LSG Hessen, Urteil vom 23.04.2015 - 1 KR 17/14
Unzulässigkeit der Vereinbarung einer gesetzlichen Krankenkasse mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen über eine
kostenlose private Auslandskrankenversicherung
1. Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht, ob allgemein anerkannte
Bewertungsmaßstäbe überschritten worden sind. Der beaufsichtigten Behörde steht ein gewisser, von der Aufsicht zu beachtender
Bewertungsspielraum zu, sofern sich das Handeln oder Unterlassen des Beaufsichtigten im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren
bewegt.
2. Eine Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn der Versicherungsträger gegen zwingende Vorschriften in für ihn maßgeblichen
Gesetzen oder sonstigem Recht verstoßen hat, diese also fehlerhaft angewandt oder nicht beachtet hat.
3. Das SGB V sieht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung nur ausnahmsweise
vor.
4. Das nationale Recht räumt Versicherten in § 18 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Auslandskrankenbehandlung und Kostenerstattung im Nicht-EG Ausland nur ein, wenn eine dem allgemeinen
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur außerhalb Deutschlands und außerhalb des Geltungsbereiches
des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich
ist; dies ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gegeben.
Fundstellen: NZS 2015, 666
Normenkette: ,
GewO § 34d
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RL 2002/92/EG Art. 2 Nr. 3 ,
RL 2011/24/EU ,
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SGB X § 34 Abs. 1 ,
VVG (2008) § 59 ,
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ,
Verordnung (EG) Nr. 987/2009
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Verpflichtungsbescheid der Beklagten, der die Beendigung einer Vereinbarung der Klägerin
mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen über einen Auslandsreisekrankenversicherungsschutz beinhaltet.
Die Klägerin schloss als Betriebskrankenkasse unter dem 28. März/16. April 2007 als Versicherungsnehmerin mit der F. Krankenversicherungs
a.G. (Versicherer, im Weiteren F.) eine Vereinbarung über eine Auslandsreisekrankenversicherung mit Versicherungsschutz bei
Urlaubs- und beruflich bedingten Reisen ihrer Mitglieder sowie deren Familienangehörigen, die nach § 10 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - ( SGB V) einen Anspruch auf Familienversicherung haben, ab. Beginn der Vereinbarung und des ersten Versicherungsjahres war der 1.
April 2007. Für den Versicherungsschutz bietet § 3 des Vertrages bei Urlaubs- und beruflich bedingten Reisen im Ausland Versicherungsschutz
für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannten Ereignisse an und ersetzt die dort entstandenen Aufwendungen für
Heilbehandlungen und sonstige vereinbarte Leistungen. Der private Auslandskrankenversicherungsschutz besteht weltweit. § 5
der Vereinbarung legt den Umfang der Leistungspflicht fest und sieht bei Aufwendungen, die unter den Versicherungsschutz fallen,
einen Ersatz der Aufwendungen durch den Versicherer zu 100 % vor. Nach § 9 der Vereinbarung ist von dem Versicherungsnehmer
ein Beitrag von 4,00 EUR pro Versicherungsjahr je versicherte Person zu entrichten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf
die Vereinbarung verwiesen (Anlage K 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10. Juli 2014 - Blatt 48 der Gerichtsakte -).
Mit Schreiben vom 2. August 2007 zeigte die Klägerin der Beklagten die Kooperation mit der F. an und wies darauf hin, dass
auch die BKK der G.-AG eine entsprechende Auslandsreisekrankenversicherung mit der DD. abgeschlossen habe, die von Seiten
der Beklagten mit Schreiben vom 22. Juni 2007 akzeptiert worden sei. Durch die Versicherung verringerten sich die Leistungsausgaben
insgesamt um 48.000,00 EUR (Kosten für Auslandsaufwendungen 2006 rd. 53.000,00 EUR - Kostenart 480 und 481 -). Hierzu kämen
nicht mehr anfallende Sach- und Personalkosten in Höhe von 9.000,00 EUR. Als Sachaufwand sei ein Betrag in Höhe von 2.000,00
EUR im Wege einer groben Schätzung anzusetzen. Für die 14.500 Versicherten beliefen sich die Kosten der Auslandsreisekrankenversicherung
auf 58.000,00 EUR. Der Versicherungsbeitrag unterschreite damit die Aufwendungen des letzten Jahres und künftige Einsparungen
seien voraussehbar. Die Beklagte zog die Rechnungsergebnisse der Klägerin für das Jahr 2006 bei und wies die Klägerin darauf
hin, dass das Schreiben an die BKK der G.-AG vom 22. Juni 2007 eine auf den von der Kasse vorgetragenen Sachverhalt bezogene
individuelle Prüfung und Entscheidung enthalte, inwieweit die Erledigung der der Kasse obliegenden Aufgaben von einem Dritten
übernommen werden könnten und nicht verallgemeinerungsfähig sei. Ausweislich der Internetseite der Klägerin führe diese die
Kooperation mit der F. zudem bereits seit dem 1. April 2007, also vor dem Zeitpunkt der Entscheidung bezüglich der BKK der
G.-AG, durch. Im Weiteren bestünden bezüglich der Angaben über die Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit mit der F. im Blick
auf die im Rahmen des KJ 1 für das Jahr 2006 übermittelten Daten erhebliche Diskrepanzen (Ausgaben für Kontengruppen 480 und
481: 40.474,00 EUR statt der angegebenen 53.000,00 EUR). Vor diesem Hintergrund sei die Wirtschaftlichkeit zu verneinen und
die Vereinbarung mit der F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Unter dem 4. Dezember 2007 erkannte die Klägerin an,
dass ihr bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit Fehler unterlaufen seien und anhand der Kalkulation mit den Echtzahlen
aus dem Jahre 2006 eine Wirtschaftlichkeit kalkulatorisch nicht zu belegen sei. Insoweit bestünden jedoch derzeit Vertragsabstimmungen
mit der F ... Unter Wettbewerbsgesichtspunkten stelle es zudem eine große Benachteiligung für die Klägerin dar, die kostenlose
Auslandsreisekrankenversicherung über die F. nicht weiter anbieten zu können. Am 3. April 2008 wies die Beklagte die Klägerin
darauf hin, dass die Leistungsgewährung von Krankenkassen zu den Kernaufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre
und daher grundsätzlich nicht auf Dritte übertragen werden dürfe. Aufgrund dessen könne die aufsichtsrechtliche Tolerierung
der Zusammenarbeit mit einer privaten Krankenversicherung nur unter sehr engen Voraussetzungen erfolgen, wobei Kernbedingung
die Wirtschaftlichkeit der Verfahrensweise sei. Die Wirtschaftlichkeit sei auch nach den eigenen Angaben der Klägerin nicht
gegeben, sodass die Vereinbarung mit der F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden sei. Dies akzeptierte die Klägerin mit
Schreiben vom 21. Mai 2008.
Unter dem 27. Januar 2009 wies die Klägerin die Beklagte im Anschluss daran darauf hin, dass nach eingehender Kosten-Nutzen-Analyse
der Kooperation mit der F. die Wirtschaftlichkeit eindeutig nachweisbar sei und aufgrund dessen das Vertragsverhältnis fortgesetzt
werde. Für das erste Versicherungsjahr (1. April 2007 bis 31. März 2008) habe die F. im Bereich des Auslandsobligatoriums
für die Versicherten der Klägerin Aufwendungen in Höhe von 73.379,23 EUR gehabt. Die Beiträge der Klägerin hätten sich auf
59.740,00 EUR belaufen, sodass die Klägerin Einsparungen in Höhe von 13.639,23 EUR erzielt habe. Zudem werde die F. die Prämie
von 4,00 EUR auf 3,60 EUR pro Versicherten absenken. Zur Bestätigung ihres Vorbringens legte die Klägerin eine tabellarische
Auflistung der einzelnen Leistungsfälle für das erste Versicherungsjahr vor. Unter dem 19. März 2009 wies die Beklagte die
Klägerin erneut darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine aufsichtsrechtliche Tolerierung der Kooperation mit der F. derzeit
nicht vorlägen. Zwar dürfte bei einem Beitrag pro Versicherten an die F. in Höhe von 3,60 EUR eine Wirtschaftlichkeitsberechnung
positiv ausfallen. Der alleinige Nachweis über die wirtschaftliche Verfahrensweise der Kasse reiche für eine aufsichtsrechtliche
Tolerierung der Kooperation durch die Beklagte jedoch nicht aus. Die Krankenkassen verstießen durch die Kooperation mit privaten
Versicherungsunternehmen im Bereich der Auslandsreisekrankenversicherung gegen § 30 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - ( SGB IV), da die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beitragseinnahmen nicht zur Finanzierung einer privaten Auslandskrankenversicherung
für ihre Versicherten ausgeben dürften. Die aufsichtsrechtliche Tolerierung des vorgenommenen Rechtsverstoßes könne nur unter
engen Voraussetzungen erfolgen, die im Ergebnis von der Beklagten wie folgt zu benennen seien: Rechte und Interessen der Versicherten
blieben gewahrt (insbesondere: Versicherten würden weiterhin die Europäische Versichertenkarte - EHIC - sowie die zwischenstaatlichen
Anspruchsvordrucke zur Verfügung gestellt), Versicherte könnten weiterhin die Abwicklung über das System der GKV wählen, die
Zusammenarbeit mit dem privaten Versicherungsunternehmen werde regelmäßig einer fortwährenden Prüfung bezüglich der Wirtschaftlichkeit
unterzogen, Kosten für Leistungen, die bei einem urlaubsbedingten Auslandsaufenthalt von mehr als 6 Wochen bzw. für einen
mehr als zweiwöchigen beruflichen Auslandsaufenthalt oder bei einer Einschränkung der Leistungspflicht nach § 6 der Vereinbarung
entstünden, würden im Rahmen der Vorschriften des über- oder zwischenstaatlichen Rechts durch die Klägerin geprüft und gegebenenfalls
erstattet, bei Kostenerstattungen für Leistungsinanspruchnahmen in Ländern, die grundsätzlich im Rahmen des über- bzw. zwischenstaatlichen
Rechts abzuwickeln wären, könnten keine Kosten für Übersetzungen zulasten der Versicherten verlangt werden, für Versicherte
bestehe ungeachtet der Regelung des § 16 der Vereinbarung die Möglichkeit, gesetzliche Ansprüche gegenüber der Klägerin geltend
zu machen. Nachdem die Klägerin diesen Anforderungen nachkam, nahm die Beklagte mit Schreiben vom 2. April 2009 die Kooperation
mit der F. über die Durchführung der Auslandsreisekrankenversicherung ab dem 1. April 2009 bis auf weiteres hin. Nach Vorlage
der entsprechenden Unterlagen für das zweite Versicherungsjahr durch die Klägerin duldete die Beklagte die Fortführung der
Kooperation mit der F. weiterhin bis auf weiteres (Schreiben vom 10. Juni 2010).
Im Zuge des Nachweises der Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit mit der F. im Bereich der Auslandsreisekrankenversicherung
für das dritte Versicherungsjahr wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2011 darauf hin, dass die
Kooperation mit der F. bis spätestens 31. Dezember 2012 einzustellen sei. Eine gesetzliche Krankenkasse dürfe ihre Beitragseinnahmen
nicht zur Finanzierung einer privaten Auslandsreisekrankenversicherung für ihre Versicherten verwenden. Sie habe diesen Rechtsverstoß
gegen § 30 SGB IV bislang unter sehr engen Voraussetzungen toleriert (u.a. Nachweis der Wirtschaftlichkeit der Kooperation). Die Verwaltungspraxis
habe jedoch gezeigt, dass der von den Krankenkassen zu führende Nachweis der Wirtschaftlichkeit regelmäßig mit Unsicherheiten
sowohl hinsichtlich der Methodik als auch der Validität des vorgelegten Zahlenmaterials behaftet sei. Ein gleichgerichtetes
Schreiben erhielten alle der Aufsicht der Beklagten unterliegenden Krankenkassen, die ein entsprechendes beitragsfinanziertes
Angebot vorhielten. Die Krankenkassen hätten die Möglichkeit, in ihren Satzungen Wahltarife für Kostenerstattungen nach §
53 Abs. 4 SGB V vorzusehen. Eine umfassende Leistungsverpflichtung der GKV im Ausland lasse sich mit einem Wahltarif Kostenerstattung jedoch
auch insoweit nicht herstellen. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruhe grundsätzlich der Anspruch auf Leistungen bei einem Auslandsaufenthalt, es sei denn, dass sich Abweichendes aus dem
inner-, über- oder zwischenstaatlichen Recht ergebe (z. B.: § 13 Abs. 4 bis 5 SGB V bzw. § 60 Abs. 4 SGB V). Krankenkassen könnten darüber hinaus über eine entsprechende Kooperation mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen
nach § 194 Abs. 1a SGB V ihren Versicherten den Abschluss eines zusätzlichen privaten Auslandskrankenversicherungsvertrages vermitteln. Am 16. November
2011 legte die Klägerin der Beklagten die Kündigungsbestätigung der F. vom 7. November 2011 zum 31. Dezember 2012 vor.
Im Rahmen eines Prüfverfahrens (Prüfbericht vom 18. Juli 2012) stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin den Vertrag mit
der F. noch nicht wirksam zum 31. Dezember 2012 beendet habe. Die Beklagte forderte die Klägerin unter Fristsetzung zur Vorlage
einer Bestätigung auf, dass die Kooperation mit der F. im Bereich der Auslandsreisekrankenversicherung spätestens zum 31.
Dezember 2012 ende (Schriftsatz vom 21. September 2012 - Blatt 162 Verwaltungsakte -). Die Klägerin teilte der Beklagten unter
dem 14. Dezember 2012 mit, dass sie den entsprechenden Vertrag mit Schreiben vom 4. November 2011 gegenüber der F. gekündigt
habe. Die Auswertung der Geschäftsjahre bis 2010 habe jedoch gezeigt, dass die Klägerin von diesem Finanzierungsmodell wirtschaftlich
profitiere. Dies sei auch für 2011, 2012 und die Folgejahre zu erwarten, weshalb sie mit dem Kooperationspartner die Auslandsreisekrankenversicherung
über den 31. Dezember 2012 hinaus weiter anbieten würde. Die Kündigung vom 4. November 2011 sei mit Schreiben vom 18. September
2012 widerrufen worden. Andere Aufsichtsbehörden hätten zudem das Finanzierungsmodell nicht beanstandet.
Unter dem 6. Februar 2013 forderte die Beklagte die Klägerin erneut unter Fristsetzung bis zum 25. Februar 2013 auf, zu bestätigen,
dass diese geeignete Maßnahmen ergreife, um ihre rechtswidrige Kooperation mit der F. unverzüglich zu beenden sowie sämtliche
in diesem Zusammenhang stehenden kassenseitigen Werbeaktivitäten einzustellen. Anderenfalls würde das aufsichtsrechtliche
Verfahren nach § 89 SGB IV eingeleitet. Es sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen, in Kooperation mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen
eine für ihre Versicherten kostenlose weltweit geltende private Auslandsreisekrankenversicherung durchzuführen (unzulässige
Mittelverwendung, § 30 Abs. 1 2. Halbsatz SGB IV). Die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder als auch das Bundesministerium für Gesundheit seien sich einig, dass es
für die Durchführung der in Rede stehenden Kooperation keine Ermächtigungsgrundlage gebe. Diese Thematik sei Gegenstand der
Arbeitstagung der Aufsichtsbehörden im November/Dezember 2011 gewesen, wo u.a. zu der Auslandsreisekrankenversicherung beschlossen
worden sei, dass Krankenkassen lediglich private Zusatzversicherungsverträge für Leistungen, die den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz
ergänzten, vermitteln dürften. Die Klägerin erkannte im Laufe des weiteren Verfahrens an, dass die Versicherten keinen gesetzlichen
Anspruch auf die Bereitstellung einer beitragsfinanzierten Gruppen-Auslandskrankenversicherung hätten. Sie vertrat jedoch
die Auffassung, dass Krankenkassen auf der Grundlage des § 1 Satz 3 SGB V unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen erbringen könnten, die vom Leistungsbegriff des § 11 SGB V nicht umfasst seien (so genannte "andere Leistungen"). Die gesetzliche Zulassung der Aufgabenwahrnehmung im Sinne des § 30 Abs. 1 SGB IV würde sich dann unmittelbar aus § 1 Satz 3 SGB V ergeben, der den Krankenkassen ganz allgemein die Aufgabe zuweise, den Versicherten bei der eigenverantwortlichen Erhaltung
und Wiederherstellung ihrer Gesundheit durch "Aufklärung, Beratung und Leistungen" zu helfen. Die Grenze der Erbringung "anderer
Leistungen" ergäbe sich dabei aus dem in § 4 Abs. 4 SGB V für die Aufgabenwahrnehmung der Krankenkassen allgemein festgelegten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, der
vorliegend gewährleistet sei. Die Auslandsreisekrankenversicherung ermögliche es den Versicherten, auch bei Auslandsreisen
Leistungen der medizinischen Versorgung in Anspruch zu nehmen. Damit ergänze sie den Anspruch auf Leistungen im Sinne des
§ 11 SGB V, der nach dem Territorialitätsprinzip des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruhe, solange die Versicherten sich im Ausland aufhielten und fülle so die vorhandene gesetzliche Lücke im Versicherungsschutz.
Zwar bestehe das Territorialitätsprinzip nicht ohne Durchbrechungen durch nationale und internationale Vorschriften. Insoweit
sei jedoch zu berücksichtigen, dass die praktische Umsetzung der bestehenden Ansprüche der Versicherten bei Reisen in das
EU-Ausland bislang nur unzureichend funktioniere. Zudem seien die Kosten für einen gegebenenfalls erforderlichen Krankenrücktransport
aus dem Ausland nach § 60 Abs. 4 SGB V regelmäßig von der Übernahme durch die Krankenkasse ausgeschlossen, weshalb die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung
Ausland des GKV-Spitzenverbandes bei Auslandsreisen den Abschluss einer privaten Auslandsreisekrankenversicherung dringend
empfehle. Vor diesem Hintergrund habe die Kooperation zwischen der Klägerin und der F. auch den Zweck, diese Defizite auszugleichen
und einen funktionierenden Krankenversicherungsschutz im Ausland sicherzustellen. Die Kooperation zwischen der Klägerin und
der F. entspreche dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und sei auch weitgehend ausgabenneutral realisiert.
Auslandsreisen gehörten heute für den ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung zur gewöhnlichen Lebensgestaltung, sodass Erkrankungen
und Verletzungen im Ausland Bestandteil des allgemeinen Lebensrisikos seien, dessen Versicherungswürdigkeit kaum bezweifelt
werden könne. Im Weiteren sei in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannt, dass juristische Personen des öffentlichen
Rechts neben ihren gesetzlichen Aufgaben auch so genannte Annextätigkeiten ausüben könnten, die die öffentliche Hand "bei
Gelegenheit" der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben betreibe. Es liege insoweit ein so genanntes Hilfsgeschäft vor, da
das gesetzlich vorgesehene Leistungsangebot - Krankenversicherung - bei bestimmten Lücken im Auslandskrankenversicherungsschutz
abgerundet werde.
Unter dem 4. September 2013 wies die Beklagte die Klägerin nochmals auf die Rechtswidrigkeit der Kooperation mit der F. hin
und forderte sie erneut auf, innerhalb von 6 Wochen nach Erhalt des Schreibens schriftlich zu bestätigen, dass die Klägerin
geeignete Maßnahmen - soweit erforderlich mittels eines Auflösungsvertrages - ergreife, ihre rechtswidrige Kooperation mit
der F. unverzüglich zu beenden und umgehend die Bewerbung des Angebots eines kostenlosen Auslandsreisekrankenversicherungsschutzes
einzustellen. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt die angeforderte Erklärung nicht oder nicht vollständig vorliegen, sei beabsichtigt,
einen Verpflichtungsbescheid gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu erlassen, wozu der Klägerin nochmals die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werde. Mit Verpflichtungsbescheid vom
12. Dezember 2013 verpflichtete die Beklagte der Klägerin gemäß den §§ 89 Abs. 1 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, die Vereinbarung mit der Vertragsnummer XY 9876 zwischen der Klägerin und der F. über einen Auslandsreisekrankenversicherungsschutz
unverzüglich zu beenden. Insoweit liege ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 SGB IV vor. Für die auf der zwischen der Klägerin und der F. abgeschlossenen Vereinbarung beruhende Begründung und Durchführung
einer kostenlosen privaten Auslandsreisekrankenversicherung für alle Versicherten eines Krankenversicherungsträgers fehle,
selbst wenn eine solche Vereinbarung auch Vorteile für den Krankenversicherungsträger biete, eine gesetzliche Grundlage und
dies stelle eine unzulässige Erweiterung des gesetzlichen Aufgabenbereiches der gesetzlichen Krankenkassen dar. Eine Leistungsverpflichtung
der gesetzlichen Krankenkasse bei einer Erkrankung während eines vorübergehenden Aufenthalts im Ausland sehe das SGB V nur ausnahmsweise sowie das über- oder zwischenstaatliche Recht nur unter den dort genannten Voraussetzungen vor. Die versicherungsmäßige
Absicherung der über die Leistungsverpflichtung der GKV hinausgehenden Kosten und damit der verbliebenen Deckungslücken bei
Auslandsbehandlungen liege in der Eigenverantwortung der einzelnen Versicherten. Weder § 1 Satz 3 SGB V noch § 17 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - ( SGB I) böten hierfür eine eigenständige Rechtsgrundlage. Bei § 1 Satz 3 SGB V räume der Krankenkasse kein "Leistungserfindungsrecht" bezüglich nicht vom Leistungskatalog des § 11 SGB V aufgeführten Leistungen ein. § 17 SGB I betreffe lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung, beziehe sich lediglich auf den bestehenden Leistungskatalog
der GKV und stelle einen Programmsatz mit geringem normativen Gehalt dar. Auch habe der Gesetzgeber mit der Regelung des §
194 Abs. 1a SGB V deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Krankenkassen gerade nicht dazu ermächtigt sein sollten, ergänzende Leistungen in Form
einer Auslandsreisekrankenversicherung anzubieten. Auf wirtschaftliche Aspekte komme es dabei nicht an. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts seien die Krankenkassen von Seiten der Verfassung auch nicht gehalten, alles zu leisten, was
an Mitteln zum Erhalt oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei. Als Ausweitung des vom Gesetzgeber nach den §§
2, 11 SGB V zur Verfügung gestellten Leistungsspektrums der GKV stelle der Abschluss und die Begründung eines weltweiten kostenlosen
privaten Auslandsreisekrankenversicherungsschutzes für die Versicherten durch die gesetzliche Krankenkasse auch kein Hilfsgeschäft
im Sinne einer so genannten "Annextätigkeit" dar. Eine solche Erweiterung laufe der Wertentscheidung des Gesetzgebers, nur
in bestimmtem Umfang eine krankenversicherungsrechtliche Absicherung bei vorübergehendem Aufenthalt im Ausland durch gesetzliche
Krankenkassen zu gewährleisten, zuwider. Die von der Klägerin mit der F. geschlossene Vereinbarung sei auch keine zulässige
Vermittlungstätigkeit im Sinne von § 194 Abs. 1a SGB V bzw. von § 15 der Satzung der Klägerin. Die Klägerin werde bei ihrer Kooperation mit der F. nicht als Vermittler einer privaten Zusatzversicherung
tätig, sondern sei selbst Vertragspartner eines Versicherungsvertrages. Für die Versicherten der Klägerin trete der ergänzende
Auslandsreisekrankenversicherungsschutz automatisch aufgrund der zwischen der Klägerin und der F. geschlossenen Vereinbarung
ein. Auch lägen die Voraussetzungen des § 197b SGB V - zulässige Aufgabenerledigung durch Dritte - nicht vor. Mit der Zahlung der Versicherungsprämie für die private Auslandsreisekrankenversicherung
ihrer Versicherten an die F. liege zudem eine unzulässige Mittelverwendung der Klägerin vor, die gegen § 30 Abs. 1 2. Halbsatz SGB IV verstoße. Durch das rechtswidrige Angebot einer für die Versicherten kostenlosen weltweiten Auslandsreisekrankenversicherung
im Rahmen der Kooperation zwischen der Klägerin und der F. über den 31. Dezember 2012 hinaus unter kassenseitiger Mittelverwendung
entstehe zulasten der rechtskonform handelnden Krankenkassen ein Nachteil im Mitgliederwettbewerb, der die Gefahr einer Nachahmung
und einer Schädigung des Systems der GKV berge. Dahinter hätten die Einzelinteressen der Klägerin zurückzutreten. Die in der
Vergangenheit praktizierte aufsichtsrechtliche Tolerierungspraxis in Bezug auf die von Krankenkassen finanzierte und damit
rechtswidrige Kooperation im Bereich der Auslandsreisekrankenversicherung habe die Beklagte zum 1. Januar 2013 aufgegeben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Verwaltung stets befugt, ihre ermessensbindende Verwaltungspraxis
zur Gegensteuerung von Fehlentwicklung zu ändern und bei zwischenzeitlich erkannten Rechtsverstößen sogar zur Änderung ihrer
Praxis verpflichtet. Über die zum 1. Januar 2013 erfolgte Aufgabe der Tolerierungspraxis und erforderliche Beendigung ihrer
rechtswidrigen Kooperation spätestens zum 31. Dezember 2012 habe die Beklagte die Klägerin bereits mit Schreiben vom 12. September
2011 - also rechtzeitig für eine Beendigung der Kooperation - informiert. Für die Abkehr von der bisherigen Praxis seien für
die Beklagte die gesetzlich verschärften Anforderungen an den Nachweis der Wirtschaftlichkeit für die Wahltarife (Neuregelung
des § 53 Abs. 9 Satz 3 SGB V zum 1. Januar 2011) unter Berücksichtigung des mit Unsicherheit behafteten bisherigen Nachweises zur Wirtschaftlichkeit sowohl
hinsichtlich der Methodik als auch der Validität des vorgelegten Zahlenmaterials maßgeblich gewesen. Ein Vertrauensschutz
bestehe für die Klägerin nicht, da die Beklagte stets auf die Rechtswidrigkeit der Kooperation hingewiesen habe.
Gegen den Verpflichtungsbescheid vom 12. Dezember 2013 hat die Klägerin am 9. Januar 2014 Klage zum Hessischen Landessozialgericht
erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass bereits Anfang 2007 der damalige Bundesverband der Betriebskrankenkassen mit der
F. einheitliche Rahmenbedingungen für Verträge über Gruppen-Auslandskrankenversicherungen zwischen den in dem Bundesverband
zusammengeschlossenen Betriebskrankenkassen und der F. vereinbart habe. Ziele seien auf der einen Seite eine Verbesserung
der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebskrankenkassen durch Ergänzungen im Leistungsportfolio, eine Verbesserung des Krankenversicherungsschutzes
der Versicherten im Ausland, Einsparungen für die Betriebskrankenkassen im Bereich des Verwaltungsaufwandes und bei der Europäischen
Krankenversicherungskarte, da diese erfahrungsgemäß neben einem umfassenden Auslandsreisekrankenversicherungsschutz nicht
in vollem Umfang in Anspruch genommen werde, aber andererseits auch die Eröffnung eines exklusiven Zugangs für die F. zu einem
breiten Kreis potentieller Kunden für Zusatzversicherungen, die den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz ergänzten, gewesen.
In der Folge hätten 26 Betriebskrankenkassen von 2007 bis 2011 eine Gruppen-Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Der
angegriffene Verpflichtungsbescheid sei vorliegend rechtswidrig, da er das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin verletze und
sie dadurch unzulässig in ihrem Wirkungsbereich einschränke. Die Kooperation zwischen der Klägerin und der F. sei vom Aufgabenspektrum
der Krankenkassen als Versicherungsträger umfasst. Wie bereits gegenüber der Beklagten ausgeführt, handele es sich um eine
gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber zugelassene Aufgabe, die ihre Rechtsgrundlage in § 1 Satz 3 SGB V finde oder als Annextätigkeit anzusehen sei. Die Kooperation zwischen der Klägerin und der F. entspreche dem Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und sei mit Kostenvorteilen für die Klägerin realisiert worden. Dies gelte sowohl bei einer
leistungsorientierten Betrachtung (Erweiterung des Leistungsspektrums) als auch bei einer kostenoptimierten Betrachtung. So
sei bei Vertragsanpassungen mit der F. im Dezember 2007 und im Januar 2009 erreicht worden, dass die Kosten der über die Klägerin
abgerechneten Leistungen mit Auslandsbezug durch die F. erstattet würden und zudem der pro versicherter Person anfallende
Jahresbetrag von 4,00 EUR auf 3,60 EUR abgesenkt werde. Eine solche Betrachtungsweise verstoße weder gegen das Bestimmtheitsgebot
aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz noch gegen den in § 31 SGB I normierten Gesetzesvorbehalt. Vorliegend sei nicht ein Eingriff in die grundrechtlich gesicherte Handlungsfreiheit des Bürgers
betroffen, sondern die Reichweite der Kompetenz einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, sodass die verfassungsmäßigen Anforderungen
an die Bestimmtheit vergleichsweise gering seien. So reiche es auch für Sozialleistungen von Behörden regelmäßig aus, dass
eine etatmäßige Grundlage in dem betreffenden Haushaltsgesetz bestehe. Wirke sich die Leistung des Sozialleistungsträgers
auf dessen Etat - wie im vorliegenden Fall der Kooperation mit der F. - nicht oder nur unwesentlich aus, seien auch die Anforderungen
an die gesetzliche Grundlage dieser Leistungen entsprechend geringer. Die Einordnung der Kooperation als Hilfsgeschäft ergebe
sich zudem daraus, dass die Klägerin den Versicherten keine zusätzlichen, durch § 11 SGB V nicht gedeckten Sachleistungen zur Verfügung stelle, sondern den auf Krankheitsfälle bei Auslandsreisen beschränkten Versicherungsschutz
durch die F. vermittele, der zu der Aufgabenwahrnehmung nach § 1 Satz 3 SGB V in einem komplementären Verhältnis stehe. Es liege auch keine Umgehung der gesetzlichen Grenzen des Krankenversicherungsschutzes
vor. Letztlich seien es Praktikabilitätserwägungen gewesen, die den Gesetzgeber dazu bewogen hätten, den Versicherungsschutz
auf das Inland zu beschränken. Die Versicherten erhielten durch die Kooperation keinen Versicherungsschutz der Klägerin im
Ausland, sondern den Schutz einer privaten Auslandskrankenversicherung der F ... Der Verpflichtungsbescheid beruhe im Übrigen
auf fehlerhaften Ermessenserwägungen. Die Beklagte habe die Aufgabe der Duldungspraxis zunächst allein damit begründet, dass
der von den Krankenkassen zu führende Wirtschaftlichkeitsnachweis regelmäßig mit Unsicherheiten sowohl hinsichtlich der Methodik
als auch der Validität des vorgegebenen Zahlenmaterials behaftet sei. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt einheitliche Eckpunkte
und Datenquellen für den Wirtschaftlichkeitsnachweis festgelegt. Vor diesem Hintergrund sei es unverhältnismäßig, die Duldungspraxis
zu beenden, ohne den Krankenkassen zuvor durch die Benennung einheitlicher Eckpunkte und Datenquellen Gelegenheit zu geben,
einen den Anforderungen der Beklagten genügenden Wirtschaftlichkeitsnachweis zu erbringen. Bei einer Überschreitung des Aufgabenspektrums,
wie ihn die Beklagte behaupte, ergebe sich zudem die systemgefährdende Wirkung des Regelverstoßes oder eines entsprechenden
Nachahmungseffektes typischerweise aus einem fehlgeleiteten Ressourceneinsatz. Vorliegend bestehe die Besonderheit, dass das
Modell der beitragsfinanzierten Gruppen-Auslandskrankenversicherung durch die Erstattung der Kosten der über die Klägerin
abgerechneten Leistungen mit Auslandsbezug, vor allem im EU-Ausland, eine Finanzierungsfunktion habe, die der faktischen Ergänzung
des Versicherungsschutzes durch das Modell mindestens ebenbürtig sei. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts Celle
in seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 erfordere eine Annextätigkeit in Gestalt eines Hilfsgeschäftes im Falle einer Krankenkasse
nicht, dass der Krankenkasse ohne diese Annextätigkeit die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben wesentlich erschwert oder
unmöglich gemacht werde. Die Auffassung fuße auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Reichweite der Beratungserlaubnis
von Rentenberatern, die auf die Voraussetzungen einer Annextätigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht übertragbar
sei. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts müsse sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben grundsätzlich im Rahmen
ihrer gesetzlich bestimmten Zuständigkeit halten, wobei das Gebot einer möglichst effektiven Nutzung der staatlichen Ressourcen
durch die betreffende Körperschaft im Vordergrund stehe. Dies sei jedoch bei dem Modell der beitragsfinanzierten Gruppen-Auslandskrankenversicherung
der Fall. Die Beendigung der Duldungspraxis und die Verpflichtung der Klägerin zur Beendigung der Kooperation mit der F. stünden
in untrennbarem Zusammenhang und seien als einheitlicher Vorgang zu behandeln. Der Rechtsgedanke des § 53 Abs. 9 Satz 4 SGB V sei zudem auf das Modell der beitragsfinanzierten Gruppen-Auslandskrankenversicherung nicht übertragbar, da das Modell -
anders als ein Wahltarif - keine selektive Abwandlung des Leistungsspektrums ermögliche und damit grundsätzlich sämtlichen
Versicherten gleichermaßen zugutekomme.
Die Klägerin beantragt,
den Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid aus den darin ausgeführten Gründen für zutreffend. Ergänzend weist sie auf Folgendes hin:
Nach § 31 SGB I, dessen Inhalt § 30 SGB IV aufgreife, bedürfe auch die Begründung von Rechten in den Sozialleistungsbereichen einer gesetzlichen Grundlage, an der es
vorliegend fehle. Die Klägerin sei als Träger der GKV weder berufen noch verpflichtet, gegen einen aus ihrer Sicht unzureichenden
gesetzlichen Auslandsreisekrankenversicherungsschutz vorzugehen und diesen durch den Abschluss eines entsprechenden privaten
Zusatzversicherungsvertrages zu beseitigen. Die von der Klägerin dargestellten Mängel in der Abwicklung der gesetzlich vorgesehenen
Erstattungsmöglichkeiten für Behandlungen im Ausland (z. B. EHIC) seien zudem nicht nachvollziehbar. Allein der Einschätzungsprärogative
des Gesetzgebers obliege es, Inhalt und Umfang des Leistungsrechts sowie die Aufgaben der Träger der GKV festzulegen. Dass
der Gesetzgeber den Abschluss von privaten Auslandsreisekrankenversicherungen durch die Versicherten grundsätzlich für zumutbar
halte, ergäbe sich mittelbar bereits aus § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Dies habe der Gesetzgeber zudem gleichfalls in der Gesetzesbegründung zu § 194 Abs. 1a SGB V - Vermittlung privater Zusatzversicherungsverträge durch die gesetzlichen Krankenkassen - zum Ausdruck gebracht. Dementsprechend
bestätige auch das Bundesministerium für Gesundheit zuletzt mit Schreiben vom 1. März 2013, dass es sich bei der Gewährung
einer kostenlosen privaten Auslandskrankenversicherung durch gesetzliche Krankenkassen aus seiner Sicht um eine außerhalb
des Leistungskatalogs des SGB V stehende Leistung handele und eine Änderung der bestehenden gesetzlichen Regelung nicht beabsichtigt sei. Auch die mit einer
rechtswidrigen Verfahrensweise gegebenenfalls verbundenen wirtschaftlichen Vorteile könnten eine rechtlich unzulässige Handlungsweise
nicht legalisieren. Wirtschaftliche Verwaltungsverfahren ersetzten keine Rechtsgrundlage, sondern setzten vielmehr eine solche
voraus. Der Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung für die Versicherten und die Bereitstellung eines zusätzlichen
privaten Krankenversicherungsschutzes für Auslandsreisen stelle kein Hilfsgeschäft im Sinne der Ergänzung einer Hauptleistung,
sondern eine eigenständige Leistungserweiterung dar. Die Grenze einer zulässigen Randnutzung im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sei überschritten. Die Annahme einer Annextätigkeit würde der gesetzgeberischen Entscheidung zuwiderlaufen,
von gesetzlichen Krankenkassen nur in bestimmtem Umfang eine krankenversicherungsrechtliche Absicherung bei vorübergehendem
Aufenthalt im Ausland zu gewährleisten. Dem stehe auch erneut die Gesetzesbegründung zu § 194 Abs. 1a SGB V entgegen. Ermessensfehler bei dem Erlass des Verpflichtungsbescheides seien für die Beklagte nicht ersichtlich. Die nach
der Auffassung der Beklagten durch die Neuregelung des § 53 Abs. 9 Satz 4 SGB V zum 01.01.2011 auch im Bereich der Auslandsreisekrankenversicherung notwendige Vorlage eines versicherungsmathematischen
Gutachtens zur Abklärung der Wirtschaftlichkeit im Einzelfall (Gefahr einer Quersubventionierung) hätte je nach Kassengröße
zu unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen geführt. So würden insbesondere kleinere Krankenkassen durch die Kosten einer
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung strukturell benachteiligt, was einen Wettbewerbsnachteil für diese bedeutet hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte
der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Das Landessozialgericht ist nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (- SGG -, in der seit dem 1. April 2008 anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes - SGGArbGGÄndG - vom 26. März 2008, BGBl. I, S. 444) zur Entscheidung berufen. Es handelt sich um eine Aufsichtsangelegenheit gegenüber einem Träger der Sozialversicherung.
Die Klägerin ist als Krankenkasse Trägerin der GKV, § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
Das Landessozialgericht ist für die Klage auch örtlich zuständig. Die Klägerin hat ihren Sitz im Land Hessen und damit im
Bezirk des erkennenden Landessozialgerichts Hessen, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Anfechtung des Verpflichtungsbescheides ist als Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG, wonach eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren
kann, wenn sie behauptet, dass die Anordnung Aufsichtsrecht überschreitet, statthaft. Vorliegend bestreitet die Klägerin die
Rechtmäßigkeit des Verpflichtungsbescheides der Beklagten vom 12. Dezember 2013.
Eines Vorverfahrens bedarf es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG nicht.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat ihr Aufsichtsrecht nicht überschritten. Der Verpflichtungsbescheid
der Beklagten vom 12. Dezember 2013 ist rechtmäßig.
Nach § 87 Abs. 1 SGB IV unterliegen die Versicherungsträger staatlicher Aufsicht. Sie erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht,
das für die Versicherungsträger maßgebend ist. Wird durch das Handeln oder Unterlassen eines Versicherungsträgers das Recht
verletzt, soll die Aufsichtsbehörde beratend darauf hinwirken, dass der Versicherungsträger die Rechtsverletzung behebt. Kommt
der Versicherungsträger dem innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger verpflichten,
die Rechtsverletzung zu beheben, § 89 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IV.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Die Weigerung der Klägerin, die Begründung und Durchführung eines weltweiten Auslandsreisekrankenversicherungsschutzes für
alle Versicherten der Klägerin im Rahmen der zwischen der Klägerin und der F. geschlossenen Vereinbarung zu beenden, stellt
eine Rechtsverletzung dar, ohne dass der Klägerin insoweit Bewertungsspielräume zustanden.
Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht, ob allgemein anerkannte
Bewertungsmaßstäbe überschritten worden sind. Der beaufsichtigten Behörde steht ein gewisser, von der Aufsicht zu beachtender
Bewertungsspielraum zu, sofern sich das Handeln oder Unterlassen des Beaufsichtigten im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren
bewegt. Der Bewertungsspielraum des beaufsichtigten Sozialversicherungsträgers bei seinen Entscheidungen mit wirtschaftlicher
Tragweite wird jedoch durch rechtliche Vorgaben begrenzt. Die Sozialversicherungsträger erfüllen ihre Aufgaben in eigener
Verantwortung nur "im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgeblichen Rechts", § 29 Abs. 3 SGB IV (Bundessozialgericht, Urteile vom 22. März 2005, B 1 A 1/03 R; vom 18. Juli 2006, B 1 A 2/05 R; vom 14. Februar 2007, B 1 A 3/06 R und vom 3. März 2009, B 1 A 1/08 R).
Eine Rechtsverletzung liegt dann vor, wenn der Versicherungsträger gegen zwingende Vorschriften in für ihn maßgeblichen Gesetzen
oder sonstigem Recht verstoßen hat, diese also fehlerhaft angewandt oder nicht beachtet hat (Engelhard in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK - SGB IV, 2. Auflage 2011, § 89 SGB IV Rdnr. 17; Fattler in: Hauck/Noftz, SGB IV, Kommentar, Stand: 10/09, § 89 Rn. 3 ff.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der F. über einen weltweiten kostenlosen Auslandsreisekrankenversicherungsschutz
für alle Versicherten fehlt eine rechtliche Grundlage.
Sie stellt eine unzulässige Erweiterung des gesetzlichen Aufgabenbereichs einer gesetzlichen Krankenkasse dar. Die Begründung
und Durchführung einer weltweiten Auslandsreisekrankenversicherung für ihre Versicherten und deren familienversicherten Angehörigen
ist keine Aufgabe der GKV.
Die Auffassung der Klägerin, wonach im Bereich des Leistungsgewährungsrechts durch Sozialleistungsträger geringere Anforderungen
an die gesetzliche Grundlage dieser Leistungsgewährung zu stellen sind, wenn sich eine Leistung auf den Etat des Sozialversicherungsträgers
nicht oder nur unwesentlich auswirkt, kann von dem Senat nicht nachvollzogen werden.
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dürfen Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen
und ihre Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. § 31 SGB I bestimmt, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert
oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt. Insoweit handelt es sich um einfachgesetzliche
Regelungen des Vorbehalts des Gesetzes.
Geschäfte, die den Aufgabenbereich des Versicherungsträgers überschreiten, sind verboten, da der Versicherungsträger mit ihnen
seine ihm als öffentlich-rechtliche Körperschaft zustehende Rechtsmacht überschreitet. Die Grenze zu fremden Aufgaben ist
regelmäßig dann überschritten, wenn die Aufgabe keine Legitimation im Leistungsrecht findet (Freund in: Hauck/Noftz, SGB IV, Kommentar, Stand: 10/10, § 30 Rdnr. 3 ff.; vgl. insoweit auch bereits die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Grenze der Erweiterung des Leistungsspektrums
im Bereich des Satzungsrechts: Urteil vom 15. Mai 2014, L 1 KR 56/13 KL; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Juni 2014, L 1 KR 435/12 KL mit nachfolgender Bestätigung durch Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 1 A 1/14 R).
Dies ist vorliegend der Fall.
Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Oktober 2014,
L 1/4 KR 570/12 KL Bezug und macht sich diese nach eigener Überprüfung zu Eigen. Das Landessozialgericht führt insoweit aus:
"Die gesetzlich vorgeschriebenen und zugelassenen Aufgaben sind in den §§ 13- 15, 21-23 SGB I sowie in den einzelnen Sozialgesetzbüchern aufgeführt. (...) Das SGB V sieht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung nur ausnahmsweise
vor (BSG, Urteil vom 24. Mai 2007 - B 1 KR 18/06 R Rdnr. 12 = BSGE 98, 257 ff= SozR4-6928 Allg Nr. 1). Der Anspruch auf Leistungen gegen die gesetzlichen Krankenkassen generell und speziell auf Krankenbehandlung
(§ 27 SGB V) ruht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, solange der Versicherte sich im Ausland aufhält, und zwar auch dann, wenn er dort während eines vorübergehenden Aufenthalts
erkrankt, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
können also grundsätzlich nur im Inland erbracht werden (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 164, 165; Peters, Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand: Juni 2014, § 16 Rdnr. 7). Auch eine Kostenerstattung bei Erkrankungen während des
Auslandsaufenthaltes ist grundsätzlich ausgeschlossen. Dass der Umstand, dass ein Versicherter, der sich vorübergehend im
vertragslosen Ausland aufhält, keinen allgemeinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Behandlungen
vor Ort hat, nicht gegen die Verfassung verstößt, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden (BSG, Urteil vom 24. September 1996, DOK 1997, 236; BSG, Beschluss vom 20. Juni 2006 - B 1 KR 29/06-; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss
vom 26. September 2006 - 1 BvR 2239/06). Für eine vom Ruhensgrundsatz des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V abweichende Handlungsweise der Krankenkassen muss eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existieren (BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 2/10 R Rdnr. 21 = SozR 4-2500 § 17 Nr. 3). Ausnahmen davon sind in §§ 17, 18, § 13 Abs. 4 - 6 SGB V gesetzlich geregelt (BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 2/10 R Rdnr. 24). Das nationale Recht kann dabei durch vorrangige Regelungen des inter- oder supranationalen Rechts verdrängt, überlagert
oder ergänzt werden (BSG, Urteil vom 24. Mai 2007- B 1 KR 18/06 R Rdnr. 13 ff mwN; BSG, Urteil vom 20. April 2010 - B 1/3 KR 22/08 R Rdnr. 18). Solche Regelungen können dem EG- Primärrecht, auf dem die Kostenerstattungsansprüche des § 13 Abs. 4 SGB V beruhen, oder dem EG- Sekundärrecht entstammen, das grundsätzlich Sach- oder Dienstleistungen im Wege der Leistungsaushilfe
bereit hält (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 22/08 Rdnr 13 = BSGE 104, 1ff; zum Ganzen, Brandts, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
Band 1, Stand: Juni 2014, § 13 SGB V Rdnr. 100 ff).
(1) Das nationale Recht räumt Versicherten in § 18 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Auslandskrankenbehandlung und Kostenerstattung im Nicht-EG Ausland nur ein, wenn eine dem allgemeinen
Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur außerhalb Deutschlands und außerhalb des Geltungsbereiches
des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist.
Dies ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gegeben. Nach § 18 SGB V werden Auslandsbehandlungen nur in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen, wenn eine inländische
Versorgungslücke besteht (Wagner, in Krauskopf, aaO., § 18 SGB V Rdnr. 5). Nach § 18 Abs. 3 SGB V hat die Krankenkasse die Kosten einer erforderlichen unverzüglichen Behandlung während eines vorübergehenden Aufenthalts
im vertragslosen Ausland, die auch im Inland möglich wäre, nur insoweit zu übernehmen, als Versicherte sich hierfür wegen
einer Vorerkrankung oder ihres Lebensalters nachweislich nicht versichern können und die Krankenkasse dies vor Beginn des
Auslandsaufenthalts festgestellt hat.
(2) Nach § 13 Abs. 4 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten, in denen die Verordnung EWG-Nr. 1408/71 [VO 883/2004
bzw. VO 987/2009] des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren
Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist (ab 29. Juni
2011: Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und
der Schweiz), anstelle der Sach- und Dienstleistungen im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen.
(3) Das nationale Recht kann auch durch Regelungen internationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden, wie es das BSG bereits zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik über Soziale Sicherheit (DTSVA)
entschieden hat (BSG, Urteil vom 24. Mai 2007 - B 1 KR 18/06 R = BSGE 98, 257= SozR 4-6928 Allg Nr. 1; BSG, Urteil vom 11. September 2012 - B 1 KR 21/11 R= SozR 4-6928 Allg Nr. 2).
In allen anderen Fällen, insbesondere bei Urlaubsreisen im vertragslosen Ausland, verbleibt es bei dem allgemeinen Ruhensgrundsatz
des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Der Gesetzgeber hat dabei den Abschluss von privaten Auslandskrankenversicherungen für zumutbar gehalten (so ausdrücklich
BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 2/10 R Rdnr. 24)."
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Kosten eines Rücktransports in das Inland gesetzlich grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bildet weder § 1 Satz 3 SGB V noch § 2 SGB V für die streitgegenständliche Vereinbarung eine Rechtsgrundlage, um Versicherten zusätzliche Leistungen anzubieten, die vom
Leistungskatalog der GKV nicht erfasst sind. § 1 SGB V gehört ausweislich der Gesetzesbegründung zu den sogenannten Einweisungsvorschriften, die lediglich für die Auslegung und
Anwendung des Krankenversicherungsrechts heranzuziehen sind und weder einen konkreten Tatbestand noch eine konkrete Rechtsfolge
benennen (vgl. zur insoweit herrschenden Meinung: Schlegel in: Schlegel/Voelzke JurisPK - SGB V, 2. Auflage 2012, § 1 SGB V, Rdnr. 4; Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Kommentar, Stand: 12/01, § 1 Rdnr. 14 ff.; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Oktober 2014, L 1/4 KR 570/12 KL m.w.N.; Hessisches
Landessozialgericht, Urteil vom 15. Mai 2014, L 1 KR 56/13 KL). § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die Krankenkassen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen
lediglich unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellen, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung
der Versicherten zugerechnet werden.
Die Begründung und Durchführung einer weltweiten Auslandsreisekrankenversicherung für die Versicherten und deren Familienangehörigen
findet ihre Rechtsgrundlage im Weiteren nicht in einer Annexkompetenz der Klägerin bzw. in einer sogenannten "Randnutzung",
die die öffentliche Verwaltung "bei Gelegenheit" der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben betreibt, um ansonsten brachliegendes
Wirtschaftspotential auszunutzen. Die Grenzen ihrer Zulässigkeit liegen u.a. dort, wo sie über den Funktionsbereich des Verwaltungsträgers
hinausgeht, worauf die Klägerin selbst zutreffend hinweist (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. April 1989, 7 C 48/88). Dies ist vorliegend der Fall, da es sich nicht um eine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Insoweit wird
auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Lediglich ergänzend weist der Senat auch insoweit darauf hin, dass das Bundessozialgericht
bereits im Blick auf das Satzungsrecht der Krankenkassen und den im Gesetz im Gegensatz zum vorliegenden Fall diesbezüglich
vorgesehenen weiteren Möglichkeiten zur Leistungserbringung ausdrücklich betont hat, dass auch dann, wenn die einzelnen Krankenkassen
selbst ausnahmsweise Leistungen ausgestalten dürfen, der Gesetzgeber damit nicht "quasi einen Freibrief" ausstellen will,
um ein gesetzesunabhängiges Leistungsrecht kraft Satzung zu schaffen. Grundlegende Umgestaltungen bleiben dem Gesetzgeber
vorbehalten (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 1 A 1/14 R). Entgegen den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist es hierbei nach der Auffassung des Senats
unerheblich, dass die tatsächliche Leistungserbringung durch Dritte (hier: F.) erfolgt. Rechtliche Grundlage der Leistungserbringung
stellt die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der F. dar, die die Klägerin gerade zu einer beitragsgespeisten (Mit)Finanzierung
verpflichtet.
Ebenso wenig liegen bezüglich der Begründung und Durchführung eines weltweiten Auslandsreisekrankenversicherungsschutzes für
die Versicherten der Klägerin die Voraussetzungen des § 197b SGB V - Aufgabenerledigung durch Dritte - oder einer Kooperation im Sinne des § 194 Abs. 1a SGB V - Vermittlung von privaten Zusatzversicherungsverträgen durch die Klägerin zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen
- vor. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des Verpflichtungsbescheides vom 12. Dezember 2013 Bezug, § 136 Abs. 3 SGG. Das Fehlen der diesbezüglichen Voraussetzungen wird von der Klägerin selbst eingeräumt.
Das für den Erlass eines Verpflichtungsbescheides in § 89 SGB IV vorgesehene Verfahren hat die Klägerin beachtet.
Der Erlass eines Aufsichtsbescheides hat in einem abgestuften Verfahren zu erfolgen, wobei die Durchführung einer Beratung
grundsätzlich Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Verpflichtungsanordnung ist und eine Beratung Vorrang vor dem Erlass
eines Verpflichtungsbescheides hat (Bundessozialgericht, Urteile vom 26. Juni 1996, 8 RKn 32/95 und vom 20. Juni 1990, 1 RR 4/89). Die Beratung erfordert eine Darlegung der dem Versicherungsträger möglichen Maßnahmen, mit welchen er in rechtlich zulässiger
Weise die nach Meinung der Aufsichtsbehörde vorliegende Rechtsverletzung beheben kann. Aus ihrer Verpflichtung zum kooperativen
Verhalten gegenüber dem Versicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaft folgt, dass die Aufsichtsbehörde im Zusammenwirken
mit dem Versicherungsträger und nicht gegen ihn nach einer sachgerechten und dem Gesetz entsprechenden Lösung etwaiger Rechtskonflikte
suchen muss (Engelhard, aaO., § 89 Rdnr. 43 bzw. 47). Diese Anforderungen hat die Beklagte erfüllt. Sie hat die Klägerin vor
Erlass des Verpflichtungsbescheides in mehreren Schreiben umfassend auf ihre Rechtsverletzung hingewiesen und sie unter jeweils
angemessener Fristsetzung aufgefordert, die Kooperation mit der F. einzustellen (Schreiben vom 12. September 2011 mit Fristsetzung
zunächst bis zum 31. Dezember 2012; Schreiben vom 3. November 2011; Schreiben vom 21. September 2012 nach Feststellung der
weiteren Kooperation der Klägerin mit der F. trotz Vorlage der Kündigungsbestätigung der F. vom 7. November 2011; Schreiben
vom 6. Februar 2013; Schreiben vom 4. September 2013). Hierbei hat sie die Klägerin zudem auf die Möglichkeit hingewiesen,
in ihrer Satzung Wahltarife für Kostenerstattung nach § 53 Abs. 4 SGB V vorzusehen bzw. sie über die Möglichkeit der Kooperation nach § 194 Abs. 1a SGB V belehrt.
Darüber hinaus ist die Abwägung der Beklagten im Rahmen des ihr bei Erlass des Verpflichtungsbescheides zustehenden Ermessens
rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war bewusst, ein Ermessen zu haben und sie hat dieses auch ausdrücklich betätigt,
sodass keine Ermessensunterschreitung vorliegt. Diese Ermessensbetätigung der Beklagten ist gerichtlich auf Ermessensfehler
hin zu kontrollieren. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob die Beklagte für die zur Ausschöpfung ihres Ermessensspielraums
notwendige Interessensabwägung alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen (öffentlichen und privaten) Abwägungsbelange ermittelt,
in die Abwägung eingestellt, mit dem ihnen zukommenden objektiven Gewicht bewertet und bei widerstreitenden (öffentlichen
und privaten) Belangen einen angemessenen Ausgleich hergestellt hat. Dabei steht es der Behörde - in den gesetzlichen Grenzen
ihres Ermessens - grundsätzlich frei zu entscheiden, auf welche der abwägungsrelevanten Umstände sie die zu treffende Ermessensentscheidung
im Ergebnis stützen möchte (Bundessozialgericht, Urteile vom 30. Oktober 2013, B 12 R 14/11 R m.w.N. und vom 21. Mai 2003, B 6 KA 32/02 R). Es liegt bezüglich der Verpflichtung zur unverzüglichen Beendigung der Vereinbarung der Klägerin mit der F. kein Ermessensfehlgebrauch
vor, weil die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Regelung ausgeübt hat. Es ist insbesondere nicht
zu beanstanden, dass die Beklagte der Rechtstreue und dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Verbot
der Leistungsgewährung außerhalb des gesetzlichen Rahmens), insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit
des Systems der GKV (Mitgliederwettbewerb zwischen den Krankenkassen) ein höheres Interesse eingeräumt hat als den wirtschaftlichen
Interessen der Klägerin. Ebenso wenig trägt vorliegend das Argument einer vermeintlichen Selbstbindung der Beklagten vor dem
Hintergrund der Tolerierungspraxis durch die Beklagte mit Schreiben vom 2. April 2009 bzw. 10. Juni 2010 bzw. der Einwand
der Klägerin, dass sie alle im Rahmen der Tolerierungspraxis von der Beklagten gestellten Anforderungen erfüllt habe. Wie
oben im Einzelnen dargelegt, war diese Tolerierungspraxis nach der Auffassung des Senats rechtswidrig. Zutreffend hat die
Beklagte im Rahmen der Abwägung darauf hingewiesen, dass in den Fällen, in denen der Versicherungsträger Mittel der Versichertengemeinschaft
zu einem gesetzlich nicht zugelassenen Zweck verwendet, die Beklagte gegen die gesetzwidrige Mittelverwendung einschreiten
muss (Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand: 6/14, 230, S. 8). Eine Selbstbindung an eine rechtswidrige
Verwaltungspraxis gibt es nach der derzeit herrschenden Meinung nicht. Wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz
und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) hat ein Betroffener kein schutzwürdiges Vertrauen mit Wirkung für die Zukunft, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher
Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (Bundessozialgericht,
Urteil vom 21. Mai 2003, B 6 KA 32/02 R; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Februar 1993, 8 C 20/92; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 14. Auflage 2013, § 40 Rdnr. 42; Fehling/Kastner/Strimer, Verwaltungsrecht, Kommentar, 3. Auflage 2012, zu § 114 VwGO, Rdnr. 3 ff, 28). Die Behörde hat grundsätzlich die Möglichkeit, sich für die Zukunft von einer in der Vergangenheit geübten
Praxis zu lösen und für künftige Fälle ihr Ermessen in anderer Weise zu betätigen. Insoweit kommt es nur darauf an, dass dargelegt
werden kann, dass die Neuausrichtung der Ermessenspraxis für die Zukunft eine allgemeine ist und nicht nur für den einen zur
Entscheidung anstehenden Fall angenommen wird (Kopp/Ramsauer, aaO., § 40 Rdnr. 50). Die Aufgabe der Tolerierungspraxis betrifft
ausweislich des Verpflichtungsbescheides der Beklagten vom 12. Dezember 2013 vorliegend alle der Aufsicht der Beklagten unterstehenden
Kassen. Nach der Auffassung des Senats treten angesichts dieser grundlegenden Erwägungen zur Gesetzmäßigkeit bezüglich des
Überschreitens des gesetzlichen Rahmens im Bereich der Leistungsgewährung die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
des Verwaltungshandelns (vgl. hierzu: Schirmer/Kater/Schneider, aaO., 295, S.1), wie die Beklagte im Rahmen der Abwägung zutreffend
ausführt, mit den insoweit bestehenden Verpflichtungen zu deren Überprüfung (Nutzen-Kosten-Untersuchungen, § 69 Abs. 3 SGB IV) zurück.
Vertrauensschutzgesichtspunkte sind zudem, worauf die Beklagte im Rahmen ihrer Abwägung gleichfalls zutreffend hinweist, vorliegend
nicht erkennbar. Auf die Rechtswidrigkeit der Kooperation hat die Beklagte die Klägerin bereits früh hingewiesen (Schreiben
vom 19. März 2009). Dementsprechend "nahm" die Beklagte die Kooperation auch lediglich bis auf weiteres "hin".
Der Verpflichtungsbescheid ist auch verhältnismäßig. Ein milderes Mittel war angesichts des Verhaltens der Klägerin, die trotz
der bereits ausgesprochenen Kündigung der Vereinbarung mit der F. die Kooperation mit dieser weitergeführt hat, nicht ersichtlich.
Die Klägerin kann auch nichts daraus für sich herleiten, dass sie sich mit anderen Krankenkassen im unmittelbaren Wettbewerb
sieht und eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Tolerierungspraxis einfordert. So würde selbst eine Ungleichbehandlung einzelner
Krankenkassen bei der aufsichtsbehördlichen Tolerierungspraxis rechtlich nicht dazu führen, einen Anspruch auf Gleichbehandlung
im Unrecht zu begründen. Das Bundessozialgericht führt diesbezüglich bereits für die aufsichtsbehördliche Genehmigungspraxis
von Wahltarifen in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2010, B 1 A 1/09 R aus:
"Die Aufsichtsbehörden werden vielmehr regelmäßig im Anschluss an ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ihre Genehmigungspraxis
überprüfen. Gezielte Verstöße gegen das Gebot zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger können
darüber hinaus Unterlassungsansprüche nach sich ziehen (vgl. BSGE 82, 78, 80 = SozR 3-2500 § 4 Nr. 1 S. 4 m.w.N.)."
Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung insoweit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichtes an (vgl. hierzu auch:
Bundessozialgericht, Beschluss vom 18. Juli 2006, B 1 KR 62/06 B und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1979; 1 BvL 25/77 - juris -).
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 52, 63 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen
zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein
Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Dies ist nach der Auffassung des Senats vorliegend der Fall. Wie die Klägerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung
ausführt hat, besteht das Interesse der Klägerin an der weiteren Durchführung der Vereinbarung mit der F. in erheblichem Umfang
darin, durch ein attraktives Leistungsportfolio Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Krankenkassen zu nutzen. Dieses wirtschaftliche
Interesse ist nicht zu beziffern (vgl. insoweit: Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage 2012, S. 18 m.w.N.).
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