Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger aus Sozialhilfemitteln Beiträge zur Altersvorsorge aufgrund der Pflege
seiner Ehefrau zu bewilligen hat.
Der Kläger ist im XXXXX 1943 geboren. Bis November 2008 erhielt er von der Deutschen Rentenversicherung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Seitdem bezieht er Altersrente.
Im Januar 2009 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme von Beiträgen für eine angemessene Alterssicherung
nach § 65 12. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Beklagte sei gegenüber der Rentenversicherung beitragspflichtig für die
Zeiten der von ihm geleisteten Pflege seiner Frau. Insgesamt gehe es um die Zeiten von November 2004 bis November 2008, während
derer er Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab: Beiträge für die Alterssicherung einer Pflegeperson
könnten nur übernommen werden, wenn die Alterssicherung nicht anderweitig sichergestellt sei. Der Kläger sei zwar Pflegeperson
seiner Ehefrau, beziehe jedoch bereits eine Altersrente bzw. zuvor eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zudem sei sein Erwerbsleben
insoweit durch die Pflegetätigkeit nicht berührt gewesen.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, er habe nicht Rente wegen Erwerbsminderung, sondern nur eine kleine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen. Deshalb habe er keine eigenen Beiträge für eine angemessene Alterssicherung abführen können.
Seine Ehefrau beziehe von der Beklagten Pflegegeld der Stufe I.
Mit Bescheid vom 31. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies darauf, dass der Kläger nunmehr
Altersrente beziehe, welche seine Alterssicherung darstelle. Weitere Beiträge seien daher nicht zu entrichten. Auch in der
Vergangenheit sei er durch die ihm gewährte Rente in die Lage versetzt gewesen, Beiträge zur Alterssicherung abzuführen. Seine
Altersversorgung sei somit gesichert gewesen und immer noch gesichert. Im Übrigen hätte der Kläger die fraglichen Leistungen
früher beantragen müssen.
Der Widerspruchsbescheid ist am 31. März 2009 zur Post gegeben worden. Am 21. April 2009 hat er vor dem Sozialgericht Hamburg
Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt.
Mit Urteil vom 3. September 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe
keinen Anspruch auf Übernahme von Beiträgen zur Alterssicherung für die Zeit der Pflege seiner Ehefrau. Gemäß § 65 Abs. 1
Satz 1 SGB XII seien Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu
erstatten; auch könnten angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung
übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt sei. § 65 Abs. 2 SGB XII bestimme, dass Pflegebedürftigen,
die Pflegegeld nach § 64 SGB XII erhielten, zusätzlich die Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson oder einer besonderen
Pflegekraft für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten seien, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt sei. An diesen
Voraussetzungen fehle es. Der Anspruch nach § 65 SGB XII sei zunächst einmal ein Anspruch des Pflegebedürftigen selbst, so
dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger schon zu rechtlichen Bedenken führe. Da aber die Leistung auch direkt
an den Pflegenden erbracht werden könne, wenn der Pflegebedürftige dies wünsche, gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger
aufgrund des Einverständnisses seiner Ehefrau den Anspruch im eigenen Namen geltend machen dürfe. Im Fall des Klägers sei
jedoch die Kausalität zwischen dem Nichterzielen einer angemessenen Alterssicherung und der von ihm aufgewendeten Pflegetätigkeit
für seine Ehefrau nicht gegeben. Der Kläger habe vor Bezug der Altersrente eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Deutschen
Rentenversicherung Nord aufgrund der bei ihm bestehenden Erkrankung durch einen Morbus Crohn bezogen. Die beim Kläger feststellbare
geringe Rentenhöhe weise keinen Bezug zur Pflegetätigkeit für seine Ehefrau auf. Eine solche Kausalität sei aber für einen
Leistungsanspruch nach § 65 SGB XII erforderlich. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm. Die Regelung diene dem
Interesse des Pflegebedürftigen an der Erlangung und Erhaltung der Pflegebereitschaft in einem Fall, in welchem die Pflegeperson
sonst wegen Gefährdung oder Vernachlässigung der eigenen Altersvorsorge vor der Frage stehe, die Pflege nicht mehr zu leisten.
In einem solchen Konflikt habe der Kläger als Pflegeperson seiner Ehefrau nicht gestanden, denn er selbst habe aufgrund einer
eigenen Erkrankung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen können und daher nicht wegen der übernommenen Pflegetätigkeit
für seine Ehefrau die eigene Altersvorsorge gefährdet oder vernachlässigt.
Das Urteil des Sozialgerichts ist dem Kläger am 20. Oktober 2010 zugestellt worden. Bereits am 30. September 2010 hatte er
Berufung eingelegt, die er später weiterführte. Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, dass er sehr wohl in
der Zeit bis November bis 2008 hätte erwerbstätig sein können. Tatsächlich habe er von April 2003 bis Juni 2004 beim D. als
Teilzeitkraft, und zwar als Fahrer für Behindertentransporte gearbeitet. Damals hat er ungefähr 300 EUR im Monat verdient.
Er hätte diese Tätigkeit gerne über den Juni 2004 hinaus weitergeführt, habe sich daran jedoch wegen der Pflegebedürftigkeit
seiner Ehefrau gehindert gesehen; eine Erwerbstätigkeit sei wegen des schlechten Zustandes der Ehefrau völlig ausgeschlossen
gewesen. Wäre seine Frau nicht seit den neunziger Jahren bereits pflegebedürftig gewesen, hätte er auch in der Zeit um 2003/2004
beim D. mehr Stunden arbeiten können, und zwar etwa das Doppelte. Im Jahr 2001 habe er trotz Rentenbezugs 8.400,00 DM verdient
und Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung geleistet. Wegen der Pflege seiner Frau habe er danach nur noch versicherungsfreie
Minijobs ausüben können. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung sei dies jedoch nicht einmal entscheidend. Vielmehr
habe er einen Anspruch auf Beitragszahlung an die Rentenversicherung abhängig von der Pflegestufe der Ehefrau.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2009 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. November
2004 bis 30. November 2008 Beiträge für eine angemessene Alterssicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen. Sie weist darauf hin, dass die Tätigkeit des Klägers für das D.
nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Durch die Aufgabe seiner Tätigkeit zugunsten der Pflege der Ehefrau habe er keine
Verluste in der Rentenversicherung erlitten. Selbst wenn er diese versicherungsfreie Tätigkeit weiter ausgeführt hätte, wären
vom Arbeitgeber keine Beiträge abgeführt worden.
Die Beteiligten haben sich jeweils mit einer Entscheidung des Rechtsstreits allein durch den Berichterstatter als Einzelrichter
einverstanden erklärt (§
155 Abs.
3 u. 4
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Sachakten der Beklagten haben vorgelegen. Des Weiteren haben vorgelegen die Akten der sozialgerichtlichen Verfahren S
34 SO 217/08 und S 34 SO 4/09 nebst Beiakten. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten
des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. September 2010 ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes
zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Rentenversicherungsbeiträge.
Es kann offen bleiben, ob der Kläger als Pflegeperson überhaupt einen eigenen Anspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend
machen kann oder ob Ansprüche nach dem 7. Kapitel SGB XII nur dem Pflegebedürftigen zustehen. Denn auch dann, wenn man dies
annähme, bestehen Ansprüche nach diesem Kapitel des Gesetzes nicht.
Soweit es dem Kläger, wie er in der heutigen mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, darum geht, gleichgestellt zu werden
mit Pflegepersonen, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung versicherte Pflegebedürftige pflegen, so begründet dies hier
gegenüber dem Sozialhilfeträger einen solchen Anspruch nicht. Die Hilfe zur Pflege umfasst nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII
häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen nach
Satz 1 bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in §
28 Abs.
1 Nr.
1, 5 - 8 des 11. Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) aufgeführten Leistungen (Satz 2). Damit aber sind Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen nach §
44 SGB XI (siehe auch §
19 Abs.
1 Satz 2
SGB XI), wie sie in §
28 Abs.
1 Nr.
10 SGB XI erwähnt werden, vom Leistungsumfang des §
61 SGB XII nicht umfasst. Dem entsprechen die Regelungen im §
3 Satz 1 Nr.
1a, §
166 Abs.
2 Satz 1 6. Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI), wonach die Versicherungspflicht (§
3 SGB VI) nur besteht, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat.
Dies ist bei der Ehefrau des Klägers jedoch gerade nicht der Fall.
Ist somit allenfalls ein Anspruch des Klägers nach § 65 SGB XII in Betracht zu ziehen, so scheidet dieser, auch (da seine
Ehefrau Pflegegeld bezieht) als gebundener Anspruch im Sinne des Abs. 2, nicht nur deswegen aus, weil der Kläger in der fraglichen
Zeit gar keine Alterssicherung betrieben hat, für die nunmehr eine nachträgliche Beitragserstattung durchgeführt werden könnte.
Vielmehr ist im Ergebnis auch der Auffassung des Sozialgerichts zu folgen, dass der Kläger nicht gerade und ausschließlich
wegen der Pflege seiner Ehefrau eine angemessene Alterssicherung vernachlässigen musste. Es ist schon zweifelhaft, ob - bei
abhängig Beschäftigten - als angemessene Alterssicherung im Sinne des Gesetzes eine andere als die aus einer versicherungspflichtigen
Tätigkeit resultierende angesehen werden könnte. Der Kläger räumt aber selbst ein, dass er während des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente
allenfalls nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten hätte ausüben wollen. Der damit verbundene geringfügige Zuschlag an Entgeltpunkten
für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung dürfte aber als angemessene Alterssicherung nicht in
Betracht kommen. Jedenfalls ist zu bezweifeln, dass der Kläger, der selbst aufgrund schwerer Krankheit erwerbsgemindert war,
ohne die Pflege seiner Ehefrau damals wesentliches zu einer verbesserten Altersvorsorge hätte beitragen können. Das gilt auch
für die von ihm beabsichtigte Tätigkeit als Fahrer beim D ... In diesem Zusammenhang kann nicht daran vorbeigesehen werden,
dass der Kläger seinerseits ab Oktober 2006 von der Beklagten eine Beförderungspauschale nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch
bezog, deren Voraussetzung gerade ist, dass der Betroffene öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen kann. Dies passt nicht
zu seiner Darstellung, er habe damals als Fahrer in der Personenbeförderung arbeiten wollen und können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Ein Grund, nach §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.