Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls.
Die Klägerin ist 1976 geboren und leidet unter einer Thalassämie (Mittelmeeranämie), die zu einem gesteigerten Abbau der roten
Blutkörperchen führt. Während ihrer Tätigkeit als Servicekraft erlitt sie am 23. März 2008 gegen 17:30 Uhr einen Unfall, als
ein Arbeitskollege eine Wasserflasche fallen ließ und sich der abgebrochene Flaschenhals in das linke Bein der Klägerin bohrte.
Die blutende Wunde wurde zunächst mit einem Pflaster versorgt und gekühlt. Die Klägerin arbeitete weiter bis zum Arbeitsende
um 22:00 Uhr. Die Unfallmeldung erfolgte am 21. Mai 2008.
Im Durchgangsarztbericht vom 27. Mai 2008 heißt es, bei der Klägerin bestehe eine nässende nicht verheilte, oberflächliche
infizierte Wunde links am distalen Unterschenkel. In Nachschaubericht vom 12. Juni 2008 wurde ein Unterschenkelulcus mit einer
Größe von 2x1 cm beschrieben, die Wunde sei nicht sauber, die Wundränder schmierig belegt, leicht geschwollen und gering gerötet.
Anfang Oktober 2008 stellte sich die Klägerin in der ambulanten Sprechstunde des B. Krankenhauses H. (B.) vor. Dort wurde
eine chronische Wundheilungsstörung der Unterschenkelinnenseite links bei bestehender Major-Thalassämie festgestellt. Vom
16. Oktober 2008 bis 15. Dezember 2008 befand sich die Klägerin wegen eines chronischen Haut-/Weichteildefektes in stationärer
Behandlung im B ... Im Entlassungsbericht vom 11. Januar 2009 heißt es, zum Entlassungszeitpunkt hätten reizfreie Haut-/Weichteilverhältnisse
vorgelegen. Der Defekt des linken Unterschenkels sei komplett abgeheilt gewesen. Eine Sekretion habe sich nicht mehr gefunden.
Es sei davon auszugehen, dass die Unfallverletzte voll wettbewerbsfähig in ihre bisherige berufliche Tätigkeit als Kellnerin
zurückkehren könne und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaße vermutlich nicht verbleiben werde.
Am 19. November 2009 erstellte der Chirurg und Unfallchirurg Dr. S. für die Beklagte das erste Rentengutachten. Er führte
aus, am linken Unterschenkel finde sich eine trophische Hautstörung mit Pigmentverschiebung. Eine Rötung finde sich nicht,
auch keine Hautüberwärmung. Die Haut über der Narbe sei verschieblich. Es finde sich direkt über der Narbe eine mäßige Druckdolenz.
Die Klägerin beklage immer wiederkehrende Ruhe- und Belastungsschmerzen am Unterschenkel links und eine verminderte Belastbarkeit.
Der klinische Befund sei jedoch mit den geschilderten Schmerzen nicht uneingeschränkt in Einklang zu bringen. Die Versicherte
könne ihre Tätigkeit in der Gastronomie wieder aufnehmen. Vom 27. März 2009 bis 23. März 2010 bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) um 10 v.H., danach voraussichtlich 0 v.H ...
Mit Bescheid vom 18. Februar 2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. In einem Befundbericht des Chirurgen und
Unfallchirurgen Dr. K. vom selben Tage heißt es, die Narbenverhältnisse seien reizarm und trocken, am linken distalen medialen
Unterschenkel bestehe kein Anhalt für Thrombose oder Durchblutungsstörungen. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität
seien intakt, die Gelenke frei beweglich und stabil, eine Vollbelastung möglich. Die intermittierenden Schmerzen seien mit
Ibuprofen 800 bei Bedarf gut therapierbar. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaße werde vermutlich
verbleiben und könne gegebenenfalls im Verlauf begutachtet werden.
Der Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid vom 18. Februar 2010 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom
23. Juni 2010). Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Internisten Professor Dr. O. eingeholt, welcher im Wesentlichen ausgeführt
hat, es gebe eine gewisse Analogie zu den Anhaltspunkten im Schwerbehindertenrecht. Insbesondere seien auch die Schmerzen
zu berücksichtigen, die zu einer Funktionseinschränkung führten. Die Funktionseinschränkung sei derart, dass bei Schmerzen
das gesamte linke Bein geschont und nicht mehr adäquat eingesetzt werde. Zudem stehe eine schlechte Wundheilung im Vordergrund,
wobei nicht abzuschätzen sei, in welchem Zeitraum es zu einer Verheilung kommen werde. Die Bewegungseinschränkung des linken
Beines äußere sich vor allem darin, dass der Umfang des linken Beines um ca. 1 cm gegenüber rechts vermindert sei. Die MdE
sei daher mit 20 v.H. zu bewerten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Sachverständigen wird auf das Gutachten
vom 22. März 2011 sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 27. Oktober 2011 Bezug
genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige Professor Dr. O. habe zu Unrecht
die im Schwerbehindertenrecht geltenden Anhaltspunkte für die Bewertung des Grades der Behinderung (GdB) seiner MdE- Schätzung
zu Grunde gelegt. In der gesetzlichen Unfallversicherung gebe es für die Einschätzung der MdE bei Unterschenkelgeschwüren
keine allgemeinen Anhaltspunkte. Bei der Unfallfolge eines Unterschenkelgeschwürs komme es zu erheblichen Schwankungen, so
dass ein dem wechselnden Zustand entsprechender Satz der Rentenbemessung zugrunde zu legen sei. Die Prognose für eine Verschlimmerung
bis zur Arbeitsunfähigkeit werde beeinflusst durch Lokalisation und Tiefe des Geschwürs, Umfang der Durchblutungsstörung,
Konstitution, berufliche Tätigkeit und vor allem Bereitschaft, nach ärztlicher Anleitung selbst eine ständige Kompressionsbehandlung
durchzuführen. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei festzustellen, dass das Unterschenkelgeschwür der Klägerin nicht
auf Sehnen, Knochen oder Gelenkskapseln treffe und auch noch keine Durchblutungsstörungen hervorgerufen habe, so dass diese
gravierenden Gesichtspunkte bei der Bemessung der MdE nicht ins Gewicht fallen könnten. Die Klägerin habe eine gute Konstitution,
arbeite weiterhin seit Jahren als Servicekraft in einem Restaurant und zwar wenigstens 30 h in der Woche auch nach dem Unfall.
Sie trage regelmäßig Kompressionsstrümpfe und sei in hohem Maße an einer vollständigen Ausheilung der Wunde interessiert.
Das Auftreten von Schmerzen nach vier- bis fünfstündiger Arbeit bei im Übrigen sicheren Gangverhältnissen sei nicht vergleichbar
mit einer z.B. nicht muskulärer kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates oder einer muskulärer nicht kompensierbaren
Seitenbandinstabilität, welche nach den MdE-Erfahrungswerten mit einer MdE von 20 vom 100 bewertet werde. Eine rentenberechtigende
MdE nach dem Unfall könne daher nicht angenommen werden.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. November 2011 zugestellte Urteil am 2. Dezember 2011 Berufung
eingelegt, mit welcher sie vorträgt, der Gutachter Professor Dr. O. habe die Klägerin anlässlich der mündlichen Verhandlung
erneut untersucht und nochmals bestätigt, dass die Wunde wiederum eine offene Stelle aufweise, die zu diesem Zeitpunkt 3 mm
im Durchmesser betragen habe. Das linke Bein werde geschont. Am Oberschenkel sei weiterhin eine Umfangsminderung um 1 cm festgestellt
worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Sozialgericht zu einem abweichenden Ergebnis gelangt sei. Insbesondere sei
dabei zu kritisieren, dass das Gericht die von der Klägerin unter starken Schmerzen erbrachte Berufstätigkeit zu ihrem Nachteil
ausgelegt habe. Die Klägerin habe ihre Arbeitszeit bereits ganz erheblich reduzieren müssen. Sie arbeite so viel, wie es die
Schmerzen irgendwie zuließen. Keineswegs könne von einer guten Konstitution gesprochen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2010 in der Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin wegen der Folgen des
Arbeitsunfalls vom 23. März 2008 eine Verletztenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat zunächst eine ergänzende Stellungnahme des Professor Dr. O. eingeholt, welcher am 9. Mai 2012 ausgeführt
hat, es sei schwierig, einen geeigneten Bewertungsmaßstab zu finden. Grundübel sei eigentlich das Unterschenkelgeschwür. Derartige
Unterschenkelgeschwüre beruhten in den allermeisten Fällen auf Veränderungen der Beinvenen, wobei dann die Anwendung eines
Kompressionsstrumpfes angezeigt sei. Im Falle der Klägerin handele es sich um eine völlig andere Ursache. Bei ihr liege eine
Störung der roten Blutkörperchen vor, die zu einer Hämolyse führe. Die Sauerstoffversorgung des Gewebes sei gestört und durch
die Hämolyseprodukte komme es zu einer Beeinflussung der Mikrozirkulation in der Haut. Es sei fraglich, ob in diesem Fall
die Anwendung eines Kompressionsstrumpfes überhaupt sinnvoll sei. Derartige Unterschenkelgeschwüre kämen bei Menschen mit
hämolytischen Erkrankungen häufiger vor. Die zu Grunde liegenden Verletzungen seien oft nicht klar erkennbar. Die Situation
eines verletzungsbedingten Unterschenkelgeschwürs aufgrund einer hämolytischen Erkrankung sei bezüglich seiner MdE-Bewertung
nirgends beschrieben. Hier könnten die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit möglicherweise weiterhelfen. Dort
würden chronisch-rezidivierende Geschwüre mit GdB-Bewertungen von 30-50 angegeben. Immerhin zeigten sich auch jetzt, fast
vier Jahre nach dem Unfall, noch erhebliche Folgezustände. Eine MdE von 20 vom 100 sei daher angemessen.
Das Berufungsgericht hat des Weiteren ein fachchirurgisches Sachverständigengutachten eingeholt, welches die Fachärztin für
Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. W. am 9. August 2012 erstellt hat. In dem Gutachten ist ausgeführt, bei der Klägerin liege
ein abgeheilter chronischer Haut-Weichteildefekt im Bereich des linken Unterschenkels nach Schnittverletzung vor, für welchen
wahrscheinlich der Unfall vom 28. März 2008 alleinige Ursache sei. Auch wenn die Grunderkrankung der Klägerin, die Mittelmeeranämie,
mit vermehrter Infektanfälligkeit und Auftreten von Hautschädigungen eine Wundheilung ungünstig beeinflusse, sei davon auszugehen,
dass ohne das Unfallereignis eine Wundheilungsstörung nicht aufgetreten wäre. Die Thalassämie als vorbestehende Krankheit
begünstige zwar das Auftreten von Hautschäden und führe zu einer Infektanfälligkeit, chronische Wunden oder regelmäßige Hautinfekte
seien aber bei der Klägerin außerhalb der genannten Verletzung am linken Bein nicht nachweisbar. Es sei auch nicht davon auszugehen,
dass ohne das Unfallereignis zu annähernd gleicher Zeit die Wundheilungsstörung aufgetreten wäre. Alltägliche Ereignisse hätten
bei der Klägerin zu keinen offenen, nicht heilenden Wunden geführt. In der Untersuchung habe sich eine freie Beweglichkeit
des angrenzenden Sprung- und Kniegelenkes gezeigt. Eine Weichteilschwellung am linken Bein habe sich nicht nachweisen lassen.
Die Narbe sei zum Zeitpunkt der Untersuchung fest verschlossen gewesen, eine Sekretion habe sich nicht nachweisen lassen.
Ein wesentlicher Substanzdefekt des Fettgewebes lasse sich nicht nachweisen. Ein Defekt der Muskulatur bestehe nicht. Auch
eine chronische Entzündung, eine Fistelung oder eine Ulceration der Narbe lasse sich nicht nachweisen. Eine Minderbelastbarkeit
des linken Beines sei nicht ersichtlich. Der Muskelumfang sei im Bereich der Ober- und Unterschenkelmuskulatur seitengleich.
Muskellücken ließen sich nicht tasten. Differenzierte Gangarten seien ohne Probleme durchführbar. Zum Zeitpunkt der Untersuchung
lasse sich nur noch als Unfallfolge nachweisen: Eine geringe Einziehung der Narbe im Bereich des linken Unterschenkels mit
Pigmentierungsstörung bei zentralem Pigmentverlust mit Hyperpigmentierung perifokal sowie eine Sensibilitätsstörung im Narbenareal.
Bei Weichteilschäden werde neben der Feststellung der Funktionseinbußen nach der Neutral- Null- Methode die Funktionseinschränkung
durch Ausmaß der Beeinträchtigung, durch die Lokalisation, Ausdehnung und Qualität der Narben bestimmt. Psychosomatische vegetative
Beschwerden, zu denen der chronische Juckreiz gehöre, seien in den angegebenen Prozentsätzen bereits berücksichtigt. Nur wenn
weitere Symptome oder Beschwerden, wie Kälte- oder verstärkte Wärmeüberempfindlichkeit, Gewichtsabnahme, gesteigertes Schlafbedürfnis
oder Gelenkschmerzen ganz im Vordergrund stünden, sei eine psychiatrisch-psychologische Zusatzbegutachtung angeraten. Die
MdE könne im Allgemeinen wegen psychiatrisch-psychologischer Unfallfolgen um 10 %, nur ganz selten höher eingeschätzt werden.
Zur raschen Orientierung bei Ausdehnung der Hautverletzungen gelte die Handflächenregel, bei der man davon ausgehe, dass ein
Prozent der gesamten Körperoberfläche der Fläche einer Hand des Patienten entspreche. Nach gängiger Gutachtenliteratur bei
Verbrennungen würden Narbenbildung ein wie folgt gewertet:
- Kleine fleckförmige Areale an Rumpf und Gliedmaßen bis zu 5 % der Oberfläche mit einer MdE ( 10 v.H.
- Areale entsprechend 9 % der Körperoberfläche (Ausdehnung ein Arm, ein halbes Bein) mit einer MdE von 10 v.H.
- Areale von 9-18 % der Körperoberfläche (beide Arme, ein Bein) 20 v.H.
- Areale 18-27 % der Oberfläche (z.B. Rumpf Vorderseite plus ein Arm) 30 vom 100
Im Allgemeinen seien die üblicherweise auftretenden Schmerzen in den MdE-Erfahrungswerten bereits eingeschlossen. Eine möglicherweise
vorhandene besondere Schmerzsymptomatik sei hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit zu prüfen.
Eine länger bestehende, relevante schmerzbedingte Minderbelastbarkeit führe im Bereich des Bewegungsapparates zu objektiven
Zeichen der Schonung, beispielsweise in Form von Muskelminderungen oder Kalksalzminderungen, verminderter Beschwielung der
Fußsohle oder Handinnenflächen. Eine stärker verminderte Belastbarkeit der unteren Extremitäten äußere sich in der Veränderung
des Gangbildes. Bei der Klägerin sei eine Umfangsdifferenz der Muskulatur als Zeichen der Minderbelastung nicht nachweisbar.
Die Fußsohlenbeschwielung sei beidseits kräftig ausgeprägt. Eine Veränderung des Gangbildes lasse sich nicht nachweisen.
Nach dem Schema der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin seien Narben wie folgt zu bewerten:
A) Funktionseinschränkungen: insoweit sei zu berücksichtigen, dass funktionelle Auswirkungen durch Narbenkontraktur oder Narbenhypertrophie
im Falle der Klägerin nicht vorlägen. Elastizität und Gleitfähigkeit auf der Muskulatur und dem Sehnengewebe seien nicht eingeschränkt.
Eine MdE aufgrund der Funktionseinschränkungen ergebe sich daher nicht.
B) Lokalbefund der Narbenoberfläche oder des Narbenstrang: die Narbe umfasse vorliegend maximal 1 % der Körperoberfläche,
es sei von Pigmentveränderung und Instabilität auszugehen, so dass ein Multiplikator von drei anzunehmen sei. Eine besondere
Lokalisation beispielsweise im Gesicht liege nicht vor.
C) Somatische und vegetative Beschwerden: die Klägerin gebe eine Kälteempfindlichkeit, eine Verletzlichkeit der Haut und einen
Juckreiz, sowie Taubheitsgefühle und ein Spannungsgefühl an. Nach dem Schema der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungschirurgie
ergebe dies eine Punktzahl von zehn, so dass sich zuzüglich der drei Punkte aus der Wertung des Lokalbefundes eine Punktzahl
von 13 ergebe, was einer MdE von 0 v.H. entspreche. Erst ab einer Punktzahl von 20 wäre eine MdE von 10 v.H. anzunehmen. Dies
decke sich mit der Einschätzung, nach der ein fleckförmiges Areal an den Gliedmaßen von bis zu 5 % der Körperoberfläche mit
einer MdE von ( 10 v.H. empfohlen werde. Auch im Verlauf der Erkrankung rechtfertigten alle dokumentierten Befunde eine MdE
von 10 v.H. oder höher nicht.
Nach Einholung eines Befundberichtes des Neurotraumatologen Dr. N. vom 20. März 2013, in welchem ein neuropathisches Schmerzsyndrom
im Bereich der Narbenplatte am medialen distalen Unterschenkel links nach abgeheilter, ehemals tief reichendem fibrinös belegten
Haut-/Weichteildefekt nach Schnittverletzung diagnostiziert wurde, hat Frau Dr. W. im Juni 2013 erneut Stellung genommen und
ausgeführt, ein Narbenaufbruch werde nicht beschrieben. Führend sei die geklagte Schmerzsymptomatik im Narbenbereich. Diese
werde mit lokalem Schmerzpflaster sowie begleitenden Schmerztabletten behandelt. Tiefer gehende Defekte mit Beteiligung der
Muskulatur oder des Knochens seien nicht nachgewiesen. Hinsichtlich der klinischen Befundbeschreibungen ergebe sich kein Hinweis
auf einen tiefergreifenden Infekt. Die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Wirbelsäule sei nicht als Schädigungsfolge zu
werten. Hinsichtlich der geklagten Schmerzsymptomatik sei festzuhalten, dass die Schätzung der MdE im Wesentlichen eine Bewertung
der Funktion sei. Die subjektive Angabe verstärkter Beschwerden reiche als Begründung für die MdE-Beurteilung nicht aus, soweit
sich nicht funktionell objektivierbare Defizite zeigten. Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom lasse sich bei der Klägerin
nicht nachweisen. Eine wesentliche Funktionseinschränkung hinsichtlich der Belastbarkeit des linken Beines ergebe sich aus
der geklagten Symptomatik nicht. Auch anhand der neu vorgelegten Befundberichte lasse sich eine MdE in rentenberechtigender
Höhe nicht feststellen.
Der die Klägerin seit 2008 behandelnde Anästhesiologe und Schmerzmediziner Dr. R. hat im August 2014 ausgeführt, im Bereich
der gesetzlichen Unfallversicherung sei die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von Schmerzzuständen wegen der schlechten
Verifizierbarkeit nur in sehr wenigen Fällen auszusprechen. Schmerzstärke und Beeinträchtigung seien immer subjektiv, nicht
objektiv messbar und von vielen begleitenden Faktoren beeinflusst. Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zähle daher
nur die reproduzierbar messbare Einschränkung in der Funktion. Unstrittig leide die sich in seiner Behandlung befindliche
Klägerin unter Schmerzen in der Narbe und in einem Bereich um die Narbe herum. Eine wesentliche Einschränkung in der Funktion
des betroffenen Beines sei aber nicht feststellbar. Allein auf schmerztherapeutischem Gebiet könne daher die auszusprechende
MdE keine zur Gewährung einer Rente berechtigende Höhe erreichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der
Niederschrift über die öffentliche Senatssitzung zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Die Orientierung an den MdE-Werten wie sie für Verbrennungsnarben erarbeitet worden sind und wie sie Frau Dr. W. vornimmt,
ist dagegen allein sachgerecht und auch insbesondere deshalb nachvollziehbar, weil die entsprechende Systematik alle Aspekte
des Unterganges gesunden Gewebes und der Neubildung von Narben berücksichtigt. Der Senat schießt sich daher der Einschätzung
der Sachverständigen Dr. W. nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage voll umfänglich an. Sie entspricht darüber hinaus auch
der Einschätzung des behandelnden Schmerztherapeuten der Klägerin. Eine MdE in rentenberechtigender Höhe liegt danach bei
der Klägerin nicht vor.