung und Einsichtnahme in den Kalender ist
als gewichtiges Eingliederungsmerkmal zu bewerten, zusammen mit der Art der Bezahlung und den fehlenden unternehmerischen
Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf den Verdienst ergibt sich daher trotz der insbesondere höheren Freiheit bei der zeitlichen
Ausgestaltung der Akquise im Gesamtbild eine abhängige Beschäftigung.
Aus der 2010 beanstandungsfrei durchgeführten Betriebsprüfung lässt entgegen der Auffassung der Klägerin sich kein Vertrauensschutz
ableiten. Nach der Rechtsprechung des BSG können Arbeitgeber aus beanstandungsfreien Betriebsprüfungen in der Regel keine Rechte herleiten, weil sie nur den Zweck
haben, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen, es sei denn die
konkret zu beurteilende Tätigkeit ist statusrechtlich in diesem Rahmen durch Verwaltungsakt festgestellt worden bzw. das Prüfverfahren
mit einem Verwaltungsakt abgeschlossen worden. (s. BSG v. 19.09 2019 – B 12 R 25/18 R in juris, Rn. 30). Beides war 2010 nicht der Fall.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG). Weder handelt es sich um eine ungeklärte Rechtsfrage noch ist der Senat mit seiner Entscheidung von höchstrichterlicher
oder obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen.
Der Streitwert war gemäß §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
63 Abs.
2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 € festzusetzen (vgl. BSG v. 20.02.2017 – B 12 KR 95/16 B in Juris).