Höhere Gesamtvergütung und Einbehalt zum Zweck der Anschubfinanzierung
Bindungswirkung einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer Klageänderung
Verjährung von Gesamtvergütungsansprüchen
Rechtsnatur der Stufenklage
Gegenrecht auf Mitteleinbehaltung zur Anschubfinanzierung
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine höhere Gesamtvergütung für die Quartale I/2005 bis einschließlich IV/2008.
Die Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK) war eine Ersatzkasse, die mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in die (damalige) Deutsche
Angestellten-Krankenkasse (DAK) eingegliedert worden ist. Die jetzige Beklagte ist mit Wirkung zum 1. Januar 2012 aus der
Fusion der DAK mit zwei Betriebskrankenkassen hervorgegangen.
Die HMK behielt in den Quartalen I/2005 bis einschließlich IV/2008 von den nach § 14 Abs. 2 des Gesamtvertrages zwischen der
Beklagten und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. sowie dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. vom 11. April
1996 (i.F.: Gesamtvertrag) zu leistenden Abschlagszahlungen auf die Gesamtvergütung Beträge in verschiedener Höhe ein (i.F.:
Einbehalte), die sich auf insgesamt 181.117,84 Euro beliefen. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Auskünfte der Gemeinsamen
Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des §
140d SGB V, die bei der Bundesgeschäftsstelle Q. (i.F.: gemeinsame Registrierungsstelle) eingerichtet ist, beliefen sich die Einbehalte
im Jahr 2007 auf einen Betrag von 2.345.841,13 Euro (davon gegenüber der Klägerin 45.680,60 Euro), wovon in den Jahren 2007
und 2008 insgesamt 1.899.207,73 Euro ausgegeben wurden (Saldo: plus 446.633,40 Euro). Im Jahr 2008 behielt die HMK 2.745.572,32
Euro ein (davon bei der Klägerin 48.931,26 Euro) und gab 2.960.437,81 Euro aus (Saldo minus 214.865,49).
Offenbar unter dem 26. März 2009 fertigte die HMK ein als "Darlegung der Verwendung der in den Jahren 2004 bis 2008 für Verträge
der integrierten Versorgung einbehaltenen Mittel" betiteltes Schreiben (i.F.: Verwendungsnachweis), in dem sie für die Jahre
2004 bis 2008 einen "Rückzahlungsanspruch" der Klägerin von 26.582,96 Euro errechnete (davon 4.122,55 Euro für die Jahre 2007
und 2008). Speziell für die Jahre 2007 und 2008 ergab sich hieraus (in Übereinstimmung mit den Auskünften der gemeinsamen
Registrierungsstelle) ein Gesamtsaldo von 231.767,91 Euro. Die HMK errechnete hieraus für die Jahre 2004 bis 2006 einen Anspruch
der Klägerin in Höhe von 22.460,41 Euro und für die Jahre 2007 und 2008 einen Anspruch von 4.122,55 Euro. Hierbei ging die
HMK davon aus, sie habe zulasten der Klägerin eine Anschubfinanzierung in Höhe von 90.562,95 Euro einbehalten, und der Anteil
im Sinne von §
140d Abs.
1 Satz 8 letzter Halbsatz Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung, a.F.) habe sich auf 0,01778 Prozent belaufen.
Am 8. April 2010 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte (d.h. die damalige DAK als Rechtsnachfolgerin
der HMK) 1. zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, a. aufgrund welchen Vertrages/welcher Verträge zur integrierten Versorgung
und in welcher jeweiligen Höhe die Beklagte Abzüge von insgesamt 1 % von der an die Klägerin zu zahlenden Gesamtvergütung
zur Förderung der integrierten Versorgung vorgenommen habe, b. für welchen Vertrag/welche Verträge zur Förderung der integrierten
Versorgung diese Einbehalte zu welchem Zeitpunkt verwendet worden seien, 2. nach erteilter Auskunft zu verurteilen, der Klägerin
den Betrag, der sich nach den erteilten Auskünften weder als Einbehalt für Verträge zur Förderung der integrierten Versorgung
noch als Verwendung für Zweck zur Förderung der integrierten Versorgung darstelle, nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Sie hat ausgeführt, die HMK habe Anteile der Gesamtvergütung einbehalten, wobei unklar sei, aufgrund welcher Verträge diese
Einbehalte genau erfolgt seien. Auf der Grundlage genauerer Informationen zu den der gemeinsamen Registrierungsstelle gemeldeten
Verträgen sowie der konkreten Mittelverwendung werde sich sodann ein Anspruch beziffern lassen. Zu diesem Zweck habe die Beklagte
die entsprechenden Verträge vorzulegen, "wie es erforderlich (sei), um überprüfen zu können, ob nach den Grundsätzen des Bundessozialgerichts
ein Vertrag zur integrierten Versorgung vorliegt".
Mit Schriftsätzen vom 9. Februar 2011 und 14. April 2011 hat die Klägerin sodann ausgeführt, die Beklagte habe insgesamt 181.117,91
Euro für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung einbehalten. Dieser Gesamtbetrag solle nebst Zinsen ab Fälligkeit
mit der Klage geltend gemacht werden.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2013 hat die Klägerin Auszahlung sämtlicher Einbehalte seit dem Quartal I/2005 (insgesamt 181.637,73
Euro) nebst Zinsen (entsprechender einer detaillierten Berechnung) verlangt.
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2013 hat die Klägerin den Hauptantrag in Höhe der bereits gezahlten 26.528,96 Euro zurückgenommen
(und dabei ausgeführt, im vorangehenden Schriftsatz vom 17. Mai 2013 sei ihr insoweit lediglich ein Schreibfehler unterlaufen).
Die Umstellung des Klageantrags sei gemäß §
99 Abs.
3 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht als Klageänderung anzusehen, jedenfalls sei sie aber sachdienlich im Sinne von §
99 Abs.
1 SGG. Da sie - die Klägerin - bestreite, dass die Verträge den gesetzlichen Anforderungen entsprächen, sei die Beklagte verpflichtet,
diese vorzulegen. Lege die Krankenkasse diese Verträge nicht oder nicht vollständig vor, so sei eine Beweislastentscheidung
zu ihren Lasten zu treffen. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht verjährt. Er sei gemäß §
140d Abs.
1 Satz 8 Fünftes Buch
SGB V a.F. erst am 31. März 2009 fällig geworden.
Die Beklagte hat ausgeführt, die HMK habe tatsächlich in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt 181.117,84 Euro zulasten der Klägerin
einbehalten und überwiegend für die vertraglich vorgesehenen Zwecke verwendet. Die nicht verwendeten Mittel in Höhe von 26.582,96
Euro habe die HMK bereits im April 2009 und somit deutlich vor Klageerhebung an die Klägerin ausgezahlt. Zur Vorlage der einzelnen
Verträge sei sie nicht verpflichtet. Einer Klageänderung in eine Leistungsklage hat die Beklagte ausdrücklich widersprochen.
Weiterhin sei diese Änderung auch nicht sachdienlich, da die Klage in ihrer ursprünglichen Fassung mangels Rechtsschutzbedürfnis
abweisungsreif gewesen sei. Dass die Klägerin ihre zunächst erhobene Stufenklage auch ohne Vorlage der auf der ersten Stufe
begehrten Auskünfte auf eine Leistungsklage umgestellt habe, zeige deutlich, dass diese Auskünfte nicht zur Ermittlung der
Klageforderung erforderlich gewesen seien. Außerdem sei der geltend gemachte Anspruch verjährt und auch die Stufenklage habe
nicht verjährungshemmend gewirkt. Eine Stufenklage hemme nur die Verjährung eines Anspruchs, der nach Erfüllung des der Vorbereitung
dienenden Hilfsanspruchs beziffert werde. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin ihren Zahlungsanspruch jedoch völlig unabhängig
davon beziffert.
Durch Urteil vom 17. Juli 2013 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 154.534,88 Euro nebst Zinsen unter Zugrundelegung
der Fälligkeitszeitpunkte für die monatsweisen Abschlagszahlungen verurteilt. Außerdem hat es der Beklagten die vollen Kosten
des Verfahrens auferlegt. Die Klägerin habe zunächst eine Leistungsklage als Teil der Stufenklage erheben und diese so erhobene
Klage später im Sinne einer reinen Leistungsklage konkretisieren können. Sie habe Anspruch auf die Zahlung in Höhe sämtlicher
Einbehalte (abzüglich des bereits gezahlten Betrages von 26.582,96 Euro), da die Beklagte ihrer aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. folgenden Verpflichtung zur Abrechnung bis zum 31. März 2009 nicht in vollem Umfang nachgekommen sei und es deshalb
an einem Nachweis dessen fehle, dass die einbehaltenen Teile der Gesamtvergütung überhaupt für die Förderung der integrierten
Versorgung verwendet worden seien. Aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. in Verbindung mit Satz 4 der Vorschrift ergebe sich, dass jedenfalls immer dann, wenn nicht einmal ansatzweise eine
Rechnungslegung erfolgt sei, diese nach Ablauf des Stichtages (31. März 2009) nicht mehr nachgereicht werden könne und der
einbehaltende Betrag auszuzahlen sei (Verweis auf SG Marburg, Urteil vom 26. September 2012 - S 12 KA 967/09, juris). Auch die (obendrein verspätete) Zahlung eines Betrags von 26.582,96 Euro sei nicht als Rechnungslegung aufzufassen
gewesen, denn allein aus dieser Zahlung sei nicht ersichtlich gewesen, um welche einbehaltenen Mittel und welchen Vertrag
zur integrierten Versorgung es sich gehandelt habe. Die Forderung sei auch nicht verjährt, denn die Verjährung sei durch Klageerhebung
gehemmt worden. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §
288 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) in Verbindung mit §
14 Abs.
5 des Gesamtvertrags.
Am 30. August 2013 hat die Beklagte gegen dieses ihr am 20. August 2013 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Sie führt aus, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Klage von der Stufen- auf die Leistungsklage
habe umstellen dürfen. Da die Klägerin die Höhe der Einbehalte - im Übrigen auch bereits vor dem 31. März 2009 - gekannt habe,
sei die auf erster Stufe des ursprünglichen Klageantrags begehrte Auskunft nicht zur Bezifferung des Leistungsantrags erforderlich
gewesen. Vor diesem Hintergrund halte sie auch an der Einrede der Verjährung fest: Verjährung sei jedenfalls insoweit eingetreten,
als sich "der Zahlungsanspruch auf die Überprüfung der Erforderlichkeit" beziehe. Die Klägerin habe auf erster Stufe ihres
Antrags aus der Klageschrift Auskunft über die Versorgungsverträge, die Höhe der Einbehalte und die Verwendung der einbehaltenen
Mittel verlangt. Aus Ziffer 2 des ursprünglichen Klageantrags ergebe sich, dass es der Klägerin darum gegangen sei, den Betrag
zu ermitteln, der sich aus der Differenz der tatsächlich vorgenommenen Einbehalte und den nicht für "wirksame" Verträge einbehaltenen
Mitteln ergeben habe. Ihren vermeintlichen Zahlungsanspruch habe die Klägerin allerdings später unabhängig von den zur Vorbereitung
dienenden Hilfsansprüchen beziffert. Zwischen dem ursprünglichen Klageantrag zu 1 und dem später gestellten Zahlungsantrag
habe kein Zusammenhang bestanden. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Verweis auf BGH, Urteil
vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11) sei die Stufenklage unzulässig gewesen, da die klageweise geltend gemachte Auskunft nicht der Bezifferung des Leistungsanspruch
gedient habe, sondern vielmehr benötigt worden sei, um beurteilen zu können, ob überhaupt ein Anspruch bestehe. Die unbezifferte
Leistungsklage sei wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis unzulässig gewesen, denn die Klägerin habe die Höhe
der Einbehalte gekannt. Hilfsweise sei davon auszugehen, dass eine etwaige Hemmung der Verjährung dadurch entfallen sei, dass
das gerichtliche Verfahren zwischen dem 3. Mai 2011 und der Ladung vom 22. April 2013 nicht betrieben worden sei.
In der Sache habe das Sozialgericht den Verwendungsnachweis vom 26. März 2009 nicht berücksichtigt, obwohl die Beklagte substantiiert
dargelegt habe, dass dieser der Klägerin schon vor Klageerhebung bekannt gewesen sei. Der Sitzungsvertreter der Klägerin habe
seinerzeit vor dem Sozialgericht erklärt, der Verwendungsnachweis sei seiner Auffassung nach nicht hinreichend konkret. Damit
habe er zugleich zugegeben, dass die Klägerin das entsprechende Schreiben erhalten habe. Auch die im Verwendungsnachweis ausgewiesene
Zahlung habe sie erhalten.
Das Sozialgericht habe in diesem Zusammenhang richterliche Hinweispflichten verletzt und nicht hinreichend rechtliches Gehör
gewährt. Es habe eine Überraschungsentscheidung erlassen, da es die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten
Verträge nicht zur Akte genommen, sondern erklärt habe, auf diese komme es nicht an. Dem vom Sozialgericht angeführten Urteil
des Sozialgerichts Marburg sei auch nicht zu folgen, vielmehr habe das Sozialgericht Berlin (Verweis auf Urteil vom 29. August
2012 - S 36 KR 2137/10, juris, Rn. 109) zutreffend ausgeführt, dass eine nicht fristgerechte Abrechnung nicht automatisch zur Auszahlung aller Einbehalte
verpflichte. Auf die Vorlage der einzelnen Verträge und deren Inhalt komme es nicht an, da ein etwaiger Anspruch der Klägerin
ohnehin verjährt sei.
Die aufgrund der vorgelegten Verträge theoretisch mögliche Gesamtkürzungsquote habe bereits ab dem 1. Juli 2005 bei mehr als
1 Prozent gelegen, im Jahr 2008 zwischen 3,639748 Prozent und 4,201003 Prozent. Konkrete Kürzungsbeträge ließen sich den einzelnen
Verträgen nicht zuordnen. Da die Einbehalte aufgrund der Gesamtkürzungsquote erfolgt seien, sei eine solche Berechnung nur
möglich, wenn lediglich ein einziger Vertrag zum Einbehalt berechtigt hätte. Allein der Vertrag Nr., den das Sozialgericht
Hamburg als Vertrag zur integrierten Versorgung gebilligt habe (Verweis auf SG Hamburg, Urteil vom 11. Dezember 2013 - S 3 KA 183/08, recte: 173/08, wo der Vertrag als Nr. 111 bezeichnet wird), habe angesichts einer theoretischen Kürzungsquote von 1,291
Prozent bereits sämtliche erfolgten Einbehalte gerechtfertigt. Die HMK sei diesem ursprünglich zwischen der (damaligen) DAK
und den Unternehmen der Unternehmensgruppe D. geschlossenen Vertrag auch wirksam beigetreten, wie sich aus einer Auskunft
des Herrn J. - der damals auf Seiten der Unternehmensgruppe gestanden habe - ergebe. In diesem Zusammenhang sei die 1-Prozent-Grenze
in §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. im Sinne einer Kappungsgrenze zu verstehen, nicht dahingehend, dass die rechnerisch mögliche Gesamtkürzungsquote nur
bis zu 1 Prozent habe betragen dürfen. Auch wenn einzelne Verträge nicht rechtskonform seien, verpflichte dies nicht automatisch
zur Nachzahlung von Einbehalten. Die relevanten Kalkulationsgrundlagen ergäben sich aus den Meldungen an die gemeinsame Registrierungsstelle,
wobei der Finanzierungsbedarf im Wesentlichen auf der geschätzten Zahl der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten
beruhe. §
140d Abs.
1 SGB V a.F. habe den Krankenkassen außerdem hinsichtlich des zu erwartenden Finanzierungsbedarfs eine weitreichende Einschätzungsprärogative
eingeräumt (Verweis auf Sächsisches LSG, Urteil vom 24. Juni 2009 - L 1 KR 76/08).
Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin für die in den Jahren 2007 und 2008 nicht verwendeten Mittel lasse sich nicht für einzelne
Quartale aufschlüsseln, da das Gesetz den Krankenkassen drei Jahre Zeit für die Verwendung eingeräumt habe.
Schließlich habe das Sozialgericht bei seiner Kostenentscheidung auch die teilweise Klagerücknahme in Höhe von 26.582,96 Euro
verkannt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil: Zunächst sei die Anwendung von Verjährungsregelungen im Sozialrecht vom Sinn und
Zweck her nicht sehr zielführend. Im Übrigen habe sich die Fälligkeit des Anspruchs aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. ergeben, denn erst an dem dort genannten Datum (31. März 2009) habe die Klägerin erkennen können, wie hoch die Einbehalte
tatsächlich gewesen seien. Den Verwendungsnachweis, dessen Existenz die Beklagte behaupte, habe die Klägerin nie erhalten.
Auch habe sie - die Klägerin - durch ihre Schriftsätze vom 9. Februar 2011 und 14. April 2011 eine reine Leistungsklage gerichtet
auf Zahlung der jeweils ausstehenden Beträge erhoben, wodurch die Verjährung gehemmt gewesen sei.
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass bereits die Anschubfinanzierung zur Umsetzung des Vertrages Nr. für
sich allein die erfolgten Einbehalte gerechtfertigt habe. Eine Krankenkasse könne zur Anschubfinanzierung eines Vertrages
nicht mehr einbehalten als den Betrag, der sich aus der Quote ergebe, die sie der gemeinsamen Registrierungsstelle gemeldet
habe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Summe der gemeldeten Quoten 1 Prozent nicht übersteigen dürfe, denn andernfalls
sei nicht nachvollziehbar, auf welchen Vertrag welche Einbehalte gestützt würden. Es gehe zulasten der Krankenkasse, wenn
diese aufgrund ihrer eigenen intransparenten Angaben nicht aufschlüsseln könne, wie hoch die Einbehalte für die einzelnen
Verträge gewesen seien. Die Meldung höherer Quoten als insgesamt 1 Prozent sei rechtsmissbräuchlich und führe dazu, dass alle
einbehaltenen Mittel zurückzuzahlen seien. Die Beklagte habe auch nur behauptet, aber nicht bewiesen, dass sie sämtliche im
Wege der Anschubfinanzierung erlangten Mittel für den Vertrag Nr. ausgegeben habe. Auch habe die Beklagte erstmals am 1. Dezember
2006 der Gemeinsamen Registrierungsstelle eine Quote von 1% für besagten Vertrag gemeldet.
Letztlich stünden auch Gesichtspunkte der Prozessökonomie der Sichtweise der Beklagten entgegen: Hätte die Klägerin "Verträge
nur einzeln beklagt", so wäre eine Berücksichtigung anderer Verträge im jeweiligen Gerichtsverfahren ausgeschlossen.
Der Senat hat die Verträge, aus deren Bestehen die Beklagte ihr Recht auf Einbehaltung gestützt hat, beigezogen.
Der Senat hat am 20. Mai 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der von der Beklagten
vorgelegten Verträge und der ansonsten von ihr und der Klägerin vorgelegten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143,
144 SGG statthafte Berufung und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §
151 SGG frist- und formgerechte Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verurteilt.
Die Klägerin hatte infolge der Einbehalte dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung 1. der Beträge, die in den Jahren 2007 und
2008 einbehalten, aber nicht verbraucht worden waren und 2. der Beträge, deren Einbehalt nicht durch den Zweck der Anschubfinanzierung
nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. gerechtfertigt war.
Der unter 1 beschriebene Anspruch war allerdings bereits vor Klageerhebung durch Erfüllung erloschen (dazu unter II). Der
unter 2 beschriebene Anspruch ist für die Quartale vor dem 1. April 2008 verjährt und bestand in den Quartalen II-IV/2008
deswegen nicht, da die in dieser Zeit erfolgten Einbehalte zur Gänze jedenfalls aus dem Vertrag Nr. gerechtfertigt waren (dazu
unter III).
I.) In Zusammenhang mit Einbehalten zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung sind grundsätzlich zwei verschiedene
Anspruchsgrundlagen streng zu trennen, die auf unterschiedlichen Rechtsgründen und unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhen.
Dies ist zum einen der Anspruch auf "Nachzahlung" der Mittel, die die Krankenkasse ungerechtfertigt einbehalten hat. Anspruchsgrundlage
hierfür ist §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag. Als zugrundeliegender Lebenssachverhalt kommen in Betracht: das Fehlen von Verträgen,
die den Anforderungen an die integrierte Versorgung gerecht werden, eine Überschreitung der 1-Prozent-Grenze oder auch ein
Überschreiten der krankenkassenindividuellen Grenze, die sich aus der Addition der von ihr gemeldeten Abzugsquoten ergibt.
Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Zahlung einbehaltener, aber nicht rechtzeitig oder zweckgemäß verwendeter Mittel
nach §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V. Er besteht unabhängig von den soeben genannten Umständen allein schon dann, wenn die Krankenkasse die Mittel einbehalten,
aber nicht nach Maßgabe der Vorschrift verwendet hat.
II.) Der Anspruch der Klägerin aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. (wegen "verspäteter Abrechnung") war bereits vor Klageerhebung durch Erfüllung erloschen.
1.) Über diesen Anspruch der Klägerin ist in der Sache zu entscheiden. Die Beklagte rügt der Sache nach eine Verletzung von
§
99 SGG durch die Vorinstanz, wenn sie ausführt, das Sozialgericht sei zu Unrecht von einer wirksamen und zulässigen Umstellung der
Klage von der Stufen- auf die Leistungsklage ausgegangen und habe die Ziffer 2 des ursprünglichen Klageantrags unzutreffend
dahingehend verstanden, dass es der Klägerin darum gegangen sei, den Betrag zu ermitteln, der sich aus der Differenz zwischen
den tatsächlich vorgenommenen Einbehalten und den nicht für "wirksame" Verträge einbehaltenen Mitteln ergeben habe. Da allerdings
die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, nach §
99 Abs.
4 SGG unanfechtbar ist, ist dies der Prüfung des Senats entzogen. Entscheidet ein Gericht zur Sache und bejaht es dabei ausdrücklich
oder konkludent die Zulässigkeit einer Klageänderung, so ist das Rechtsmittelgericht hieran gebunden (Bieresborn in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
99 Rn. 66 m.w.N.).
2.) Das Sozialgericht hat die Beklagte allerdings zu Unrecht zur Auszahlung sämtlicher Einbehalte wegen verspäteter Abrechnung
verurteilt. Aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. kann die Klägerin nur den nach Maßgabe des letzten Halbsatzes der Vorschrift auf sie entfallenden Anteil an den Mitteln
verlangen, die die Beklagte in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten, aber nicht verbraucht hatte. Ein Anspruch aus dieser
Vorschrift für frühere Zeiträume scheidet aus, weil durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz für alle Quartale vor I/2007
ein Schuldenerlass kraft Gesetzes stattgefunden hat (auf dessen genaue Reichweite es im vorliegenden Fall nicht ankommt).
Den am 31. März 2009 bestehenden Anspruch hinsichtlich der Jahre 2007 und 2008 hatte die Beklagte hingegen bereits vor Klageerhebung
durch Zahlung von 26.582,96 Euro erfüllt.
a) Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des vom Sozialgericht zugesprochenen Betrages ergibt sich nicht aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. in Verbindung mit Satz 4 der Vorschrift. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass Krankenkassen verpflichtet gewesen
wären, alle Geldmittel, die sie im Wege des §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. einbehalten hatten, an die Kassenärztlichen Vereinigungen auszuzahlen, wenn sie deren Verwendung nicht bis zum 31. März
2009 dargetan hatten.
aa) Dergleichen ergibt sich nicht aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschriften. Rein grammatikalisch betrachtet
erscheint §
140 Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. in sich widersprüchlich. Die Vorschrift lautete in ihrer letzten, vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2011 gültigen
Fassung:
"Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten
Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser, soweit die Mittel
in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten wurden, entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen."
Klar ist zunächst, dass sie sich auf in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltene und nicht zweckgemäß verwendete Mittel bezieht,
deren Auszahlung an die Kassenärztlichen Vereinigungen das Gesetz anordnet. Die "Verwendungsfrist", nach deren Ablauf dies
zu geschehen hat, bezeichnet das Gesetz aber einmal mit drei Jahren, einmal benennt es den 31. März 2009 als kalendarisches
Fristende. Beides lässt sich nicht miteinander in Einklang bringen, denn die dreijährige Frist war für die in 2007 und 2008
einbehaltenen Mittel keinesfalls bereits am 31. März 2009 abgelaufen.
Allerdings lässt sich dieser Widerspruch mithilfe der Normgeschichte auflösen: In ihrer Urfassung (§
140d Abs.
1 Satz 5
SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190; in Kraft ab dem 1. Januar 2004) war die Vorschrift aus sich heraus noch ohne weiteres verständlich:
"Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten
Mittel an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen
Beträgen auszuzahlen."
Sie enthielt eine von der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einhalts unabhängige (so bereits Urteil des Senats vom 3. Dezember
2014 - L 5 KA 16/12, juris, Rn. 30, obiter dictum) Verpflichtung zur Auszahlung einbehaltener und nicht binnen dreier Jahre verwendeter Mittel
an die Kassenärztlichen Vereinigungen (und Krankenhäuser), wie sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525, S. 131) ergibt:
"Satz 5 bestimmt, dass diejenigen Mittel, die nicht innerhalb von drei Jahren für den vorgegebenen Zweck verwendet wurden,
entsprechend dem jeweiligen Anteil der Gesamtmittel an die Kassenärztliche Vereinigung und die einzelnen Krankenhäuser auszuzahlen
sind. Eine Abrechnung erfolgt damit nicht jährlich, sondern am Ende des Dreijahreszeitraums. Mit der Verpflichtung, nicht
aufgebrauchte Mittel wieder auszubezahlen, wird der Anreiz zum Abschluss von Integrationsverträgen verstärkt. Zudem wird damit
ausgeschlossen, dass die Krankenkasse die Mittel ohne "Gegenleistung" einbehalten kann."
Durch Art. 1 Nr. 14 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (vom 22. Dezember 2006, BGBl. I
S. 3439), das die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung bis Ende 2008 verlängerte, erhielt die Vorschrift sodann mit
Wirkung zum 1. Januar 2007 (Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes) folgende Fassung (Wortlaut der Änderung hervorgehoben):
"Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten
Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend ihrem
Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen."
Diese Änderung geht auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 25. Oktober 2006 (BT-Drs. 16/3157, S. 17)
zurück, wo es heißt:
"Mittel der Anschubfinanzierung sind spätestens drei Jahre nach Einbehaltung zu verwenden, nicht verwendete Mittel zurückzuzahlen.
Die Regelung stellt klar, dass nicht verwendete Mittel der Anschubfinanzierung nach Ablauf des Zeitraums der Anschubfinanzierung,
also spätestens zu Beginn des Jahres 2009, zurückzuzahlen sind. Damit wird gewährleistet, dass die zum 1. Januar 2009 erfolgte
Neuordnung in der Vergütungsstruktur in der ambulanten Versorgung nicht durch Verrechnungen, die aus der bisherigen Vergütung
resultieren, belastet werden."
Allerdings war diese Fassung des Gesetzes faktisch nur kurz in Kraft und wurde durch Art. 1 Nr. 121 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) erneut geändert und zwar nach Art. 46 Abs. 5 des Gesetzes rückwirkend zum 1. Januar 2007. Nun lautete sie (Wortlaut der
Änderung hervorgehoben):
"Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten
Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser, soweit die Mittel
in den Jahren 2007 und 2008 einbehalten wurden, entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen."
Diese Änderung der Vorschrift bezweckte ausweislich der Gesetzesbegründung eine Beschränkung der in §
140d Abs.
1 Satz 5
SGB V in seiner damaligen Fassung normierten Zahlungsverpflichtung auf die in den Jahren 2007 und 2008 vorgenommenen Einbehalte
(BT-Drs. 16/4247, S. 49):
"Die Regelung stellt klar, dass die Rückzahlungsverpflichtung der Krankenkassen an die Krankenhäuser nur für die Vergangenheit,
also für die Mittel, die in den Jahren 2004 bis 2006 einbehalten wurden, entfällt. Für die in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen
Mittel besteht eine Rückzahlungsverpflichtung. Die Krankenkassen haben den Krankenhäusern die Mittel, die nicht für die integrierte
Versorgung verwendet wurden, zurückzuzahlen."
Zunächst zeigt sich hieran, dass der Gesetzgeber Zahlungsansprüche der Kassenärztlichen Vereinigungen (dass die Gesetzesbegründung
allein die Krankenhäuser nennt, kann nur als dortiger redaktioneller Fehler verstanden werden, zumal eine solche Beschränkung
im Gesetzeswortlaut keine Stütze findet) wegen nicht zweckgemäßer Verwendung der einbehaltenen Mittel für die Quartale vor
I/2007 ausschließen wollte. Allerdings scheint der Gesetzgeber den Konflikt übersehen zu haben, der sich aus dieser letzten
inhaltlichen Änderung der Vorschrift (danach migrierte sie nur noch mit Wirkung zum 1. April 2007 von Satz 5 nach Satz 8,
dies ebenfalls durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) mit der von Anfang an enthaltenen Frist von drei Jahren ergibt. Eine
geltungserhaltende Reduktion von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung führt daher zu dem Ergebnis, dass diese Verwendungsfrist ab dem Quartal
I/2007 ohne Anwendungsbereich war: Noch nicht verwendete Mittel aus den Jahren vor 2007 sollten den Krankenkassen nach dem
Willen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes gänzlich verbleiben, während Mittel, die zum Zeitpunkt des Endes der Anschubfinanzierung
am 31. Dezember 2008 noch übrig waren, nach dem Willen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes an die Kassenärztlichen Vereinigungen
auszuzahlen waren. Letzteres bringt denn auch den Inhalt von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung auf den Punkt: Die Vorschrift verhalf den Kassenärztlichen Vereinigungen
zu einem - genuinen, d.h. insbesondere vom allgemeinen Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung in vereinbarter Höhe losgelösten
- Anspruch auf Zahlung der in den Jahren 2007 und 2008 einbehaltenen und am 1. Januar 2009 noch nicht verbrauchten Mittel
aus vorherigen Einbehaltungen gemäß §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F.
Eine derart weitreichende Interpretation wie die des Sozialgerichts findet indes im Wortlaut des Gesetzes und in seiner Entwicklungsgeschichte
keinerlei Stütze. Schon weil der Gesetzgeber die Rückzahlung der vor 2007 einbehaltenen Mittel generell hat ausschließen wollen,
lässt sich nicht annehmen, er habe für die zwei Jahre danach umgekehrt schon einen nicht rechtzeitigen Verwendungsnachweis
mit einer globalen Verpflichtung zur Auszahlung aller einbehaltenen Mittel gleichsam sanktioniert.
bb) Auch eine systematische und teleologische Interpretation von §
140d Abs.
1 Sätze 8 und 4
SGB V a.F. führt zum selben Ergebnis. §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. regelte, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (und die hinter ihnen stehenden Vertragsärzte) Kürzungen ihrer ansonsten
berechtigten Ansprüche hinnehmen mussten, damit eine Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung möglich war. Wo allerdings
die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt waren, d.h. kein (wirksamer) Vertrag zur integrierten Versorgung vorlag,
haben die Kassenärztlichen Vereinigungen aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem jeweils geltenden Gesamtvertrag Anspruch auf Zahlung der nicht um Einbehalte verminderten Mittel (vgl.
BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R, BSGE 100, 52 = juris, Rn. 10; zur Qualifizierung entsprechender Einbehalte von Krankenhausrechnungen als Aufrechnung BSG, Urteil vom 2. November 2010 - B 1 KR 11/10 R, BSGE 107, 78, BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 6/10 R, juris, Rn. 10; a.A offenbar Hessisches LSG, Urteil vom 14. Mai 2014 - L 4 KA 53/11, das auch hier von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. als Anspruchsgrundlage ausgeht). Dieser Anspruch schützte die Kassenärztlichen Vereinigungen in genügendem Maße vor
solchen Einbehalten, die mangels hinreichender vertraglicher Grundlage von Anfang an unberechtigt waren. Neben diesen Anspruch
trat der in §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. normierte Anspruch auf Auszahlung nicht (fristgemäß) verwendeter Mittel, der durch einen entsprechenden Auskunftsanspruch
in Satz 4 der Vorschrift flankiert wurde. Beides zusammenbetrachtet trug den Interessen der Kassenärztlichen Vereinigungen
hinreichend Rechnung; es bestand und besteht kein Bedarf nach einem globalen Auszahlungsanspruch für nicht bis zum 1. Januar
2009 abgerechnete Mittel.
Für die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V spricht auch nicht etwa die Zusammenschau mit §
140d Abs.
1 Satz 4
SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung. Die dort normierte Verpflichtung der Krankenkassen, gegenüber den Kassenärztlichen
Vereinigungen (und den Krankenhäusern) die Verwendung der einbehaltenen Mittel darzulegen, geht auf das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
zurück und galt seit dem 1. April 2007. Die Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 16/3100, S. 153) ist unergiebig:
"Die Krankenkassen sind verpflichtet, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenhäusern auf Verlangen die Verwendung
der einbehaltenen Mittel plausibel darzulegen. Es muss nachvollziehbar sein, zu welchem Zweck die Mittel verwendet werden.
Der Umfang der Nachweispflicht entspricht dem Umfang der Nachweispflicht gegenüber der Registrierungsstelle in § 140d Abs.
5 (vgl. unten zu Buchstabe c)."
Der besagte §
140d Abs.
5 SGB V a.F. sah in Satz 1 vor, dass die Krankenkassen der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der D1 Krankenhausgesellschaft
und den Spitzenverbänden (ab 1. Juli 2008: dem Spitzenverband Bund) der Krankenkassen gebildeten gemeinsamen Registrierungsstelle
die Einzelheiten über die Verwendung der einbehaltenen Mittel nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V meldeten. Die Gesetzesbegründung hierfür (BT-Drs. 16/3100, S. 153) lautet:
"Absatz 5 dient der Erhöhung der Transparenz. Verträge zur integrierten Versorgung berühren durch die Regelung zur Anschubfinanzierung
die finanziellen Interessen der Vertragsärzte und Krankenhäuser. Es ist daher sachgerecht, dass die betroffenen Leistungserbringer
Informationen über die Verträge erhalten, damit sie überprüfen können, ob die Vergütungsabzüge sachgerecht erfolgt sind. Es
muss nachvollziehbar sein, zu welchem Zweck die Mittel verwendet werden. In der Regel wird dabei auf den einzelnen Vertrag
Bezug zu nehmen sein. Zu melden sind insbesondere das geschätzte Vergütungsvolumen, die Kürzungsquoten, die für den jeweiligen
Vertrag einbehaltenen, aber nicht ausgegebenen Mittel."
Aus dieser Gesetzesentwicklung den Schluss zu ziehen, es habe bis zum genannten Stichtag eine Abrechnung vorliegen müssen,
die das geschätzte Vergütungsvolumen, die Kürzungsquoten und die für den jeweiligen Vertrag einbehaltenen, aber nicht ausgegebene
Mittel beinhaltete, wirft jedoch die Frage auf, ob der Gesetzgeber §
140d Abs.
1 Satz 4
SGB V a.F. nicht nur mit §
140d Abs.
5 Satz 1
SGB V a.F., sondern auch mit §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. harmonisiert hat: Die in §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. vorgegebene Abrechnung erfolgt anhand des Gesamtsaldos der Jahre 2007 und 2008 sowie - so will es der letzte Halbsatz
der Vorschrift - anhand des Anteils, den die jeweiligen Kassenärztliche Vereinigungen an den jeweils einbehaltenen Beträgen
hatte. Letzteres ergibt sich aus der Begründung des GKV-Modernisierungsgesetzes, durch das die Regelung seinerzeit als §
140d Abs.
1 Satz 5
SGB V eingeführt worden war (BT-Drs. 15/1525, S. 131, Hervorhebung hinzugefügt):
"Satz 5 bestimmt, dass diejenigen Mittel, die nicht innerhalb von drei Jahren für den vorgegebenen Zweck verwendet wurden,
entsprechend dem jeweiligen Anteil der Gesamtmittel an die Kassenärztliche Vereinigung und die einzelnen Krankenhäuser auszuzahlen
sind."
Die in §
140d Abs.
1 Satz 4
SGB V (in Verbindung mit Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift) geregelten Angaben reichen hierfür nur aus, wenn die Kassenärztliche Vereinigung
hieraus ihren eigenen Anteil der an der Anschubfinanzierung des fraglichen Vertrages erkennen kann. Dies ist aber nur der
Fall, wenn sie nicht nur die in der Gesetzesbegründung angesprochenen Kürzungsquoten überprüfen kann, sondern die dort ebenfalls
angesprochenen "für den jeweiligen Vertrag einbehaltenen, aber nicht ausgegebenen Mittel" nicht nur den "Beitrag" der einzelnen
Kassenärztlichen Vereinigung, sondern auch die jeweiligen Gesamtsalden wiedergeben. Ob das Gesetz dies anordnete, darf zumindest
als unklar bezeichnet werden. Im Ergebnis besteht somit eine derart unklare Beziehung zwischen §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. und Satz 4 der Vorschrift, dass aus der Zusammenschau der Vorschriften keine solch weitreichende Rechtsfolge abgeleitet
werden kann.
b) Die Beklagte hatte gegenüber der Klägerin in den Jahren 2007 und 2008 nach den insoweit überstimmenden Berechnungen beider
Beteiligter insgesamt 94.611,86 Euro einbehalten. Weiterhin standen ihr aus den Jahren 2007 und 2008 nicht verbrauchte Mittel
zur Anschubfinanzierung in Höhe von 231.767,91 Euro zur Verfügung (wie sich aus ihren Angaben und der Auskunft der gemeinsamen
Registrierungsstelle ergibt), die nunmehr nach §
140d Abs.
1 Satz 8 letzter Halbsatz
SGB V a.F. auf die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäuser entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen
aufzuteilen waren. Ob der von der Beklagten zugrunde gelegte Anteil von 0,01788 Prozent richtig ist, konnte die Klägerin aus
eigener Kenntnis vermutlich nicht beurteilen. Sie hätte es aber auch nicht beurteilen können, wenn die Beklagte eine §
140d Abs.
1 Satz 4, Abs.
5 SGB V a.F. entsprechende Darlegung der Verwendung der einbehaltenen Mittel vorgelegt hätte.
In diesem Zusammenhang sieht sich der Senat auch nicht dazu veranlasst, den Verwendungsnachweis in allen Einzelheiten von
Amts wegen zu überprüfen. Die Klägerin hat zwar zunächst behauptet, sie habe den Verwendungsnachweis nie erhalten. Inzwischen
ist er ihr allerdings bekannt, ohne dass sie die dortigen Berechnungen auch nur ansatzweise gerügt hätte. Weiterhin kann nicht
unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte trotz des im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz für alle Quartale vor I/2007 stattgefundenen
Schuldenerlasses kraft Gesetzes auch Mittel ausgezahlt hat, die sie in den Jahren 2004 bis 2006 einbehalten hatte. Da diese
zu Unrecht gezahlten Mittel einen Anteil von ungefähr 85 Prozent des gesamten Zahlbetrages ausmachten (und der Verwendungsnachweis
im Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten auch nicht etwa in Bestandskraft erwachsen konnte o.ä.), genügt die Feststellung,
dass die Beklagte auf der Rechtsgrundlage von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. jedenfalls nicht zu wenig an die Klägerin gezahlt hatte.
III.) Einen Anspruch aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag (wegen "unzureichender iv-Verträge") hat die Klägerin deswegen nicht, weil 1. entsprechende
Ansprüche für alle Quartale vor dem 1. April 2008 verjährt sind (dazu 1) und 2. die Beklagte sich für die drei übrigen Quartale
zu Recht darauf berufen hat, dass bereits der Vertrag Nr. die Einbehalte in der erfolgten Höhe gerechtfertigt hat (dazu 2).
1.) Erstmals geltend gemacht hat die Klägerin ihren Anspruch aus diesem Rechtsgrund mit Schriftsatz vom 28. Juni 2013. Zu
diesem Zeitpunkt waren jedoch alle bis zum 31. Dezember 2008 fällig gewordenen Ansprüche (nicht: die Ansprüche für alle Quartale
bis einschließlich IV/2008) bereits verjährt.
a) Nach wohl überwiegendem Verständnis richtet sich die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung der Gesamtvergütung in erster
Linie nach dem Gesamtvertrag. Wo dieser keine einschlägige Bestimmung enthält, verjährt der Anspruch in vier Jahren nach Ende
des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 2000 - L 5 Ka 1050/99, juris; Freudenberg
in: jurisPK-
SGB V, 2. Aufl. 2012, §
85 SGB V Rn. 48; Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, §
85 Rn. 119).
aa) Der Gesamtvertrag enthält keine abweichende Regelung. Nach seinem § 6 Abs. 2 verjährt der Vergütungsanspruch von vertragsärztlichen
Leistungen gegenüber den Krankenkassen zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch des Vertragsarztes auf Abrechnung von Behandlungsausweisen
nach dem Verteilungsmaßstab (VM) verjährt. Jedenfalls kann diese Vorschrift, schon weil sie nicht auf eine bestimmte Fassung
oder einen bestimmten Stand des VM Bezug nimmt, nur als dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Honorarverteilungsregelung
verstanden werden. Eine ausdrückliche Verjährungsregelung enthielt zuletzt der VM der Beklagten vom 14. Dezember 1995 in der
Fassung vom 25. September 2003. In den vorliegend streitigen Quartalen gab es eine solche Regelung allerdings nicht mehr.
Stattdessen regelte der ab dem 1. Januar 2006 gültige VM vom 11. August 2005 in der Fassung vom 20. Dezember 2005 in § 13
Abs. 2: "Reicht ein Vertragsarzt der KVH Behandlungsausweise verspätet ein, so werden diese Leistungen zu den Bedingungen
und den Punktwerten des nächstmöglichen Abrechnungsvierteljahres vergütet." Somit geht die Verweisung in § 6 Abs. 2 des Gesamtvertrages
genau genommen ins Leere, womit im Ergebnis im Sinne einer (soweit möglich) geltungserhaltenden Reduktion von einer Geltung
allgemeiner Verjährungsregelungen auszugehen ist.
bb) Dass der Anspruch überhaupt der Verjährung unterliegt, ist nicht zu bezweifeln. Die Rechtssauffassung der Klägerin, Verjährungsregelungen
seien im Sozialrecht vom Sinn und Zweck her nicht sehr zielführend, trifft nicht zu. Das Sozialrecht kennt eigene - wenn auch
im vorliegenden Fall nicht einschlägige - Rechtsvorschriften über die Verjährung und der Zweck solcher Verjährungsvorschriften
- der Eintritt von Rechts- und Planungssicherheit - greift im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen
ebenso wie andernorts auch. Da eine gesetzliche Regelung fehlt, kommen grundsätzlich die allgemeine Verweisung in §
69 Abs.
1 Satz 3
SGB V und mit ihr die dreijährige Verjährungsfrist des bürgerlichen Rechts (§
195 BGB) als einschlägig in Betracht. Allerdings ist der Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung so stark von den Besonderheiten
des öffentlichen Krankenversicherungsrechts geprägt, dass eine Harmonisierung mit der regulären vierjährigen Verjährungsfrist
des Sozialrechts geboten erscheint (ausführlich Engelhard, in Hauck/Noftz,
SGB V, § 85 Rn. 119, unter Hinweis insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG zu den weitgehend gleichgelagerten Ansprüchen im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern).
b) Die Verjährung war auch nur hinsichtlich der Quartale II-IV/2008 durch Rechtsverfolgung gehemmt. Nach §
204 Abs.
1 erste Alternative
BGB wird die Verjährung durch die (wirksame) Erhebung der Klage auf Leistung gehemmt.
aa) Der ursprüngliche Antrag in der Klageschrift vom 7. April 2010 kann noch nicht als wirksamer Antrag auf Zahlung der einbehaltenen
Mittel aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag verstanden werden. Die ausdrückliche Formulierung des Antrags als Stufenklage (§
254 Zivilprozessordnung in Verbindung mit §
202 Satz 1
SGG) und die sich daraus ergebende Verknüpfung des auf zweiter Stufe angekündigten Leistungsantrags mit dem deutlich auf den
Regelungsgehalt von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. bezugnehmenden Auskunftsantrag stehen einer solchen Auslegung des Klageantrags entgegen.
Allgemein gilt, dass Ansprüche auf Zahlung nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. einbehaltener Gesamtvergütung ohne Auskünfte der einbehaltenden Krankenkasse nicht bezifferbar sind (und daher regelmäßig
zunächst nur in Form einer Stufenklage geltend gemacht werden können). Die Kassenärztliche Vereinigung kennt zwar den Gesamtbetrag
der Einbehalte, kann aber aus eigener Kenntnis nicht beurteilen, ob und in welcher Höhe ihr Ansprüche aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. oder aus §
85 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 Satz 1
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag zustehen. Für die Frage, welche Auskünfte sie hierfür genau benötigt, ist allerdings
zwischen beiden Ansprüchen zu unterscheiden: Zur Bezifferung eines Anspruchs aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. muss die Kassenärztliche Vereinigung wissen, aus welchen Verträgen die Krankenkasse ihr Recht zum Einbehalt hergeleitet
hatte, in welcher Höhe diese Beträge verwendet worden sind und wie hoch ihr Anteil an den durch Einbehaltung erlangten Gesamtmitteln
für die Anschubfinanzierung der durch den Vertrag geregelten Versorgung ist (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 131). Um einen Anspruch
aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag beziffern zu können, bedarf es hingegen anderer Angaben. Ob eine Krankenkasse dem Anspruch
der Kassenärztlichen Vereinigung auf Zahlung der Gesamtvergütung die Einwendung aus §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V entgegenhalten konnte, lässt sich - abgesehen von den Ausnahmefällen, dass die Krankenkasse die 1-Prozent-Grenze in §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. überschritten oder aber überhaupt keine Verträge abgeschlossen hat - nur in Kenntnis des genauen Inhalts der Verträge
(nebst Anlagen etc.) beurteilen, auf deren Existenz die Krankenkasse ihr Recht zum Einbehalt stützt.
Anders als etwa in dem Sachverhalt, der dem Urteil des Senats vom 3. Dezember 2014 (Az. L 5 KA 16/12, juris) zugrunde lag, hat die Klägerin nicht etwa die vollständige Vorlage der Verträge beantragt, sondern sie hat in ihrem
ursprünglichen Klageantrag zu 1 Buchstaben a und b lediglich die Verurteilung der Beklagten zu bestimmten Auskünfte anderer
Art begehrt. Wenn sie im weiteren Verlauf der Klageschrift davon gesprochen hat, dass die Beklagte die Verträge vorzulegen
habe "wie es erforderlich ist, um überprüfen zu können, ob nach den Grundsätzen des Bundessozialgerichts ein Vertrag zur integrierten
Versorgung vorliegt", dann sind diese Ausführungen weder Teil des ausdrücklichen Klageantrags, noch können sie als Klageantrag
ausgelegt werden, denn sie enthalten der Sache nach keine hinreichend präzisen Angaben dazu, wem die Verträge vorzulegen sein
sollten und in welchem Umfang. Selbst bei einer sehr stark am Meistbegünstigungsprinzip (§
123 SGG) orientierten Auslegung lässt sich dieser spezielle Passus der Klageschrift bestenfalls als Ankündigung einer möglichen Klageänderung
oder -erweiterung verstehen.
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Natur der Stufenklage: Die der Stufenklage
eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht nicht zur Verfügung,
wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige,
mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll
(BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645). Verjährungshemmend wirkt die Stufenklage dann auch nur, soweit der Kläger mit der in erster Stufe erhobenen Auskunftsklage
tatsächlich die Bezifferbarkeit des erhobenen Leistungsanspruchs erreichen will und die Auskunft nicht etwa deswegen benötigt,
um beurteilen zu können, ob überhaupt ein Anspruch besteht (BGH, Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180).
bb) Im Übrigen waren die zugrunde liegenden Lebenssachverhalte auch nicht identisch. Der Anspruch aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. gründet darauf, dass eine Krankenkasse Mittel einbehalten und diese nicht frist- und ordnungsgemäß verwendet hat, während
der Anspruch aus §
85 Abs.
1 SGB V darauf gründet, dass die Mittel gar nicht erst hätten einbehalten dürfen.
cc) Auch §
123 zweiter Halbsatz
SGG, wonach das Gericht entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein zwingt nicht zu einer anderen Auslegung.
Auch angesichts dieses sozialprozessualen Meistbegünstigungsprinzips gilt: Je konkreter der von einem qualifizierten Bevollmächtigten
- hier einem Assessor - gestellte Antrag ist, desto eher ist davon auszugehen, dass er das Gewollte zutreffend und punktgenau
wiedergibt. Im Übrigen gilt das Meistbegünstigungsprinzip - zumal in Verfahren, in denen sich gleichermaßen rechtskundige
Beteiligte gegenüberstehen - nicht unbegrenzt: Zwar richtet sich die Auslegung der Anträge danach, was als Leistung möglich
ist (BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 - B 6 KA 77/03 R, juris, Rn. 16). An den sinngemäßen Inhalt eines Rechtsschutzbegehrens ist jedoch auch das Gericht gebunden.
dd) Die Schriftsätze der Klägerin vom 9. Februar 2011 und 14. April 2011 sind bei einer sowohl am Meistbegünstigungsprinzip
aus §
123 SGG als auch am objektiven Empfängerhorizont orientierten Auslegung ebenfalls nicht als Klageänderung in Richtung auf den Anspruch
nach §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag zu verstehen. Ihnen ist zu entnehmen, dass die Klägerin alle Einbehalte, die in den Quartalen
I/2005 bis einschließlich IV/2008 erfolgt waren, ausgezahlt verlangt hat. Da sich eine solche Berechnung aufgrund beider in
Rede stehenden Ansprüche hätte ergeben können und die Klägerin (noch) nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie sich nunmehr
- allein oder ergänzend - bereits auf eine fehlende Berechtigung zum Einbehalt und damit auf einen anderen Lebenssachverhalt
stützen wollte, ließ diese Berechnung nicht den Schluss auf eine Änderung des bisherigen Klageantrags zu.
Dasselbe gilt auch für den Schriftsatz vom 17. Mai 2013. Dort hat die Klägerin ausdrücklich einen neuen Klageantrag gestellt,
der sich von der vorangehenden Berechnung im Schriftsatz vom 14. April 2011 im Wesentlichen nur durch eine detaillierte Zinsforderung
unterschied.
ee) Die Geltendmachung eines Anspruchs aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag lässt sich mit hinreichender Deutlichkeit erstmals dem Schriftsatz vom 28. Juni 2013
entnehmen, wo es heißt, die Klägerin bestreite, dass die Verträge den gesetzlichen Anforderungen entsprächen, weswegen die
Beklagte verpflichtet sei, diese vorzulegen, andernfalls sei eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten zu treffen.
Dies wirkte verjährungshemmend nur hinsichtlich der Quartale II-IV/2008.
ff) Schließlich dringt die Beklagte auch mit ihrer Rechtsauffassung, der streitige Anspruch sei gemäß §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. erst zum dort genannten Datum (31. März 2009) fällig geworden, nicht durch. Diese Vorschrift gilt nicht auch für den
Anspruch aus §
85 SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag (zumal sich der von der Klägerin vor dem Sozialgericht gestellte Verzinsungsantrag mit
dieser Rechtsauffassung nicht in Einklang bringen lässt).
2.) Die Klägerin hat jedoch auch für die drei genannten Quartale keinen Anspruch aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag, da sich diese Einbehalte bereits zur Gänze aufgrund des Vertrages Nr. rechtfertigen
ließen. Nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. hatte jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2008 jeweils Mittel bis zu
1 vom Hundert von der nach §
85 Abs.
2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung einzubehalten, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung
von nach §140b geschlossenen Verträgen erforderlich waren.
a) Hierbei kann sich eine Krankenkasse im Streit um die Berechtigung zum Einbehalt nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. darauf berufen, bereits einer oder mehrere der von ihr geschlossenen Verträge rechtfertigten der Höhe nach die erfolgten
Einbehalte, wenn sie diese Einbehalte seinerzeit nicht in rechtsgeschäftlicher Form gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung
nach Verträgen aufgeschlüsselt hatte.
aa) Das Bundessozialgericht charakterisiert den rechtlichen Vorgang des in §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. beschriebenen "Einbehaltens" als Erklärung der Krankenkasse gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, die geltend
gemachte Forderung in Höhe der Einbehaltung durch Aufrechnung (mit einem - wie das BSG es nennt - "Gegenrecht auf Mitteleinbehaltung zur Anschubfinanzierung") zu erfüllen (BSG, Urteil vom 2. November 2010 - B 1 KR 11/10 R, BSGE 107, 78 = juris, Rn. 14, 16). Eingeschränkt ist die Krankenkasse dabei vor allem in zeitlicher Hinsicht, denn zur Einbehaltung ist
sie nur bis zur vorbehaltlosen Erfüllung der Forderung der Kassenärztlichen Vereinigung befähigt (analog zu Krankenhausrechnungen:
BSG, aaO., Rn. 16). Eine betrags- oder quotenmäßige Aufteilung des einbehaltenen Gesamtbetrages auf einzelne Verträge zur integrierten
Versorgung (nicht zu verwechseln mit der Meldung der sog. Kürzungs- oder Abzugsquote an die gemeinsame Registrierungsstelle)
findet nur statt, wenn sie nach dem objektiven Erkenntnishorizont des Empfängers - d.h. der Kassenärztlichen Vereinigung -
zum Inhalt der Aufrechnungserklärung gehört. Zwar oblag es - worauf das Sozialgericht Hamburg verschiedentlich abgestellt
hat (vgl. etwa SG Hamburg, Urteil vom 11. Dezember 2013 - S 3 KA 173/08, Bl. 21 des Umdrucks) - der Krankenkasse, die konkrete Höhe des Einbehalts zu bestimmen. Eine nicht entsprechend ausgeschlüsselte
Aufrechnungserklärung (insbesondere eine konkludente Erklärung, die allein in der Nichtzahlung eines bestimmten Teilbetrages
liegt) ist jedoch so zu verstehen, dass sich die Krankenkasse zur Begründung ihres Gegenrechts auf Mitteleinbehaltung zur
Anschubfinanzierung (BSG, aaO.) ohne weitere Differenzierung auf die Gesamtheit der von ihr geschlossenen Verträge beruft - mit der Folge, dass bei
"Ausfall" eines oder mehrerer Verträge als Grundlage der Einbehalte zu prüfen ist, ob die anderen Verträge den konkreten Einbehalt
rechtfertigen. Diese Auslegung folgt aus §
140 Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F., wonach Krankenkassen zur Mitteileinbehaltung berechtigt waren, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach
§
140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich waren.
bb) Zu demselben Ergebnis führt auch eine Betrachtungsweise unter Einbeziehung der sog. BQS-Meldungen: Die Meldung der in
den zugrundeliegenden Vereinbarungen (dazu sogleich) als Abzugs- oder Kürzungsquoten bezeichneten Prozentsätze wäre dann so
zu verstehen, dass die Krankenkasse sich darauf beruft, sie dürfe - bei Wahrung der 1-Prozent-Grenze in §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. - für den einzelnen Vertrag den gemeldeten Prozentsatz einbehalten. Eine Aufteilung des einbehaltenen Prozentsatzes
im Sinne einer Zuordnung von Anteilen zu einzelnen Verträgen ist hiermit nicht verbunden.
Nach §
3 Abs.
2 Buchstaben f und g der gemäß §
140d Abs.
5 Satz 1
SGB V getroffenen Vereinbarung zwischen der D1 Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden
der Krankenkassen über die Einrichtung einer gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des §
140d SGB V (i.F.: Vereinbarung 2003) beziehungsweise §
3 Abs. 2 Buchstaben h und i der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Vereinbarung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft,
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen über die Fortführung einer gemeinsamen Registrierungsstelle
zur Unterstützung der Umsetzung des §
140d SGB V (i.F.: Vereinbarung 2008) leitete sich die zur Kürzung der Zahlungen in Ansatz gebrachte (bundeseinheitliche, vgl. § 3 Abs.
4 Satz 1 beider Vereinbarungen) Kürzungsquote (synonym auch als Abzugsquote bezeichnet) aus dem geschätzten Vergütungsvolumen
zur Finanzierung ab. Diese Quote wurde sodann nach § 3 Abs. 4 beider Vereinbarungen in Verbindung mit der jeweiligen Anlage
1 bei der Berechnung der konkreten Zahlungskürzung in Ansatz gebracht. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die von
einer Krankenkasse insgesamt gemeldeten Quoten dürften 1 Prozent nicht übersteigen, fehlt es hierfür an einem normativen Anknüpfungspunkt.
§
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. ordnete eine Deckelung der möglichen Einbehalte an, sagte aber nichts über die gemeldeten Quoten aus.
cc) Beruft sich eine Krankenkasse im Streit um ihre Befähigung zur Aufrechnung sodann nur (noch) auf einzelne der zum Zeitpunkt
der Aufrechnung geschlossenen Verträge, so liegt hierin nicht einmal das - prozessrechtlich grundsätzlich zulässige - Auswechseln
einer Einwendung oder Einrede, sondern nur eine Einengung des Lebenssachverhalts, auf den die Krankenkasse ihr Gegenrecht
auf Mitteleinbehaltung zur Anschubfinanzierung stützt. Auch dies ist materiell- und prozessrechtlich zulässig.
dd) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Krankenkasse mit ihrem Vorbringen, allein der Vertrag Nr. habe die Einbehalte
gerechtfertigt, gehört werden kann, denn eine rechtlich verbindliche Aufschlüsselung der einzelnen Einbehalte ist nicht erfolgt.
b) Der Vertrag Nr. entsprach auch den Anforderungen aus §
140b SGB V und berechtigte die Beklagte zu Einbehalten von bis zu 1 vom Hundert von der nach §
85 Abs.
2 SGB V an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung.
aa) Der Vertrag, auf den sich die Beklagte in diesem Zusammenhang beruft, wurde am 31. März 2004 zwischen der damaligen DAK
(einer weiteren Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten), drei Krankenhäusern im Sinne der §§
108,
109 SGB V und drei Reha-Kliniken im Sinne des §
111 SGB V abgeschlossen, weiterhin ist im Vertragsrubrum allgemein von "niedergelassenen Fachärzten und eingebundenen ambulanten Rehabilitationszentren"
die Rede. Gegenstand ist die phasenübergreifende Versorgung endoprothetisch behandlungsbedürftiger Versicherter, bei der die
Behandlungsqualität durch Vernetzung einzelner Segmente optimiert und zugleich therapeutische Synergien erschlossen werden
sollen.
(1) Gegenstand des Vertrages ist die integrierte Versorgung im Sinne von §
140a Abs.
1 Satz 1
SGB V in Gestalt einer Verzahnung von Akutbehandlung und anschließender Rehabilitation einschließlich der prä- und poststationären
Versorgung im Bereich bestimmter, nach DRG-Kriterien beschriebener Fälle des Hüft- und Kniegelenksersatzes (§ 4 des Vertrages).
Der Vertrag beschreibt hierbei die einzelnen Phasen der Versorgung sowie auch die Bestandteile der eigens in § 14 geregelten
poststationären Versorgung sehr detailliert. Das Bundessozialgericht hat die Verknüpfung der Akutbehandlung in einem Krankenhaus
mit der anschließenden medizinischen Rehabilitation in stationären Einrichtungen ausdrücklich als Anwendungsfall des §
140b SGB V gebilligt (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R, SozR 4-2500 §
140a Nr. 2; Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V §
140a, Rn. 33). Da dies wegen der unterschiedlichen Art und des Inhalts der zu erbringenden Leistungen selbst dann gilt, wenn derselbe
Träger übergreifend sowohl ein Krankenhaus als auch eine Reha-Einrichtung betreibt, ist es unschädlich, dass sich ein gerade
angesichts §
140b Abs.
5 SGB V wirksamer Beitritt niedergelassener Ärzte nicht nachweisen lässt und dass auf Seiten der Leistungserbringer offenbar ausschließlich
Kliniken desselben Konzerns (hier der Unternehmensgruppe D.) standen (vgl. auch Hessisches LSG, Urteil vom 5. Februar 2013
- L 1 KR 222/10, juris, Rn. 31).
Auch setzt der Vertrag nicht lediglich auf das System der Regelversorgung auf, d.h. er gibt nicht nur das wieder, was nach
dem
SGB V ohnehin gilt. Er regelt die Leistungserbringung aus einer Hand und insbesondere unter einheitlicher Budgetverantwortung (die
Vergütung erfolgt nach § 10 Abs. 1 des Vertrages auf der Grundlage von Fallpauschalen als Gesamtentgelt für alle im Rahmen
des Vertrages erbrachten Leistungen einschließlich der Leistungen Dritter) und schreibt durch die Koordination der einzelnen
Phasen sowie durch Festschreibung der in §
14 detailliert (und über §
115a SGB V hinausgehend) geregelten poststationären Versorgung dieses System gewissermaßen fort. Dass die Berechnung der Fallpauschale
ihren Aufhänger im System der Regelversorgung hat, ist hierbei unschädlich, denn auch so bleibt die Kostenbelastung für beide
Seiten kalkulierbar.
(2) Hieran änderte auch §
140d Abs.
1 Satz 2
SGB V (in der vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung, a.F.) nichts, wonach die Einbehalte nur für voll-
oder teilstationäre und ambulante Leistungen der Krankenhäuser und für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwendet werden
durften. Die Vorschrift betraf weder die Rechtsnatur der Verträge als Verträge zur integrierten Versorgung noch die auf diese
Verträge gestützten Einbehalte, sondern sie regelte die Verwendung einbehaltener Mittel (BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R, BSGE 100, 52, juris, Rn. 21: "Für Verträge, die nach dem 1.4.2007 geschlossen werden, gilt sogar, dass die Finanzierungsmittel nur für
voll- und teilstationäre Leistungen der Krankenhäuser sowie für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwandt werden dürfen.").
Im Übrigen machte § 140d Abs. 1 Satz 3 a.F. von dieser Zweckbindung ausdrücklich eine Ausnahme für die vor dem 1. April 2007
geschlossenen Verträge.
bb) Die HMK ist diesem Vertrag auch zum 1. Juni 2005 wirksam beigetreten. Der Vertrag enthielt in § 20 eine den gesetzlichen
Anforderungen entsprechende Beitrittsregel, die insbesondere die Schriftform von Beitritts- und Zustimmungserklärung vorsah.
Die einheitliche Erklärung selbst nennt alle essentialia negotii und trägt die Unterschriften von Vertretern beider beteiligter
Krankenkassen sowie eines Herrn J ... Letzterer war zu dieser Zeit offenbar Geschäftsführer der O.- D. GmbH und - wie sich
aus seiner von der Beklagten zur Akte gereichten Auskunft ergibt - seitens der Unternehmensgruppe hinreichend bevollmächtigt.
c) Auch die Höhe der maximal aufgrund dieses Vertrages möglichen Einbehalte ist nicht zu beanstanden. Die genaue Berechnung
der Anschubfinanzierung nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. ergab sich aus den gemäß §
140d Abs.
5 Satz 1
SGB V getroffenen Vereinbarungen (Vereinbarung 2003 und Vereinbarung 2008). Nicht zuletzt angesichts dessen, dass eine rechnerische
Prüfung der Quote nach beiden genannten Vereinbarungen nicht möglich ist, war den Krankenkassen insoweit eine Einschätzungsprärogative
zuzubilligen, die lediglich unter Plausibilitäts- und Verhältnismäßigkeitskriterien überprüft werden konnte (Sächsisches LSG,
Urteil vom 24. Juni 2009 - L 1 KR 76/08, juris, Rn. 34 bis 36; Baumann in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl. 2012, §
140d SGB V Rn. 30 m.w.N.).
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang Intransparenz moniert, ist auf den Rechtscharakter der genannten Vereinbarung hinzuweisen,
der einer teleologischen Auslegung entgegensteht. Auch für den Rechtsstandpunkt, die Meldung höherer Quoten als insgesamt
1 Prozent sei rechtsmissbräuchlich und führe dazu, dass alle einbehaltenen Mittel zurückzuzahlen seien, fehlt es an einem
normativen Anhaltspunkt.
Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf - für den vorliegenden Fall hypothetische - Überlegungen zur Prozessökonomie
beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass nicht die einzelnen Verträge den Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens bilden,
sondern der auf deren rechtliche Qualifizierung gestützte (Nach-) Zahlungsanspruch. Aus Sicht der beklagten Krankenkasse hat
die Berufung auf einen Vertrag als Grundlage eines Einbehalts somit den Charakter einer Einwendung und ein Auswechseln einer
Einwendung ist - wie bereits dargelegt - rechtlich möglich.
Dass die Beklagte der gemeinsamen Registrierungsstelle für den streitigen Zeitraum eine Quote von 1 Prozent gemeldet hatte,
ist unstreitig. Die Klägerin hat auch nichts vorgetragen, was diese Annahme als unverhältnismäßig erscheinen lässt.
Die angesichts §
140d Abs.
1 Satz 2 und
3 SGB V a.F. aufgeworfene Frage nach der Verwendung der durch Einbehalte erlangten Mittel stellt sich nicht im Zusammenhang mit einem
Anspruch aus §
85 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 erster Halbsatz
SGB V in Verbindung mit dem Gesamtvertrag, sondern allein im Zusammenhang mit dem Anspruch aus §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F.
Aus letztlich denselben Gründen kommt es auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - im Rahmen eines Anspruchs wegen ungerechtfertigter
Einbehaltung nicht darauf an, ob die Beklagte sämtliche einbehaltenen Mittel für den Vertrag Nr. verwendet hat. Dies ist eine
Frage des §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F.
IV.) Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision war nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen. Der Rechtsstreit wirft zumindest zwei Fragen auf, die von grundsätzlicher Bedeutung sind, zum einen die Frage
nach dem genauen Inhalt von §
140d Abs.
1 Satz 8
SGB V a.F. und zum anderen die Frage, ob eine Krankenkasse sich im Streit um die Anschubfinanzierung nach §
140d Abs.
1 Satz 1
SGB V a.F. darauf berufen kann, jedenfalls einer der geschlossenen Verträge trage den gesamten Einbehalt.