Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Förderungsmaßnahmen für eine Weiterbildung zu gewähren. Konkret
angestrebt ist von der Klägerin eine Umschulung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin.
Die Klägerin hatte bereits im Mai 2020 einen Bildungsgutschein für eine entsprechende Umschulung beantragt. Die diesbezügliche
Ablehnung durch die Beklagte war Gegenstand des Verfahrens L 14 AL 196/20 = L 2 AL 46/20.Der Bescheid ist bestandskräftig, auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Senats vom 14. Juli 2021, sowie auf
den die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) ablehnenden Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2021 (B 11 AL 12/21 BH) wird Bezug genommen.
Nach der ursprünglichen Rechtslage hätte der Restanspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) spätestens mit Ablauf des
12. März 2020 geltend gemacht werden müssen und noch 63 Tage betragen. Aufgrund eines im August übersendeten Antrags der Klägerin
mit verschiedenen Streichungen, aus welchem sich bei wohlwollender Auslegung eine Arbeitslosmeldung zum 12. März 2020 ergeben
konnte und aufgrund der Sonderregelung des §
421d Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III), bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 17. August 2020 der Klägerin Alg für die Zeit vom 12. März 2020 bis zum 13. August
2020.
Am 12. August 2020 beantragte die Klägerin telefonisch erneut die Weiterbildung zur Gesundheits- und Pflegeassistentin. Mit
Bescheid vom 19. August 2020 und Widerspruchsbescheid vom 10. November 2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Anspruch
der Klägerin auf Leistungen der Beklagten sei seit dem 13. August 2020 erschöpft, die sachliche Zuständigkeit der Beklagten
daher nicht mehr gegeben.
Die Klägerin hatte bereits am 13. August 202 Klage erhoben, weil „das Arbeitsamt sie nicht umschule“. Die Umschulung sei immer
wieder verzögert worden. Auch nach Erlass des Widerspruchbescheides wolle sie an der Klage festhalten, denn man tue ihr Unrecht.
Sie wolle gerne arbeiten und sich für die Gesellschaft nützlich machen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Februar 2021 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es werde
auf die Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen. Eine Vorverlegung des Alg-Bezuges nach den Grundsätzen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruches komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin den Restanspruch inzwischen vollständig
aufgebraucht habe. Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid rechtzeitig Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, die
Beklagte habe immer wieder eine Testung als Voraussetzung für eine Umschulung benannt, diese Testung aber niemals durchgeführt.
Ihre Lebensplanung sei dadurch böswillig vereitelt worden.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
„das Verfahren zurückzuverweisen. Wäre eine Anhörung richtig erfolgt wie sie vorgeschrieben ist, wäre die Klage auszulegen.
Richterliche Hinweise wären dann ergangen bezüglich Unzulässigkeit. Der Fehler ist beim LSG nicht heilbar. Ist ein Fehler
nicht heilbar, muss die Rückverweisung erfolgen, auch wenn sie nach 2020 nur noch selten erfolgt. Dass hier entscheiden wird,
ist nur zulässig, wenn in dieser Instanz Fehler der ersten Instanz völlig beseitigt werden können. Einen abschließenden Antrag
kann ich nicht stellen ohne Anwalt, da es sich um Prozessrecht handelt.“
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. November 2021 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten
Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben. Sie ist nicht schon wegen möglicherweise fehlender Prozessfähigkeit der Klägerin unzulässig.
Zwar ist für die Zulässigkeit der Berufung grundsätzlich die Prozessfähigkeit des Berufungsklägers als Prozesshandlungsvoraussetzung
erforderlich. Jedoch muss im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes auch der Prozessunfähige die Möglichkeit haben,
den Prozess durch seine Handlungen in die höhere Instanz zu bringen. Dies gilt anerkanntermaßen für das Rechtsmittel der Partei,
die sich dagegen wendet, dass sie in der Vorinstanz zu Unrecht als prozessfähig oder als prozessunfähig behandelt worden ist
(BSG, Beschluss v. 29.7.2005 – B 7a AL 162/05 B- Juris; BGH, Urteil v. 4.11.1999 – III ZR 306/98 - BGHZ 143, 122-128). Andernfalls bliebe ein an dem Verfahrensverstoß leidendes Urteil der unteren Instanz aufrechterhalten, erwüchse in
Rechtskraft und könnte nur mit der Nichtigkeitsklage beseitigt werden (BGH a.a.O.). Gleiches gilt, wenn die Partei, deren
Prozessfähigkeit fraglich ist, sich gegen ein in der Vorinstanz gegen sie ergangenes Sachurteil wendet und mit ihrem Rechtsmittel
ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil erstrebt (BGH, Urteil v. 8.12.2009 – VI ZR 284/08 - FamRZ 2010, 548-550). Denn auch in diesem Fall würde mit der Verwerfung der Berufung als unzulässig ein möglicherweise fälschlich ergangenes
Urteil bestätigt, obwohl es sich bei der Prozessfähigkeit der Partei um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung
handelt. Aus den genannten Gründen ist die Klägerin jedenfalls für die Einlegung der Berufung als prozessfähig zu betrachten.
Jedoch ist die Berufung unbegründet, denn die am 13. August 2020 erhobene Klage war unzulässig. Insbesondere richtete sie
sich nicht, wovon das SG zu Unrecht ausging, gegen den Bescheid vom 19. August 2020. Denn dieser Bescheid war bei Eingang der Klage bei Gericht noch
nicht ergangen. Damit war die Klage nicht statthaft, denn über einen Anspruch der Klägerin auf Umschulungsleistungen hat die
Beklagte durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein solcher muss vorliegen, damit die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig
ist. Eine Möglichkeit, dies nachzuholen, wie es im Falle des fehlenden Vorverfahrens der Fall ist, vgl. §
78 SGG, besteht bei fehlendem Verwaltungsakt nicht, weil es sich insoweit um eine Prozessvoraussetzung handelt.
Die Klage war bei dem hier ersichtlichen Zeitablauf – Antrag am 12. August 2020, Klagerhebung am 13. August 2020 – auch nicht,
gegen die ausdrücklichen Ausführungen in der Klagschrift, als Untätigkeitsklage auszulegen.
Im Übrigen war die Klage aber auch unbegründet. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem zwischen den Beteiligten ergangenen,
rechtskräftigen Urteil vom 14. Juli 2015 ( L 2 AL 46/20 ) Bezug genommen.
Eine Zurückverweisung kam nicht in Betracht, denn die Unzulässigkeit der Klage wegen fehlenden Vorverfahrens ist nicht heilbar,
auch nicht durch das erstinstanzliche Gericht. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, dass die erste Instanz die
Klägerin hierzu nicht angehört hat.
Das Gericht konnte dem Beklagtenvertreter gestatten, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten
und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen und es durfte zu diesem Zweck auch die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an
diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus §
110a SGG, welcher eine Anfechtbarkeit einer entsprechenden Entscheidung auch ausdrücklich ausschließt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.