Erwerbsminderungsrente wegen der Kombination verschiedener gesundheitlicher Einschränkungen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung.
Den als Rentenantrag umgewandelten, im Rehabilitationsverfahren erhobenen Widerspruch des am xxxxx 1964 geborenen Klägers
vom 4. Mai 2009 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2009 ab und blieb im Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 bei
ihrer Entscheidung. Zuvor hatten der Neurologe/Psychiater A. und der Facharzt für Innere Medizin Dr. E. im Juni 2009 (Letzterer
nochmals bestätigt im H1 2009) unabhängig von eine Angebot eines medizinischen Rehabilitationsverfahrens das Leistungsvermögen
als vollschichtig mit qualitativen Einschränkungen eingeschätzt. Bei dieser Leistungseinschätzung blieb der Facharzt für Innere
Medizin Dr. F. im Dezember 2010 nach Abbruch der medizinischen Rehabilitation in der Klinik A1.
Im Klageverfahren gegen die Rentenablehnung ist der Neurologe/Psychiater Dr. R. nach Untersuchung des Klägers im März 2011
zu der Einschätzung gelangt, der Kläger verfüge noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mit qualitativen
Einschränkungen bei erhaltener Wegefähigkeit. Die Möglichkeit, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden, sei
unbeeinträchtigt. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 14. April 2011 abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Es liege eine Kombination verschiedener gesundheitlicher Einschränkungen vor,
die in ihrer Gesamtschau zu einer erheblichen Einschränkung des Leistungsvermögens und einem Rentenanspruch führten. Es bestünden
Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet und es folge aus dem Schlaf-Apnoe-Syndrom trotz Behandlung noch eine Tagesmüdigkeit.
Hinzu kämen Migräneattacken und eine depressive Symptomatik. Nicht umsonst sei die (vorzeitige) Entlassung aus der Rehabilitationsklinik
A1 als arbeitsunfähig erfolgt und nach der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht eine Krisenintervention in der psychiatrischen
Ambulanz der Allgemeinen Krankenhauses H. erforderlich geworden.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2010
und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2011 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente
wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Sie stehe im Einklang mit den medizinischen Ermittlungen. Die
Inanspruchnahme einer Krisenintervention in der psychiatrischen Ambulanz nach der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung
widerspreche ausweislich des dortigen Behandlungsberichts seiner Richtigkeit auch nicht.
Im Berufungsverfahren ist der Neurologe/Psychiater Dr. N. im Gutachten vom Juli 2012 nach Untersuchung des Klägers zu dem
Ergebnis gekommen, der Kläger könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen
vollschichtig verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Der Kläger sei auch fähig, eventuelle Hemmungen gegenüber einer
Tätigkeit zu überwinden. Im seinem Befund stimme er mit dem des behandelnden Arztes L. überein, könne jedoch dessen Einschätzung
des Leistungsvermögens nicht teilen. Im Gutachten nach §
109 SGG hat der Neurologe/Psychiater Dr. H2 im Januar 2013 die Auffassung vertreten, das Leistungsvermögen des Klägers sei auf leichte
Arbeiten mit erheblichen qualitativen Einschränkungen (insbesondere auf Arbeiten überwiegend im Gehen, nur zeitweise im Stehen
und Sitzen) im Umfang von weniger als 3 Stunden täglich beschränkt. Die Wegefähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei
aufgehoben, die Wegefähigkeit mit Pkw sei eingeschränkt. Es bestehe eine Unfähigkeit, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung
zu überwinden. Diese Leistungseinschränkungen bestünden seit Antragstellung. Nachdem die Klägerseite die Einschätzung von
Dr. H2 als überzeugend angesehen hat, hat für die Beklagte der Psychiater H1 im März 2013 Stellung genommen. Im Befund bei
Dr. H2 zeige sich kein relevanter Unterschied zu den Vorgutachten. Die Einschätzung des Leistungsvermögens als aufgehoben
sei deswegen nicht nachvollziehbar. Angesichts Aktivitätszunahme in Alltagsgestaltung sei die aufgehobene Wegefähigkeit ebenfalls
zu hinterfragen. In seiner Stellungnahme vom Juni 2013 hat Dr. H2 dazu erwidert: Eine depressive Störung könne zur Dekompensation
führen und wiederholt depressive Phasen könnten zur Abnahme der Kompensationsfähigkeit und Belastbarkeit führen. Die ängstlich-vermeidende
Persönlichkeitsstörung könne im Zusammenspiel mit anderen Gesundheitsstörungen ebenfalls die Belastbarkeit und Anpassungsfähigkeit
vermindern. Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche und Leistungsminderung seien bekannte Folgeerscheinungen des Schlaf-Apnoe-Syndroms
und diese könnten unter Umständen zu einer erheblichen Einschränkung des Leistungsvermögens führen. Das daraus auch eine Einschränkung
der Wegestrecke folgen könne, sei angesichts der Einschränkung der täglichen Arbeitszeit nicht mehr relevant. In seiner Stellungnahme
vom August 2013 hat der Neurologe/Psychiater Dr. F1 eingewendet, Dr H2 lege die Angaben des Klägers unkritisch zugrunde, obwohl
bereits die abgebrochene Rehabilitationsmaßnahme Hinweise auf ein starkes Rentenbegehren liefere. Der Befund unterscheide
sich nicht von Vorgutachten. Dr. H2 begründe nicht, warum sich seine Einschätzung dennoch von der der Vorgutachter unterscheide.
Im Gutachten vom Mai 2014 (nach Aktenlage) hat Dr. N. ausgeführt, in den Diagnosen stimme er mit Dr. H2 überein. In dem Untersuchungsbefund
bei Dr. H2 würden keine depressionstypischen Beeinträchtigungen beschrieben. Auch die Schilderung des Alltags sei weitgehend
unauffällig. Es finde sich keine gravierende Unangepasstheit. Die organischen Erkrankungen des Klägers führten zu insgesamt
nicht erheblichen qualitativen Einschränkungen. Deswegen bleibe seine (Dr. N.) bisherige Einschätzung des Leistungsvermögens
bestehen und er folge nicht Dr. H2. Die Kriterien für eine Unfähigkeit, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme zu überwinden,
seien nicht gegeben. In seinem ergänzenden Gutachten nach erneuter Untersuchung des Klägers hat Dr. N. darauf hingewiesen,
dass obwohl die Untersuchung des Klägers am späten Nachmittag stattgefunden habe auf Befundebene keine Konzentrationsstörung
mit Erschöpfung, keine kognitiven Defizite oder sonstigen Einschränkungen festgestellt werden konnten. Merkfähigkeit und Gedächtnis
seien unbeeinträchtigt gewesen. Auch eine Tagesmüdigkeit habe sich nicht feststellen lassen. Insgesamt lägen nur leichte Beeinträchtigungen
bei einer leicht ausgeprägten depressiven Symptomatik und Dysthymia vor. Damit bestehe noch ein Leistungsvermögen für leichte
und eingestreut mittelschwere Arbeit sechs Stunden und mehr täglich mit einigen qualitativen Einschränkungen bei erhaltener
Wegefähigkeit. Auch in Zusammenschau sämtlicher Erkrankungen könne das von Dr. H2 angenommene aufgehobene Leistungsvermögen
(bei übereinstimmendem psychischem Befund) nicht gesehen werden. Die somatoformen Beschwerden seien überwindbar.
Im erneuten Gutachten aus dem Juni 2014 ist Dr. H2 bei seiner bisherigen Einschätzung des Restleistungsvermögens geblieben.
Im Sitzungstermin am 1.Juli 2014 sind sowohl Dr. H2 als auch Dr. N. persönlich gehört worden. Sie haben jeweils ihre Gutachten
erläutert. Dr. H2 hat dabei klargelegt, dass er das aufgehobene Leistungsvermögen nicht aufgrund Erkrankungen auf psychiatrischem
Fachgebiet angenommen habe, sondern wegen des unbehandelten, aber behandlungsbedürftigen Schlaf-Apnoe-Syndroms, dessen Auswirkung
er (weil fachfremd) nicht beurteilen könne. Wenn er jedoch von einem behandelten Schlaf-Apnoe-Syndrom ausgehe, so hat Dr.
H2 im Termin ergänzt, bestehe kein aufgehobenes Leistungsvermögen, sondern er würde sich Dr. N. hinsichtlich der Einschätzung
des Restleistungsvermögens anschließen. Eine Tagesmüdigkeit habe er bei seinen Untersuchungen ebenfalls nicht beobachten können.
Nach Vertagung ist ein internistisches Gutachten zur Klärung der Frage, welche Leistungseinschränkungen aus dem Schlaf-Apnoe-Syndrom
folgen, vom Gericht in Auftrag gegeben worden. In seinem Gutachten vom April 2015 ist Dr. S. zu dem Ergebnis gekommen, dass
trotz des behandlungsbedürftigen Schlaf-Apnoe-Syndroms noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen, also eines für 6 Stunden
und mehr täglich, für leichte Arbeiten mit lediglich qualitativen Einschränkungen bei erhaltener Wegefähigkeit beim Kläger
bestehe. Die Behandlungsmöglichkeiten des Schlaf-Apnoe-Syndroms seien auch noch nicht ausgeschöpft. Eine psychosomatische
Behandlung in einer Kureinrichtung wäre anzuraten. Im Sitzungstermin vom 12. Mai 2015 hat Dr. S. sein schriftliches Gutachten
erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift
vom 12. Mai 2015 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung
gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden
erklärt haben (§
155 Abs.
4 in Verbindung mit Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§
143,
144,
151 SGG) ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die auf die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise
teilweiser Erwerbsminderung (wegen des Alters des Klägers scheidet ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit aus) gerichtete Klage abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug
auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§
153 Abs.
2 SGG). Die umfangreichen medizinischen Ermittlungen im Berufungsverfahren haben sowohl aus psychiatrischer als auch aus internistischer
Sicht die Einschätzung des erstinstanzlichen Gutachters bestätigt. Nachdem Dr. H2 seine abweichende Einschätzung allein auf
Leistungseinschränkungen durch das Schlaf-Apnoe-Syndrom gestützt und eingeräumt hat, die Auswirkungen dieser Erkrankung aus
dem internistischen Fachgebiet selbst nicht beurteilen zu können, gibt es für das Gericht keinen Anlass an den übereinstimmenden
Aussagen aller tätig gewordener medizinischer Gutachter zu zweifeln. Allein der Umstand, dass der Kläger diese sachverständigen
Einschätzungen nicht teilt, reicht nicht. Sowohl schriftlich als auch in ihren mündlichen Erläuterungen haben die Gutachter
Dres. N. und S. dargelegt, dass bei Kläger keine objektivierbaren Leistungseinschränkungen bestehen, die einer zumindest leichten
Arbeit von 6 und mehr Stunden täglich entgegenstehen.
Das Gericht folgt nicht der Aussage des behandelnden Psychiaters L., der mitgeteilt hat, der Kläger sei "überdauernd nicht
leistungsfähig" aufgrund anhaltend depressiver Störung bei neurasthener Persönlichkeitsstörung mit verminderter Leistungsfähigkeit,
denn zum einen hat er für seine Auffassung keine Begründung angegeben und die depressive Störung auch nur als leichte depressive
Episode verschlüsselt, so dass der Befund damit dem der anderen Mediziner entspricht. Zum anderen haben alle psychiatrischen
Gutachter überzeugend dargelegt, dass die leichte Depression nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens
führt. Selbst eine Tagesmüdigkeit als Folge des Schlaf-Apnoe-Syndroms konnte nicht von ihnen bestätigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG ist nicht gegeben.