Lücken in einem Rentenversicherungsverlauf
Öffentliche Zustellung
Tatbestand:
Die 1940 in F. geborene Klägerin absolvierte nach ihrer Übersiedlung nach Deutschland im Jahr 1965 in den Jahren von 1968
bis 1971 eine Ausbildung zur Krankenschwester, war im Anschluss als solche beschäftigt. Nach Ende der Beschäftigung bezog
sie von Anfang 1983 bis Mitte März 1985 Leistungen der Beklagten. Im Rentenversicherungsverlauf findet sich dann eine Lücke
bis Mitte Oktober 1989. Ein letzter Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung wurde für Februar 1996 entrichtet. Danach war die
Klägerin nicht mehr erwerbstätig. Seit Mai 2005 bezieht sie eine Regelaltersrente in Höhe von knapp 400 EUR monatlich und
ergänzend laufende Hilfe zum Lebensunterhalt vom Grundsicherungsträger.
Am 15. Oktober 2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage gegen die Beklagte erhoben und deren Verurteilung zur
Zahlung "verlorenen Arbeitsverdienstes" "bis" bzw. ab 18. März 1985 - dem Tag der Beendigung der Zahlung von Arbeitslosenhilfe
- nebst 4 % Zinsen begehrt. Nach Verweisung an das örtlich zuständige Sozialgericht Hamburg mit Beschluss vom 6. November
2012 hat jenes vergeblich versucht, einen Erörterungstermin mit der Klägerin durchzuführen, nachdem die Beklagte mitgeteilt
hatte, dass eine Leistungsakte wegen deren Vernichtung nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht mehr existiere, aktuell kein
Verwaltungsakt ergangen und die Klage deshalb unzulässig sei.
Nach zwei Postrückläufen und fehlender Reaktion der Klägerin auf einen dritten Versuch, sie zur Absicht anzuhören, die Klage
durch Gerichtsbescheid abzuweisen, hat das Sozialgericht zunächst eine erneute Anhörung öffentlich zugestellt und anschließend
mit Gerichtsbescheid vom 12. März 2014 die Klage als unzulässig abgewiesen. Dabei hat es den Schriftsätzen der Klägerin das
Begehren entnommen, die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 18. März 1985 Leistungen zu gewähren. Diese Klage sei unzulässig.
Es gebe keinen anfechtbaren Verwaltungsakt, und auch eine echte Leistungsklage sowie eine Feststellungsklage seien nicht zulässig.
Auch den Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht öffentlich zugestellt. Er ist am 13. März 2014 an die Gerichtstafel geheftet
und am 22. April 2014 von dieser abgenommen worden.
Am 13. März 2015 sind zwei Schriftsätze der Klägerin unter Angabe des erstinstanzlichen Aktenzeichens eingegangen, in denen
unter anderem eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist. Dieses Begehren hat sie unter ausdrücklicher
Aufrechterhaltung der Klage mit mehreren Schriftsätzen wiederholt, nachdem das Sozialgericht sie darauf hingewiesen hatte,
dass die Klage bereits mit Gerichtsbescheid vom 12. März 2014 als unzulässig abgewiesen und dieser öffentlich zugestellt worden
sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 12. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 18. März
1985 Leistungen zzgl. 4 % Zinsen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 3. Juni 2015 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen
Richtern entscheidet (§
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und der mit Beschluss vom 13. Juli 2015 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung
des Berufungsverfahrens wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt hat.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 23. September 2015, die vorbereitenden
Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der
Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§
143,
144 SGG) Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegt worden. Die Berufungsfrist ist nicht versäumt worden, weil es an einer die Frist in Gang setzenden wirksamen Zustellung
des angefochtenen Gerichtsbescheids fehlt. Die öffentliche Zustellung nach §
63 Abs.
2 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§
185 bis
188 Zivilprozessordnung ist auf Fälle beschränkt, in denen sie als letzte Möglichkeit übrig bleibt, nachdem alle geeigneten und zumutbaren Nachforschungen
angestellt wurden, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
63 Rn. 17,17b mit weiteren Nachweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall gewesen. Die postalische Erreichbarkeit der Klägerin
war zwar nicht immer gewährleistet, die Adressen wechselten, zwischenzeitlich war nur eine Postfachadresse bekannt und zwei
Anhörungen zur Absicht des Sozialgerichts, die Klage durch Gerichtsbescheid zurückzuweisen, sind zurückgelaufen, weil der
Empfänger nicht zu ermitteln gewesen ist. Danach sind jedoch Ermittlungen zu einer etwaigen aktuellen Anschrift der Klägerin
unterblieben, und die Gerichtspost hat die Klägerin entgegen der Annahme des Sozialgerichts tatsächlich unter der dann gewählten
Postfachadresse erreicht, wie sich aus der Übersendung des nicht ausgefüllten Empfangsbekenntnisses auf Blatt 58 der Prozessakte
ergibt, das die Klägerin offensichtlich im Rahmen eines beim Landessozialgericht anhängigen Rechtsstreits eingereicht und
das das Landessozialgericht an die zuständige Kammer des Sozialgerichts weitergeleitet hatte.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die nach
§
153 Abs.
2 SGG Bezug genommen wird, abgewiesen. Im Verfahren vor dem Landessozialgericht ist nichts vorgetragen worden, was zu einer anderen
Bewertung Anlass gäbe. Entsprechend ist der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines
Rechtsanwalts mit Beschluss des Berichterstatters vom 13. Juli 2015 abgelehnt worden. Auch auf diesen Beschluss nimmt der
Senat Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.