Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall in Gestalt eines durch einen Feueralarm ausgelösten
Lärmtraumas erlitten hat.
Der am xxxxx 1960 geborene Kläger verrichtete gerade seinen Dienst als bei der P. GmbH, S., beschäftigter Altenpfleger, als
am 11. Juli 2010 gegen 12.00 Uhr ein akustischer Feuer(fehl)alarm ausgelöst wurde. Er befand sich zum Zeitpunkt der Auslösung
mit seinem rechten Ohr etwa 1,10 m vom Warntongeber entfernt. Die Warntöne hielten über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten
an.
Vier Tage danach, am 15. Juli 2010, suchte der Kläger die Hals-Nasen-Ohren-Arztpraxis S1/Dr. R. (im Folgenden auch in anderer
Zusammensetzung: HNO-Praxis) auf und berichtete, dass die Lautstärke der Sirene sein Gehör beeinträchtigt habe. Der HNO-Arzt
S1 diagnostizierte ein Lärmtrauma und einen Tinnitus, verordnete M Prednisolon Tabletten, hielt den Kläger jedoch für arbeitsfähig.
Am 6. September 2010 wurde dem Kläger eine Hörhilfe verordnet. Ab 14. September 2010 wurde er wegen eines Tinnitus arbeitsunfähig
geschrieben.
Der beratende Facharzt der Beklagten Dr. K1 gab in seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 2010 an, dass das Ereignis zu gering
und zu kurzzeitig gewesen sei, um einen bleibenden Hörschaden auszulösen. Die Verordnung einer Hörhilfe zu Lasten der Beklagten
sei daher nicht gerechtfertigt.
Daraufhin teilte die Beklagte der HNO-Praxis mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 mit, dass keine Unfallfolgen vorlägen und somit
die Verordnung zu Lasten der zuständigen Krankenkasse gehe. Dieses Schreiben erhielt der Kläger mit gleichem Datum zur Kenntnis.
Unter dem 13. Oktober 2010 widersprach der Kläger dieser Entscheidung. Er sei durch einen Fehlalarm in Ausübung seines Berufes
überrascht worden und habe infolge der Einwirkungen der extrem lauten Sirene einen dauerhaften Gehörschaden erlitten, welcher
eine Hörhilfe nötig mache. Überdies leide er seit diesem Ereignis an einem Tinnitus, könne keine Nacht mehr schlafen, habe
zunehmend Konzentrationsprobleme und sei in seiner Kommunikation eingeschränkt. Es könne keinen Zweifel darüber geben, dass
ein Arbeitsunfall vorliege.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass in der Vergangenheit am rechten Ohr eine Operation durchgeführt worden
sei. Ihm sei dabei eine Hörprothese eingesetzt worden. Ein Hörgerät sei ihm aber erst nach dem Unfall verordnet worden.
Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilten die Technischen Aufsichtspersonen der Beklagten, die Dipl.-Ing. S2 und N., das Ergebnis
einer Begehung des Unfallbetriebs und Lärmmessung vom 25. März 2011 mit, bei denen auch der Kläger, dessen zum Unfallzeitpunkt
ebenfalls Dienst tuende Kollegin S3, der Haustechniker S4 sowie der Techniker für Feueralarm der Firma E., W. anwesend waren.
Es sei ein Spitzenschalldruckpegel des Feueralarms von 107,5 dB(C) gemessen worden. Der äquivalente Dauerschallpegelpegel
habe bei 90 dB(C) gelegen. Diesem Schalldruck sei der Kläger in der anfänglichen Entfernung von 1,10 m zum rechten Ohr maximal
5 Sekunden ausgesetzt gewesen. Danach habe ein Abstand von mindestens 2 m bestanden und der Lärm nach Angaben der Zeugin S3
noch für einige Minuten, aber keine halbe Stunde angedauert. Währenddessen habe ein geschätzter Schalldruck auf das Ohr des
Klägers, der nichts zur Dauer des Alarmtons habe sagen können, von maximal 104,5 dB(C) bzw. dauernd 87 dB(C) bestanden. Die
gemessenen Spitzenschalldruckpegel seien nicht geeignet, ein gesundes Ohr zu schädigen. Ob der gemessene Lärm möglicherweise
die angegebene Vorschädigung habe verstärken können, bedürfe der medizinischen Klärung.
Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. G. ein, der unter dem 14. April 2011
ausführte, dass nach den vorliegenden Angaben bei dem Kläger von einer operierten Otosklerose rechts mit Steigbügelersatzplastik
auszugehen sei. Das Tonschwellenaudiogramm vom 6. September 2010 zeige eine geringgradige pancochleäre Schwerhörigkeit beidseits,
rechts etwas ausgeprägter als links ohne relevante zusätzliche Schallleitungskomponente. Es sei ein Ohrgeräusch rechts bei
4 kHz mit 50 dB überschwellig verdeckbar angegeben worden. Da keine Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Unfallereignis
am 11. Juli 2010 aktenkundig seien, könne kein Vergleich zur Hörprüfung vom 6. September 2010 gezogen werden. Aufgrund der
Vorohrerkrankung habe vor der Operation mit Wahrscheinlichkeit eine Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bestanden. Bekannt
sei, dass Otosklerose-Ohren, die mit einer solchen prothetischen Operation versorgt worden seien, vermehrt lärmsensibel reagieren
könnten. Er teile die Auffassung, dass der gemessene Spitzenschalldruck von 107,5 dB normalerweise nicht geeignet sei, ein
gesundes Ohr dauerhaft zu schädigen. Hinweise auf eine höher liegende Lärmbelastung lägen nicht vor. Es erscheine somit wahrscheinlich,
dass es anlässlich des Ereignisses zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen sei, endgültige Aussagen über den Schwerhörigkeitsverlauf
seien aber erst möglich, wenn Hörprüfungen vor dem Ereignis vom 11. Juli 2010 vorlägen.
Nach Vorlage von Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Ereignis, nämlich aus den Jahren 1997, 2000, 2002, 2003,
2004 - dem Jahr der Otosklerose-Operation - und 2010 nahm Dr. G. unter dem 19. Juni 2011 erneut Stellung und gab an, dass
insbesondere seit 2002 neben der durch die Otosklerose bedingten Schallleitungsschwerhörigkeit bereits eine deutliche, messbare
Seitendifferenz in der innenohrrelevanten Knochenleitungskurve zu Ungunsten der rechten Seite im Vergleich zu links bestanden
habe. Dieses habe sich bei der Tonschwellenhörprüfung vom 6. September 2010 nach dem angeschuldigten Lärmereignis ebenfalls
vergleichbar dokumentieren lassen. Hier habe sich die Tonschwellenüberprüfung auf beiden Seiten zwischen 2004 und 2010 gleichartig
verschlechtert gehabt ohne überproportionale Verschlechterung der rechten Seite. Daher müsse nach Wertung der nunmehr vorliegenden
Hörprüfungen davon ausgegangen werden, dass es durch das Ereignis vom 11. Juli 2010 mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einer
richtunggebenden Verschlechterung des Hörvermögens gekommen sei. Demgegenüber sei es zwischen 2004 und 2010 auf beiden Ohren
zu einer Verschlechterung des Innenohrgehörs gekommen. Genaue Zeitverläufe über diese Verschlechterungen, die den gesamten
Frequenzbereich beträfen, könnten nicht gemacht werden. Aufgrund der Schädigung des Innenohrgehörs über alle Frequenzen könne
jedoch das Ereignis vom 11. Juli 2010 nicht als wahrscheinliche Ursache angenommen werden. Hier wäre es mit Wahrscheinlichkeit
zu einer weiteren Verschlechterung isoliert im Hochtonbereich gekommen.
Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. November 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung begehrt, dass er einen Arbeitsunfall erlitten habe. Dieser habe im Sinne einer richtunggebenden
Verschlimmerung zu einer Hörminderung und im Übrigen zu einem Tinnitus geführt, der seit 1997 bis zum Unfallereignis nur in
leichter Ausprägung bestanden und sich seither ins Unerträgliche gesteigert habe. Zur Begründung hat er sich auf die erste
Stellungnahme des Herrn Dr. G. bezogen, der sich zum Tinnitus gar nicht geäußert, aber hinsichtlich der Hörminderung mit seiner
zweiten Stellungnahme einen Zusammenhang jedenfalls nicht ausgeschlossen, u.a. den Grad der Wahrscheinlichkeit nicht angegeben
habe. Seit dem Unfallereignis quäle sich der Kläger, der sich seit 2003 wegen starker Depressionen in entsprechender fachärztlicher
Behandlung befinde, und es sei nicht auszuschließen, dass durch die dadurch entstandenen weiteren seelischen und körperlichen
Belastungen der Tinnitus und das Hörvermögen weiter gelitten hätten. Er sei stark traumatisiert, leide unter Schlafstörungen.
Eine Hörgeräteversorgung sowie eine gezielte Behandlung des Tinnitus zulasten der Beklagten seien dringend erforderlich.
Die Beklagte ist dem mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, dass mit der zweiten Beurteilung des Herrn Dr. G. nach Auswertung
der zwischenzeitlich vorgelegten Tonaudiogramme dessen erste Beurteilung überholt sei. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem
Ereignis vom 11. Juli 2010 und der angegebenen Verschlechterung des vorbestehenden Tinnitus und der damit einhergehenden Kombinationsschwerhörigkeit
sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich.
Das SG hat einen Befundbericht der HNO-Praxis vom 26. April 2012 eingeholt, in dem geschildert wird, dass der Kläger sich 1997 erstmals
wegen Hörproblemen wegen Tinnitus vorgestellt habe. Wegen der bereits damals bestehenden Kombinationsschwerhörigkeit rechts
habe sich der Kläger 2004 zu einer Otosklerose-Operation bereit erklärt, die zwar das Hören leicht verbessert habe, aber nicht
den Tinnitus. Seit dem Unfallereignis vom 11. Juli 2010 leide der Kläger subjektiv zunehmend unter dem Tinnitus. Eine medikamentöse
Therapie habe keine Besserung gebracht. Der subjektive Leidensdruck des Klägers und die objektiven Befunde wichen voneinander
ab. Eine Hörgeräteversorgung auf Krankenkassenkosten mit eventueller Zuzahlung lehne der Kläger ab, da er die Zunahme seiner
Beschwerden auf den Unfall zurückführe.
Des Weiteren hat das SG den Entlassungsbericht der R1 Klinik in B. beigezogen, in der der Kläger Mai/Juni 2011 eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung
erfuhr.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-fachärztlichen Gutachtens von Dr. D./Dr. B2 vom Universitätsklinikum
H. (als Sachverständiger eingesetzt worden ist Dr. D., Sachbearbeiter ist Dr. B2 gewesen, der den Kläger allein untersucht
hat, Dr. D. hat sein Einverständnis mit dem Gutachten "aufgrund Kenntnis der Akten und eigener Urteilsbildung" kundgetan,
unterschrieben ist das Gutachten weder von Dr. D. noch von Dr. B2), die nach Untersuchung des Klägers am 17. Dezember 2012
unter dem 31. Januar 2013 darauf hingewiesen haben, dass die vorliegenden präoperativen audiometrischen Untersuchungen aus
den Jahren 1997, 2003 und 2004 trotz teilweise stark schwankender Angaben zeigten, dass bei dem Kläger konstant eine kombinierte
Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik bestanden habe. Postoperativ
habe diese behoben werden können. Das Innenohr stelle sich im Laufe der auffallend häufigen Untersuchungen ebenfalls schwankend
dar. Dennoch lasse sich im Vergleich der Befunde vom 2. Juni 2004 (unmittelbar präoperativ) und aktuell vom 17. Dezember 2012
kein wesentlicher Abfall nachweisen. Im Falle eines Lärmtraumas komme es für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der
hohen Frequenzen. Diese seien jedoch im Verlauf bei dem Kläger am wenigsten beeinträchtigt. Am ehesten schwankten die Werte
im Bereich der tiefen und mittleren Frequenzen. Die von den technischen Sachverständigen ermittelte Schallexposition sei bei
gesunden Personen für gewöhnlich nicht geeignet, eine dauerhafte Hörschädigung zu verursachen. Unter Berücksichtigung der
vorliegenden Befunde sei anzunehmen, dass trotz der erhöhten Lärmempfindlichkeit bei dem Kläger aufgrund der vorbekannten
Otosklerose die Lärmeinwirkung zu keiner nennenswerten richtungweisenden Hörminderung geführt habe. Unmittelbar postoperativ
habe der Kläger am 26. Oktober 2004 einen Tinnitus von 31 dB bei 500 Hz gezeigt. Die nach dem Unfallereignis und aktuell erhobenen
Werte wiesen keine dauerhafte bzw. richtungsgebende Verschlimmerung nach. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv
den Eindruck gewonnen habe, die Hörminderung und der Tinnitus hätten zugenommen, was am ehesten der erneut vorhandenen unfallunabhängigen
Mittelohrproblematik zuzurechnen sei. Die Beschwerden können ggf. entweder durch eine suffiziente Hörgeräteanpassung oder
wahrscheinlich auch durch einen operativen Eingriff verbessert werden
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Mai 2013 hat der vom SG unmittelbar beauftragte Dr. B2 (der diese nunmehr ebenso unterschrieben hat wie mit Einverständnis "aufgrund Kenntnis der
Akten und eigener Urteilsbildung" Dr. D.) bekräftigt, dass sowohl die Innenohrleistung des rechten Ohrs als auch der dortige
Tinnitus sich auf dem Niveau vorbekannter Werte befänden, dass der Tinnitus messtechnisch sogar geringer als unmittelbar nach
der Operation im Jahr 2004 sei. Wenn der Kläger den Tinnitus lauter wahrnehme, hänge dies am ehesten mit der gesteigerten
Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen zusammen. Es sei allerdings möglich, dass eine psychische Komponente ursächlich in der
Verstärkung der Subjektivität sei. Die erneut aufgetretene Schallleitungsminderung könne aus einer Vernarbungsreaktion oder
einer Dislokation oder Malfunktion der Prothese im Mittelohr resultieren, sei jedoch keine Folge des Lärmereignisses, weil
übermäßige Schalleinwirkungen nicht geeignet seien, Schallleitungsminderungen zu verursachen.
Das SG hat im Anschluss auf Antrag des Klägers gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein psychiatrisches Gutachten von Dr. B1 vom 20. April 2014 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers am 7. April 2014
erklärt hat, dass in diagnostischer Hinsicht von einer bis weit in die Jugend des Klägers zurückreichenden Depression auszugehen
sei. Des Weiteren liege bei dem Kläger ein Tinnitus vor, welcher schon seit vielen Jahren bestehe, lange vor dem Feueralarmereignis
im Juni 2010. Es werde davon ausgegangen, dass das Ereignis bei dem Kläger, bei fortbestehender Prädisposition zu Depressionen,
im Rahmen einer Stresssituation zu einer sich anschließenden subjektiven Verstärkung des Tinnitus geführt haben könne, ohne
dass sich dafür organische Korrelate finden ließen. Erschwerend kämen bei dem Kläger vorhandene Traumata in jungen Jahren
und durch das Miterleben von Kriegsereignissen hinzu. Es sei aus psychiatrischer Sicht nicht möglich, dass Feueralarmereignis
naturwissenschaftlich als Ursache für die von dem Kläger angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben. Es sei
davon auszugehen, dass das Unfallereignis als Stress über einen längeren Zeitraum aus psychiatrischer Sicht die bei dem Kläger
anzutreffenden Gesundheitsstörungen deutlich verschlimmert habe, ohne jedoch einen ausschließlichen ursächlichen direkten
Zusammenhang postulieren zu können.
Das SG hat die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. November 2014 mit Urteil vom selben Tag als unbegründet
abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung
eines Arbeitsunfalls. Es fehle bereits an dem Nachweis, dass es durch die äußere Einwirkung der Alarmsirene bei dem Kläger
zu einem Gesundheitsschaden im Rahmen einer Hörminderung bzw. eines Tinnitus gekommen sei. Nachvollziehbar hätten sowohl der
Gutachter Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2011 als auch der im gerichtlichen Verfahren angehörte Sachverständige
Dr. B2 in seinem Gutachten vom 31. Januar 2013 ausgeführt, dass es durch das Ereignis weder zu einer richtunggebenden Verschlimmerung
(Dr. G.) noch im Vergleich zu früheren Befunden bezüglich einer Schalleitungsschwerhörigkeit und eines Tinnitus zu einem messbaren
traumatischen Schaden gekommen sei (im Ergebnis Dr. B2). Selbst der von dem Kläger vorgeschlagene Gutachter Dr. B1 komme in
seinem Gutachten vom 20. April 2014 - ohne dass es für die Entscheidung in der Sache darauf ankomme - zu dem Ergebnis, dass
ein vom Kläger beschriebener Tinnitus bereits seit vielen Jahren bestehe. Aber auch unter Berücksichtigung der nach dem Unfall
diagnostizierten Gesundheitsschäden, einer Hörminderung und eines Tinnitus, könnten diese nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit
ursächlich auf das Ereignis vom 11. Juli 2010 zurückgeführt werden. Die für einen Kausalzusammenhang sprechenden Umstände
überwögen nicht. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche vor allem, dass nach plausibler Aussage der zur Unfallkausalität
angehörten Ärzte und Gutachter die Einwirkung eines Spitzenschalldruckpegels von 107,5 dB für 5 Sekunden von vornherein nicht
geeignet sei, eine Hörschädigung an einem gesunden Ohr hervorzurufen. Zwar habe es sich bei dem rechten Ohr des Klägers nicht
um ein gesundes Ohr gehandelt, denn ihm sei bereits vor dem Ereignis eine Hörprothese eingesetzt worden. Dennoch hätten die
Gutachter keine Anhaltspunkte für eine unfallbedingte weitere oder verschlimmernde Schädigung des Hörvermögens festgestellt.
Gegen einen Unfallzusammenhang spreche zudem, dass Dr. B2 plausibel erläutert habe, dass es im Falle eines angenommenen Lärmtraumas
für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der hohen Frequenzen komme, welche bei dem Kläger jedoch am wenigsten beeinträchtigt
seien. Auch habe Dr. B2, neben Dr. G., überzeugend dargestellt, dass bei dem Kläger bereits aus den Jahren 1997, 2003 und
2004 konstant eine kombinierte Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik
hervorgehe, welche sich anlässlich des Feueralarmereignisses nicht in geänderter Form dargestellt habe, sodass dieses Ereignis
als Grund für eine Schwerhörigkeit ausscheiden müsse. Darüber hinaus spreche gegen einen durch das Lärmereignis verursachten
Tinnitus, dass die von Dr. B2 überprüften Werte keine Verschlimmerung gegenüber dem vor dem Ereignis bestehenden Tinnitus
aufwiesen und messtechnisch sogar ein geringerer Tinnitus als unmittelbar nach der Operation habe nachgewiesen werden können.
Aufschlussreich, aber für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung sei die Mitteilung von Dr. B1 in seinem Gutachten, dass
er von einer subjektiven - und damit objektiv nicht nachweisbaren - Verstärkung des Tinnitus ausgehe, welches aber seinen
Ursprung überwiegend in der aufgrund früherer Traumata fortbestehenden Neigung des Klägers zu Depressionen habe. Das Feueralarmereignis
möge Anlass für eine gesteigerte subjektive (psychische) Empfindlichkeit des Klägers gewesen sein. Jedoch komme diesem Ereignis
aufgrund seiner Geringfügigkeit sowie der dagegen stehenden erheblichen Prädisposition des Klägers keine wesentliche Bedeutung
für die subjektive Verstärkung seiner Leiden zu.
Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Dezember 2014
eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Feststellungsbegehren weiter verfolgt und die Ansicht vertritt, dass der
von ihm erlittene Unfall "zumindest subjektiv kausal" für den bestehenden unerträglichen Tinnitus sei. Bei dem Unfall sei
zumindest ein "psychisch determinierter Schaden" entstanden, der eine erhebliche Verschlimmerung herbeigeführt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. November 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er am 11. Juli 2010 einen Arbeitsunfall
erlitten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für richtig und nimmt auf deren Gründe Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. November 2017 und den weiteren Inhalt der Prozessakte
sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende
Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität)
gilt der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese
liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit
genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, a.a.O., m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich vorliegend schon nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellen, dass nach dem
angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010 ein Gesundheitserstschaden eingetreten ist.
Die vom Kläger als Unfallfolgen angegebenen Gesundheitsstörungen in Form einer Hörminderung sowie eines Tinnitus lagen bereits
vor dem 11. Juli 2010 vor. Aus den Unterlagen der den Kläger seit 1997 behandelnden HNO-Praxis ergibt sich nicht nur, dass
seither eine Kombinationsschwerhörigkeit mit Hörproblemen und Tinnitus bestand, wegen derer im Jahr 2004 eine Otosklerose-Operation
erfolgte, sondern auch, dass die Hörminderung und der Tinnitus - soweit objektivierbar - auch nach der Operation mindestens
so deutlich ausgeprägt waren wie nach dem angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010, sodass auch ein Gesundheitserstschaden
in Gestalt einer Verschlimmerung vorbestehender Leiden nicht zur vollen Überzeugung des Senats feststellbar ist. Die vom Kläger
gegenüber den Sachverständigen angegebene deutliche Verschlimmerung der Symptomatik nach dem Feueralarm haben alle gehörten
Sachverständigen in Übereinstimmung mit der behandelnden HNO-Praxis als subjektiv, von den objektiven Befunden abweichend
eingeordnet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Dres. B2 und D. im Sachverständigengutachten vom 31.
Januar 2013 trotz der fehlenden Unterschriften und des Umstandes, dass der eingesetzte Sachverständige Dr. D. den Kläger nicht
selbst untersucht hat, uneingeschränkt verwertbar sind. Denn zum einen gilt dies nicht für deren von beiden unterschriebene
ergänzende Stellungnahme vom 6. Mai 2013, mit der sie sich zumindest konkludent die Ausführungen in dem nicht unterschriebenen
Gutachten zu eigen gemacht haben, wobei angesichts des Gegenstandes der Begutachtung eine persönliche Untersuchung durch den
Sachverständigen nicht erforderlich gewesen sein dürfte, zum anderen geben die Dres. B2 und D. lediglich wieder, was sich
auch ohne deren sachverständige Hilfe aus dem übrigen Akteninhalt, insbesondere aus dem Befundbericht der HNO-Praxis vom 26.
April 2012, den vorgerichtlichen Stellungnahmen des Dr. G. und schließlich dem Gutachten des Dr. B1 ablesen ließe. Die von
den gehörten Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt festgestellte Mittelohrproblematik kommt schon aufgrund des späteren
Zeitpunkts ihrer Feststellung nicht als Gesundheitserstschaden in Betracht und wäre im Übrigen - wie auch der von Dr. G. beschriebene
Hörverlust in allen Frequenzbereichen - nach den schlüssigen Ausführungen der gehörten HNO-Sachverständigen nicht mit der
erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit kausal auf ein Lärmtrauma zurückführbar, weil ein solches allenfalls zu einer
Innenohrschädigung mit Beeinträchtigungen vor allem im hohen Frequenzbereich führen könnte (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Abschnitte 7.3.2.1.1 und 7.3.3.2).
Soweit Dr. B1 in seinem Sachverständigengutachten ein posttraumatisches Stresssyndrom annimmt, das auf dem Boden der bis in
die Jugend zurückreichenden Depression des Klägers - und ggf. einer posttraumatischen Belastungsstörung - zur subjektiven
Verstärkung des Tinnitus geführt haben könnte, kann sich der Senat nicht von dessen Auftreten überzeugen. Die Ausführungen
des Sachverständigen, der es aus psychiatrischer Sicht gleichzeitig als nicht möglich beschreibt, das Feueralarmereignis naturwissenschaftlich
als Ursache für die angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben, sind insoweit nicht schlüssig, als sie eine
über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit unterstellen, wobei angesichts der schwammigen und wechselnden
Formulierungen unklar bleibt, von welchem Grad der Wahrscheinlichkeit oder auch nur Möglichkeit Dr. B1 ausgeht. Dessen Ausführungen
sind durch keinerlei zeitnah erhobene ärztliche Befunde untermauert, sondern beruhen lediglich auf seiner fast vier Jahre
nach dem angeschuldigten Ereignis erfolgten Untersuchung. Nach Aktenlage fällt demgegenüber auf, dass der Kläger sich erst
vier Tage nach dem Feueralarm in HNO-ärztliche Behandlung begab und dass in dessen Erstbericht an die Beklagte ebenso wie
in dem auch die Zeit danach betreffenden Befundbericht für das Gericht keine Hinweise auf eine psychische Gesundheitsstörung
enthalten sind. Vielmehr wurde von Anfang an von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ausgegangen und erstmals zwei Monate später
eine Arbeitsunfähigkeit wegen des Tinnitus angenommen. Aus dem Entlassungsbericht der psychosomatischen Reha-Klinik B. ergibt
sich, dass der Kläger in den zwölf Monaten nach dem angeschuldigten Ereignis weniger als drei Monate arbeitsunfähig war. Damit
fehlt es an zeitnahen Anknüpfungspunkten für eine erhebliche psychische Gesundheitsstörung, die als Gesundheitserstschaden
nach dem Feueralarm in Betracht kommen könnte.