Förderung der beruflichen Weiterbildung; Entziehung einer Zertifizierung; Rechtsweg zu den Sozialgerichten; einstweiliger
Rechtsschutz
Gründe:
Die am 30. Dezember 2008 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember
2008 ist statthaft und zulässig (§§
172,
173 des Sozialgerichtsgesetzes -
SGG).
Für den Streit um die Entziehung einer Zertifizierung hat das Sozialgericht zu Recht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten
nach §
51 Abs.
1 Nr.
4 SGG als eröffnet angesehen. Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Arbeitsförderung
(siehe auch Niewald, in: Gagel,
SGB III-Kommentar, §
84 Rn. 33, Stand: Dezember 2005). Unzutreffend aber hat das Sozialgericht seine örtliche Zuständigkeit angenommen, denn nach
§
57 Abs.
1 Satz 1
SGG war örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Antragstellerin als juristische Person des Privatrechts zur
Zeit der Antragstellung ihren Sitz hatte. Die Antragstellerin hat ihren Sitz jedoch nicht in Hamburg, sondern in W. in Bayern;
örtlich zuständig war das Sozialgericht Regensburg. Gleichwohl kam im Beschwerdeverfahren nach §
98 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
17a Abs.
5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (
GVG) eine Verweisung nicht mehr in Betracht. Denn eine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne des §
17a Abs.
5 GVG liegt auch vor, wenn diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen ist und selbst dann, wenn die erstinstanzliche
Entscheidung - wie hier - aus anderen Gründen den Antrag für unzulässig gehalten hat (siehe nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, §
57 Rn. 12; Lückemann, in: Zöller,
ZPO-Kommentar, 27. Aufl. 2009, §
17a GVG Rn. 18).
Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 3. November 2008 ist der Sache nach auf die Feststellung gerichtet,
dass der mit Schreiben der Antragstellerin vom 30. September 2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. September
2008 erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung hat; darüber hinaus geht es der Antragstellerin um die Aufhebung der Vollziehung
des mit diesem Bescheid verfügten Zertifikatsentzugs. An die hiervon abweichende Fassung des auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gerichteten Antrags ist das Gericht nicht gebunden (§
123 SGG).
Der so zu verstehende Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist statthaft und zulässig. Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende
Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Einstweiliger Rechtsschutz nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG ist auch statthaft, wenn es um die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs geht, weil die Behörde zu Unrecht
diesem keine aufschiebende Wirkung beigemessen hat (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, §
86b Rn. 5, 15). Nach §
86b Abs.
1 Satz 2
SGG kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen
worden ist. Für die begehrte Feststellung der aufschiebenden Wirkung und die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung steht
der Antragstellerin, deren Zertifikate noch bis November 2009 gelten, und die weiterhin Bildungsmaßnahmen anbieten und durchführen
will und hierfür einer Zertifizierung bedarf, ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat nach den für Eingriffsverwaltungsakte maßgeblichen Regeln zu erfolgen. Der
Senat folgt der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Antragsgegnerin als Beliehene
und damit als Behörde in einem Verwaltungsverfahren tätig wird und mit der Zertifizierung Verwaltungsakte erlässt (zur Einordnung
der Zertifizierungsagenturen als beliehene Behörden mit Verwaltungsaktbefugnis siehe Niewald, in: Gagel,
SGB III-Kommentar, §
84 Rn. 28 ff., Stand: Dezember 2005; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz,
SGB III-Kommentar, §
84 Rn. 63, Stand: Oktober 2006, §
85 Rn. 195, Stand: Februar 2007, §
87 Rn. 31, Stand: Dezember 2006; Stratmann, in: Niesel,
SGB III-Kommentar, 4. Aufl. 2007, §
84 Rn. 2; Eicher und Urmersbach, in: Eicher/Schlegel,
SGB III-Kommentar, vor §§
84 bis
87 Rn. 15, Stand: April 2008, § 84 Rn. 36, Stand: Juni 2008, § 85 Rn. 38, Stand: Oktober 2008, § 87 Rn. 23, Stand: Juni 2008;
SG Berlin, Urteil vom 24.7.2006 - S 77 AL 1354/03, EzB
SGB III §§
84,
85 Nr. 1, in juris: Rn. 13). Auch vorliegend ist die Antragsgegnerin mit Blick auf den Zertifikatsentzug vom 15. September 2008
als Behörde tätig geworden und hat einen Verwaltungsakt erlassen. Durch diesen sind der Antragstellerin zuvor von der Antragsgegnerin
durch Verwaltungsakt eingeräumte Rechtspositionen - nämlich das Zertifikat vom 15. November 2006, durch das die Antragstellerin
als Träger nach §
84 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) zugelassen worden ist, und das Zertifikat vom 1. Dezember 2006, durch das sechs Weiterbildungsmaßnahmen der Antragstellerin
nach §
85 SGB III zugelassen worden sind - nach §
11 Abs.
3 Nr.
1 der aufgrund des §
87 SGB III ergangenen Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung (AZWV) entzogen und so der Sache nach aufgehoben worden
in Anlehnung an § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, der durch den spezielleren § 11 Abs. 3 AZWV verdrängt wird (dazu
Eicher, a. a. O., vor §§ 84 bis 87 Rn. 17, Stand: April 2008).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz nicht wegen einer vorrangigen
Vereinbarung eines Schiedsverfahrens unzulässig (§
202 SGG in Verbindung mit §
1032 Abs.
1 der
Zivilprozessordnung -
ZPO). Denn nach §
1033 ZPO schließt eine Schiedsvereinbarung nicht aus, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf
Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens
anordnet. Die Einrede der Schiedsvereinbarung gilt damit nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor einem staatlichen
Gericht. Auch §
1041 ZPO, auf dessen Grundlage das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei vorläufige oder sichernde Maßnahmen anordnen kann, stellt
nur gleichrangig neben dem staatlichen Gericht einstweiligen Rechtsschutz zur Verfügung und geht diesem weder vor noch schließt
er ihn aus (Geimer, in: Zöller,
ZPO-Kommentar, 27. Aufl. 2009, §
1032 Rn. 9, §
1033 Rn. 1 f.; § 1041 Rn. 1). Es kann daher vorliegend offenbleiben, ob überhaupt ein Antrag in einer Angelegenheit streitbefangen
ist, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist auch begründet.
Die Antragsgegnerin ist hier passiv legitimiert. Denn streitbefangen ist allein der Zertifikatsentzug vom 15. September 2008
durch die Zertifizierungsagentur 1 mit Sitz in Hamburg. Unbeachtlich ist insoweit, dass gegenüber der Antragstellerin auch
die Zertifizierungsagentur 2 mit Sitz in K. gehandelt hat. Deren Handlungen oder Unterlassungen könnten zwar für die Beurteilung
der Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahme von Bedeutung sein. Dies ändert aber nichts daran, dass der Zertifikatsentzug von
der Antragsgegnerin verfügt worden ist.
Der gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 30. September 2008 eingelegte Widerspruch der Antragstellerin hat nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG aufschiebende Wirkung. Denn keine der in §
86a Abs.
2 SGG genannten Fallgruppen ist vorliegend einschlägig und lässt die aufschiebende Wirkung entfallen. Insbesondere ist der Formulierung
im Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. September 2008, dass die Zertifikate mit sofortiger Wirkung entzogen werden, nicht
eine Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des §
86a Abs.
2 Nr.
5 SGG zu entnehmen. Die Antragsgegnerin hat ersichtlich schon nicht die Vorstellung gehabt, überhaupt durch Verwaltungsakt zu handeln.
Mit der "sofortigen Wirkung" ist daher allein der Zeitpunkt der Entziehung der Zertifikate bestimmt.
Es kann daher offenbleiben, ob überhaupt ein die Entziehung nach § 11 Abs. 3 AZWV rechtfertigender Sachverhalt gegeben ist.
Erforderlich ist auch nicht eine Interessenabwägung, ob das private Interesse der Antragstellerin an einem Aufschub des Vollzuges
der Entziehungsentscheidung das öffentliche Interesse an derem sofortigen Vollzug überwiegt.
Die schon von Gesetzes wegen bestehende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin hat vielmehr zur Folge,
dass diese Wirkung angesichts ihrer Nichtbeachtung durch die Antragsgegnerin festzustellen und die Aufhebung der Vollziehung
nach §
86b Abs.
1 Satz 2
SGG anzuordnen ist. Wie von der Antragstellerin von Beginn an begehrt, ist die Vollziehung durch die Antragsgegnerin in der Weise
rückgängig zu machen, dass sie die Bundesagentur für Arbeit davon in Kenntnis setzt, dass die der Antragstellerin als Träger
und für deren Maßnahmen erteilten Zertifizierungen vorerst fortbestehen.
Die Streitwertfestsetzung für dieses Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nimmt auf den Regelstreitwert von 5.000 EUR
Bezug und beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Der Regelstreitwert
war nicht zu reduzieren, weil mit diesem Verfahren die Hauptsache angesichts der Geltungsdauer der Zertifikate bis November
2009 faktisch vorweggenommen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wird eine endgültige Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren
nicht möglich sein.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).