Voraussetzungen der Gewährung von Hinterbliebenenrente nach bei dem verstorbenen Versicherten anerkannter Berufskrankheit
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres am 21.
Dezember 2018 verstorbenen Ehemannes.
Die Klägerin war bis zu dessen Tode die Ehefrau des am xxxxx 1934 geborenen Versicherten M.G.. Bei diesem war mit Bescheid
vom 24. Juni 2005 eine Silikose als Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Berufskrankheiten-Liste anerkannt. Mit Bescheid vom
27. November 2012 wurde dem Versicherten aufgrund dieser Erkrankung eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
um 20 vom Hundert (v.H.) ab dem 30. November 2012 zuerkannt. Mit Bescheid vom 11. Januar 2017 wurde die MdE ab dem 1. August
2016 auf 40 v.H. neu festgestellt und die Rente entsprechend erhöht. Es sei eine deutliche Verschlechterung hinsichtlich eines
Abfalls des Sauerstoffpartikeldrucks bei nun mittelgradiger Gasaustauschstörung der Lunge eingetreten.
Im Februar 2017 absolvierte der Versicherte eine stationäre Heilbehandlung zu Lasten der Beklagten in der B. Klinik B1, aus
welcher er ohne Hinweis auf eine wesentliche obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung bei normalen Blutgaswerten in
Ruhe und nach leichter körperlicher Anstrengung entlassen wurde. Im März, April und Juni 2017 erkrankte der Versicherte an
Lungenentzündungen, sein Allgemeinzustand verschlechterte sich, so dass bei dem Versicherten Mitte 2017 das Vorliegen des
Pflegegrades 2 festgestellt wurde. Einen Erstattungsanspruch der Pflegekasse des Versicherten lehnte die Beklagte im April
2018 ab. Eine Pflegebedürftigkeit aufgrund der Folgen der Berufskrankheit bestehe nicht. Unabhängig von der Berufskrankheit
seien die folgenden Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes bei dem Versicherten gegeben: Nikotinabusus, Verdacht auf
leichtgradige chronische Bronchitis, leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, Adipositas, chronische Myokardinsuffizienz,
hypertensive Herzerkrankung, arterieller Hypertonus, Zustand nach radikaler Zystektomie mit Illium-Conduit-Anlage und Appendektomie
2/2012 wegen Prostatakarzinom und Harnblasenkarzinom, lokales LWS-Syndrom, Arthralgie beider Schultergelenke, chronische Niereninsuffizienz
Stadium III, chronische Obstipation, Unterschenkelthrombose rechts, gastro-ösophageale Refluxerkrankung. Wegen der Verschlechterung
des Gesundheitszustandes wurde zudem seitens der Beklagten eine weitere Begutachtung des Versicherten veranlasst, zu welcher
es indes nicht mehr kam.
Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes des Versicherten vom 21. September 2018 bis 8. Oktober 2018 erfolgte die Neuimplantation
eines DDD-Schrittmachers bei AV-Block 3. Grades mit bradykardem Ersatzrhythmus. Vom 7. Dezember 2018 bis zum 14. Dezember
2018 befand sich der Versicherte erneut wegen einer beidseitigen Unterlappenpneumonie in stationärer Behandlung. Am 19. Dezember
2018 wurde der Versicherte über die Zentrale Notaufnahme in der A. Klinik H. aufgenommen, wo er am 21. Dezember 2018 verstarb.
Die behandelnden Ärzte führten aus, dass der Patient eine seit einigen Wochen bestehende Verschlechterung des Allgemeinzustandes
beklagt habe. Er habe bei Aufnahme aber keine Luftnot und keine Schmerzen geäußert, insbesondere keine Thoraxschmerzen. Im
Rahmen eines CT-Thorax-Abdomen vom 20. Dezember 2018 sei eine bekannte Silikose mit randständig verkalkten mediastinalen und
bihilären Lymphknoten festgestellt worden, bei unklarer pleuranaher Verdichtung des ventrobasalen linken Lungenoberlappens.
Der Befund sei nur atelektatisch, eine Raumforderung letztlich nicht auszuschließen. Bei Aufnahme habe sich sonographisch
ein ausgeprägter Pleuragerguss rechts mit respiratorischer Einschränkung gezeigt, so dass die Anlage einer Bülaudrainage und
die Entnahme von Bakteriologie und Pathologie erfolgt sei. Es habe bei dem Patienten eine komplexe Vorgeschichte u.a. mit
Prostata-CA, rez. Pneumonie, B-CLL, Basaliom sowie ein Zustand nach Urothel-CA mit Neoblasenanlage bestanden. Im gemeinsamen
Konsens mit der Klägerin habe sich das Krankenhaus zu einer maximal konservativen Versorgung entschlossen. Als Todesursache
gab die Klinik im Sterbebrief vom 27. Dezember 2018 an: „Exitus letalis bei respiratorischer Insuffizienz bei Pleuraerguss
rechts, V.a. postinfektiös bei rez. Pneumonien DD kardial“.
Im Januar 2019 beantragte die Klägerin telefonisch die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen. Ihr Ehemann sei an den Folgen
der anerkannten Berufskrankheit verstorben. Die Beklagte beauftragte den Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde
und Allergologie Dr. S. mit der Erteilung einer beratungsärztlichen Stellungnahme. Dieser führte am 15. April 2019 aus, röntgenmorphologisch
im Rahmen der letzten gutachterlichen Untersuchung im Jahre 2016 sei ein Befundwandel nicht eingetreten gewesen. Die Lungenfunktion
habe einen normalen Atemwegswiderstand ohne Hinweis auf Überblähung mit normalen ventilierbaren Volumina gezeigt. Die Vitalkapazität
sei bei mehreren Untersuchungen mit 93% des Sollwertes gemessen worden. Der Atemstoß habe 114% des Sollwertes betragen. Im
Jahre 2017 sei es dann zu einem erheblichen Wandel des Krankheitsgeschehens gekommen. Bei dem Versicherten sei es im April
2017 zu einer Unterlappenpneumonie gekommen. Es hätten sich auch vermehrte, aber nicht pathologisch vergrößerte Lymphknoten
in den Hili und im Mediastinum gezeigt, überwiegend mit eierschalenartigen Verkalkungen. Ein derartiger Befund sei durchaus
vereinbar mit der Silikose, allerdings sei das ausgeprägte „Honeycombing“, also die kleinzystische Degeneration des Lungengewebes,
vom Verteilmuster einer Usual Interstitiell Pneunomia (UIP) nicht als typisches Muster einer Silikose aufzufassen.
Dem entsprechenden Arztbrief aus dem Krankenhaus H. sei zu entnehmen, dass es bei dem Versicherten zu einem Exitus letalis
bei respiratorischer Insuffizienz und Pleuraerguss rechts gekommen sei. Es sei der Verdacht auf postinfektiösen Pleuraerguss
bei rezidivierenden Pneumonien bzw. einem kardial bedingten Pleuraerguss geäußert worden. Insgesamt sei der Versicherungsfall
nicht Ursache des Todes des Versicherten. Es sei davon auszugehen, dass es zu einem interstitiellen Lungenprozess im Sinne
einer UIP mit rezidivierenden Pneumonien und schließlich auch Entzündungen im Pleuraraum im Sinne einer Pleuritis bakterieller
Art gekommen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass unter Abwägung der zusammenwirkenden, zum Tode führenden Ursachen, die
Berufskrankheit rechtlich wesentliche Mitursache gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass der Todeszeitpunkt allein aufgrund
der berufskrankheitenunabhängigen Erkrankung absehbar gewesen sei. Eine derartig ausgeprägte und schnell verlaufende interstitielle
Lungenerkrankung mit ausschließlich auch rezidivierenden Pneumonien und bakteriellem Pleuraerguss sei allein als ausreichend
anzusehen, um zum Versterben des Versicherten zu führen. Somit sei nicht zu begründen, dass die Lebenserwartung ohne den Versicherungsfall
noch mehr als ein Jahr betragen hätte.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2019 stellte die Beklagte fest, der Tod des Versicherten sei nicht Folge einer Berufskrankheit gewesen.
Der Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen wurde abgelehnt, auch ein Anspruch auf eine Rentenerhöhung der anerkannten
Berufskrankheit zu Lebzeiten bestehe nicht. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019).
Auf die hiergegen erhobene Klage hin hat das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. eingeholt, welcher am
30. März 2020 ausgeführt hat, bei dem Versicherten sei es zu einem interstitiellen Lungenprozess im Sinne einer UIP mit immer
wieder neu auftretenden Lungenentzündungen und bakteriellen Entzündungen mit Flüssigkeitsansammlungen im Bereich des Raumes
zwischen Rippenfell und Lungenfell gekommen. Diese hätten schließlich zum Tode des Versicherten geführt. Hinweise für eine
berufskrankheitenbezogene Verursachung des Todes fänden sich nicht. Weder sei danach eine Zunahme der Minderung der Erwerbsfähigkeit
des Versicherten zu begründen gewesen, noch habe die Lebenserwartung ohne den Versicherungsfall noch mehr als ein Jahr betragen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund der Folgen seiner anerkannten
Berufskrankheit (Quarzstaublungenerkrankung) verstorben sei. Nachvollziehbar habe insbesondere Dr. S. in seinen gutachterlichen
Stellungnahmen sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Klageverfahren darauf hingewiesen, dass keine unmittelbare Auswirkung
des durch die Silikose verursachten verstärkten Abfalles des Sauerstoffpartialdruckes bei mittelgradiger Gasaustauschstörung
der Lunge zum Tod des Versicherten geführt habe, sondern insbesondere die bestehende ausgeprägte und schnell verlaufende interstitielle
Lungenerkrankung mit ausschließlich auch rezidivierenden Pneumonien und bakteriellem Pleuraerguss.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 15. Oktober 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 26. Oktober 2020 Berufung eingelegt, mit
welcher sie vorträgt, sie bleibe dabei, dass ihr Ehemann an den Folgen einer Silikose gestorben sei. Es handele sich hierbei
um eine Erkrankung, die nicht besser, sondern im Gegenteil immer schlimmer werde. Ihr Ehemann habe daher auch nachts lange
Atemaussetzer gehabt und sie habe in ständiger Furcht gelebt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 7. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus Anlass
des Todes des Versicherten M.G. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 17. Februar 2021 und vom 18. Februar 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden
konnte, ist statthaft (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben. Sie ist indes unbegründet.
Nach §
63 Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf
1. Sterbegeld,
2. Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3. Hinterbliebenenrenten,
4. Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten
ist, §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII.
Nach §
7 Abs.
1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Eine vorliegend allein in Betracht kommende Berufskrankheit
(BK) als Ursache für den Tod des Versicherten ist hier nicht gegeben.
Bei BKen ist nach §
9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der
BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die
Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur
BKV durch den Verordnungsgeber gemäß §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG, Urteil vom 25. Juli 2001 – B 8 KN 1/00 U R, Juris und BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 – B 2 KN 2/07 U R, Juris). Jeder dieser Versicherungsfälle kann im Sinne des §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.
Hinterbliebene machen ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend (vgl. BSG, Urteil vom 15. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R, Juris). Nach §
63 Abs.
1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts (§§
64 bis
71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage,
ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens,
über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen
Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall,
z.B. eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts.
Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall,
Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das
vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels
einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte
einen Versicherungsfall erlitten hatte. Die Beklagte hat unter Beachtung dieser Grundsätze zu Recht festgestellt, dass die
Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.
Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen,
zu dem der Versicherte verstorben ist. Nach Würdigung der sich in den Akten befindlichen medizinischen Gutachten und Stellungnahmen
ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Tod des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit infolge
eines Versicherungsfalls nach §
9 Abs.
1 SGB VII i.V.m. Nr.
4101 der Anlage zur
BKV eingetreten ist. Aufgrund der Angaben im Sterbebrief und den Ausführungen des Dr. S. steht zur Überzeugung des Senats fest,
dass zum Tod des Versicherten ein interstitieller Lungenprozess mit rezidivierenden Pneumonien und Entzündungen im Pleuraraum
führte. Diese zum Tode führende Erkrankung ist aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mindestens wesentlich teilursächlich
durch die als BK anerkannte und hier allein als Versicherungsfall in Betracht kommende Silikose verursacht worden.
Was die hinreichende Wahrscheinlichkeit betrifft, sind die diesbezüglichen Anforderungen grundsätzlich höher als diejenigen
an die Glaubhaftmachung (BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 U 23/01 R, Juris), wobei unter Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes nach allgemeiner Auffassung der Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
verstanden wird. Glaubhaftmachung bedeutet also überwiegende Wahrscheinlichkeit, d.h. die gute Möglichkeit, dass der Vorgang
sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität
gekennzeichnet. Bei der hier erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges muss dagegen
absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen. Um hinreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen, muss sich also
unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer
anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen
einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG a.a.O.).
Eine im dargestellten Sinne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegende wesentliche Teilursächlichkeit reicht auch in
den Fällen aus, in denen ein Folgeschaden durch die BK und daneben auch durch andere mögliche Ursachenketten herbeigeführt
worden ist. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie,
nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).
Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die anerkannte Silikose - eine naturphilosophische Teilursache einer
Krankheit bzw. des Todes ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des "Erfolgs" durch das
Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten
Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich
sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg
zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des
praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, Juris).
Dies zugrunde gelegt steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass die zum Tod des Versicherten führende Erkrankung
des Lungengewebes mit rezidivierenden Pneumonien Folge der anerkannten BK Silikose ist. Um zur Überzeugung einer notwendigen
hinreichenden Wahrscheinlichkeit der (Mit-) Verursachung der letztlich zum Tode des Versicherten führenden Erkrankung des
Lungengewebes durch die Silikose in dem oben dargelegten Sinne zu gelangen, wäre erforderlich, dass nach geltender ärztlich-wissenschaftlicher
Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Einwirkung spräche. Dies ist vorliegend
nicht der Fall. Bereits nach den ersten durchgemachten Pneumonien in der ersten Jahreshälfte 2017 heißt es im Entlassungsbericht
der Schön Klinik Hamburg Eidelstedt vom 6. Juni 2017: „Die beschriebenen Befunde sind zum Teil vereinbar mit der vorbekannten
Silikose, das ausgeprägte Honeycombing vom Verteilungsmuster einer UIP gehört jedoch nicht zum klassischen Erscheinungsbild,
hier sind fibrotische Veränderungen anderer Genese (medikamentös, rheumatologische Erkrankung, idiopathisch) anzunehmen“ (Bl.
405 VA). Dieses Honeycombing im Sinne eines fibrotischen Umbaus war bei dem vorherigen stationären Aufenthalt im März 2017
noch nicht beschrieben worden, so dass der erhebliche Wandel des Krankheitsgeschehens, welchen Dr. S. in seiner versorgungsärztlichen
Stellungnahme nach Aktenlage vom 15. April 2019 beschreibt, deutlich wird und nachvollziehbar ist. Grundsätzlich sei der erhobene
Befund vereinbar mit einer Silikose, das Honeycombing sei allerdings kein typisches Muster einer Silikose. Der Befundwandel
in derart rascher Zeit sei ausgesprochen untypisch für eine Silikose und mit dieser nicht vereinbar. Vielmehr sei davon auszugehen,
dass es im Rahmen von rezidivierenden Pneumonien zu einer Pleuropneumonie gekommen sei, mit Ausbildung von eitrigem bakteriellem
Erguss und dass diese ausgeprägte und schnell verlaufende interstitielle Lungenerkrankung schließlich allein zum Tode des
Versicherten geführt habe. Nach alledem konnte der Senat sich nicht eine hinreichende Überzeugung davon verschaffen, dass
der zum Tod des Versicherten führende interstitielle Lungenprozess mit rezidivierenden Pneumonien und Entzündungen im Pleuraraum
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mindestens wesentlich teilursächlich durch die als BK anerkannte Silikose verursacht
worden wäre.
Schließlich greift zu Gunsten der Klägerin auch die Rechtsvermutung des §
63 Abs.
2 S. 1
SGB VII nicht ein. Nach dieser Vorschrift steht dem Tod infolge eines Versicherungsfalls der Tod des Versicherten gleich, dessen
Erwerbsfähigkeit infolge einer Berufskrankheit nach den Ziffern 4101 bis 4104 der Anlage zur
BKV um 50 v.H. gemindert war. Hierbei kommt es, wie oben dargelegt, nicht darauf an, ob in dieser Höhe eine MdE zu Lebzeiten
bereits festgestellt war. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Senat eine Überzeugung davon verschaffen kann, dass eine
BK, die eine MdE in der genannten Höhe bedingte, tatsächlich vorlag. Dies ist indes nicht der Fall. Die anlässlich der Reha
des Versicherten im Februar 2017 durchgeführten Funktionsuntersuchungen zeigten in der Lungenfunktionsanalyse keine Hinweise
für eine wesentliche obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung bei normalen Blutgaswerten in Ruhe und nach leichter
körperlicher Anstrengung. Damit war die MdE mit 40 v.H. noch zu diesem Zeitpunkt richtig bemessen. Der Befundwandel ab März
2017 mit rezidivierenden Pneumonien war keine Folge der BK, sondern allen medizinischen Unterlagen zur Folge schicksalsbedingte
Folge bakterieller Infektionen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG, Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.