Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin am 15. August 2010 und am 30. April 2011 jeweils Arbeitsunfälle erlitten
hat.
Die am xxxxx 1964 geborene Klägerin, die seit Januar 2012 in der S. wohnhaft ist, war zuvor als Krankenschwester in D. beschäftigt.
Am 19. August 2010 suchte die Klägerin den Durchgangsarzt Dr. H. auf und gab dort an, dass sie am 15. August 2010 beim Ziehen
eines Bettes aus dem Fahrstuhl einen Schmerz im Rücken verspürt habe, der seitdem anhalte. Dr. H. diagnostizierte eine Lumbago.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2011 beantragte die Klägerin die Feststellung eines Arbeitsunfalls aufgrund des Vorfalls vom
15. August 2010.
Mit Bescheid vom 25. September 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15. August 2010 als Arbeitsunfall
ab. Ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liege nicht vor, da durch die äußere Einwirkung am 15.
August 2010 kein Gesundheitsschaden verursacht worden sei.
Den mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 erhobenen Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25. September 2012 wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 zurück. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, wenn ein Körperschaden nur
zufällig im zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit spürbar hervorgetreten sei. Beim Ziehen
des Krankenhausbettes sei es zu keiner Gewalteinwirkung von außen auf den Körper gekommen.
Am 30. April 2011 suchte die Klägerin erneut den Durchgangsarzt Dr. H. auf. Sie gab dort an, dass sie am selben Tag beim Bettenmachen
auf der Station nach einer Drehbewegung plötzlich starke Schmerzen im Rücken und Lendenwirbelsäulenbereich gehabt habe.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles am 30. April 2011 mit der Begründung
ab, dass kein Unfall vorgelegen habe. Der eingetretene Gesundheitsschaden sei nicht auf die äußere Einwirkung bei der versicherten
Tätigkeit zurückzuführen.
Den Widerspruch der Klägerin vom 14. Januar 2012 gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2011 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 16. Januar 2013 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe, weil das
äußere Ereignis nicht den Körperschaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe. Bei der Klägerin würde zudem
seit September 2010 ein bekannter Prolaps der Bandscheibe im Segment der Lendenwirbelkörper 4 und 5 vorliegen.
Die Klägerin hat gegen beide Widerspruchsbescheide am 24. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben, das das Verfahren
an das Sozialgericht Hamburg verwiesen hat. Bei dem ersten Vorfall sei sie einem starken Ruck ausgesetzt gewesen, so dass
es sich sehr wohl um eine äußere Einwirkung gehandelt habe. Bei dem zweiten Vorfall habe sich dann die bereits vorher zu verzeichnende
Beeinträchtigung dramatisch verschlimmert.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens von Dr. K ... Dieser hat ausgeführt,
dass die Klägerin am 15. August 2010 möglicherweise eine Zerrung der Muskulatur im Lendenwirbelsäulenbereich erlitten habe.
Derartige Zerrungen würden innerhalb weniger Tage folgenlos ausheilen. Der Vorfall habe nicht zu einem Bandscheibenvorfall
führen können. Ein Bandscheibenvorfall sei nur dann vorstellbar, wenn es zu einer Zerreißung der Längsbandstrukturen, zu einer
Wirbelkörperverrenkung oder zu einem Knochenbruch komme. Weder habe eine biomechanische Gefährdung der Lendenwirbelsäule vorgelegen
noch seien derartige Veränderungen überhaupt nachgewiesen. Bei dem Ereignis am 30. April 2011 sei durch die Drehbewegung beim
Bettenmachen ebenfalls keine biomechanische Gefährdung der Wirbelsäule eingetreten. Sollte es hierbei zu einer Beschwerdesymptomatik
gekommen sein, so sei diese entweder mit dem Bandscheibenleiden zu begründen, welches sich nach der Aktenlage nicht verifizieren
lasse, oder im Sinne einer Lumbago. Ein Zusammenhang mit dem Ereignis am 15. August 2010 lasse sich auch nicht konstruieren.
Selbst wenn die Klägerin damals eine Zerrung der Lendenwirbelsäulenmuskulatur erlitten haben sollte, stehe dieses nicht in
Verbindung mit dem Ereignis vom 30. April 2011, da eine Zerrung spätestens nach 2 Wochen als ausgeheilt anzusehen sei.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2015 als unbegründet abgewiesen.
Es hätten bei beiden Ereignissen keine Arbeitsunfälle vorgelegen, da es an der haftungsbegründenden Kausalität gefehlt habe.
Die angeschuldigten einwirkenden Ereignisse hätten den geltend gemachten Gesundheitsschaden bereits nach dem aktuellen medizinischen
Erfahrungswissen objektiv nicht verursacht. Das Gericht folge hierbei der Einschätzung von Dr. K., dass beide Ereignisse keine
biomechanische Gefährdung für die Wirbelsäule dargestellt hätten. Auch lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob tatsächlich
Gesundheitsschäden eingetreten seien. Dem Gerichtsbescheid war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, dass gegen den Gerichtsbescheid
Berufung innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Landessozialgericht Hamburg schriftlich oder zur
Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder schriftlich bei der Gemeinsamen Annahmestelle für das Landgericht
Hamburg, das Amtsgericht Hamburg und weitere Behörden eingelegt werden könne. Die Berufungsfrist sei auch gewahrt, wenn die
Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht Hamburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
eingelegt werde. Die Berufungsschrift müsse innerhalb der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Der Gerichtsbescheid
ist per Einschreiben/Rückschein an die Klägerin gesandt worden. Auf dem Rückschein ist der 28. März 2015 als Auslieferungsdatum
vermerkt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2015, eingegangen bei Gericht am 7. Juli 2015 Berufung
eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei bei ihr postalisch am 2. April 2015 eingegangen. Zur mündlichen Verhandlung am 16. Februar
2016 ist der Ehemann der Klägerin, F., erschienen und hat eine von seiner Ehefrau unterschriebene Vollmacht vom 15. Februar
2016 zur Akte gereicht. Laut Sitzungsniederschrift ist dem Bevollmächtigten der Klägerin verdeutlicht worden, dass die Berufung
ohne Aussicht auf Erfolg sei, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Ihm ist angeraten worden, eine prozessbeendende
Erklärung abzugeben. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat anschließend erklärt: "Ich erkläre den Rechtsstreit in der Hauptsache
für erledigt." Die Erklärung ist vorgelesen und genehmigt worden.
Der Ehemann der Klägerin hat sich mit Schreiben vom 18. Februar 2016 an das Gericht gewandt. Seine Zustimmung zur Rücknahme
der Berufung sei unter Androhung einer empfindlichen Geldstrafe erpresst worden. Seine Zustimmung sei daher als grundsätzlich
nicht gegeben zu betrachten. Im Rahmen einer dienstlichen Äußerung hat der damalige Senatsvorsitzende erklärt, dass der Bevollmächtigte
in der mündlichen Verhandlung auf §
192 SGG hingewiesen und ihm bedeutet worden sei, dass der Senat eine Missbrauchsgebühr von 1.000 Euro verhängen würde, wenn seine
Ehefrau das offensichtlich aussichtslose Verfahren fortführe. Mit Schreiben vom 16. März 2016 hat die Klägerin erklärt, das
Verfahren wiederaufnehmen bzw. fortführen zu wollen.
Die Klägerin beantragt nach Aktenlage sinngemäß, das Berufungsverfahren fortzuführen und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Hamburg vom 5. März 2015 aufzuheben und den Bescheid vom 25. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.
Januar 2013 aufzuheben und festzustellen, dass sie am 15. August 2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat, sowie den Bescheid
vom 16. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2013 aufzuheben und festzustellen, dass sie
am 30. April 2011 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschriften vom 16. Februar 2016 und vom 22. November 2017 und den
weiteren Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die ursprünglich wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässige Berufung ist durch Erklärung des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016 erledigt. Diese Feststellung ist zu treffen, nachdem die Klägerin
die Wirksamkeit der Erklärung durch den Senat bestritten und die Fortsetzung des Verfahrens begehrt hat.
Die Erledigungserklärung der Hauptsache durch den Bevollmächtigten der Klägerin ist wirksam und hat zur Beendigung der Rechtshängigkeit
geführt, so dass eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgenommene Prozesshandlung
bindet die Klägerin, als hätte sie sie selbst vorgenommen, §
73 Abs.
6 S. 7 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i.V.m. §
85 Abs.
1 S. 1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO). Der Ehemann der Klägerin ist nach §
73 Abs.
2 S. 2 Nr.
2 SGG als volljähriger Familienangehöriger befugt gewesen, die Klägerin vor Gericht zu vertreten. Zudem ist eine schriftliche Vollmacht
für die mündliche Verhandlung zu den Gerichtsakten gereicht worden. Inhaltliche Beschränkungen hat die Vollmacht nicht enthalten.
Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die vom Bevollmächtigten der Klägerin erklärte Erledigung der Hauptsache ist - nach Hinweis des Senats auf die Versäumung
der Berufungsfrist - als Berufungsrücknahme nach §
156 Abs.
1 SGG auszulegen. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist die einseitige Erledigungserklärung möglich. Die Erledigungserklärung hat
hier (anders als nach §
91a Abs.
1 ZPO) keine eigenständige, insbesondere kostenrechtliche Bedeutung; sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder
als Klagerücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar (BSG, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 6 RKa 18/95, Rn. 11). Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden (BSG, a.a.O.). Ausnahmsweise wäre ein Widerruf entsprechend den Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines Verfahrens nach §§
179,
180 SGG möglich. Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens (§§
579,
580 ZPO) sind vorliegend jedoch offensichtlich nicht erfüllt. Insbesondere ist auch keine Amtspflichtverletzung darin zu sehen, dass
der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2016 auf eine mögliche Verhängung von Verschuldenskosten hingewiesen
hat, da diese Möglichkeit in §
192 SGG ausdrücklich vorgesehen ist.
Es kann dahinstehen, ob eine Widerrufsmöglichkeit bei falscher Belehrung eines Gerichts über das Verstreichen der Klagefrist
oder die Unzulässigkeit der Klage besteht (so Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 102 Rn.
7c; BFH, Urteil vom 6. Juli 2005 - XI R 15/04, BFHE 210, 24), da vorliegend zu Recht eine Belehrung erfolgt ist, dass die Berufungsfrist verstrichen gewesen ist. Die Berufungsfrist
beträgt nach § 151 Abs. 1 i.V.m. §§
153 Abs.
1,
87 Abs.
1 S. 2
SGG für die in der S. wohnhafte Klägerin drei Monate. Eine Zustellung erfolgt im Ausland nach §
63 Abs.
2 SGG i.V.m. §
183 ZPO nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen. Wenn Poststücke nach völkerrechtlichen Vereinbarungen unmittelbar
durch die Post übersandt werden dürfen, so soll die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Es kann
letztlich offenbleiben, ob Gerichtsbescheide der Sozialgerichte in der S. mit Einschreiben/Rückschein zugestellt werden können.
Denn jedenfalls ist ein etwaiger Zustellungsmangel mit der Kenntnisnahme des Gerichtsbescheids durch die Klägerin am 2. April
2015 nach §
189 ZPO geheilt worden. Das Berufungsschreiben der Klägerin ist erst am Dienstag, den 7. Juli 2015 bei Gericht eingegangen und ist
somit verfristet gewesen. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG liegen nicht vor.