Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung
Erlöschen des Anspruchs durch Aufrechnung mit einer Erstattungsforderung
Fehlender kodierbarer OPS-Schlüssel
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der Versicherte der Beklagten wurde vom 23. April bis 2. Mai 2012 in der von der Klägerin betriebenen Klinik vollstationär
behandelt. Wegen des dringenden Verdachts auf ein Bronchialkarzinom wurde bei ihm zunächst eine Computertomografie (CT) durchgeführt,
durch die der Verdacht bestätigt wurde. Zur Abklärung der Histologie erfolgte sodann eine diagnostische Bronchoskopie, bei
der drei Biopsien aus dem Tumor des rechten Hauptbronchus entnommen wurden. Aufgrund einer relevanten Blutung erfolgte eine
Blutstillung mit Otriven und Laser (20 Watt).
Die Klägerin stellte der Beklagten unter dem 7. Mai 2012 einen Gesamtbetrag von 3.841,87 EUR in Rechnung, wobei sie unter
anderem die Prozeduren nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS, hier: Version 2012) 1-430.1 (Endoskopische Biopsie
an respiratorischen Organen: Bronchus), 1-843 (Diagnostische Aspiration aus dem Bronchus), 5-320.0 (Exzision und Destruktion
von erkranktem Gewebe eines Bronchus: Durch Bronchoskopie) und 5-985.0 (Lasertechnik: Argon- oder frequenzgedoppelter YAG-Laser)
kodierte und hierdurch zu der Diagnosebezogenen Fallgruppe (Diagnosis Related Group - DRG) E02D (Andere OR-Prozeduren an den
Atmungsorganen ohne aufwändigen Eingriff, Alter > 9 Jahre, ohne mäßig komplexen Eingriff) gelangte.
Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
N. (MDK) mit der Überprüfung der kodierten Prozeduren. Dieser vertrat in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2012 die Auffassung,
dass die - niedriger vergütete - DRG E71B (Neubildungen der Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC,
ohne starre Bronchoskopie oder ohne komplexe Biopsie der Lunge) zutreffend sei. Der vom Krankenhaus verwendete 5er-Kode des
OPS sei nicht korrekt, denn dieser meine einen primär therapeutischen Eingriff, mittels dessen erkranktes Gewebe (sinnvollerweise
vollständig bei einem Tumor) entfernt werden solle. Das Inklusivum "Blutstillung" bedeute in diesem Zusammenhang, dass eine
bei diesem therapeutischen Eingriff auftretende Blutung inklusive und nicht gesondert zu kodieren sei. Die Beklagte verrechnete
daraufhin am 14. Dezember 2012 den Betrag von 1.979.09 EUR mit der Forderung aus einem anderen Behandlungsfall.
Wegen dieses Differenzbetrages hat die Klägerin am 24. Juli 2013 Klage erhoben und daran festgehalten, dass die Kodierung
der OPS 5-320.0 und 5-985.0 gerechtfertigt sei. Der OPS 5-320.0 enthalte das Inklusivum "Bronchoskopische Blutstillung", welches
der näheren Definition des Inhalts der Klasse diene bzw. Beispiele für die Zuordnung zu dieser Klasse gebe. Des Weiteren sei
der OPS mit dem Hinweis versehen, dass die Anwendung von Lasertechnik gesondert zu kodieren sei.
Die Beklagte hat sich auf das Gutachten des MDK berufen.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Facharzt für Innere Medizin Dr. G. unter dem 23. April 2014 ein Gutachten erstellt
und sich darin der Auffassung der Beklagten und des MDK angeschlossen. Er hat ausgeführt, die Prozedur 5-320.0 sei definiert
als Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus durch Bronchoskopie inklusive bronchoskopischer Blutstillung.
Dies setze voraus, dass ein chirurgisches Entfernen und Herausnehmen von erkranktem Gewebe eines Bronchus durchgeführt worden
wäre. Tatsächlich sei aber eine diagnostische Bronchoskopie zur Abklärung des histologischen Typs des bereits im CT gesehenen
Bronchialkarzinoms erfolgt, was auch durch die Größe des Biopsats (0,2 cm) bewiesen sei. Diese sei mit den OPS 1-843 und 1-430.1
korrekt abgebildet. Dagegen seien Inhalt der OPS 5-320.0 bis 5-320.5 ausschließlich operative Maßnahmen durch Thoraktotomie,
Thorakoskopie, bronchoskopische photodynamische Therapie, bronchoskopische Kryotherapie und bronchoskopische Radiofrequenzablation.
Die Klägerin hat dagegen eingewandt, dass die diagnostische Bronchoskopie und Biopsie so kodiert worden seien, wie vom Gutachter
vorgeschlagen. Die nachfolgende endoskopische Blutstillung mittels Laser sei vom Gutachter aber nicht mehr gewürdigt worden.
Biopsiere man einen bösartigen Tumor, so sei das Blutungsrisiko deutlich erhöht, da ein solcher Tumor erheblich mehr Blutgefäße
enthalte als normales Gewebe. Die Blutgefäße seien so klein, dass man sie nicht isoliert behandeln könne. Vielmehr zerstöre
man die Tumoroberfläche durch Erhitzen mit dem Laser (sog. Thermoläsion). Es komme zu einer Denaturierung der im Gewebe befindlichen
Eiweiße, welche miteinander "verschmelzen" und damit die Oberfläche verschließen würden. Man stoppe die Blutung also dadurch,
dass man die offenen Enden der Blutgefäße flächig mit Tumorgewebe verschmelze. Es handele sich demnach um eine Destruktion
von Tumorgewebe mit den darin befindlichen Blutgefäßen. Mit einer Lasertherapie erfolge immer eine Destruktion von Gewebe
auf einem eng begrenzten Raum, genau hierfür sei das Gerät geschaffen worden. Der Einsatz eines Lasers sei kostenintensiv,
denn die hierfür erforderliche Lasersonde sei ein Einmalartikel, der ca. 150 EUR koste. In manchen Behandlungen könnten bis
drei Sonden verbraucht werden. Die Behandlung mit dem Laser dauere inklusive aller Maßnahmen mindestens 30 Minuten mit Blockierung
des hieran beteiligten Personals. Das Krankenhaus halte dafür nicht nur das Lasergerät, sondern auch speziell geschultes Personal
und einen entsprechend ausgestatteten Raum vor. Aus diesem Grund sei unter der OPS-Ziffer 5-320.0 der Hinweis eingefügt worden,
dass die Verwendung eines Lasers mit OPS 5-985 gesondert zu kodieren sei.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. August 2014 hat der Sachverständige Dr. G. ausgeführt, es sei zutreffend, dass ein
Tumor eine vermehrte Blutungsneigung habe. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass es sich um einen diagnostischen
Eingriff gehandelt habe und keine Operation im Sinne einer Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus durchgeführt
worden sei. Die vermehrte Blutungsneigung berechtige nicht dazu, aus einer diagnostischen Biopsie eine Operation an Lunge
und Bronchus zu machen.
Hiergegen hat die Klägerin erneut vorgebracht, der Gutachter setze sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass sich die behandelnden
Ärzte nach dem diagnostischen Eingriff mit einer Komplikation, also einem eigenständigen Problem, auseinanderzusetzen hatten.
Erleide beispielsweise ein Patient während einer Bronchoskopie einen Herzstillstand, handele es sich ebenfalls um eine typische
Komplikation und die Reanimation müsse unzweifelhaft kodiert werden. Dies ergebe sich auch aus den Ziffern P001f und P003d
der Allgemeinen Kodierrichtlinien zu Prozeduren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Januar 2017 abgewiesen und ist in den Entscheidungsgründen den Ausführungen
von Dr. G. gefolgt. Es habe unstreitig eine diagnostische Biopsie stattgefunden, die über den OPS 1-430.0 abgebildet werde.
Die dabei ergänzend durchgeführte Blutstillung mittels Laser könne im Rahmen der zur Verfügung stehenden OPS-Codes nicht weiter
berücksichtigt werden. Der OPS 5-320.0 könne nicht kodiert werden, da tatsächlich keine Entfernung oder Zerstörung erkrankten
Gewebes als therapeutische Maßnahme erfolgt sei. Allein der Umstand, dass durch die Blutstillung mittels Laser letztlich auch
eine (geringfügige) Zerstörung von erkranktem Gewebe erfolgt sei, reiche nicht aus, um diesen OPS zu kodieren. Vielmehr habe
die Zerstörung von Tumorgewebe nur einen unausweichlichen Nebeneffekt der Lasertechnik dargestellt und sei nicht als therapeutischer
Eingriff geplant gewesen. Damit scheide auch die Kodierung des OPS 5-985 aus, da dieser OPS nicht selbständig kodiert werden
könne, sondern nur als Zusatzinformation zu Operationen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 16. Februar 2017 zugestellte Urteil am 14. März 2017 Berufung eingelegt und trägt vor, das
Sozialgericht habe verkannt, dass eben nicht nur eine diagnostische Biopsie stattgefunden habe, sondern dass neben der geplanten
diagnostischen Maßnahme eine therapeutische Maßnahme in Form eines operativen Eingriffs als Reaktion auf eine Komplikation
erfolgt sei. Dabei sei unbestritten, dass die diagnostische Biopsie vom OPS 1-430.0 abgedeckt werde. Die nicht mit Otriven
zu stillende Blutung (im OPS 1-430.0 inkludiert) habe sich aber dann zu einer Komplikation entwickelt. Die Versorgung intraoperativer
Komplikationen sei gesondert zu kodieren, worauf auch das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.05.2002 - L 5 KR 88/02 - Juris) hingewiesen habe. Dazu seien die OPS-Schlüssel zu verwenden, durch die die entsprechenden Prozeduren zur Versorgung
der Komplikation am besten beschrieben würden. Durch das Umsteigen auf einen Laser zur Blutstillung - da die Blutung mit Otriven
nicht beherrschbar war - sei ein therapeutisches Verfahren eingeleitet worden. Aus der diagnostischen Maßnahme sei also ein
operativer Eingriff im Sinne einer therapeutischen Maßnahme geworden. Für die Anwendung des OPS 5-320 müsse auch nicht zwingend
kumulativ eine Exzision und Destruktion vorliegen; vielmehr genüge auch das alternative Vorliegen. Schließlich seien auch
nicht nur von Anfang an geplante Eingriffe zu kodieren, wovon das Sozialgericht offenbar ohne Begründung ausgehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.979,09
EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 14. Dezember 2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, der Wortlaut des OPS 5-320.0 sei nicht erfüllt, da eine Exzision
und/oder Destruktion von erkranktem Gewebe im Sinne einer Operation des Bronchus nicht stattgefunden habe. Es sei bekannt,
dass Tumorgewebe stärker durchblutet sei als gesundes Gewebe und es daher zu einer erhöhten Blutungsneigung kommen könne.
Dabei handele es sich daher nicht um einen unerwarteten erschwerten Verlauf und damit nicht um eine Komplikation. Nach Ziffer
P003 der Kodierrichtlinien sei das Grundprinzip des OPS die Abbildung des durchgeführten Eingriffs möglichst mit einem Kode.
Abweichungen seien in den Hinweisen beschrieben. Bei dem Stillen der Blutung handele es sich um eine notwendige Komponente
der Gewebeentnahme, weshalb diese von der Prozedur 1-430.1 bereits erfasst sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte
der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Beteiligten konnten über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden
erklärt haben (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter
der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 1.979.09 EUR hatte. Der anderweitige Vergütungsanspruch
für Krankenhausbehandlung ist aber dadurch erloschen, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten die Aufrechnung erklärte (§
69 Abs.
1 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V i.V.m. §§
387 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch). Die Beklagte hatte der Klägerin 1.979.09 EUR ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Klägerin für die zugunsten des Versicherten
erbrachten Leistungen einen in diesem Umfang überhöhten Betrag berechnete.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V, § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2012
(Fallpauschalenvereinbarung 2012 - FPV 2012) sowie dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen
Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig
von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07 R - Juris).
Der in Anlage 1 zur FPV 2012 enthaltene Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Maßgebliche Kriterien für
die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen, eventuelle den Behandlungsverlauf
wesentlich beeinflussende Komplikationen, die im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren sowie weitere Faktoren (Alter, Geschlecht
etc.). Die Diagnosen werden mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information
(DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen ICD-10 verschlüsselt. Die Prozeduren werden nach
dem ebenfalls vom DIMDI herausgegebenen OPS kodiert. Aus diesen Kodes wird sodann zusammen mit den weiteren für den Behandlungsfall
maßgeblichen Faktoren unter Verwendung einer bestimmten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zertifizierten
Software ("G1") die entsprechende DRG ermittelt (sog. "Groupierung"), anhand derer die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung
errechnet wird (hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 18.09.2008 a.a.O.) Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") von Diagnosen und Prozeduren
haben die Vertragspartner auf Bundesebene die "Deutschen Kodierrichtlinien" (hier: Version 2012, DKR 2012) beschlossen.
Nach Maßgabe dieser rechtlichen Vorgaben stand der Klägerin der hier streitige Differenzbetrag nicht zu, denn sie durfte lediglich
eine Vergütung nach der niedriger vergüteten DRG E71B, nicht aber nach der DRG E02D abrechnen. Dies ergibt sich daraus, dass
die Voraussetzungen für die Prozeduren 5-320.0 und 5-985.0 nicht vorlagen. Die medizinische Erforderlichkeit der vollstationären
Krankenhausbehandlung sowie die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung im Übrigen ist zwischen den Beteiligten zu
Recht nicht streitig, sodass es diesbezüglich keiner Ermittlungen bedurfte (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris).
Im Krankenhaus der Klägerin wurde unstreitig eine diagnostische Bronchoskopie bei dem Versicherten durchgeführt. Nachdem das
zuvor durchgeführte CT den Verdacht auf ein Lungenkarzinom bereits bestätigt hatte, sollte mittels Bronchoskopie nunmehr die
Histologie des Tumors abgeklärt werden. Ebenso unstreitig ist, dass dieses diagnostische Verfahren mit den Prozeduren OPS
1-843 und 1-430.1 korrekt kodiert worden ist. Allein streitig ist, ob die Stillung der aufgrund dieses Eingriffs eingetretenen
Blutung ebenfalls hierdurch abgegolten ist oder ob diese gesondert, nämlich mit den hier streitigen OPS 5-320.0 und 5-985.0,
zu kodieren ist. Letzteres ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
Der hier anzuwendende OPS 2012 unterscheidet zwischen "Diagnostischen Maßnahmen", die im Kapitel 1 erfasst sind, und "Operationen",
die im Kapitel 5 erfasst sind. Daraus folgt, dass die in Kapitel 5 aufgeführten Prozeduren therapeutischer, nicht diagnostischer
Art sein müssen, worauf auch der medizinische Sachverständige Dr. G. hingewiesen hat. Soweit die Prozedur 5-320 definiert
ist als "Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus", ist hiermit also die Entfernung und/oder Zerstörung
von Gewebe zu therapeutischen Zwecken gemeint. Bei Tumorerkrankungen dürfte dies jedenfalls im Regelfall die möglichst vollständige
Eliminierung des Tumors oder wenigstens dessen Verkleinerung bedeuten, um dadurch die Tumorerkrankung zu heilen oder zumindest
deren Verlauf positiv zu beeinflussen.
Im vorliegenden Fall ging es unstreitig nicht um eine Behandlung der Tumorerkrankung, sondern um die Blutstillung, also um
den Verschluss der kleinen Blutgefäße, die im Rahmen des diagnostischen Eingriffs verletzt wurden. Um dies zu erreichen, wurden
nach den unstreitigen Angaben der Klägerin die offenen Enden der Blutgefäße mit Tumorgewebe verschmolzen. Tumorgewebe wurde
daher in nur in sehr geringem Maße und nur an der Oberfläche zerstört/verändert. Überdies ist die Zerstörung des Tumorgewebes
nicht Ziel der Maßnahme, sondern eher Nebeneffekt. Es handelte sich somit nicht um einen therapeutischen Eingriff am erkrankten
Gewebe im Sinne einer therapeutischen Einwirkung auf den Tumor.
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass im OPS 5-320.0 als Inklusivum die bronchoskopische Blutstillung genannt ist. Ein Inklusivum
dient der näheren Definition des Inhalts der Klasse oder gibt Beispiele für die Zuordnung zu dieser Klasse an (P003d der DKR
2012). Sofern es sich um ein Beispiel für die Zuordnung einer Prozedur zu einer Klasse handelt, bedeutet dies, dass die jeweils
im Inklusivum einer Klasse angegebenen Prozeduren speziell mit diesen Kodes verschlüsselt werden sollen. Handelt es sich um
ein Beispiel für die nähere Definition des Inhalts einer Klasse, können die jeweils im Inklusivum einer Klasse angegebenen
Prozeduren Bestandteil der im Klassentitel genannten Maßnahme sein und sind nicht gesondert zu kodieren (https://www.dimdi.de/static/de/klassi/faq/ops/allgemein/faq
0010.htm 319159480.htm).
Die Auffassung der Klägerin würde voraussetzen, dass man das Inklusivum als Beispiel für die nähere Definition des Inhalts
der Klasse ansieht, und zwar in dem Sinne, dass jegliche bronchoskopische Blutstillung unter diesen OPS fällt, unabhängig
davon, ob die Blutung aufgrund eines operativen oder eines diagnostischen Eingriffs erfolgt ist. Einer solchen Auslegung steht
jedoch entgegen, dass die bronchoskopische Blutstillung begrifflich nicht unter den Obersatz der Exzision und Destruktion
von erkranktem Gewebe passt. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um eine Blutstillung ohne Einsatz von Laser handelt, die bei
dieser Auslegung ebenfalls unter das Inklusivum fallen müsste.
Insofern kann es sich bei dem Inklusivum nur um ein Beispiel für die nähere Definition des Inhalts einer Klasse handeln. Da
das Kapitel 5 nur (therapeutische) Operationen betrifft, nicht aber diagnostische Eingriffe, kann sich ein solches Inklusivum
nur auf Blutungen beziehen, die bei (therapeutischen) Operationen entstanden sind, und nicht auf solche, die durch diagnostische
Eingriffe verursacht wurden. Das heißt aber, dass die Blutstillung nach (therapeutischer) Exzision oder Destruktion von erkranktem
Gewebe Bestandteil dieser Maßnahme und insofern gerade nicht eigenständig zu kodieren ist, worauf auch der vom Sozialgericht
beauftragte medizinische Sachverständige Dr. G. hingewiesen hat. Vor diesem Hintergrund wäre es sogar ein wertungsmäßiger
Widerspruch, wenn Blutstillungen nach einem diagnostischen Eingriff gesondert zu kodieren wären, während sie nach therapeutischen
Eingriffen Bestandteil der Maßnahme sind.
Das hier gefundene Ergebnis steht auch im Einklang mit den DKR 2012. Nach deren Ziffer P001f sind alle signifikanten Prozeduren,
die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, zu kodieren.
Die DKR gehen also durchaus davon aus, dass es Prozeduren geben kann, die nicht im OPS abgebildet werden. Weiter heißt es
in Ziffer P001f, dass eine Prozedur normalerweise mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie,
Zugang, Naht usw. in einem Kode abgebildet sei. Abweichungen seien in den Hinweisen beschrieben. Als Beispiel wird genannt,
dass eine Schmerztherapie bei operativen Eingriffen und diagnostischen Maßnahmen im Kode enthalten sei (Beispiel 2). Es ist
also gerade der Regelfall, dass Vor- und Nachbereitungshandlungen von einem OPS miterfasst werden, obwohl sie einen gewissen
therapeutischen Aufwand erfordern können.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es in Ziffer P003d der DKR 2012 heißt: "Die Versorgung intraoperativer Komplikationen
wird gesondert kodiert." Diese Regelung bezieht sich nämlich ausdrücklich auf intraoperative Komplikationen, also auf solche,
im Rahmen einer Operation eintreten. Hierauf bezieht sich auch nur die von der Klägerin zitierte Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz
vom 22. Mai 2002 (a.a.O.). Für Komplikationen im Rahmen oder aufgrund diagnostischer Maßnahmen fehlt eine entsprechende Regelung.
Möglicherweise ist dies auch der Grund dafür, warum im Kapitel 1 bzw. im OPS 1-430 auf ein Inklusivum wie beim OPS-Kode 5-320.0
verzichtet wurde, da es einer Klarstellung, dass die Blutstillung Bestandteil der Maßnahme ist, nicht bedurfte.
Schließlich führt auch das Vorbringen der Klägerin, dass es sich bei dem erfolgten Lasereinsatz um eine kostenintensive Maßnahme
handele, nicht weiter. Insoweit wären allenfalls die Vertragsparteien berufen, etwaige Fehlsteuerungen mit Wirkung für die
Zukunft zu beseitigen. Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des OPS erfolgt eng am Wortlaut
orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben dabei außer Betracht
(z.B. BSG, Urteil vom 17.11.2015 - B 1 KR 41/14 R - Juris).
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass es gegenwärtig an einem kodierbaren OPS-Schlüssel für die Blutstillung nach
einer diagnostischen Maßnahme fehlt. Der OPS 5-985.0 für die verwendete Lasertechnik kann daher ebenfalls nicht kodiert werden,
da die OPS 5-93 bis 5-99 nach dem dort enthaltenen Hinweis nicht als selbständige Kodes benutzt werden dürfen, sondern lediglich
zur Kodierung von Zusatzinformationen zu Operationen.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.