Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme und Kostenerstattung für vier Behandlungen der Liposuktion.
Die 1985 geborene Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, beantragte am 26. August 2009 unter Vorlage eines ärztlichen Attests
des Dr. QQ. vom 20. Juli 2009 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Liposuktion wegen eines Lipödem-Syndroms der Beine.
Die Kosten würden sich pro Behandlung auf ca. 2.604,00 EUR belaufen. Erforderlich seien vier Behandlungen.
Mit Bescheid vom 1. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der
Liposuktion um eine Behandlungsmethode handele, die nicht Bestandteil der vertrags-/kassenärztlichen Leistungen sei. Als so
genannte "neue Behandlungsmethode" könne die Liposuktion Bestandteil des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenversicherung
erst nach positiver Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sein. Die Methode sei jedoch
bislang noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 2. Oktober 2009 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass es zu der Liposuktion aus ihrer
Sicht keine Behandlungsalternative gebe. Sie habe ihre Ernährung seit langer Zeit geändert und führe dies konsequent weiter.
Regelmäßige sportliche Aktivitäten gehörten zu ihrem Tagesablauf. Sie verwende Kompressionsstrümpfe und erhalte mittlerweile
zweimal wöchentlich Lymphdrainage. Mittlerweile seien auch ihre Arme befallen. Ihre Erkrankung sei auch mit einem Grad der
Behinderung von 20 v.H. anerkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens
zurück.
Die Klägerin ließ zwischenzeitlich eine Behandlungseinheit der Liposuktion auf eigene Kosten durchführen.
Die Klägerin hat am 12. Mai 2010 Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie hat vorgetragen, dass es an Behandlungsalternativen
mangele und sie dringend behandlungsbedürftig sei. Ihre Schmerzen seien unerträglich. Auch nach einer Nulldiät in der Vergangenheit
habe sich keine Reduzierung gezeigt. Sie trage täglich Kompressionsstrümpfe und treibe regelmäßig Sport. Zusätzlich gehe sie
täglich 45 60 Minuten spazieren. Sie habe ihre Ernährung umgestellt. Sie erhalte regelmäßig Lymphdrainage. Die Beklagte hat
die Begründungen von Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid wiederholt und vertieft.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2010, der Klägerin zugestellt am 31. August 2010, hat das Sozialgericht Darmstadt die
Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Liposuktion zu.
Der Anspruch ergebe sich nicht aus §
27 SGB V. Danach hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die unter anderem auch die ärztliche Behandlung umfasse. Die vertragsärztliche
Versorgung sei dabei nach §
72 Abs.
2 SGB V im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse für Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen
durch schriftliche Verträge so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten
unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der medizinischen Erkenntnis gewährleistet sei. Die Bundesausschüsse hätten
in diesem Zusammenhang entsprechende Richtlinien zu erlassen. Die von den Krankenkassen gewährten Leistungen müssten dabei
dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §
12 SGB V entsprechen. Sie müssten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen. Bei der Liposuktion bei
Lipödem-Syndrom der Beine handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V, für welche die gesetzlichen Krankenkassen nur dann leistungspflichtig seien, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien
nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Denn diese Richtlinien
seien nicht nur für die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungsträger von Bedeutung, sondern legten auch
den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest. Eine solche positive
Empfehlung liegt hier nicht vor. Bisher sei auch kein entsprechender Antrag zur Prüfung dieser Methode als neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethode gestellt worden. Ausweislich der Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses (www.q-ba.de/informationen/beratunqsthemen:
Recherche vom 25. August 2010) sei die Liposuktion bislang noch kein Beratungsthema. Als nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss
empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen
Krankenversicherung, wie dies vom BSG im Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - entschieden worden sei und der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer entspräche. Außerdem bestünden keine Anhaltspunkte
für ein Systemversagen. Ein entsprechender Antrag bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss sei nicht gestellt worden. Systemversagen
sei vom Bundessozialgericht bislang dann angenommen worden, wenn ein derartiger Antrag gestellt worden sei, dieser jedoch
nicht oder nicht zeitgerecht dort behandelt worden sei. Auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
komme ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme dieser Leistungen nicht in Betracht. Insoweit müssten folgende Voraussetzungen
kumulativ erfüllt sein: Es müsse sich um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handeln; eine
allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung dürfe nicht zur Verfügung stehen; bezüglich der beim
Versicherten ärztlich angewandten Behandlungsmethode müsse eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht
auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Vorliegend komme ein
Anspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der Erkrankung der Klägerin weder um eine lebensbedrohliche noch
um eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung handele. Ein Anspruch auf Kostenübernahme scheide im Ergebnis auch deshalb
aus, weil diese Therapie bei der Klägerin weder zweckmäßig noch notwendig sei. Bislang sind konservative Behandlungsmöglichkeiten
bei Weitem nicht ausgeschöpft worden. Insbesondere eine wesentliche Gewichtsreduktion, wie sie der MDK in seinem Gutachten
vom 30. Dezember 2009 zu Recht bei einem BMI von 35 kg/qm vorschlage, sei der Klägerin offenbar bislang nicht gelungen, obwohl
sie nach ihrem Vortrag häufig Sport treibe und ihre Ernährung umgestellt haben wolle.
Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 2. September 2010 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Klägerin trägt vor, dass ein Systemversagen vorliege. Die Beklagte habe es versäumt, einen Antrag bei dem Gemeinsamen
Bundesausschuss auf den Weg zu bringen. Hierzu wäre die Beklagte verpflichtet gewesen. Vier Ärzte hätten der Klägerin das
Lipödem bestätigt. Hätte der MDK die Waden der Klägerin befühlt, so wäre ein Druckschmerz festzustellen gewesen. Das MDK-Gutachten
sei von einer fachfremden Ärztin durchgeführt worden. Die Klägerin habe sämtliche konservative Möglichkeiten zur Gewichtsreduktion
an den betroffenen Stellen ausgenutzt. Die Liposuktion sei die einzige Therapie, mit der es gelinge, die Ödem-Neigung und
die Beschwerden, insbesondere die Schmerzen, zu reduzieren. Mit konservativen Behandlungsmethoden sei eine Gewichtsreduktion
an diesen Problemzonen nicht möglich. Die Klägerin habe im Laufe der letzten Jahre 18 Kilo abgenommen. Sie habe stets Kompressionsstrümpfe
getragen. Die Klägerin habe Sport getrieben und habe Diäten gemacht. All dies habe nicht zu einer Gewichtsreduktion geführt.
Bei dem Lipödem und Lymphödemen handele es sich um eine Familienkrankheit, die sich vererbe. In letzter Zeit habe sich eine
Verschlimmerung des Krankheitsbildes eingestellt, was insbesondere Kreuzschmerzen und die Fähigkeit zum Sitzen angehe. Die
erste Liposuktion, die die Klägerin im Jahr 2011 auf eigene Kosten durchgeführt habe, habe schon eine leichte Linderung der
Beschwerden gebracht, insbesondere beim Sitzen. Bislang habe die Beklagte nicht vorgetragen, wie und in welchem Umfang sie
ihrer Leistungspflicht nachgekommen sei. Sie habe der Klägerin nicht einmal eine alternative wirksame Methode vorgeschlagen.
Das Lipödem lasse sich nicht im Rahmen einer Diät behandeln. Nach der Durchführung einer Liposuktion, die ohne weiteres Risiko
durchführbar sei, sei auch das regelmäßige Tragen von Kompressionsstrümpfen und regelmäßige Lymphdrainage nicht mehr erforderlich.
Auch das Wirtschaftlichkeitsgebot spreche für die Behandlung. Die Kosten der Operation beliefen sich auf ca. 13.000 EUR; werde
eine Operation nicht durchgeführt beliefen sich die Kosten bis ins hohe Alter auf ca. 120.000 EUR. Ferner sei eine Beeinträchtigung
der Berufsfähigkeit zu besorgen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. August 2010 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 1. September
2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin im Wege
der Kostenerstattung von den Kosten einer ambulanten Liposuktion mit vier Behandlungseinheiten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die beantragte Kostenübernahme sei schon deswegen fraglich, da überhaupt nicht nachgewiesen sei, dass
ein Lipödem tatsächlich vorliege. Nach den Feststellungen des MDK hätten zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Ödeme oder Hämatome
vorgelegen. Es hätten sich auch keine Hinweise für eine deutliche Berührungsempfindlichkeit ergeben. Die Diagnose Lipohypertrophie
sei ebenfalls möglich. Der Klägerin seien als Behandlungsalternativen das Tragen von Kompressionsstrümpfen sowie eine deutliche
Gewichtsreduktion empfohlen worden. Ein Systemversagen liege nicht vor. Der MDK habe in seinem Gutachten darauf hingewiesen,
dass eine Liposuktion mit dem Risiko von Blutungen, Nervenschädigungen, Infektionen, Thrombosen und der Gefahr einer Verschlechterung
eines Lymphödemen behaftet sei. Die Liposuktion sei nach wie vor umstritten.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2011 wird auf die Niederschrift verwiesen. Hinsichtlich
des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten
(ein Band) Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich am 25. August 2011 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten war der Berichterstatter zur Entscheidung durch Urteil berufen (§
155 Abs.
4 und
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder einen
Anspruch auf Durchführung einer Liposuktion als Sachleistung (§
27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung -
SGB V) noch - wie nunmehr mit der sachdienlichen Klageänderung beansprucht - einen Anspruch auf Kostenerstattung (§
13 SGB V).
Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V und in der Folge der Anspruch auf Kostenerstattung bei rechtswidriger Verweigerung der Sachleistung nach §
13 SGB V - unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen (vgl. zum Folgenden: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - juris Rdnr. 14 m.w.N.). Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität
und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist - wie hier - bei neuen
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien
nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 i.V.m. §
135 Abs.
1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer
(Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen.
Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen
verbindlich festgelegt. Ärztliche "Behandlungsmethoden" sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches
Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung
bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn sie wie hier die Liposuktion - zum Zeitpunkt der Leistungserbringung
nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä)
enthalten ist (vgl. BSG aaO. m.w.N.). Als nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen
mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV.
Es greift auch kein anerkannter Ausnahmefall vom Erfordernis einer Empfehlung.
Anhaltspunkte für eine hier gebotene grundrechtsorientierte Auslegung im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5; vgl. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, Rdnr. 20 ff.) sind weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Die verfassungskonforme Auslegung
setzt - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende
(vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 aaO. Rdnr. 15 m.w.N.) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt.
Daran fehlt es. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden
Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis
einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use formuliert ist. Einen solchen Schweregrad erreichen
die - wenn auch schmerzhaften - Lipödeme der Klägerin nach dem gesamten Vorbringen nicht.
Für einen sog. Seltenheitsfall (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R) ist nichts vorgetragen, die vorgelegte Fachliteratur spricht ebenfalls dagegen.
Auch ein Systemversagen im Hinblick auf das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss, auf das die Klägerin insbesondere
mit ihrem Berufungsvortrag abzielt, ist nicht erkennbar. Ungeachtet des in §
135 Abs.
1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht
der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode
darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen
formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung
beruht darauf, dass in solchen Fällen die in §
135 Abs.
1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das
Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - juris "LITT").
Zunächst ist festzustellen, dass bereits eine Antragstellung beim Gemeinsamen Bundesausschuss bislang unterblieben ist. Zu
den Hintergründen trägt weder die Klägerin etwas vor, noch geben die vorgelegten Fachaufsätze Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Im Rahmen der Mitwirkung im Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss besteht auch entgegen der Auffassung der Klägerin
keine besondere "Fürsorgepflicht" der Beklagten, deren Verletzung die Annahme eines Systemversagens rechtfertigen könnte.
Gegen das Bestehen einer solchen Fürsorgepflicht spricht zunächst, dass die Regelung des §
135 SGB V unmittelbar nur das Leistungserbringerverhältnis betrifft und nur mittelbar den Leistungsanspruch des Versicherten nach §
27 SGB V ausfüllt (sog. Rahmenrechtskonzeption des BSG). Eine daher allein denkbare mittelbare Fürsorgepflicht aus Verfassungsrecht dürfte im Ergebnis deckungsgleich mit dem Maßstab
aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 1 BvR 347/98 - sein. Diese Schwelle ist vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht erreicht. Soweit daneben aus dem Willkürverbot eine Verpflichtung
der Beklagten hergeleitet werden könnte, innerhalb der Verbandsstrukturen auf ein willkürfreies Verhalten des "Krankenkassenlagers"
im Gemeinsamen Bundesausschuss hinzuwirken, ist jedenfalls kein Anhaltspunkt für willkürliches Verhalten erkennbar, dem weiter
nachzugehen wäre.
Insgesamt ist hinsichtlich eines Systemversagens darauf hinzuweisen, dass allein aus der langjährigen und zahlreichen Behandlungspraxis
der Liposuktion außerhalb des Systems der GKV noch nicht auf ein Systemversagen geschlossen werden kann. Nach den "Leitlinien
Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie aus dem Jahr 2004 stehe jede Therapieform unter dem Vorbehalt
der unbekannten Ursache des Lipödems. Auf die Ödemreduktion zielende Therapieformen stünden neben der Strategie der Reduktion
des Fettgewebes. Hinreichende vergleichende Studien zwischen beiden Therapieansätzen bestehen auch nach der von Klägerseite
und vom Gericht vorgelegten Literatur nicht. Zudem wird in Schmeller/Meier-Vollrath Akt Dermatol 2007, 33, darauf hingewiesen,
dass eine Kombination mit konservativer Therapie (kombinierte Physikalische Entstauungstherapie, insbes. Kombination aus manueller
Lymphdrainage und Kompression) auch nach einer Durchführung der Liposuktion geboten sein kann. Hiernach kann es auf sachlichen
Gründen beruhen, dass weder Ärzte noch Kassen noch "Unparteiische" auf eine Befassung hingewirkt haben bzw. hinwirken. Weitere
Amtsermittlung durch den Senat ist vor diesem Hintergrund nicht geboten (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.
November 2009 - L 9 KR 29/08).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Eine Zulassung der Revision kommt angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R - nicht in Betracht.