Rückforderung einer Altersrente für Landwirte
Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
Sorgfaltspflichtverletzung des Rentenempfängers
Rücknahme als typischer bzw. atypischer Fall
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung von Altersrente für Landwirte in Höhe von 10.968,32 EUR für die Zeit vom 1.
Januar 2007 bis zum 30. Juni 2009.
Der 1936 geborene Kläger beantragte am 27. Februar 2001 Altersrente für Landwirte und legte einen Pachtvertrag vom 27. Februar
2001 mit seiner Tochter C., geb. A., über den eingetragenen Hof mit einer Größe von 14,43 ha landwirtschaftliche Nutzfläche
für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis zum 30. April 2010 vor.
Mit Bescheid vom 4. April 2001 bewilligte die Beklagte Altersrente für Landwirte in Höhe von 713,93 DM ab 1. Mai 2001. Als
Anlage lag ein Merkblatt über Mitwirkungs- und Meldepflichten bei, darin heißt es u. a., wesentliche Meldetatbestände seien:
"Wiederaufnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen"
"Aufhebung von Pachtverträgen".
Im Jahr 2009 erfuhr die Beklagte, dass die Tochter des Klägers Ende 2006 den landwirtschaftlichen Betrieb an ihren Vater wieder
zurückgegeben hatte. Dieser hatte Ende 2008 einen Pachtvertrag mit D. für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2016
geschlossen. Dieser war während der vereinbarten Pachtzeit in Haft. In Wirklichkeit bewirtschaftete der Kläger seit der Rückgabe
durch die Tochter den Betrieb wieder selbst. Er erhielt in der Zeit von 2006 bis 2009 auf Antrag hin Fördermittel in Höhe
von jährlich ca. 9.000,00 EUR, was er in einem Gespräch bei der Beklagten am 18. November 2009 (vgl. Bl. 32, 33 der Rentenakte)
und am 14. Dezember 2009 bei der Beklagten auch selbst eingeräumt hat ("das machen doch alle so").
Am 12. Januar 2010 legte der Kläger einen neuen Pachtvertrag mit E. für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2016 vor.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2010 den Bescheid vom 4. April 2001 über die Gewährung
der Altersrente für Landwirte für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2009 auf, da der Kläger das landwirtschaftliche
Unternehmen selbst bewirtschaftet habe, forderte 10.968,32 EUR zurück und bewilligte ab 1. Februar 2010 wieder Leistungen
in Höhe von 390,04 EUR. Zur Begründung wies die Beklagte auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Kläger habe grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, er habe erhebliche Beiträge geleistet. Er benötige die Rente und
werde zum Sozialfall, wenn er seine Rentenleistung gekürzt bekomme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, dass ab dem 1. Januar
2007 der Kläger die Flächen seines landwirtschaftlichen Unternehmens wieder selbst bewirtschaftet habe, damit ruhe nach §
30 Abs. 2 Alterssicherung für Landwirte (ALG) der Anspruch auf Rente. Erst durch den Pachtvertrag mit E. sei die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens ab 1. Juli
2009 wieder nachgewiesen worden. Der Bewilligungsbescheid vom 4. April 2001 habe nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2009 aufgehoben werden dürfen und die Leistungen in Höhe von 10.968,32 EUR gemäß
§ 50 Abs. 1 SGB X zurückgefordert werden dürfen. Der Kläger habe die erforderliche Sorgfalt im besonderen schweren Maße verletzt, denn er habe
die eigene Wiederaufnahme der Bewirtschaftung seines Unternehmens trotz seiner Mitteilungspflicht nicht angegeben.
Am 28. Februar 2011 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kassel und trug vor, tatsächlich seien die Flächen ab 1.
Juli 2007 verpachtet gewesen. Er sei aufgrund seines Alters nicht im Stande gewesen, die Bewirtschaftung selbst vorzunehmen.
Er sei auf die Rentenleistungen angewiesen. Die Rückforderung der Beklagten widerspreche dem Prinzip von Treu und Glauben.
Mit Urteil vom 13. Juni 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da der Kläger rechtswidrig Rentenleistungen in Höhe
von 10.968,32 EUR erhalten habe. Der Kläger habe im streitigen Zeitraum als landwirtschaftliches Unternehmen auf eigene Rechnung
sein Unternehmen selbst bewirtschaftet, deshalb habe nach § 30 Abs. 2 ALG sein Anspruch auf Rente geruht. Hinsichtlich der Ausführung zu den Bestimmungen der §§ 48, 50 SGB X werde voll umfänglich auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend sei anzuführen, dass kein Härtefall vorliege, weil
der Rückforderung in Höhe von 10.968,32 EUR Fördermittel in Höhe von über 36.000,00 EUR entgegenstehen würden. Die Beklagte
habe hier zu Recht im Wege der Ermessenserwägung einen Härtefall verneint.
Gegen das am 20. Juni 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Juli 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
eingelegt.
Der Kläger vertieft sein Vorbringen. Sein Einkommen läge weit unter der Pfändungsgrenze. Entscheidend sei, dass im Zeitpunkt
der Unternehmensabgabe das unternehmerische Risiko vollständig auf den Nachfolger übergegangen sei. Er habe keine Förderprämien
erhalten, sondern nur flächenbezogene Ausgleichzahlungen für niedrige Agrarpreise. Der Kläger räumt die Rücknahme des landwirtschaftlichen
Betriebes nach Heirat der Tochter am 22. Juni 2006 ein, er habe keinen Pächter gefunden und habe die Felder nicht verwildern
lassen wollen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, dass der Kläger wiederholt Prämien in den Jahren 2006
bis 2009 beim zuständigen Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung beantragt und erhalten habe.
Der Senat hat beim Landkreis Kassel - Fachbereich Landwirtschaft - Kopien der Flächenförderungsanträge des Klägers für das
Jahr 2006 bis 2009 beigezogen und zum Gegenstand der Gerichtsakte gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Rentenakte des Klägers sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juni 2013 ist nicht
zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.
Januar 2011 ist zu Recht ergangen. Der ursprüngliche Rentenbescheid vom 4. April 2001 durfte wegen einer nach dessen Erlass
eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse seitens der Beklagten hinsichtlich der Zeit ab 1. Januar 2007 rückwirkend
aufgehoben werden mit der Folge, dass der Kläger zur Erstattung der vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2009 zu Unrecht empfangenen
Rentenleistungen in der geforderten Höhe von insgesamt 10.968,32 EUR verpflichtet ist.
Unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bescheid über die Bewilligung von Altersrente
für Landwirte vom 4. April 2001 - grundsätzlich aufgehoben werden kann, ist u. a. in § 48 SGB X geregelt:
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen
haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgegebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung
der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur
Minderung des Anspruches geführt haben würde oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass
der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen
ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Gesetzbuches
anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
Soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt - hier der Rentenbewilligungsbescheid vom 4. April 2001 - rechtmäßig war, ist eine
Änderung im Sinne des § 48 SGB X regelmäßig "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen
wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem
Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des
§ 48 Abs. 1 SGB X. Dem entsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (Bundestagsdrucksache
8/2034, S. 35 zu § 46), ob eine wesentliche Änderung vorliegt, bestimmt sich nach dem materiellen Recht.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sind erfüllt.
Gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) haben Landwirte Anspruch auf Altersrente, wenn
1. sie das 65. Lebensjahr vollendet haben,
2. sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben und
3. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.
Dabei ist der Vorschrift des § 1 Abs. 1 ALG zufolge Landwirt, wer als Unternehmer ein auf Bodenwirtschaft beruhendes Unternehmen als Landwirtschaft betreibt, das die
Mindestgröße erreicht. Die Eigenschaft des Klägers als Landwirt im Sinne dieser Vorschrift kann vorliegend unstreitig bejaht
werden. Ein Unternehmen der Landwirtschaft ist der Vorschrift des § 21 Abs. 1 ALG zufolge abgegeben, wenn das Eigentum an der landwirtschaftlich genutzten Fläche mit Ausnahmen stillgelegter Flächen an einen
Dritten übergegangen ist. Diese Voraussetzungen waren anlässlich der Antragstellung am 27. Februar 2001 aufgrund des mit der
Tochter C. geschlossenen Pachtvertrages vom 27. Februar 2001 für die Zeit ab Rentenbeginn (1. Mai 2001) unstreitig zunächst
erfüllt.
Eine Änderung der Rechtslage ist insoweit allerdings durch die am 22. Februar 2006 erfolgte Eheschließung der Tochter eingetreten.
Sie kündigte den Pachtvertrag. Der Kläger fand nun keinen Pächter - außer D., der im streitigen Zeitraum in Haft saß -, so
dass er - wie er selbst im Berufungsverfahren eingeräumt hat - um eine Verwilderung der Felder zu verhindern, ab Ende 2006
selbst wieder die landwirtschaftlichen Flächen bewirtschaftete. Dies ergibt sich im Übrigen eindrucksvoll aus den vom Landkreis
Kassel - Fachbereich Landwirtschaft - im Berufungsverfahren vorgelegten Kopien der Flächenförderanträge, die der Kläger in
den Jahren 2006 bis 2009 gestellt und worauf er Fördermittel in Höhe ca. 36.000,00 EUR erhalten hat.
Damit waren die Voraussetzungen des § 21 ALG nicht mehr erfüllt. Damit waren vielmehr die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 ALG gegeben, wonach der Anspruch auf Rente ruht, wenn der Rentenempfänger ein Unternehmen der Landwirtschaft übernimmt, dessen
Wirtschaftswert allein oder zusammen mit nicht abgegebenen Unternehmensteilen den Grenzwert nach § 21 Abs. 7 ALG überschreitet. Dies ist im vorliegenden Fall mit über 14 ha gegeben.
Im Ergebnis war damit bei dieser Sach- und Rechtslage an den Kläger in der Zeit ab 1. Januar 2007 keine Altersrente für Landwirte
mehr zu leisten, weil dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4. April 2001 durch die wieder eigene Bewirtschaftung des
Unternehmens die Grundlage entzogen war.
Die Beklagte hat innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gehandelt, denn nach dem Bekanntwerden der Tatsache, dass die Tochter des Klägers Ende 2006 den landwirtschaftlichen Betrieb
an Ihren Vater, den Kläger, zurückgegeben hatte, hörte die Beklagte den Kläger an und mit Bescheid vom 14. Januar 2010 hob
sie die Gewährung der Altersrente für Landwirte für den Kläger für die streitige Zeit auf.
Die Beklagte war berechtigt, den Rentenbescheid vom 4. April 2001 rückwirkend ab 1. Januar 2007 aufzuheben, weil der Kläger
im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zumindest grob fahrlässig einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger
Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist.
Der Kläger war gemäß §
60 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen verpflichtet und ist sowohl im
Rentenantragsformular als auch im Rentenbescheid vom 4. April 2001 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich auf die ihm
obliegende Mitteilungspflichten hingewiesen worden. Obwohl deutlich als Meldetatbestand in dem beiliegenden Merkblatt vermerkt
war, dass er eine Wiederbewirtschaftung seines Unternehmens als auch die Änderung oder Aufhebung von Pachtverträgen unmittelbar
der Beklagten anzeigen muss, hat der Kläger diese Tatbestände der Beklagten nicht angezeigt. Er ist damit seiner Mitteilungspflicht
nicht nachgekommen. Hierin liegt ein offenkundiger Verstoß gegen die für ihn bestehenden gesetzlichen Mitteilungspflichten.
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich insoweit auch um einen zumindest grob fährlässigen Verstoß des Klägers. Ob ein
dementsprechender Schuldvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen
und dem Verhalten des Klägers sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fährlässigkeit liegt vor, wenn die
erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Hiernach wird also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlichen hohen Ausmaßes vorausgesetzt, d.h. eine besonders grobe
und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung. Subjektiv schlechthin unentschuldbar ist ein Verhalten,
wenn schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was in jeden
Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187).
Im vorliegenden Fall wäre es dem Kläger durch einfache Lektüre der im Rentenbewilligungsbescheid vom 4. April 2001 gegebenen
Hinweise ohne Weiteres möglich gewesen, zu erkennen, dass die Tatsache der Selbstbewirtschaftung anzuzeigen ist. Gefordert
war von ihm lediglich, die betreffenden Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber der Beklagten offenzulegen.
Anhaltspunkte dahingegen, dass es dem Kläger zur Erfüllung dieser Mitteilungspflicht trotz der eindringlichen Belehrung im
Bewilligungsbescheid an der erforderlichen Einsicht in die Erheblichkeit der betreffenden Tatsachen gefehlt haben könnte,
sind weder vorgetragen worden, noch ersichtlich. Aus dem Hinweis "das machen doch alle so", lässt sich vielmehr sogar vermuten,
dass der Kläger sehr wohl wusste, welche Sachverhalte zu welchen Meldepflichten führen.
Nach § 48 Abs. 1 S.2 SGB X "soll" ein wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nachträglich rechtswidrig gewordener
Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahme des Verwaltungsaktes durch den zuständigen
Versicherungsträger ist nach ständiger Rechtsprechung somit der "typische" Regelfall (BSG Urteil vom 1. Juli 2010 B 13 R 77/09 R). Allerdings kann der Versicherungsträger bei Vorliegen besonderer Verhältnisse, d.h. bei einem "atypischen" Fall von der
Aufhebung ganz oder teilweise absehen. Hier hätte der Versicherungsträger ein Ermessen.
Wann ein "atypischer" Fall vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessenentscheidung treffen muss, darüber, ob rückwirkend aufgehoben
wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, d.h. der Fall muss von dem typischen Regelfall zum Nachteil des Betroffenen
signifikant abweichen. Dies kann der Fall sein bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers oder wenn die Aufhebung
einen unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen darstellen würde.
Unter allen Gesichtspunkten ist im vorliegenden Fall kein "atypischer" Fall gegeben, denn die finanzielle Belastung durch
eine Rückforderung der überzahlten Rente ist gerade typisch für diese Sachlage und begründet gerade keinen "atypischen" Fall.
Ein Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers ist ersichtlich auch nicht gegeben. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger
Eingriff" vorliegt, sind im vorliegenden Fall gerade keine Umstände erkennbar, die einen "atypischen" Fall rechtfertigen würde.
Die Aufhebung stellt keinen unbilligen Eingriff dar, wenn man berücksichtigt, dass der Rückforderung von 10.968,32 EUR über
30.000,- EUR Fördermittel entgegen stehen. Es bestehen im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände, die zur Annahme eines
"atypischen Fall" im Sinne der Rechtsprechung berechtigen würden.
Damit brauchte die Beklagte kein Ermessen auszuüben und es kann dahinstehen, ob die Beklagte ein ihr zustehendes Ermessen
erkannt und richtig im Sinne von §
39 Abs.
1 SGB I ausgeübt hat.
Die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Rentenzahlungen findet ihre rechtliche Grundlage in § 50 Abs. 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - nach Maßgabe der §§ 45, 48 SGB X - aufgehoben worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein
könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Der Vortrag des Klägers, dass sein Einkommen deutlich unter der Pfändungsgrenze liege und er ohne Rentengewährung zum Sozialfall
werde, ist für die hier zu bewertende Sach- und Rechtslage unerheblich. Seine wirtschaftliche Lage kann er für den Fall der
Vollstreckung anführen und ggf. Ratenzahlung, Stundung, Niederschlagung oder dergleichen beantragen.
Die Berufung konnte deshalb im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.