Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme,
die sie dem bei der Beklagten krankenversicherten, 1965 geborenen J. bewilligt hat. Dieser beantragte am 28. Februar 2012
bei der Beklagten eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Dem Antrag war ein Sozialbericht des Diplom-Sozialpädagogen
B. vom 30. Januar 2012 beigefügt, aus welchem sich eine Abhängigkeitserkrankung des Antragstellers seit den 1980er Jahren
(Alkohol, Cannabis und Heroin, seit den 1990er Jahren zusätzlich Polamidon) ergab und in welchem es zu den persönlichen Rehabilitationszielen
des Antragstellers heißt: "suchtmittelfrei leben, kognitiv leistungsfähiger werden, Hilfe bei beruflicher Orientierung, Struktur
im Leben entwickeln". Unter dem Punkt "Schwerpunksetzung für die medizinische Rehabilitation" heißt es: "Aufarbeitung der
Suchtproblematik, Abstinenz erreichen und stabilisieren, Rückfallprävention, Entwicklung von Frustrationstoleranz bzw. mit
psychischem Druck umgehen lernen, Affektkontrolltraining, Leistungsvermögen wieder steigern, Verbesserung sozialer Kompetenz"
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Sozialbericht Bezug genommen. Die Beklagte leitete den Antrag am 29. Februar
2012 an die Klägerin weiter.
Die Klägerin holte eine Gutachterliche Stellungnahme von ihrem Sozialmedizinischen Dienst ein. Der Facharzt für Innere Medizin
und Sozialmedizin Dr. F. kam in dieser Stellungnahme ohne Untersuchung des Versicherten am 2. April 2012 zu folgender Einschätzung:
"Aus ärztlicher Sicht ist eine Entwöhnungsbehandlung sinnvoll, wenngleich Zweifel an der Erfolgsaussicht bestehen. Den Unterlagen
zufolge scheint es sich um die erste derartige Maßnahme - nach mehr als 30 Entgiftungen - zu handeln. Insofern käme es auf
einen Versuch an. Die geforderte Erfolgswahrscheinlichkeit des §
10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) ist hier nicht gegeben, so dass ein nachrangiger Kostenträger gefunden werden müsste (z.B. GKV gem. §
40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -
SGB V)." Weitere Ausführungen enthält die Stellungnahme nicht.
Die Klägerin bewilligte dem Versicherten mit Bescheid vom 10. April 2012 eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in
der Rehabilitationseinrichtung Neues Land e.V ... Die erste Phase der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme begann am 30.
April 2012 und endete am 30. Oktober 2012, daran schloss sich eine Adaptionsphase bis einschließlich 28. Februar 2013 an.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2013 machte die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten hinsichtlich der
Kosten der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 29.561,75 Euro geltend. Zur Begründung führte sie aus, dass
sie als zweitangegangener Rehabilitationsträger gemäß §
14 Abs.
2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) über den Antrag habe entscheiden müssen und sie für die Leistung nicht der zuständige Leistungsträger gewesen sei, weil
kein Rehabilitationsbedarf im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe.
Die Beklagte bat die Klägerin mit Schreiben vom 2. August 2013 um die Übersendung des vollständigen Entlassungsberichts zur
Prüfung des Erstattungsanspruchs. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 3. September 2013 mit, dass sie den
Entlassungsbericht aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht übersenden könne, da eine rückwirkende Betrachtung bezüglich des
Erstattungsanspruchs nach §
14 SGB IX nicht zulässig sei. Die Klägerin fügte dem Schreiben die Stellungnahme des Dr. F. vom 2. April 2012 bei.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2013 lehnte die Beklagte die Zahlung des Erstattungsanspruchs ab. Nach weiterem Schriftwechsel
reduzierte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Februar 2014 die Erstattungsforderung auf die Kosten der ersten Phase der Rehabilitationsmaßnahme
in der Zeit vom 30. April 2012 bis zum 30. Oktober 2012 (18.536,25 EUR) und erhob insoweit Klage, welche das Sozialgericht
nach Durchführung eines Erörterungstermins, in welchem die Klägerin erklärte, auch zukünftig keine weiteren medizinischen
Unterlagen der Beklagten zur Verfügung stellen zu wollen, mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2017 abgewiesen hat. Zur Begründung
ist ausgeführt, das Gericht habe nicht feststellen können, dass die Beklagte als anderer Rehabilitationsträger für die Leistungen
zuständig gewesen sei. Die Frage, ob die Beklagte als anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig gewesen sei,
sei sowohl durch die Beklagte, als auch durch das Gericht voll überprüfbar. Dies beziehe sich sowohl auf die Frage, ob überhaupt
ein Rehabilitationsbedarf und die Voraussetzungen für die Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme nach dem
SGB V vorgelegen hätten, als auch auf die Frage, ob die Beklagte nicht vorrangig leistungsverpflichtet gewesen sei. Soweit §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX eine Erstattung der Aufwendungen des vorleistenden Trägers "nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften" vorsehe, bedeute
dies lediglich, dass der Fall von dem eigentlich zuständigen und damit erstattungspflichtigen Träger nicht noch einmal von
Grund auf neu aufzugreifen sei, der erstattungspflichtige Träger somit an die Sachverhaltsaufklärung bzw. eine etwaige Ermessensbetätigung
des vorleistenden Trägers gebunden sei. Dies beziehe sich aber auf den Ort und Umfang der Leistung und nicht auf die vorher
zu klärende Frage, ob der andere Rehabilitationsträger für die Leistung eigentlich zuständig gewesen sei. Da die Klägerin
aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Weitergabe der in der Akte enthaltenen medizinischen Unterlagen an die Beklagte abgelehnt
habe, könne die Verwaltungsakte der Klägerin wegen der Vorschrift des §
128 Abs.
2 SGG nicht verwertet werden. Die Klägerin habe der Beklagten allein die gutachterliche Stellungnahme von Dr. F. vom 2. April 2012
übersandt. Allein aufgrund der Stellungnahme des Dr. F. könne jedoch eine Zuständigkeit der Beklagten für die medizinische
Rehabilitationsmaßnahme nicht angenommen werden. Aus der Stellungnahme des Dr. F. gehe nämlich nicht ausreichend hervor, dass
er in Hinblick auf eine Zuständigkeit der Beklagten hinreichend berücksichtigt habe, dass auch die Gewährung einer medizinischen
Rehabilitationsmaßnahme nach §
40 SGB V das Bestehen einer positiven Rehabilitationsprognose gemäß §
10 der Rehabilitations-Richtlinie und damit eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistung
zur medizinischen Rehabilitation voraussetze. Woraus sich vorliegend die medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage
für den Erfolg der Leistung ergeben habe, gehe aus der Stellungnahme von Dr. F. nicht nachvollziehbar hervor. Ebenso wenig
habe Dr. F. begründet, warum die Entwöhnungsbehandlung notwendig gewesen sei, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit
des Versicherten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu
mildern, wenn zugleich nicht davon auszugehen sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch die Leistung wesentlich
gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne (§
10 Abs.
1 Nr.
2b SGB VI).
Die Klägerin hat gegen den ihr am 22. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. März 2017 Berufung eingelegt, mit welcher
sie vorträgt, es bestünden datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich einer Übersendung weiterer medizinischer Unterlagen, denn
diese seien nicht erforderlich, damit die Beklagte den Erstattungsanspruch bearbeiten könne. Zum Zeitpunkt der Antragstellung
hätten die persönlichen Voraussetzungen zur Erbringung einer Leistung durch sie, die Klägerin, nicht vorgelegen, da die geforderte
Erfolgswahrscheinlichkeit des §
10 SGB VI, also eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, vom ärztlichen Dienst der Klägerin zum maßgeblichen
Zeitpunkt der Prüfung nicht habe bestätigt werden können. Die Gewährung einer Entwöhnungsbehandlung im Rahmen des §
40 SGB V zulasten der Krankenversicherung sei aber als sinnvoll angesehen worden. Damit sei die Beklagte originär zuständig für die
Erbringung der im Zeitraum vom 30. April 2012 bis 30. Oktober 2012 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, an die Klägerin 18.536,25 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist der Auffassung, auch aus dem Sozialbericht des Herrn B.
ergebe sich ihre Zuständigkeit nicht. Dem Bericht sei nämlich zu entnehmen, dass Behandlungsziel auch die Integration in den
Arbeitsmarkt und die Erlangung der Arbeitsfähigkeit gewesen sei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 7. März 2019 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Die weiteren Einlassungen der Klägerin sind nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu tragen. Die Klägerin wiederholt
im Grunde ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Der Senat konnte sich aber aus den von ihm verwertbaren Unterlagen ebenso
wenig wie zuvor schon das Sozialgericht die Überzeugung verschaffen, dass - ausnahmsweise - die Beklagte hier der zuständige
Träger der Rehabilitationsmaßnahme gewesen ist. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass gemäß § 5 der "Vereinbarung
über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen
Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) Abhängigkeitskranker" (Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen) der Rentenversicherungsträger
für die Bewilligung von Entwöhnungsbehandlungen grundsätzlich zuständig ist, die Krankenkasse dagegen nur, wenn die persönlichen
und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§
9 bis
11 SGB VI nicht erfüllt sind, diejenigen nach §§ 27 und
40 allerdings erfüllt sind. Diese Regelung, die lediglich die gesetzliche Regelung noch einmal aufnimmt und verdeutlicht, zeigt,
dass der Regelfall die Zuständigkeit der Klägerin für die vorliegend streitige Maßnahme ist; die Zuständigkeit der Beklagten
ist die Ausnahme. Darlegungspflichtig für die Voraussetzungen sowohl des Nichtvorliegens der eigenen Zuständigkeit als auch
des Vorliegens der Voraussetzungen der die Zuständigkeit der Beklagten begründenden Normen ist daher die Klägerin.
Dies gelingt indes mit den allein verwertbaren Unterlagen - der Stellungnahme des Dr. F. und des Sozialberichts des Herrn
B. - nicht. Insbesondere lässt sich diesen Unterlagen eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage über den Erfolg
der Leistung zur medizinischen Rehabilitation auf der Basis der Erkrankung des Versicherten bei Berücksichtigung des bisherigen
Verlaufs, seines Kompensationspotentials und unter Beachtung individueller Kontextfaktoren nicht entnehmen. Die Stellungnahme
des Herrn B. erfolgte nicht aus medizinischer, sondern aus sozialpädagogischer Sicht, nimmt dabei in erster Linie das soziale
Umfeld sowie die Wünsche und Ziele des Versicherten in den Blick. Sie enthält keine Angaben zum psychopathologischen Befund
des Versicherten mit konkreten Funktions- und Fähigkeitsbeeinträchtigungen bzw. -Ressourcen. Einen derartigen Befund, aus
welchem sich Notwendigkeit und Belastbarkeit für eine medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ergeben könnten, zu erstellen,
obliegt auch in der Regel Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten und nicht Sozialarbeitern ohne medizinische Kenntnisse.
Ein derartiger Befund, welcher notwendig wäre, um dem Gericht eine Überzeugung einer positiven Rehabilitationsprognose zu
verschaffen, lässt sich auch den äußerst sparsamen Ausführungen des Dr. F., der im Übrigen selbst Zweifel am Erfolg der Maßnahme
äußert und ein konkretes Rehabilitationsziel, welches seiner Ansicht nach mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht werden
könnte, überhaupt nicht mehr benennt, nicht entnehmen.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.