Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit von April
2007 bis Juli 2008.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei den Beklagten als hauptberuflich Selbständiger freiwillig kranken- und pflegeversichert
und zahlte bis Ende März 2007 Beiträge in Höhe des vierzigsten Teils der monatlichen Bezugsgröße pro Kalendertag (75 % der
Bezugsgröße = 1.837,50 EUR). Hieraus ergaben sich Zahlbeträge von 266,44 EUR monatlich für die Krankenversicherung und von
35,83 EUR für die Pflegeversicherung.
Der Kläger erzielte im Kalenderjahr 2007 nach seinen Angaben im Monatsdurchschnitt ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit
als Steuerberater in Höhe von 1.045,50 EUR. Er war zudem Eigentümer einer vermieteten 2-Zimmer-Wohnung, für die auch im Zeitraum
2007 und 2008 Mieteinnahmen erzielt wurden. Nach den im Verfahren vorgelegten Steuerbescheiden aus den Jahren 2007 und 2008
ergaben sich allerdings negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger beantragte im April 2007 eine Beitragsentlastung und die Einstufung auf einen Beitragssatz in Höhe von 50% der
Bezugsgröße. Dies lehnten die Beklagten mit Bescheid vom 17. April 2007 unter Hinweis auf ihre Satzung ab. Hiernach sei die
beantragte Beitragseinstufung nur möglich, falls keine positiven oder negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt
würden. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. August 2008 erhob der Kläger gegen die Entscheidung der Beklagten Widerspruch und machte
geltend, dass sein Einkommen unterhalb der Mindesteinkommensgrenze von 1.837,50 EUR liege und dass sich seine wirtschaftliche
Situation - die nach den gesetzlichen Bestimmungen maßgebend sei - durch die Vermietung der Wohnung nicht verbessere. Hier
entstünden lediglich negative Einkünfte. Es sei hinsichtlich der Beiträge für das Jahr 2007 zu einer Überzahlung in Höhe von
691,47 EUR gekommen.
Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung hieß es, dass durch die beitragsmäßige Entlastung soziale Härten vermieden werden sollten. Das Immobilienvermögen
des Klägers, welches über eine eigengenutzte Eigentumswohnung oder ein eigengenutztes Haus hinausgehe, schließe die Bedürftigkeit
aus. Unerheblich sei dabei, dass z. Zt. negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erwirtschaftet würden.
Der Kläger hat am 4. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Mit Schriftsatz vom 2. September 2011 hat er die
nach seiner Auffassung überzahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum Januar bis Juli 2008 konkretisiert.
Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Beiträge im streitigen Zeitraum nach seinen tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen
oder in Höhe von 50% der monatlichen Bezugsgröße festzusetzen seien. Die im § 22a der Satzung der Beklagten genannten Voraussetzungen
lägen bei ihm vor. Soweit die Satzung in § 22a Abs. 1 Nr. 3 eine Beitragsbemessung in Höhe von 50% ausschließe, wenn das Mitglied
negative Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung erziele, sei dies nicht rechtmäßig und im Wege einer rechtskonformen Auslegung
zu korrigieren, denn dieser Ausschluss sei mit dem Sinn und Zweck des §
240 Abs.
4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) nicht zu vereinbaren. Aus §
240 Abs.
4 SGB V ergebe sich vielmehr, dass eine niedrigere Beitragseinstufung bei sozialer Bedürftigkeit zu erfolgen habe. Die negativen
Einkünfte aus der Vermietung führten gerade nicht zu einer finanziellen Entlastung. Ein Verkauf der Eigentumswohnung - die
als Alterssicherung gedacht sei - sei im Hinblick auf den aktuellen Verkehrswert und die aktuelle Darlehensbelastung nicht
wirtschaftlich. Der Ausschluss von Mitgliedern mit negativen Einkünften aus Vermietung oder Verpachtung führe zu einer nicht
gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit anderen Mitgliedern, die wirtschaftlich nicht schlechter, sondern vielfach besser
gestellt seien. Daher sei eine Herabsetzung der Beiträge angemessen. Die überzahlten Beiträge müssten zurückerstattet werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2011 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien
rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Beitragsermäßigung für die streitige Zeit. Ein solcher
Anspruch ergebe sich weder aus §
240 SGB V noch nach §
22a der Satzung der Beklagten. Insbesondere sei eine Beitragsermäßigung auf Grundlage von § 22a der Satzung der Beklagten nicht
möglich, denn der Kläger habe im betreffenden Zeitraum negative Einkünfte aus der Vermietung seiner Wohnung erzielt, so dass
nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 eine Beitragsermäßigung ausgeschlossen sei. Diese Ausschlussregelung sei nicht rechtswidrig und halte
sich in dem in §
240 Abs.
4 SGB V genannten Rahmen, wonach eine Satzungsregelung die wirtschaftliche Situation des Mitglieds und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen zu berücksichtigen habe. Bei dieser Bewertung bleibe nicht außer Acht, dass es sich um ein vergleichsweise
starres und schematisches Kriterium handele und dem Kläger insoweit Recht zu geben sei, dass im Einzelfall die wirtschaftliche
Situation eines Mitglieds mit Immobilieneigentum und Mieteinnahmen sich nicht besser darstelle als diejenige eines Mitglieds,
welches die Immobilie selbst nutze oder anderes Vermögen besitze. Eine Härtefallklausel enthalte § 22a der Satzung der Beklagten
nicht und es sei darauf hinzuweisen, dass etwa in den Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder
der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) eine Beitragsermäßigung
auch bei positiven oder negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfolgen könne, wenn nachgewiesen werde, dass
das den Einkünften zu Grunde liegende Miet- oder Pachtobjekt nicht verwertbar sei oder eine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich
oder unzumutbar wäre (vgl. § 7 Abs. 4 Nr. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze). Trotz dieser Umstände und der vom Kläger vorgetragenen
Einwände sei die hier maßgebliche Satzungsregelung der Beklagten aber rechtmäßig, wie auch das Sozialgericht Dresden in seiner
Entscheidung vom 23. September 2009 (S 25 KR 503/07) und das Sozialgericht Chemnitz in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2008 (S 10 KR 317/07) festgestellt habe. Die Beklagte habe sich bei der Regelung, welche Mitgliedergruppen für eine Beitragsermäßigung unterhalb
von 75% der monatlichen Bezugsgröße in Betracht kommen, im Rahmen ihres Ermessensspielraums gehalten. Hierbei sei zunächst
zu berücksichtigen, dass das Verfahren zur Beitragsfestsetzung im Interesse der Verwaltungspraktikabilität gewisse Schematisierungen
erfordere, um zeitnah zu einer Entscheidung zu gelangen, was einer eingehenderen und komplexen Prüfung und Bewertung des Immobilieneigentums
in der Tendenz entgegenstehe. Soweit die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Beklagten Einkünfte aus Kapitalvermögen und
aus Vermietung und Verpachtung unterschiedlich behandeln würden, liege hierin auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot
aus Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG), denn steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen könnten rasch und verwaltungspraktikabel ermittelt werden, der wirtschaftliche
Wert von (Immobiliar-)Vermögen hingegen nicht. Das Eigentum an einer nicht selbst genutzten Immobilie stelle ein sachgerechtes
Kriterium zur unterschiedlichen Beitragsbemessung von hauptberuflich selbständigen Mitgliedern dar, denn der Versicherte verfüge
über einen Vermögensgegenstand, aus dem grundsätzlich Einkünfte erzielt werden könnten. Es sei seine freie Entscheidung, ob
er den Vermögensgegenstand durch Vermietung zur Erzielung von Einkünften nutze oder ihn anderweitig nutze oder verwerte. Die
Erzielung von negativen Einkünften sei dabei nicht unbedingt ein Anzeichen von fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit,
sondern oft beabsichtigt, um die Steuerlast zu mindern. Dem Versicherten könne vorrangig die Verwertung der Vermögenssubstanz
zugemutet werden, bevor ihm wegen der geringen Höhe der nach dem Einsatz des Vermögens noch verbleibenden Einkünfte Beitragsnachlässe
eingeräumt würden.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Februar 2012 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 7. März 2012 Berufung eingelegt.
Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die in § 22a der Satzung befindliche Ausschlussregelung nicht rechtswidrig sei, sei
nicht haltbar. Die Beklagte habe sich bei der Regelung, welche Mitgliedergruppen für eine Beitragsermäßigung unterhalb von
75% der monatlichen Bezugsgröße in Betracht kommen, nicht im Rahmen ihres Ermessensspielraums gehalten. Das Eigentum an einer
nicht selbst genutzten Immobilie stelle kein sachgerechtes Kriterium zur unterschiedlichen Beitragsbemessung von hauptberuflich
selbständigen Mitgliedern dar. Negative Einkünfte aus einer solchen Immobilie würden sich nicht positiv auf die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Betroffenen auswirken. §
22a der Satzung der Beklagten widerspreche dem Sinn und Zweck der in §
240 Abs.
4 SGB V getroffenen gesetzlichen Satzungsermächtigung. Dem Kläger könne die geltend gemachte niedrigere Beitragseinstufung nicht
verwehrt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. September 2011 und den Bescheid vom 17. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 20. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, 1. dem Kläger unter Änderung der hierzu ergangenen Beitragsbescheide
ab dem 1. April 2007 eine Einstufung bzw. eine Bemessung der von dem Kläger zu zahlenden Versicherungsbeiträge zur Kranken-
und Pflegeversicherung auf der Grundlage der tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen bzw. auf Grundlage einer fiktiven
Mindesteinnahmengrenze von 50% der monatlichen Bezugsgröße vorzunehmen, 2. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Krankenversicherung
und zur Pflegeversicherung für das Kalenderjahr 2007 in Höhe von 1.209,00 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten,
3. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum Januar 2008 bis Juni 2008 in
Höhe von 412,14 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten, 4. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung für den Monat Juli 2008 in Höhe von 69,73 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie
den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte (VA) der Beklagten verwiesen.
Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 29. Februar 2012 (L 1 KR 1/11, juris) mit der hier streitigen Frage beschäftigt, ob im Rahmen einer weiteren Beitragsermäßigung die Anknüpfung an vorhandenes
Vermögen zulässig ist. Er hat dies grundsätzlich bejaht. Auf die dort gemachten Ausführungen wird Bezug genommen. Der Kläger
ist dem mit dem Hinweis entgegengetreten, dass es in dem dort zu entscheidenden Fall um positive Einkünfte aus Kapitalvermögen
gegangen sei. Dies sei mit der hier vorliegenden Konstellation der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht
vergleichbar. Der Kläger verkennt dabei, dass die gesetzgeberische Regelung in §
240 Abs.
4 Satz 4
SGB V gerade nicht an ein (positives oder negatives) Einkommen anknüpft, sondern an das Vorhandensein von Vermögen. Man mag diese
Regelung als unsystematisch ansehen, da im Übrigen bei der Beitragsbemessung auf das Einkommen abgestellt wird (in diesem
Sinne: Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 81. Erg.lfg. 2014, §
240 Rn. 54). Die Formulierung in §
240 Abs.
4 Satz 4
SGB V in der hier maßgeblichen Fassung "Dabei sind insbesondere das Vermögen des Mitglieds zu berücksichtigen." ist insoweit jedoch
eindeutig und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese gesetzgeberische Entscheidung nicht mit der Verfassung
zu vereinbaren wäre. Demnach ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Beklagte mit ihrer in der Satzung getroffenen Regelung
nicht innerhalb der Satzungsermächtigung halten sollte. Das Abstellen auf positive oder negative Einkünfte aus Vermietung
oder Verpachtung in § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten will dementsprechend auch nicht diese Einkünfte bei
der Beitragsbemessung berücksichtigten, sondern sieht diese als Beweis für vorhandenes, nicht selbst genutztes Immobilienvermögen
an, welches im Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage ein Absehen von einer weiteren Beitragsreduzierung rechtfertigt.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Kläger sein Klageziel mit der hier angestrengten Klage gar nicht erreichen kann.
Denn selbst, wenn die Regelung des § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten mit der Satzungsermächtigung nicht
im Einklang stehen würde, dürfte der Lösung des Rechtstreits nicht eine Satzung der Beklagten zugrunde gelegt werden, in der
einfach nur § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 gestrichen wird. Denn auf diese Art und Weise würde letztendlich eine unzulässige geltungserhaltene
Reduktion vorgenommen, die die Satzungsautonomie der Beklagten verletzten würde (vgl. dazu BSG, Urt. v. 13.12.2011 - B 1 KR 3/11 R, Rn. 20 bei juris m.w.N.). Denn selbst, wenn § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten in seiner konkreten Ausgestaltung
rechtswidrig wäre, gäbe es eine Vielzahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten für die Beklagten. So könnten sie beispielsweise
bei Beibehaltung des § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 eine Öffnungsklausel vorsehen, wie sie in den Satzungen anderer Krankenkassen
zu finden war. Eine Rechtswidrigkeit von § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten könnte daher nur die Rechtswidrigkeit
der gesamten Regelung zur Folge haben. Es verbliebe dann bei einer Beitragsbemessung auf der Grundlage des §
240 SGB V, der die angestrebte Beitragsreduzierung nicht vorsieht. Auch hierauf hat der Senat bereits in der genannten Entscheidung
vom 29. Februar 2012 hingewiesen.