Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Geschäftsführer einer GmbH
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht im Bereich der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung
des Klägers zu 2. für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1. (S. GmbH) betreibt in der Rechtsform der GmbH die Vermietung und Verpachtung sowie den Handel mit Immobilien. Ihr Stammkapital beträgt
25.000,00 €. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin zu 1. ist die S1 ApS. Im Gesellschaftsvertrag ist keine Regelung zu den
Stimmverhältnissen bei Gesellschafterbeschlüssen enthalten.
Am Stammkapital der S1 ApS in Höhe von insgesamt 125.000,00 Dänische Kronen (DKK) waren zunächst bis 2018 die S2 ApS (nunmehr S3 ApS) in Höhe von 117.500 DKK (94%) und Herr T. in Höhe von 7.500,00 DKK (6%) beteiligt. 2018 schied Herr T. aus der Gesellschaft aus. Nunmehr hält die P. ApS, deren Alleingesellschafter der weitere
Geschäftsführer der Klägerin Herr P.S. ist, 4,8% und die L. Aps, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger zu 2. ist, 1,2%.
An der S3 ApS ist wiederum mit 80% die P. ApS (Alleininhaber der weitere Geschäftsführer P.S.) und mit 20% der Anteile die
L. ApS (Alleininhaber der Kläger zu 2.) beteiligt.
Laut den Gesellschaftervereinbarungen der S3 ApS (Eigentumsvertrag zwischen der L. Aps und der P. ApS vom 22. Dezember 2014 und 4. Oktober 2019) werden Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (Ziffer 5. der Verträge), soweit nicht eine zwingende gesetzliche Vorschrift oder der Gesellschaftsvertrag oder die Vereinbarung eine andere Mehrheit
vorsehen. Zudem regelt die Gesellschaftervereinbarung unter Ziffer 9. des jeweiligen Eigentümervertrages, dass ab Unterzeichnung
der Vereinbarung alle wesentlichen Entscheidungen in der Geschäftsführung der Gesellschaft oder auf den Hauptversammlungen
nur in Einigkeit zwischen den Parteien getroffen werden könnten. Diese Regelung gilt nunmehr unbefristet.
Dabei sind wesentliche Entscheidungen wie folgt definiert worden:
- Entscheidung zur Verteilung von Dividenden hierunter sowohl ordentlich als auch außerordentlich
- die Entscheidung zur Fusion, Spaltung und Änderung des für die Gesellschaft registrierten Stammkapitals, die Einreichung von
Gesuchen auf Sanierung oder Insolvenz sowie jegliche sonstigen Entscheidungen, wie Satzungsänderungen, bei denen laut Selskabsloven
(Dänisches Gesetz zu Aktien- und Kapitalgesellschaften) eine einfache Mehrheit nicht ausreichen würden
- Entscheidungen zum Kauf oder Verkauf von Immobilien sowie Abschluss, Kündigung oder Aufhebung von Mietverhältnissen in Bezug
auf Immobilien
- Entscheidungen bezüglich wesentlicher Änderungen an Werten, Vision, Mission und/oder Strategie der Gesellschaft, hierunter
Erschließung neuer oder Aufgabe existierender Märkte oder Geschäftsfelder sowie Verkauf oder Outsourcing des gesamten Geschäfts
der Gesellschaft oder Teilen hiervon, hierunter Tochtergesellschaften und/oder Unternehmensbeteiligungen.
- Entscheidungen bezüglich des Abschlusses von Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft auf der einen Seite und einer Partei,
dem natürlichen Eigentümer einer Partei oder deren Nahestehenden auf der anderen Seite sowie Verfügungen, die sonst aufgrund
ihres Charakters, ihrer Größe, Laufzeit oder aus anderen Gründen für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind.
- Treffen von Verfügungen, die nicht unter die obenstehenden Punkte fallen, jedoch aufgrund ihres Charakters, ihrer Größe, Laufzeit
oder aus anderen Gründen für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung sind.
Diese Regelungen sollten in dem Umfang, in dem es innerhalb der deutschen Gesetzgebung möglich ist, auch Anwendung auf die
Tochtergesellschaften der Gesellschaft finden. Es wird wegen des weiteren Inhalts Bezug genommen auf die Eigentümervereinbarungen
vom 22. Dezember 2014 und 4. Oktober 2019.
Der Kläger zu 2. ist bei der Klägerin zu 1. seit dem 18. September 2013 Geschäftsführer. Weiterer Geschäftsführer ist Herr
P.S., zuständig für strategische Entscheidungen, der Kläger zu 2. für operative und strategische Entscheidungen. Nach dem
Geschäftsführervertrag vom 23. September 2014 ist der Kläger zu 2. alleinvertretungsberechtigt und von dem Selbstkontrahierungsverbot
nach §
181 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) befreit und erhält eine monatlich gleichbleibende Vergütung in Höhe von 3.513,75 €, jährlich 42.165 € (für das Kalenderjahr 2014) bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden. Vereinbart wurde, dass das Gehalt nach dem Ende eines Wirtschaftsjahres
für das kommende Jahr neu zu verhandeln ist. Entsprechend sind Nachträge über das Gehalt vereinbart worden. So wurde u.a.
ab dem 1. Juli 2016 das Jahresgehalt auf 52.164 €, zahlbar in zwölf monatlichen Raten, erhöht (Nachtrag zum Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 24. Mai 2016 (Bl. 219 der Prozessakte)). Daneben sieht der der Vertrag die Zahlung einer gewinnabhängigen Tantieme in Höhe von 5% des ermittelten Jahresergebnisses
der Gesellschaft vor Ertragsteuer und Tantiemen etwaiger anderer Geschäftsführe vor. Nach § 5 Abs. 4 besteht ein Anspruch
auf Reisekostenerstattung gegen Einzelnachweis sowie die Möglichkeit einer Pauschalierung bei Übernachtungen. Die Vergütung
wird im Fall von Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Dauer von 12 Monaten weitergezahlt und auf die Vergütung wird Lohnsteuer
entrichtet. Der Kläger zu 2. war befugt, Personal selbständig einzustellen und zu entlassen. Aus § 6 des Vertrages ergibt
sich ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Der Zeitpunkt des Urlaubs kann vom Geschäftsführer unter Berücksichtigung
der Belange der GmbH selbst bestimmt werden. Soweit aufgrund der Geschäftslage der Urlaub nicht oder nicht ganz genommen werden
kann, eröffnet § 6 Abs. 2 einen Vergütungsanspruch in Höhe von 75% des Gehalts. Eine Kündigung war zu jeder Zeit möglich,
eine Kündigungsfrist wurde nicht vereinbart. Es wird inhaltlich Bezug genommen auf den Geschäftsführervertrag vom 23. September
2014, Bl. 215 bis 218 der Prozessakte.
Außer den Geschäftsführern sind bei der Klägerin zu 1. keine Mitarbeiter beschäftigt. Die S1 ApS beschäftigt zwei Mitarbeiter,
eine Sekretärin und einen Hausmeister in Teilzeit. In der S3 ApS (S2 ApS) sind keine Mitarbeiter beschäftigt.
Der Kläger zu 2. leistete eine Bürgschaft in Höhe von 201.342 € für Verbindlichkeiten der Gesellschaften S1s ApS und der S3
ApS (S2 ApS).
Der Kläger ist zudem Geschäftsführer der S 5 GmbH, einer Schwesterfirma der Klägerin zu 1. Auch hier ist bei einem ähnlichen
gesellschaftsrechtlichen Konstrukt der sozialversicherungsrechtliche Status streitig und Gegenstand des Parallelverfahrens
mit dem Az. L 3 BA 7/19.
Die Kläger beantragten am 29. September 2014 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für die Geschäftsführertätigkeiten
für die S. und S 5.
Mit Anhörungsschreiben vom 4. Dezember 2014 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über
das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen und für die Beschäftigung des Klägers zu 2. bei der Klägerin zu 1.
Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung beginnend ab dem 1. Juli 2014 festzustellen.
In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestünde keine Versicherungspflicht.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 wies der Kläger zu 2. daraufhin, dass er keinerlei Weisungen der weiteren Gesellschafter
in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort seiner Tätigkeit unterliege. Er trage ein persönliches, unternehmerisches Risiko, da er eine
persönliche, selbstschuldnerische Bürgschaft über 1.500.000,00 DKK (ca. 201.300,00 €) gegenüber einer finanzierenden Bank als Sicherheit für Kreditverbindlichkeiten der Unternehmensgruppe im Rahmen des Erwerbes
der Anteile an der Klägerin zu 1. abgegeben habe. Er verfüge trotz der mittelbaren Minderheitsbeteiligung über die gesellschafts-
und zivilrechtliche Möglichkeit, wesentlichen Einfluss auf die Klägerin zu 1. zu nehmen, da ihm nach der Gesellschaftervereinbarung
als Minderheitsgesellschafter weitgehende Rechte eingeräumt würden. Somit sei es ihm auch möglich, Beschlüsse hinsichtlich
seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1. herbeizuführen oder insbesondere abzuwenden. Zudem sei bei Aufnahme der Tätigkeit
für die Klägerin zu 1. bis zum 1. Juli 2014 kein Arbeitsentgelt vereinbart gewesen. Diesen Ausführungen schloss sich die Klägerin
zu 1. an.
Mit Bescheiden vom 6. Januar.2015 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern fest, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer
des Klägers zu 2. bei der Klägerin zu 1. seit dem 1. Juli 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt
werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Versicherungspflicht beginne am 1. Juli 2014. In der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.
Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
überwiegen. Der Kläger zu 2. könne kraft seiner mittelbaren Beteiligung am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die
Geschicke der Gesellschaft ausüben. Er sei durch seine Minderheitsbeteiligung an der S2 ApS nicht in der Lage dort oder in
der S1 ApS bei der Klägerin zu 1. maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft auszuüben. Angesichts der Zahlung
fester Bezüge trage der Kläger zu 2. kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Allein aus der weisungsfreien
Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden, da der Kläger zu 2. ansonsten in
eine nicht von ihm vorgegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert sei und nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der
Gesellschafterbeschlüsse handeln dürfe, so dass er der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterliege. Dies gelte
auch dann, wenn diese Gesellschafter von ihren Überwachungsbefugnissen regelmäßig keinen Gebrauch machen würden.
Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger am 9. Februar 2015 Widerspruch. Der Kläger zu 2. könne kraft seines Anteils am Stammkapital
maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Klägerin zu 1. ausüben. Zudem sei er „Kopf und Seele“ der Gesellschaften. Laut
dem Gesellschaftsvertrag der S3 ApS (S2 ApS) würden alle wesentlichen Entscheidungen der Gesellschafter jedenfalls im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren ab Unterzeichnung
nur einvernehmlich getroffen werden können, sodass der Kläger zu 2. aufgrund seines Anteils am Stammkapital der Gesellschaft
auf deren Geschicke maßgeblichen Einfluss ausüben könne. Er könne als Geschäftsführer nur mit seiner Zustimmung abberufen
werden.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 27. August 2015 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Zur Begründung vertiefte
sie ihre Ausführungen aus den Ausgangsbescheiden und führte ergänzend aus, dass entgegen der Widerspruchsbegründung eine Sperrminorität,
die auf bestimmte Bereiche beschränkt sei, die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht ausschließe. Eine Bürgschaft
oder Darlehensgewährung würden typischerweise grundsätzlich keine unternehmerische Position im eigentlichen Sinne begründen,
da sich durch sie nicht die rechtliche Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft erhöhe.
Die Kläger haben am 16. September 2015 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und zur Begründung ihre Ausführungen aus
dem vorhergehenden Verwaltungsverfahren vertieft Ergänzend ist ausgeführt worden, dass die Regelung über die Stimmverhältnisse
bei wesentlichen Entscheidungen in der S3 ApS (S2 ApS) bis Dezember 2019 gültig seien. Über die mittelbare Verbindung S3 ApS (S2 ApS) und der S1 ApS sei von einer maßgeblichen Sperrminorität mit voller Beherrschung der Klägerin zu 1. durch den Kläger zu 2.
auszugehen. Der L. ApS stünden nach dem dänischen Gesellschaftsvertrag für die maßgebliche S3 ApS (S2 ApS) umfassende Sperrminoritätenrechte zu, weil alle dort beschriebenen Entscheidungen unter den Gesellschaftern nur einvernehmlich
getroffen werden könnten. Damit sei für alle wesentlichen Entscheidungen die Zustimmung des Klägers zu 2. erforderlich. Es
bestünden gerade keine rechtlichen Möglichkeiten, dem Kläger zu 2. in wesentlichen Fragen von dritter Seite Weisungen zu erteilen.
Nur der Kläger zu 2. besitze Markterfahrung für den Immobilienmarkt in H., er sei aus der Unternehmensgruppe der Einzige,
der die deutsche Sprache ausreichend beherrsche und Kontakte im H. Raum zu den finanzierenden Banken unterhalte. Sollte der
Kläger zu 2. ausscheiden, könnten die Gesellschaften so nicht fortbestehen. Hinzu komme, dass durch die Bürgschaft ein hohes
unternehmerisches Risiko bestehe.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich nicht um eine umfassende Sperrminorität handele und nach der Rechtsprechung
des BSG für einen Minderheitengesellschafter-Geschäftsführer in diesem Fall keine Weisungsfreiheit bestehe. Das BSG habe darüber hinaus dargelegt, dass aus einer Darlehensgewährung kein unternehmerisches Risiko abgeleitet werden könnte.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Januar 2019 abgewiesen. Es sei von einer abhängigen Beschäftigung des Klägers
zu 2. auszugehen. Er sei als Minderheitengesellschafter nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen zu unterbinden und
verfüge nicht über eine umfassende Sperrminorität. Der Kläger zu 2. sei am Stammkapital mittelbar über eine Kette durch die
in seinem alleinigen Eigentum befindliche L. ApS beteiligt, die wiederum zu 20% an S3 ApS (S2 ApS) beteiligt sei, die nunmehr 94% an der S1 ApS halte, deren Tochtergesellschaft die S. Aps sei. Laut Gesellschaftervereinbarung
der maßgeblichen S3 ApS (vorher S2 ApS) würden auf der Hauptversammlung der Gesellschaft alle Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit getroffen, sofern nicht
das Selskabosloven, die Satzung oder die Vereinbarung eine andere Mehrheit erfordern. Der Geschäftsanteil des Klägers zu 2.
reiche somit nicht aus, um ihm unliebsame Weisungen der Mehrheitsgesellschafterin zu verhindern. Darüber hinaus verfüge der
Kläger zu 2. nicht über eine umfassende Sperrminorität, diese sei ihm auch nicht dadurch vermittelt worden, dass alle wesentlichen
Entscheidungen der Gesellschaft einstimmig zu treffen seien. Unabhängig von der zeitlichen Beschränkung handele es sich lediglich
um eine partielle Sperrminorität. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der Bürgschaft. Das hieraus folgende wirtschaftliche
Risiko sei nicht mit der Geschäftsführertätigkeit verbunden, sondern in erster Linie mit der Stellung als Gesellschafter.
Denn mit der Bürgschaft würden Forderungen gegenüber der Gesellschaft abgesichert. Die eigene Arbeitskraft sei gerade nicht
mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt worden. Für seine Tätigkeit habe der Kläger zu 2. als Gegenleistung nämlich vereinbarungsgemäß
eine feste monatliche Vergütung erhalten. Demgegenüber komme der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbots nur eine untergeordnete
Bedeutung zu. Auch das Fachwissen und die Erfahrung sowie die Sprachkenntnisse könnten nicht zu einer anderen Einschätzung
führen, da die gesellschaftlich abgesicherte Rechtsmacht maßgeblich sei.
Gegen das ihr am 8. März 2019 zugestellte Urteil haben die Kläger am 14. März 2019 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe
die Übernahme der Bürgschaft zu Unrecht nicht als unternehmerisches Risiko und damit Indiz für eine selbständige Tätigkeit
gewertet. Der Geschäftsführer trage aufgrund der übernommenen Bürgschaft das volle unternehmerische Risiko für seinen Erfolg
oder Misserfolg. Zudem könne er über eine mittelbare Beteiligungskette bestimmenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft
ausüben und er sei in der Lage, jede ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Alle wesentlichen Entscheidungen würden der
Einstimmigkeit unterliegen, nämlich soweit das Handelsgeschäft der Klägerin zu 1. betroffen sei, der Kauf und Verkauf von
Immobilien sowie deren Vermietung und darüber hinaus alle weiteren relevanten Entscheidungen. Nur noch fiskalische Hilfsgeschäfte
würden nicht der Einstimmigkeit unterliegen. So bestünde beim Einkauf von Kugelschreibern eine sehr theoretische Weisungsgefahr
des Geldgebers, nicht jedoch bei der Ausübung des eigentlichen Handelsgeschäfts.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Januar 2019 und die Bescheide der Beklagten vom 6. Januar 2015 in Gestalt der
Widerspruchbescheide vom 27. August 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2. als Geschäftsführer
der Klägerin zu 1. ab dem 1. Juli 2014 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem
Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Das Sozialgericht habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen
und im Berufungsverfahren seien keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen worden, die eine Änderung der Rechtsauffassung
rechtfertigen würden.
Am 4. Oktober 2019 wurde die Gesellschaftsvereinbarung der S3 ApS (S2 ApS) nach Ablauf von fünf Jahren erneuert und auf nunmehr unbestimmte Zeit geschlossen, ohne dass es zu weiteren inhaltlichen
Änderungen gekommen wäre.
Auf Anfrage des Berufungsgerichts haben die Kläger ergänzend Stellung genommen und vorgetragen, dass der weitere Geschäftsführer
(P.S.) als eine Art stiller Teilhaber fungiert habe, der dem Kläger zu 2. bei größeren Entscheidungen beratend zur Seite stehe.
Darüber hinaus habe er keine aktive Rolle gespielt und könne im Verhinderungsfall/Todesfall die Geschäfte der Klägerin zu
1. weiter betreiben. Der Kläger zu 2. hingegen habe die Struktur der S 6-Gesellschaften eingerichtet und führe die Klägerin
zu 1. weiterhin. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehörten die Finanzierungen im Bereich Real Estate, u.a. das Einholen und
Verhandeln von Finanzierungsangeboten, das Unterschreiben der Verträge und Grundschuldbestellungen, das notwendige Reporting
an die Finanzierungsgeber, das Definieren, Einholen, Verhandeln und Unterschreiben bzw. Vergeben von Dienstleistungsvereinbarungen
für das Betreiben der Immobilien. Es obliege in der Einrichtung des Geschäftsbetriebes allein dem Kläger zu 2., eine adäquate
Struktur für die Buchführung, das Controlling und das Reporting zu schaffen, ebenso sei er für die Zahlungsabwicklung zuständig,
die Gestaltung von Standardmietverträgen, die Verhandlung und der Abschluss von Gewerbemietverträgen, die Budgetierung, Begutachtung,
Planung und Durchführung von größeren Instandhaltungsaufgaben, ferner die Einberufung, Vorbereitung und Leitung von Gesellschafterversammlungen.
Diese Aufgaben würde der Kläger zu 2. auch für die dänischen Muttergesellschaften ausüben.
Die über die Bürgschaft des Klägers zu 2. abgesicherten Darlehen seien 2013 aufgenommen worden, um zum einen mit der S3 ApS
(S2 ApS) die Anteile an der S1 ApS zu erwerben und zum anderen, um bei der S1 ApS die deutsche Objektfinanzierung und Eigenkapitaleinlage
bei den Immobilienkäufen durch die Klägerinnen zu 1. zu realisieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und insbesondere gemäß §
151 SGG form- und fristgerechte Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand der Berufung ist die mit Bescheiden vom 6. Januar 2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27. August
2015 festgestellte Versicherungspflicht der Tätigkeit des Klägers zu 2. für die Klägerin zu 1. als Geschäftsführer ab dem
1. Januar 2014.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Tätigkeit des Klägers zu 2. als Geschäftsführer
der Klägerin zu 1. für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 unterlag der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung
(§ 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch <SGB VI> und § 25 Absatz ein Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch <SGB III>
für die Arbeitsförderung) Es handelt sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und nicht um eine selbstständige Tätigkeit. Die angefochtenen
(Feststellungs-) Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig und nicht zu beanstanden.
Beurteilungsmaßstab ist §
7 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch (
SGB IV). Danach ist Beschäftigung im Sinne des §
2 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, siehe etwa Urt. vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann bei Diensten
höherer Art eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist
eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte,
die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Trotz der faktisch bestehenden weitreichenden Befugnisse, die dem an der Klägerin zu 1. nicht direkt beteiligten Kläger zu
2. eingeräumt worden sind, ist aufgrund der Rechtsprechung des BSG (v. 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R und v. 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R, jeweils in juris) von einer abhängigen Tätigkeit auszugehen. Der Kläger zu 2. ist im streitbefangenen Zeitraum in einem fremden Unternehmen
tätig gewesen. Grund hierfür ist, dass er als Geschäftsführer ohne eigenen Anteil am Stammkapital der GmbH nicht über die
erforderliche Rechtsmacht verfügt, um Weisungen zu verhindern. Diesem Umstand kommt im Rahmen der nach §
7 Abs.1
SGB IV gebotenen Abwägung maßgebliche Bedeutung zu. Denn das Gesamtbild der Arbeitsleistung bestimmt sich nach den tatsächlichen
Verhältnissen und hierzu gehört — unabhängig von ihrer Ausübung — insbesondere die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht
(BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R in juris Rn 24; BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R in juris, Rn 21; LSG Baden- Württemberg v. 28.03.2017 – L 11 R 1310/16 in juris, Rn 48).
Das BSG hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass ein besonderes Fachwissen und die Erfahrung eines Geschäftsführers zwar durchaus
für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens von Bedeutung sein könnten, es aber ausschließlich auf die rechtlichen
Befugnisse des zu beurteilenden Geschäftsführers innerhalb der GmbH ankomme. Denn im Falle eines Zerwürfnisses hätten es die
Gesellschafter in der Hand, auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck zu ändern,
eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder die GmbH zu liquidieren. Ebenso sei es möglich gewesen, den Geschäftsführer
von seiner Tätigkeit zu entbinden (BSG v. 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R in juris Rn. 22). Die so genannte „Kopf- und Seele“-Rechtsprechung sei für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht
mehr heranzuziehen, an dieser Rechtsprechung werde nicht mehr festgehalten. Eine „Schönwetter-Selbstständigkeit“, die sich
ausschließlich daraus ableite, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen werde, während im Fall eines
Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, sei nicht anzuerkennen (BSG v. 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R in juris Rn. 24 und 25). Deshalb sei aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts-oder Überwachungsrechts nicht auf einen rechtswirksamen
Verzicht zu schließen und auch weitreichende Befugnisse im Alltag vermögen an der grundsätzlichen Weisungsunterworfenheit
nichts zu ändern. Maßgeblich ist allein die zur Verfügung stehende Rechtsmacht. Es gelten die Regelungen des Gesetzes über
die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) und danach haben die Gesellschafter einer GmbH eine in jeder Hinsicht übergeordnete Geschäftsführerkompetenz, weil die Geschäftsführer
der GmbH grundsätzlich weisungsgebunden sind, was sich mittelbar aus §§ 6 Abs. 3, 37, 46 Nr. 5 GmbHG ergibt. Das bedeutet, dass die Gesellschafter von Gesetzes wegen frei sind, in jeder beliebigen Geschäftsführerangelegenheit
zu entscheiden (LSG Baden-Württemberg v. 14.10.2016 – L 4 R 899/15 R in juris, Rn. 105 mit weiteren Nachweisen).
Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass sich auch dann keine abweichende Beurteilung ergibt, wenn man im Wege einer
mittelbaren Beteiligungskette auf die Verhältnisse der S3 ApS abstellt. Dass es auf diese Mehrheitsverhältnisse bei der Beurteilung
der rechtlichen Befugnisse ankommt, hat das BSG in einer aktuellen Entscheidung bekräftigt (BSG v. 08.07.2020 – B 12 KR 26/18 R in juris, Rn. 18). Zunächst können dem Kläger zu 2. aufgrund der Anteile der in seinem Eigentum befindlichen L. ApS lediglich ein Minderheitenanteil
von 20% zugerechnet werden, weitergehende Befugnisse lassen sich hieraus nicht ableiten. Der weitere Geschäftsführer verfügt
hingegen als Alleingesellschafter der P. ApS über 80% der Anteile an der S3 ApS, die wiederum 94% der Anteile der S1 ApS besitzt,
die Alleingesellschafterin der Klägerin zu 1. ist. Zusätzlich hält Herr P.S. 4,8% der Anteile an der S1 ApS, der Kläger zu
2. lediglich über 1,2%. Zwar ergeben sich für den Kläger zu 2. bestimmte Freiheiten, wenn man die Modalitäten zur Beschlussfassung
mitberücksichtigt und auf die Beurteilung der in Rede stehenden GmbH überträgt, jedoch reicht dies nicht aus, um von einer
Weisungsfreiheit und selbständigen Tätigkeit auszugehen. Dabei handelt es sich um eine partielle und nicht umfassende Sperrminorität.
So sieht die Gesellschaftervereinbarung der dänischen ApS grundsätzlich vor, dass Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit
der angegebenen Stimmen gefasst werden. Für die ersten fünf Jahre – und nach der weiteren Vereinbarung vom 4. Oktober 2019
für unbestimmte Zeit – können alle wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsführung der Gesellschaft oder auf den Hauptversammlungen
nur in Einigkeit, also einstimmig, getroffen werden. Die Einschränkungen sind vertraglich definiert und betreffen – insoweit
ist den Klägern Recht zu geben – die wesentliche Geschäftstätigkeit der Klägerin. Dennoch ist nicht von einer vollständigen
bzw. umfassenden Sperrminorität auszugehen. So sind Entscheidungen zur Verteilung von Dividenden, Entscheidungen, die den
Bestand und Änderungen der Gesellschaft betreffen, sowie die eigentliche Geschäftstätigkeit mit dem Kauf bzw. Verkauf von
Immobilien sowie Abschluss, Kündigung und Aufhebung von Mietverhältnissen, strategische Entscheidungen im Hinblick auf weitere
Geschäftsfeldern sowie Verfügungen, die aus anderen Gründen für die Gesellschaft aufgrund ihres Charakters, ihrer Größe und
Laufzeit einstimmig zu treffen, von dem Einstimmigkeitsgebot umfasst. Diese Regelung hat auch Auswirkungen auf die in Rede
stehende GmbH der Klägerin zu 1., denn sie soll auch in dem Umfang, in dem es innerhalb der deutschen Gesetzgebung möglich
ist, auf Tochtergesellschaften Anwendung finden. Da die in Rede stehende GmbH zu 100% im Eigentum einer Tochterfirma, nämlich
der S1 ApS steht, die wiederum zu 94% der S3 ApS gehört, werden die maßgeblichen Entscheidungen für die Klägerin zu 1. durch
die Gesellschaftsverhältnisse in dieser Gesellschaft vorgegeben.
Die grundsätzlich bestehende Weisungsgebundenheit wird jedoch nur durch eine umfassende Sperrminorität nach der Rechtsprechung
des BSG aufgehoben. Es reicht nicht aus, dass die wesentlichen Entscheidungen innerhalb einer GmbH nur einstimmig getroffen werden
können. Nur eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität vermag eine selbständige Tätigkeit bei einem Minderheitengesellschafter
zu begründen. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von
Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können.
Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht
zu vermitteln, auch wenn sie wesentliche Geschäftsinhalte betrifft (BSG v. 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R; BSG v. 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R jeweils in juris). Das gilt selbst für eine ggf. bestehende ordentliche Unkündbarkeit Infolge der Sperrminorität (BSG v. 29.06.2016 – B 12 R 5/14 R in juris, Rn.39) für die Geschäftsführertätigkeit.
Auch im hier zu beurteilenden Fall bei Übertragung dieser Grundsätze auf eine dänische ApS sind von dem Einstimmigkeitserfordernis
nicht sämtliche Angelegenheiten, die den Tätigkeitsbereich des Klägers zu 2. als Geschäftsführer betreffen, erfasst und er
war daher nicht in der Lage, sich umfassend bzw. vollständig gegenüber Weisungen des Mehrheitsgesellschafters und weiteren
Geschäftsführers in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit zur Wehr zu setzen. Sofern das gesamte Handelsgeschäft
der Klägerin zu 1. betroffen ist, gilt dies zwar für den Kauf bzw. Verkauf und auch für den Abschluss und die Kündigung von
Mietverhältnissen, betrifft jedoch keineswegs die gesamte Tätigkeit des Geschäftsführers. Denn diese besteht aber auch in
der Vertragsanbahnung, der Verhandlungsführung, der Erschließung neuer Projekte, der Betreuung von Bauvorhaben und Mietverhältnissen
etc. Hier gilt das Einstimmigkeitserfordernis nicht und es besteht die Möglichkeit, dass durch die Mehrheitsgesellschafter
für diese Tätigkeiten Weisungen erteilt werden. Im Einzelnen besteht für das Einholen und Verhandeln von Finanzierungsangeboten,
das Reporting an Finanzierungsgeber, das von den Klägern beschriebene Definieren, Einholen, Verhandeln und Unterschreiben
von Dienstleistungsvereinbarungen, die zum laufenden Betrieb der Immobilen erforderlich sind, ebenso die Schaffung einer adäquaten
Struktur für die Buchführung, Controlling und Reporting, die Gestaltung von Standardmietverträgen, Verhandlung von Gewerbemietverträgen,
auch für die Einberufung, Vorbereitung und Gestaltung der Gesellschafterversammlung kein Einstimmigkeitserfordernis. Soweit
es die Budgetierung, Begutachtung, Planung und Durchführung von größeren Instandhaltungsaufgaben der Immobilien betrifft,
kommt es auf das Auftragsvolumen im Hinblick auf den Wert an sowie auf den Umsatz der Klägerin zu 1., um beurteilen zu können,
ob es sich um eine Verpflichtung handelt mit wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft. Denn Verträge mit Dritten, die aufgrund
ihres Charakters, ihrer Größe, Laufzeit oder aus anderen Gründen von wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft sind, unterliegen
dem Einstimmigkeitserfordernis. Für laufende Instandhaltungsmaßnahmen und kleinere Sanierungen dürfte daher das Einstimmigkeitserfordernis
nicht gelten. Für den Abschluss von Mietverträgen und größeren Darlehensverträgen zur Finanzierung sowie den Kauf/Verkauf
von Immobilien ist Einstimmigkeit zwischen den Gesellschaftern erforderlich. Das gilt auch ausdrücklich für strategische Maßnahmen
im Hinblick auf die Tätigkeit und die Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf andere Bereiche und dürfte auch für die Entlassung
des Klägers zu 2. als Geschäftsführers gelten, weil es sich um eine Maßnahme von wesentlicher Bedeutung handelt. Zu differenzieren
wäre bei der Einstellung nach Personal nach der Dimension der finanziellen Verpflichtung, für Teilzeittätigkeiten als Hausmeister
und für Büroarbeiten wird es sich nicht um wesentliche Verpflichtungen in Bezug auf die Gesamttätigkeit der Klägerin zu 1.
und ihr Finanzvolumen handeln.
Auch wenn für alle wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf den Geschäftsbereich der Klägerin zu 1. das Einstimmigkeitserfordernis
besteht, gilt dies für eine Vielzahl von den von den Klägern ausführlich geschilderten Tätigkeitsbereichen als Geschäftsführer
nicht. Hier kann ungeachtet der tatsächlichen Ausgestaltung im Konfliktfall ein Weisungsrecht des Mehrheitsgesellschafters
und weiteren Geschäftsführers ausgeübt werden, es handelt sich deshalb nicht um eine qualifizierte Sperrminorität. Anders
als in einem vom erkennenden Senat abweichend entschiedenen Fall (LSG Hamburg v. 29.10 2019 – L 3 BA 20/18 in juris, Rn. 32 ) besteht für die hier zu beurteilende Konstellation kein Zustimmungserfordernis für jedwede Weisungen zu Geschäftsführermaßnahmen.
Im Ergebnis ist der Geschäftsführer P.S. aufgrund der ihm durch die Beteiligungskette zurechenbaren Geschäftsanteilen und
der hieraus folgenden Rechtsmacht als selbständiger Geschäftsführer anzusehen, nicht jedoch der Kläger zu 2.
Da sich der Einstimmigkeitsvorbehalt nur auf die wesentlichen Tätigkeitsbereiche des Klägers zu 2. und der Gesellschaft bezieht,
verstößt die Ausübung des Stimmrechts in Abhängigkeit der Eigentumsanteile durch die P. und den weiteren Geschäftsführer P.S.
als deren Alleingesellschafter nicht gegen die Statuten der S3 ApS bzw. die Eigentümerverträge und würde auch keinerlei Schadensersatzansprüche
auslösen. Dass die Regelung unter Ziffer 9. sich nicht auf alle wesentlichen Beschlüsse und damit Geschäftsfelder und Tätigkeitsbereiche
bezieht, ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Eigentümerverträge, die das Wort „wesentlich“ enthalten. Sollten dennoch
Zweifel bestehen, ob sich der Vorbehalt nicht auf alle Beschlüsse bezieht, werden diese durch die nachfolgende Aufzählung
und Definition von wesentlichen Beschlüssen ab Ziffer 9.1.1 („Wesentliche Beschlüsse umfassen u.a.“) beseitigt. Es hätte weder für die Verwendung des Wortes „wesentlich“ noch für die beispielhafte Aufzählung Veranlassung bestanden,
wenn die Vertragsparteien tatsächlich alle Beschlüsse unter das Einstimmigkeitserfordernis hätten stellen würden und lediglich
unbeholfen formuliert hätten. Hinzu kommt, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag auch zum Teil für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
typische Regelungen enthält, soweit es den Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Tagen betrifft, die monatliche Zahlung des
Geschäftsführergehalts und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diese enthält mit einer dem Krankengeldanspruch der gesetzlichen
Krankenversicherung ähnlichen großzügigen Absicherung im Krankheitsfall einen Anspruch auf das volle Gehalt im Krankheitsfall
bis zu einer Dauer von 12 Monaten. Daneben wird ein Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gewährt, was auch
eher für eine abhängige Tätigkeit spricht.
Die gebotene Abwägung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände führt zur Annahme einer abhängigen
und versicherungspflichtigen Tätigkeit. Dabei werden die abwägungsrelevanten Kriterien durch die Rechtsmacht und die hieraus
folgenden Gestaltungsmöglichkeiten — unabhängig von den praktizierten Verhältnissen — definiert. Deshalb kann die faktische
Ausgestaltung der Tätigkeit keine Berücksichtigung mehr finden. Denn eine „Schönwetter-Selbstständigkeit“, die sich ausschließlich
daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen werde, während im Fall eines Zerwürfnisses
dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen kommen könnte, wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht anerkannt
(BSG v. 29.07.2015 – B 12 R 1/15 R in juris, Rn. 24 und 25). Dass der Kläger zu 2. faktisch freie Hand hat und ein Weisungsrecht der Gesellschafter nicht ausgeübt wird, kann vor diesem
Hintergrund nicht gewichtet werden. Der Kläger zu 2. ist nicht Gesellschafter der GmbH und kann auch nicht über eine mit einer
Sperrminorität vergleichbaren Regelung über die Muttergesellschaft maßgeblich Einfluss auf die gewichtig zu wertende Ausgestaltung
seiner Geschäftsführertätigkeit nehmen, was für eine abhängige Tätigkeit spricht. Nach der Rechtsprechung des BSG führen die von den Klägern angeführten Einschränkungen der Gesellschafter durch das Einstimmigkeitserfordernis bei wesentlichen
Entscheidungen gerade nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil immer noch auf die täglich anfallende routinemäßig zu
verrichtende Tätigkeit – für einen selbständig Tätigen untypisch – erheblicher Einfluss genommen werden kann. Für eine selbständige
Tätigkeit spricht vorliegend nur der sich aus dem Anstellungsvertrag ergebende auf eine selbständige Tätigkeit gerichtete
Wille der Vertragsparteien. Darüber hinaus enthält der Vertrag neben der für eine selbständige Tätigkeit typischen Regelungen
auch solche, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Ein für eine selbständige Tätigkeit typisches unternehmerisches
Risiko ist nicht erkennbar, der Kläger zu 2. hat keine Anteile an der GmbH der Klägerin zu 1., er bezieht neben einer vom
Gewinn abhängige Tantieme ein Festgehalt, welches arbeitnehmertypisch monatlich gezahlt wird. Die Bürgschaft wurde nicht im
Hinblick auf Verbindlichkeiten der Klägerin zu 1. gewährt, sondern für für Verbindlichkeiten der Gesellschaften S1s ApS und
S2 ApS. Ein relevantes unternehmerisches Risiko für das hier in Rede stehende Statusverfahren und in Bezug auf die GmbH der
Klägerin zu 1. kann hieraus nicht abgeleitet werden. Ungeachtet dessen ergibt sich aus der Übernahme von Bürgschaften für
keine unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten bestehende Vergleichbarkeit mit einem beherrschenden
Gesellschafter-Geschäftsführer (BSG v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R –, BSGE 129, 95-106, SozR 4-2400 § 7 Nr 43, Rn. 16 – 17 unter Verweis auf BSG v. 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, Rn 26). Die Bürgschaft begründet kein mit der Tätigkeit bei der Klägerin zu 1. verbundenes Risiko, weder in Bezug auf eine abhängige
Beschäftigung noch für eine selbständige Tätigkeit, weil kein direkter Zusammenhang mit den geschuldeten Diensten in der Form
besteht, dass die Abgabe einer Bürgschaftserklärung geschuldet gewesen ist. Die Gründe hierfür sind — so das BSG außerhalb der Beschäftigung bzw. des Dienstverhältnisses zu suchen – hier in der Minderheitenbeteiligung an dem Unternehmen
als wirtschaftliches Investment, nicht aber als Gegenleistung für die geschuldete Tätigkeit (BSG v. 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R in juris, Rn. 29), hierfür erhält der Kläger zu 2. regelmäßige eine Vergütungszahlung und eine vom Ergebnis abhängige Tantieme.
Die Kostenentscheidung folgt aufgrund der Beteiligung des Klägers zu 2. unter Berücksichtigung einer subjektiven Klagehäufung
bzw. einer vergleichbaren Situation — wie vom Sozialgericht dargelegt — aus §
193 SGG (s. BSG v. 29.07.2015 – B 12 KR 23/13 R in juris. Rn. 33). Es sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG). Weder handelt es sich um eine ungeklärte Rechtsfrage noch ist der Senat mit seiner Entscheidung von höchstrichterlicher
oder obergerichtlicher Rechtsprechung abgewichen.