Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für gerichtliche Geltendmachung von SGB II-Ansprüchen bei einem altersrentenberechtigten, über 65 Jahre alten Antragsteller
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1947 geborene Kläger absolvierte nach eigenen Angaben im Anschluss an den Hauptschulabschluss Ausbildungen als Filmkopienfertiger,
Kommandeursfahrer und sodann im Jahr 1969 als Kameraassistent. In letzterem Beruf war er bis Anfang Oktober 1975 erwerbstätig,
zuletzt beim N. als freier Mitarbeiter auf Grund so genannter Stückverträge. In den Jahren 1976 und 1978 war er noch tageweise
insbesondere für Radio B. als Kameramann beschäftigt. Ab Oktober 1975 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und ab April 1976
Arbeitslosenhilfe.
Auf Antrag seines damaligen Pflegers stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als seinerzeit zuständiger Träger
der gesetzlichen Rentenversicherung (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) die Erwerbsunfähigkeit des Klägers fest und
bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. Januar 1985 ab dem 1. November 1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit,
deren monatlicher Zahlbetrag seit 2005 seinen Hilfebedarf übersteigt. Der Kläger akzeptierte diese Rente nicht und zeigt sich
seit vielen Jahren nicht bereit, die Rentenzahlungen entgegenzunehmen, da er sich nicht für erwerbsunfähig hält.
Nachdem der Kläger aufgrund der Nichtannahme der Rente in finanzielle Not geriet, erhält er seit September 2006 von der F.
- Bezirksamt H. - als Träger der Sozialhilfe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), weil anerkannt ist, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Annahme der Rentenzahlungen nicht in der Lage ist (vgl. nur
LSG Hamburg, Beschluss vom 4.12.2006, L 4 B 486/06 ER SO; Beschluss vom 23.4.2007, L 4 B 116/07 ER SO). Die an den Kläger ausgezahlten Leistungen werden dem Sozialhilfeträger durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
erstattet.
In der Vergangenheit und Gegenwart waren und sind zahlreiche Gerichtsverfahren des Klägers in verschiedenen Gerichtszweigen
der hamburgischen Gerichtsbarkeit anhängig, die im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N., seiner nachfolgenden
Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit
standen und stehen, und mit denen der Kläger u.a. die Rehabilitierung seiner Person und Schadensersatzforderungen geltend
macht. Darüber hinaus wurden und werden seitens des Klägers immer wieder Anträge auf Wiederaufnahme von früheren, teils Jahrzehnte
zurückliegenden Verfahren vor dem Sozial- und Landessozialgericht Hamburg gestellt sowie zahllose Widersprüche, Erinnerungen
und Gegenvorstellungen eingelegt. Hinzu kommen unzählige Ablehnungsanträge und Dienstaufsichtsbeschwerden, Kostenanträge und
Anträge auf Abgabe von Akten.
Seit dem Jahr 2005 begehrte der Kläger zudem in einer Vielzahl von Hauptsacheverfahren gegen den Beklagten Leistungen nach
dem SGB II. Die Klagen wurden vom Sozialgericht Hamburg aufgrund des bestandskräftig festgestellten Rentenanspruchs wegen fehlender
Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des Klägers jeweils abgewiesen. Die dagegen in elf Verfahren erhobenen Berufungen
verwarf das Landessozialgericht Hamburg durch Urteil vom 10. Dezember 2009 (L 5 AS 6/09 u.a.) wegen partieller Prozessunfähigkeit des Klägers als unzulässig. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 2011 (B 14 AS 1/10 B) ebenfalls als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte das BSG aus, für Klagen und Berufungen fehle es dem Klägers am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da Ansprüche auf Leistungen
nach dem SGB II angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls unter jedem erdenklichen Gesichtspunkt ausschieden. Selbst wenn der Kläger
entgegen der Einschätzung des Rentenversicherungsträgers erwerbsfähig sein sollte, fehle es an der anspruchsbegründenden Hilfebedürftigkeit
im Sinne des SGB II solange das Rentenstammrecht des Klägers bestehe und hieraus monatliche Zahlungsansprüche geltend gemacht werden könnten,
die den Hilfebedarf des Klägers tatsächlich - und sei es nur über Leistungen eines Dritten - deckten.
Am 22. November 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. November 2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab und begründete dies damit, dass der Kläger erwerbsunfähig
sei und eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe. Dagegen legte der Kläger im Folgenden Widerspruch ein. In einer am 13. Dezember
2011 beim Beklagten eingegangenen, an den Kläger gerichteten "Bescheinigung" führte die Bundesagentur für Arbeit - Agentur
für Arbeit Hamburg - aus, dass der Kläger dort am 13. Dezember 2011 vorgesprochen habe, aber nach eigenen Angaben die Anspruchsvoraussetzungen
für Arbeitslosengeld I gem. §
117 ff. des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB III) nicht erfülle, so dass auf eine formelle Antragstellung verzichtet worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember
2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23. November 2011 im Wesentlichen mit der Begründung
des Ausgangsbescheides zurück.
Am 11. Januar 2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat das schriftliche Vorbringen
des Klägers sinngemäß dahingehend ausgelegt, dass dieser beantrage, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November
2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren und die Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Dezember 2011 aufzuheben. Die
so verstandene Klage hat es nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2013 abgewiesen.
Es könne offen bleiben, ob die Klage bereits aufgrund einer partiellen Geschäfts- und Prozessunfähigkeit für Begehren im Bereich
der Grundsicherung für Arbeitssuchende unzulässig sei. Jedenfalls fehle dem Begehren des Klägers unter Zugrundelegung der
Rechtsprechung des BSG das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet, da dem Kläger aufgrund seines Anspruchs
gegen den Rentenversicherungsträger ausreichende Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhalts zur Verfügung stünden und er
daher nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB II sei. Soweit der Kläger die Aufhebung der Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Dezember 2011 begehre, könne
er dieses Begehren schon nicht gegen den in diesem Verfahren Beklagten richten.
Gegen den ihm am 23. Dezember 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Dezember 2013 Berufung eingelegt, mit
der er sein erstinstanzliches Begehren hinsichtlich der beantragten Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB II weiterverfolgt. Er hat umfängliche Schriftsätze zur Akte gereicht, auf die verwiesen wird.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides
vom 23. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags
vom 22. November 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Mit Beschluss vom 14. August 2014 hat der Senat die Berufung nach §
153 Abs.
5 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der
Leistungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden,
weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss die Berufung der Berichterstatterin
übertragen hat, die nach §
153 Abs.
5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 23. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 21. Dezember 2011, mit welchem der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II abgelehnt hat. Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. Eine Berufung ist nur dann zulässig, wenn neben
den in §§
143,
144 und
151 SGG genannten auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen - insbesondere die Prozessvoraussetzungen - vorliegen. Zu diesen
gehört auch die Prozessfähigkeit des Klägers (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, vor §
51 Rn. 15), also die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Prozessbevollmächtigten zu führen sowie
Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegenzunehmen (vgl. Leitherer,
a.a.O., § 71 Rn. 1a).
Das Landesozialgericht Hamburg hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden (z. B. Urteil vom 14.10.2004 - L 5 AL 57/04; Beschluss vom 1.9.2005 - L 5 B 88/05 ER AS; Beschlüsse vom 20.8.2008 - L 5 B 229/08 PKH AS u. a.; Beschluss vom 16.12.2008 - L 5 B 1077/08 PKH AS; Beschluss vom 9.11.2009 - L 5 B 411/09 ER AS; Urteil vom 10.12.2009 - L 5 AS 6/09 u.a.; ebenso Urteil des 1. Senats vom 11.10.2006 - L 1 KR 17/06), dass es den Kläger zwar nicht als vollen Umfangs geschäftsunfähig ansieht, dass aber in seinem Falle aufgrund der maßlosen
Inanspruchnahme der Gerichte mit Verfahren, die in Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N., seiner nachfolgenden
Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit
stehen, von einer partiellen Geschäfts- und Prozessunfähigkeit auszugehen ist. Auf die ausführlichen Darlegungen in den vorgenannten
Entscheidungen nimmt der Senat Bezug. Diese Lebensbereiche sind auch in dem vorliegenden Verfahren betroffen, in dem es dem
Kläger der Sache nach um Leistungen für sich als erwerbsfähigem Hilfebedürftigen nach dem SGB II geht.
Der Senat kann hier offen lassen, ob diese Einschätzung fortbesteht, wenngleich er sich diesbezüglich aufgrund der fortgesetzten
maßlosen Inanspruchnahme der Gerichte durch den Kläger, der von diesem im Verfahren übersandten, ganz überwiegend unverständlichen
und zusammenhanglosen Schriftsätze sowie des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks bestätigt
sieht.
Denn es fehlt vorliegend an einer weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung - dem Rechtsschutzbedürfnis. Auch für Rechtsmittel gilt
der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (vgl. BSG, Urteil vom 8.5.2007, B 2 U 3/06 R). In seinem den Kläger betreffenden Beschluss vom 19. Dezember 2011 (B 14 AS 1/10 B) hat das BSG insoweit zutreffend ausgeführt, dass ein Rechtsmittel unnütz und deshalb unzulässig sei, wenn durch die angefochtene Entscheidung
keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsmittelführers betroffen seien und die
Rechtsverfolgung ihm deshalb offensichtlich keine Vorteile bringen könne. Dies sei in Bezug auf den Kläger der Fall. Er habe
unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Rentenstammrecht bestehe und daraus bedarfsdeckende Zahlungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Diese Ausführungen
macht sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung im vorliegenden Verfahren angesichts der auch
hier begehrten Leistungen nach dem SGB II zu eigen (so bereits Urteile vom 14.2.2013 - L 4 AS 202/12 und vom 11.5.2012 - L 4 AS 279/10).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.