Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten im Rahmen von Leistungen nach dem SGB XII
Haushaltsenergie aus dem Regelsatz
Verfassungskonformität der Regelsätze
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt noch einen Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten.
Die 1948 geborene Klägerin ist Altersrentnerin und bezieht aufstockende Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beklagten. Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter M. die Wohnung I., deren alleinige Mieterin
die Klägerin ist. Die Beklagte bewilligte der Klägerin unter Berücksichtigung eines hälftigen Mietanteils für die Tochter
M., welche bis Mai 2014 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog, für die Kosten der Unterkunft monatlich 256,12 Euro, zuletzt für den Monat August. Nachdem der Tochter der Klägerin
die SGB II-Leistungen seitens des Jobcenters wegen mangelnder Mitwirkung ab Juni 2014 versagt wurden (Bescheid vom 20.5.2014), beantragte
die Klägerin mit Fax-Schreiben vom 26. Juli 2014 die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft, da sie allein mietvertraglich
verpflichtet sei und keine Zuwendungen mehr erhalte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 2014 ab. Der Widerspruch
vom 1. August 2014, mit dem die Klägerin zugleich die Übernahme der vollen Stromkosten beantragte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 22.9.2014).
Dagegen hat die Klägerin am 26. September 2014 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung gestellt, dem das Gericht im Hinblick auf die Übernahme der vollen Miete ab 26. September 2014
(Eingang des Antrags) bis zum 30. November 2014 stattgab (Beschluss vom 20.10.2014 - S 20 SO 535/14 ER). Hinsichtlich der
Stromkosten wurde der Antrag zurückgewiesen, da zunächst das Verwaltungsverfahren durchzuführen sei. Nachfolgend kam die Beklagte
der Verpflichtung zur Übernahme der vollen Unterkunftskosten nach.
Mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2017, zugestellt am 23. Dezember 2017, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegenstand
des Verfahrens sei allein die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft; das sei geklärt und insoweit bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis
fort. Gegenstand des Verfahrens sei dagegen nicht die Übernahme der Stromkosten, welche nicht zu den Kosten der Unterkunft
gehörten, sondern über den Regelbedarf nach der Vorschrift des § 27a SGB XII zu finanzieren seien.
Am 21. Januar 2018 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Der erhöhte Stromaufwand sei durchaus Gegenstand des Verfahrens gewesen
und müsse von der Beklagten übernommen werden. Es gehe ihr nicht um eine individuelle Situation erhöhten Mehrbedarfs, sondern
um die nicht auskömmliche Berechnung der Regelleistung.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Hamburg vom 19. September 2017 und der entgegenstehenden
Bescheide der Beklagten den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin erhöhte Leistungen in Bezug auf einen Strommehrbedarf zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit Beschluss vom 27. März 2018 hat der Senat die Berufung nach §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens
der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Nach §
153 Abs.
5 SGG kann der Senat durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden.
Die Berufung ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) erhoben. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
In der Sache hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft führt die Klägerin
daher ihr Begehren im Rahmen der Berufung auch nicht fort. Allerdings ist nach Auffassung des Senats auch die Frage eines
Anspruchs auf erhöhte Leistungen wegen Stromkostenbedarfs von Anfang an Gegenstand der Klage gewesen, wie sich bereits aus
dem Klageschriftsatz vom 26. September 2014 ergibt. Mit diesem nun in der Berufung aufgegriffenen Begehren dringt die Klägerin
aber nicht durch.
Die Kosten der Haushaltsenergie sind nämlich aus dem Regelsatz (§ 27a Abs. 3, Abs. 1 SGB XII) zu bestreiten. Der Senat hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Regelsatzes im streitigen Zeitraum
durch den Gesetzgeber Bereits mit Urteil vom 24. April 2014 (L 4 AS 365/13), seinerzeit noch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R und B 4 AS 47/12 R sowie vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R und B 13 AS 189/11 R) hat der Senat zu dieser Frage befunden, dass die Regelbedarfe für Alleinstehende nicht in verfassungswidriger Weise zu
niedrig festgesetzt worden seien. Nunmehr kann zudem auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014
(1 BvL 10/12) und auf die aktuelle Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte (SächsLSG, Urteil vom 24.5.2018 - L 7 AS 1105/16; LSG NW, Beschluss vom 19.12.2017 - L 2 AS 1900/17 B; BayLSG, Beschluss vom 21.7.2017 - L 18 AS 405/16 B PKH; LSB Berlin-Bbg., Urteil vom 20.6.2017 - L 18 AS 392/17; siehe auch Saitzek, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 20 Rn. 66, speziell zu den Kosten der Haushaltsenergie) verwiesen werden, der der Senat sich anschließt. Rechtmäßig ist ebenfalls
die notwendig mit dem gesetzlichen Verfahren verbundene verzögerte Umsetzung von ermittelten Bedarfswerten in den Regelsatz.
In diesem Zusammenhang hat der Senat (Urteil vom 19.3.2015 - L 4 AS 275/11) bereits ausgeführt, dass "das Bundesverfassungsgericht in dem angeführten Urteil vom 23. Juli 2014 mit ausführlicher und
überzeugender Begründung dargelegt hat, dass der Gesetzgeber die Leistungen nicht evident unzureichend festgesetzt hat und
nicht zu erkennen ist, dass der existenzsichernde Bedarf hierdurch möglicherweise nicht gedeckt sein könnte. So hat das Bundesverfassungsgericht
ausgeführt, dass die Bestimmung den Anforderungen an eine hinreichend transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher
Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe beruhe. Zur Bestimmung
der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf habe sich der Gesetzgeber mit dem Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die
grundsätzlich geeignet sei, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht
zu bemessen."
Es sei "nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, dass die Ermittlung von Regelbedarfen,
die ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten, stets nur annäherungsweise möglich ist. So hat das Bundesverfassungsgericht
in der genannten Entscheidung vom 23. Juli 2014 ausgeführt, dass die Ermittlungen nur auf Daten zu komplexen Verhältnissen
gestützt werden könnten, die für die jeweils aktuell geforderte Deckung eines existenzsichernden Bedarfs nur begrenzt aussagekräftig
seien. Zwar müsse die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung auf im Ausgangspunkt
tragfähigen Grundannahmen, Daten und Berechnungsschritten beruhen. Bedenken hinsichtlich einzelner Berechnungspositionen schlügen
hingegen nicht ohne weiteres auf die verfassungsrechtliche Beurteilung durch. Der Gesetzgeber dürfe ernsthafte Bedenken, die
auf tatsächliche Gefahren der Unterdeckung verwiesen, allerdings nicht einfach auf sich beruhen lassen und fortschreiben,
sondern sei gehalten, bei den periodisch anstehenden Neuermittlungen des Regelbedarfs zwischenzeitlich erkennbare Bedenken
aufzugreifen und unzureichende Berechnungsschritte zu korrigieren. Eine Verfassungswidrigkeit der bestehenden Bestimmung des
Regelbedarfs folge daraus aber nicht."
Im SGB XII ist mit der Vorschrift des § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zudem eine Möglichkeit geschaffen worden, im Einzelfall den Regelsatz abweichend zu bemessen, wenn ein durch die Regelbedarfe
abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat unausweichlich in mehr
als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden
durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen
werden können. Mit dieser Vorschrift öffnet der Gesetzgeber die pauschale Bemessung des Regelsatzes für individuelle Bedarfslagen.
Das aber macht die Klägerin nicht geltend und kann ihr nicht zu Gute kommen; es geht ihr nicht um einen einzelfallbezogenen
erhöhten Bedarf an Haushaltsenergie, sondern um die allgemeine Bemessung des Regelsatzes. Nur ergänzend: Es ist auch weder
ersichtlich noch vorgetragen, dass hier "im Einzelfall" ein "unausweichlich" erhöhter Bedarf vorliegt, der "begründbar nicht
anderweitig ausgeglichen" werden kann. Die bloße Angabe der Höhe des Stromabschlages reicht dafür jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.