Anspruch auf des Arbeitslosengeld II, Absenkung bei Verletzung der Meldepflicht
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 29. Januar 2007, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§
172 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§
173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die Herabsetzung der ihm von der Antragsgegnerin gewährten Regelleistung
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
ab dem 1. Februar 2007 gewährt.
Das Gericht der Hauptsache kann in den Fällen, in denen der Widerspruch - wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II der Widerspruch
des Antragstellers gegen die befristete Herabsetzung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom
1. Februar 2007 - keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG). Dabei kommt es wesentlich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels an. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar
rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet,
weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist
hingegen das Rechtsmittel aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht
in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt
werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG 8. Auflage, §
86b Rn. 12c). Bei offenem Ausgang sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, der Widerspruch
bzw. die Klage aber später Erfolg hätten, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung
erlassen würde, dem Rechtsmittel aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller aaO., Rn. 12e; Krodel, NZS 2001, S. 449 ff., 456).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt zum Erfolg der Beschwerde, zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des SG und zur Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Bescheide
der Antragsgegnerin vom 4. und 16. Januar 2007; denn der Senat hält - anders als das SG - deren Entscheidung bei summarischer Prüfung für rechtmäßig. Zu Recht hat die Antragsgegnerin die Reaktion des Antragstellers
auf ihre Einladung vom 29. November 2006, am 8. Dezember 2006 in der Bildungseinrichtung G. N. Hamburg persönlich zu erscheinen,
um über sein Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation zu sprechen, zum Anlass genommen, die dem Antragsteller bewilligte
Regelleistung ab dem 1. Februar 2007 um 10 v. H. abzusenken. Dadurch dass dieser die von der Antragsgegnerin mitverantwortete
Gruppeninformationsveranstaltung in der o. g. Bildungseinrichtung vorzeitig - noch vor dem eigentlichen Beginn - wieder verlassen
hat, ohne dafür einen wichtigen Grund nachgewiesen zu haben, ist er trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen der
Aufforderung der Antragsgegnerin, sich bei ihr zu melden, nicht nachgekommen (§ 31 Abs. 2 SGB II).
Entgegen der Auffassung des Antragstellers war diese Aufforderung rechtmäßig; denn sie bezeichnete konkret einen nach §
59 SGB II i. V. m. §
309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (
SGB III) zulässigen Zweck und bestimmte klar, zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller an welchem Ort erscheinen sollte. Damit war
dem Erfordernis einer hinreichend bestimmten Aufforderung Rechnung getragen. Der Antragsteller konnte unschwer das ihm abverlangte
Verhalten erkennen (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 59 Rn. 15; Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31 Rn. 26).
Zwischen dem mitgeteilten Meldezweck - ein Gespräch über die berufliche Situation bzw. das Bewerberangebot des Antragstellers
- und dem tatsächlichen Meldezweck - die Teilnahme an einer sogenannten Gruppeninformationsveranstaltung - bestand, wenn überhaupt,
so nur ein scheinbarer Widerspruch, denn beides dient der Vorbereitung der Vermittlung bzw. aktiver Arbeitsförderungsleistungen
und stellt mithin einen zulässigen Meldezweck dar (§
309 Abs.
2 Nrn. 2 und 3
SGB III). Es reicht aus, wenn - wie hier - der Meldezweck in der Meldeaufforderung allgemein umschrieben wird. Eine ins Einzelne
gehende Darstellung ist nicht erforderlich (vgl. Voelzke aaO., Rn. 24; Estelmann in Estelmann, SGB II, § 59 Rn. 27).
Eine Gruppeninformation ist als Gegenstand der Meldepflicht nicht von vornherein ausgeschlossen, denn die Regelungen unter
§
309 SGB III enthalten keine Bestimmung zur Ausgestaltung des Meldetermins (vgl. hierzu und zum Folgenden: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil
vom 24.01.2002 - L 2 AL 9/00 - info also 2002, S. 106 ff., 108 f. - zu §
309 SGB III). Auch der Regelungszweck lässt eine Gruppenveranstaltung zu, wenn diese einem der gesetzlichen Meldezwecke dienen soll und
dafür geeignet ist. Dies war hier der Fall, denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern die von der Antragsgegnerin angestrebte
Information des Antragstellers über die beabsichtigte Erstellung seines beruflichen Profils ("Profiling") als Grundlage maßgeschneiderter
Qualifizierungskurse nicht innerhalb einer Gruppenveranstaltung stattfinden kann. Dass die konkreten Maßnahmen wie das sogenannte
"Profiling" und die darauf aufbauende Ermittlung des Fortbildungsbedarfs individuell erfolgen müssen, steht dazu nicht im
Widerspruch.
Die Rechtmäßigkeit der Aufforderung und - daraus folgend - die Befugnis der Antragsgegnerin, die Missachtung durch den Antragsteller
zu sanktionieren, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Antragsgegnerin ihm aufgegeben hatte, statt in ihren
Diensträumen in der Bildungseinrichtung zu erscheinen. Die allgemeine Meldepflicht des Arbeitslosen besteht gegenüber der
Antragsgegnerin, ohne zugleich auf deren Diensträume beschränkt zu sein. Die Meldung kann auch für andere Räumlichkeiten angeordnet
werden, an denen Mitarbeiter der Antragsgegnerin die Meldung entgegennehmen wollen (LSG Sachsen-Anhalt aaO., S. 108; vgl.
auch z.B. Voelzke aaO., Rn. 31 für das SGB II und z.B. Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
309 Rn. 62 für das
SGB III) Die gesetzliche Beschränkung der zur Entgegennahme der Meldung befugten Institutionen erfordert nicht zugleich die Festlegung
der Meldeorte; dem Meldezweck kann an jedem Ort entsprochen werden, an dem die Antragsgegnerin durch ihre Mitarbeiter ihren
Aufgaben nachkommt und zur Entgegennahme der Meldung bereit ist. So verhielt es sich hier, denn die Antragsgegnerin war Mitveranstalterin
der Gruppeninformation in der Bildungseinrichtung und durch ihre Mitarbeiterin K. dort vertreten. Dies war dem Antragsteller,
wie seine Ausführungen im Schriftsatz an das SG vom 25. Januar 2007 zeigen, durchaus bewusst. Wörtlich heißt es dort nämlich: "Richtig ist, dass wir aufgrund des Beginns
der Veranstaltung vor die Tür gegangen sind und sie mir dann in einem Zwei-Minuten-Satz nochmals die Absenkung des Regelsatzes
ankündigte. Bis dahin war mir weder Name noch Funktion von Frau K. bekannt." Unerheblich ist, welcher Bedienstete der Antragsgegnerin
zur Entgegennahme der Meldung zugegen war. Es muss nicht der Bedienstete sein, der die Meldeaufforderung veranlasst hat.
Indem der Antragsteller die Informationsveranstaltung vorzeitig - vor ihrem eigentlichen Beginn - verlassen hat, hat er den
Zweck der Meldung vereitelt. Allein darin liegt die Verletzung seiner Meldepflicht. Seine kurzfristige persönliche Anwesenheit
als solche ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Auf die Rechtsfolgen einer Versäumung der Meldung bzw. seines Verhaltens
war er nach seinem eigenen Bekunden hingewiesen worden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).