Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Krankenhausbehandlungsvergütung für die Behandlung der bei der Beklagten versicherten
C. im Zeitraum vom 20. August 2000 bis 6. September 2000.
Die Klägerin betrieb eine onkologische Fachklinik in O ... Das Regierungspräsidium O Stadt erteilte ihr am 23. März 1999 eine
Gewerbeerlaubnis zum Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Ein Versorgungsvertrag oder eine sonstige Zulassung zur Krankenhausbehandlung
im System der Gesetzlichen Krankenversicherung bestanden nicht. Hinsichtlich des von der Klägerin erfolglos betriebenen Rechtsstreits
um den Abschluss eines Versorgungsvertrages wird auf die Urteile des Senats vom 17. Dezember 2007 - L 1 KR 62/04 - und des Bundessozialgerichts vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 5/08 R - verwiesen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin wurde mangels Masse abgelehnt (Beschluss
des Amtsgerichts GF. vom 23. Januar 2002 - xxx). Rechtsmittel hiergegen blieben erfolglos. Die Auflösung der Klägerin wurde
mit Datum vom 16. Juni 2003 ins Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug des Amtsgerichts GF. Nr. xxx). Die Klägerin
befindet sich seitdem im Stadium der Liquidation.
Die Versicherte wohnte in B. Sie befand sich wegen Morbus Hodgkin in onkologischer Behandlung. Auch vor dem streitgegenständlichen
Aufenthalt wurde sie bereits in der Klinik der Klägerin behandelt. Die Versicherte wurde am 20. August 2000 erneut in die
Klinik der Klägerin stationär aufgenommen. Mit ihr schloss die Klägerin nach eigenen Angaben einen Krankenhausaufnahmevertrag.
In der Anamnese in der Patientenakte der Klägerin finden sich folgende Angaben: "War zwei Wochen zu Hause, 1[.] Woche war
erschöpft, 2[.] Woche ging ihr besser, kann schlecht laufen". Der Zustand im Vergleich zum letzten Aufenthalt sei unverändert.
Ausweislich des Untersuchungsbefundes wurden eine Kraftminderung des rechten Armes, geschwächtes Atemgeräusch, regelmäßige
Herzaktion, weiche Abdomendecke mit unauffälligem Befund der Organe festgestellt. Beschrieben werden weitere Befunde im Bereich
des rechten Lungenflügels, insoweit wird auf die Dokumentation der Wiederaufnahmeuntersuchung verwiesen. Als weiteres Procedere
wurde u.a. eine Chemotherapie vermerkt. In der Therapiedokumentation sind an den ersten beiden Tagen lediglich die Verabreichung
eines Vitaminpräparats sowie die Legung eines Ports vermerkt. Im Laborberichtsteil sind unter dem 21. August 2000 eine Reihe
von Befunden abgeheftet. Im weiteren Verlauf des Klinikaufenthalts trat die respiratorische Insuffizienz in den Vordergrund,
die schließlich für den Tod der Versicherten 2000 mitursächlich war. Hinsichtlich der Behandlung im Einzelnen wird auf die
beigezogene Patientenakte der Klägerin verwiesen.
Eine Notfallaufnahmemitteilung an die Beklagte erfolgte ausweislich der Patientenakte unter dem Datum des 21. August 2000.
Mit Rechnung vom 6. September 2000 forderte die Klägerin 7.650,- DM. Eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte nicht.
Die Klägerin hat mit Mahnbescheidsantrag vom 24. Dezember 2003 zunächst eine Gesamtforderung von 24.094,59 EUR bezüglich diverser
bei der Beklagten versicherter Patienten für Behandlungen aus den Jahren 2001 und 2002 geltend gemacht. Auf den Widerspruch
gegen den am 21. Januar 2004 erlassenen Mahnbescheid des Amtsgerichts DH. hin ist die Sache an das Landgericht LW. abgegeben
worden. Mit Beschluss vom 8. April 2004 hat sich das Landgericht LW. für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den
Rechtsstreit an das Sozialgericht Gießen verwiesen (S 9 KR 96/04). In der am 18. Juni 2004 eingegangenen Klagebegründung hat die Klägerin die Klageforderung mit 21.233,09 EUR beziffert und
auf Behandlungen in den Jahren 1999 bis 2002 gestützt. Der Rechtsstreit bezüglich der Versicherten C. ist mit Beschluss vom
4. August 2004 getrennt und unter dem Aktenzeichen S 9 KR 359/04 fortgeführt worden. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Aufnahme der Patientin notfallmäßig wegen ausgeprägter körperlicher
Schwäche bei fortgeschrittenem Tumorbefall erfolgt sei. Die Versicherte habe an erheblicher Atemnot gelitten. Es habe ein
teilweiser Tumorbefall der Lunge vorgelegen. Festgestellt worden sei eine beginnende Querschnittslähmung bei Tumorkompression
des Rückenmarks. Während des stationären Aufenthalts hätten sich am 2. September 2000 akute Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
und körperliche Schwäche entwickelt. Bei bekannter onkologischer Erkrankung stünde bei dieser Symptomkombination zur Differentialdiagnose
z. B. eine akute neurologische Problematik bei Hirnmetastasen. Zusätzlich sei bei der Patientin eine zunehmende respiratorische
Insuffizienz aufgetreten, welche schließlich zum Tod geführt habe. Damit müsse ab dem 2. September 2000 im Nachhinein vom
Beginn der Sterbephase ausgegangen werden. Die Klägerin hat zunächst die Rechtsauffassung vertreten, dass der Anscheinsbeweis
für die Vertretbarkeit der Notfallbehandlung spreche. Die Beklagte sei mit ihren Einwendungen ausgeschlossen, da sie den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht unverzüglich zur Prüfung eingeschaltet habe; hierzu gehöre die Einsicht in die
Krankenunterlagen sowie ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt. Die Klägerin hat sich gegen die Rechtsauffassung gewandt,
dass der Anreiseweg zur Beurteilung des Notfalls relevant sei.
Die Beklagte hat sich ursprünglich gegen die Aktivlegitimation der Klägerin gewandt und die Einrede der Verjährung erhoben.
Ergänzend hat sich die Beklagte auf das sozialmedizinische Gutachten des MDK NN. - Kompetenzzentrum Onkologie - vom 11. Januar
2007 berufen. Hiernach sei die Behandlung der Versicherten in einer Vertragseinrichtung sowohl möglich und zumutbar als auch
die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus rechtzeitig möglich gewesen. In dem von der Beklagten zitierten Gutachten
wird weiter ausgeführt, dass das Spätstadium eines derartig ausgedehnten Morbus Hodgkin mit respiratorischer Insuffizienz
ambulant nicht sinnvoll behandelt werden könne. Die in der Klinik der Klägerin durchgeführte Ganzkörperhyperthermie habe in
der Therapie des Morbus Hodgkin aber keinen Stellenwert und entspreche nicht §
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V). Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2007, der Klägerin zugestellt am 7. August 2007,
abgewiesen. Vorliegend seien die Voraussetzungen für eine Notfallbehandlung nicht gegeben gewesen. Maßgebend für die Beurteilung
der Frage, ob eine Behandlung im Rahmen eines Notfalls erfolgt sei, sei allein der Gesundheitszustand am Aufnahmetag. Sei
aufgrund der erhobenen Befunde eine Verlegung möglich, liege keine Notfallbehandlung vor. Später eingetretene Veränderungen
im Gesundheitszustand könnten keinen Notfall begründen. Dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten am 2. September
2000 verschlechtert habe, sei für die Beurteilung einer Notfallbehandlung nicht zu berücksichtigen. Am Aufnahmetag sei die
Herzaktion regelmäßig, das Atemgeräusch abgeschwächt gewesen. Der Gesundheitszustand sei gegenüber dem letzten Aufenthalt
als unverändert beschrieben worden. Laboruntersuchungen und Elektrokardiogramm seien am 21. August 2000 erfolgt. Der Blutdruck
sei ebenfalls erstmals am 21. August 2000 gemessen worden. In der Krankenakte seien keine Befunde oder Behandlung dokumentiert,
die auf eine Notfallbehandlung schließen ließen. Der Gesundheitszustand sei unverändert zur Entlassung vor zwei Wochen gewesen,
zum damaligen Zeitpunkt habe kein Notfall vorgelegen, denn sonst hätte die Versicherte nicht aus dem Krankenhaus entlassen
werden dürfen. Die Beklagte sei auch nicht mit Einwendungen wegen der nicht zeitnahen Einschaltung des MDK ausgeschlossen.
Die entsprechende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass das Krankenhaus das Vorliegen der weiteren Behandlungsbedürftigkeit
nur dann nachweisen müsse, wenn die Beklagte das Verfahren eingehalten habe, welches in den abgeschlossenen Rahmenverträgen
zu §
112 Abs.
2 SGB V vereinbart worden sei oder wenn das Krankenhaus durch sein Verhalten die Durchführung des vereinbarten Verfahrens unmöglich
gemacht oder zumindest erheblich erschwert habe, sei vorliegend nicht anwendbar. Die Klägerin berufe sich für einen Zahlungsanspruch
auf eine Notfallbehandlung und nicht auf einen Versorgungsvertrag, der auch nicht bestehe.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist am 6. September 2007 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt
eingegangen.
Die Klägerin trägt vor, es habe sich wegen der beginnenden Querschnittslähmung der Versicherten um einen Notfall gehandelt.
Die Klägerin rügt eine verfahrensfehlerhafte Tatsachenwürdigung durch das Sozialgericht. Sehe das Gericht davon ab, einen
Sachverständigen zu bestellen, so verstoße es gegen §
103 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), wenn es eine Tatsachenfrage selbst beurteile, ohne über besondere eigene Sachkunde zu verfügen. Das Sozialgericht verneine
einen Notfall, weil sich aus dem Pflegebericht der Patientenakte ein Notfall nicht ergebe. Über die entsprechenden eigenen
medizinischen Sachkenntnisse führe das Sozialgericht nichts aus. Aus dem angefochtenen Gerichtsbescheid sei auch nicht ersichtlich,
dass das Gutachten des MDK herangezogen worden sei. Sie widerspricht der Verwertung des Gutachtens. Das Sozialgericht habe
in dem angefochtenen Gerichtsbescheid ausgeführt, dass sich der behauptete Notfall nicht aus der Krankenakte ergäbe. Die Klägerin
habe aber insoweit den Beweisantrag gestellt, den Chefarzt und aufnehmendem Arzt der Fachklinik der Klägerin als sachverständigen
Zeugen zu hören. Die Beklagte sei mit ihren Einwendungen ausgeschlossen, da sie den MDK nicht unverzüglich zur Prüfung eingeschaltet
habe; daher sei auch die spätere Einbeziehung des MDK ein Rechtsverstoß; entgegen der Auffassung des Sozialgerichts komme
es nicht darauf an, dass sich die Klägerin nicht auf vertragliche Regelung berufen könne. Sie mache Vergütungsansprüche aus
Notfallbehandlungen nach §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V geltend, wonach es auf vertragliche Regelungen gerade nicht ankomme. Bereits in der Erhebung der Anamnese und des Aufnahmestatus
liege eine vergütungspflichtige Leistung im Rahmen des §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V. Zur Rechtslage bezieht sich die Klägerin im Übrigen auf das Rechtsgutachten des Prof. Dr. K. vom 6. August 2007. Sie beantragt,
Beweis zu erheben durch Sachverständigengutachten des Dr. S. über die Frage, ob es sich bei der Behandlung der Versicherten
um einen Notfall gehandelt habe, unter Einbeziehung aller medizinischen Sachverhalte, die bei der Auslegung und Anwendung
des Notfallbegriffs insbesondere unter dem Aspekt des Systemversagens eine Rolle spielten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 25. Juli 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
3.911,38 EUR nebst 5 Prozent Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, dass die Klägerin nicht den Nachweis erbracht
habe, dass die Versorgung durch einen Vertragsarzt oder ein Vertragskrankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig möglich gewesen
wäre. Der MDK habe in seinem Gutachten zwar festgestellt, dass die medizinische Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung
nicht ausgeschlossen werden könne. Gleichwohl hätte die Therapie des bei der Versicherten bestehenden Morbus Hodgkin jedoch
vorzugsweise in einem internistisch-onkologisch ausgerichteten Krankenhaus im Rahmen der stationären vertraglichen Versorgung
wahrgenommen werden können. Eine entsprechende Behandlungsmöglichkeit durch ein Vertragskrankenhaus sei gegeben gewesen. Die
Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 25. September
2007 die Frage der Notwendigkeit der Notfallbehandlung in vollem Umfang gerichtlich zu überprüfen ist. Eine "Einschätzungsprärogative"
komme dem Krankenhausarzt nicht zu.
Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Patientenakte der Klägerin Bezug genommen,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2009 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der entsprechenden Anwendung des §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V in Verbindung mit den Regelungen über die Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, da die streitgegenständliche Behandlung
keine Notfallbehandlung war.
In Notfällen können nach §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V auch Krankenhäuser ohne Kassenzulassung Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbringen (zum Folgenden: BSG, Urteil vom
9. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R - juris). Das gilt für die ambulante wie für die stationäre Versorgung gleichermaßen, auch wenn §
39 Abs.
1 SGB V, der die Modalitäten der Krankenhausbehandlung regelt, eine dem §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V entsprechende ausdrückliche Klarstellung nicht enthält. Wird ein gesetzlich versicherter Patient als Notfall in ein nicht
zugelassenes Krankenhaus aufgenommen, so wird dieses für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtlich geprägte
Sachleistungssystem der Krankenversicherung einbezogen und erbringt seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für zugelassene
Krankenhäuser gelten. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die Krankenkasse.
Aus der entsprechenden Anwendung des §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V folgt allein die Einbeziehung von Leistungserbringern ohne Kassenzulassung in das System der Gesetzlichen Krankenversicherung,
indes noch nicht die Rechtsfolge des Vergütungsanspruchs (offen lassend: BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R -). Die Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach ergibt sich im Falle der ambulanten Krankenhausbehandlung
aus den Vorschriften des Vertragsarztrechts über die Honorierung ärztlicher Leistungen (BSG, Urteil vom 19. August 1992 -
6 RKa 6/91 - BSGE, 71, 117 ff.), im stationären Bereich aus den entsprechenden Vergütungsregelungen des Krankenhausrechts, im damaligen
Zeitraum insbesondere aus den Rechtsgedanken der §§
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V, §§ 16 ff. Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der Bundespflegesatzverordnung (
BPflV). Allerdings kann auf das diese Vorschriften konkretisierende Vertragsregelwerk, insbesondere die Sicherstellungs- und Überprüfungsverträge
sowie die bilateralen Pflegesatzvereinbarungen gerade mangels vertraglicher Bindung nicht ohne Weiteres zurückgegriffen werden
(siehe dazu i. E. unten - vgl. für das Vertragsarztrecht: BSG, Urteil vom 19. August 1992 aaO.).
Ein Notfall im Sinne von §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V liegt vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten so dringlich ist, dass ein zugelassener
Leistungserbringer nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann (BSG, Urteil vom 31. Juli 1963 -
3 RK 92/59 - BSGE 19, 270 ff.; Beschluss vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 114/06 - juris; Krauskopf in: ders. (Hrsg.) Soziale Krankenversicherung - Pflegeversicherung,
Stand: 61. EL, §
76 SGB V Rdnr. 11). Eine solche Dringlichkeit oder Unaufschiebbarkeit ist gegeben, wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen
nicht zugelassenen Leistungserbringer Gefahren für Leib oder Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern
würden (LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 27. Juli 2006 - L 11 KR 1804/06 - juris m. w. N. ; vgl. Hess in: Kasseler Kommentar, 44. EL, §
76 SGB V, Rdnr. 12 m. w. N.). Damit weist der hier anzuwendende Notfallbegriff des Leistungserbringerrechts grundlegend andere Merkmale
als der medizinische oder der strafrechtliche Notfallbegriff des §
323c Strafgesetzbuch auf und ist daher auch strikt von den letztgenannten Begriffen zu unterscheiden (Orlowski in: GKV-Komm. 143. EL, §
76 SGB V Rdnr. 29; LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 27. Juli 2006 - L 11 KR 1804/06 - juris). Begriffsprägend ist, ob gerade das System der Gesetzlichen Krankenversicherung in der Lage ist, die dringliche
Behandlung sicherzustellen. Der Notfallbegriff umfasst neben den medizinischen Begriffsmerkmalen nach der o. g. Definition
also auch systembezogene Merkmale, durch die sichergestellt wird, dass nur Fälle des Systemversagens vergütungsfähig sind
(vgl. F.J. Dahm, MedR 2002, 6 [7]). Beide Elemente des Notfallbegriffs weisen einen Prognosecharakter auf.
Die systembezogene Seite des Notfallbegriffs ist dahingehend weiter zu konkretisieren, dass eine von vornherein auf einen
größeren Umfang und Zeitaufwand angelegte Therapie keine Notfallbehandlung darstellt (LSG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2006
- L 16 B 50/06 KR ER - juris), insbesondere, wenn diesbezüglich ein Krankenhausaufnahmevertrag abgeschlossen wird (vgl. unter dem Aspekt
der Dringlichkeit: LSG Bad.-Württemb., Beschluss vom 27. Juli 2006 - L 11 KR 1804/06 - juris). Allein der "unvermittelt" auftretende Behandlungsbedarf kennzeichnet den Notfall (LSG NRW, Beschluss vom 30. Januar
2008 - L 11 KR 52/07 - juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - juris). Ein Versagen des Systems ist dann nicht prognostizierbar, wenn unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Systems
eine Behandlung jenseits einer Akutbehandlung gegen Gefahren für Leib oder Leben oder heftige Schmerzen angestrebt wird. Ein
zu berücksichtigendes Indiz ist in diesem Zusammenhang auch die vorherige Konsultation des Krankenhauses bezüglich der später
durchgeführten Behandlung, die je nach zeitlichem Ablauf das Fehlen einer Behandlungsalternative ausschließen kann (vgl. Bayerisches
LSG, Urteil vom 30. November 2006 - L 4 KR 73/04 - juris). Im Einzelfall kann auch eine lange Anreise des Patienten unter Außerachtlassung von näher gelegenen Vertragskrankenhäusern
als Indiz gegen ein Systemversagen zu werten sein. Von erheblichem Gewicht ist dieses Indiz jedenfalls dann, wenn der Krankenhausträger
den Behandlungswunsch nach einer Gesamtwürdigung wegen der langen Anreise und dem Ziel der Fortsetzung einer bereits begonnenen
Therapie als bewusste Festlegung auf eine Behandlung gerade bei ihm werten muss.
Gemessen an diesem Maßstab ist der Senat bereits wegen des Fehlens eines Systemversagens nicht von der Durchführung einer
Notfallbehandlung überzeugt. Vielmehr sprechen gewichtige Indizien für eine geplante stationäre Aufnahme. Bei dem streitgegenständlichen
Krankenhausaufenthalt handelte es sich um eine Wiederaufnahme. Die Klägerin schloss mit der Versicherten nach eigenen Angaben
einen Krankenhausaufnahmevertrag. Nach der von der Klägerin vorgelegten Dokumentation war u. a. eine Chemotherapie zur Fortsetzung
der onkologischen Therapie geplant. Ausweislich der Aufnahmeanamnese hielt sich die Versicherte in den Tagen vor der Aufnahme
"zu Hause", d.h. in B. auf. Sie reiste mithin aus einer Entfernung von mehr als zweihundert Kilometern zur Behandlung an.
Dass sich die Versicherte zur Fortsetzung der Therapie in das Krankenhaus der Klägerin begab, war dem aufnehmenden Arzt ausweislich
der Dokumentation auch bewusst. Zudem wurde auf dem Untersuchungsblatt zur stationären Wiederaufnahme der Gesundheitszustand
der Versicherten im Vergleich zum letzten Aufenthalt als unverändert bewertet. Der Krankenhausarzt sah demnach zum maßgeblichen
Zeitpunkt der Aufnahme selbst keinen "unvermittelten" Behandlungsbedarf, sondern den angesichts der Vorgeschichte zu erwartenden.
Bereits diese Umstände schließen es aus, die Behandlung ab dem Aufnahmetag als Notfallbehandlung einzustufen.
Unabhängig davon hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass am Aufnahmetag keine Therapiemaßnahmen erfolgten,
die als Akutmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben oder zur Abwehr heftiger Schmerzen zu werten gewesen wären.
Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§
153 Abs.
2 SGG). Auch eine ab 2. September 2000 aufgetretene Situation mit akuter Gefahr für Leib oder Leben des Patienten im Rahmen der
fortschreitenden respiratorischen Insuffizienz kann vorliegend keinen Notfall i. S. d. §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V begründen. Zwar erscheint es durchaus denkbar, dass eine nach allgemeinen Regeln vergütungsfähige Notfallbehandlung auch
in gewisser räumlich-zeitlicher Nähe zu einem vorherigen, nicht vergütungsfähigen stationären Aufenthalt bei einem nicht zugelassenen
Leistungserbringer erforderlich werden kann. Die Notfallbehandlungsvergütung für den nicht zugelassenen Leistungserbringer
rechtfertigt sich indes auch in diesem Fall allein aus dem Aspekt des Systemversagens: Nur wenn die konkrete Situation dadurch
geprägt ist, dass ein zugelassener Leistungserbringer nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann,
wird der nicht zugelassene Leistungserbringer für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtlich geprägte Sachleistungssystem
der Krankenversicherung einbezogen und erbringt seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für zugelassene Krankenhäuser
gelten. An einem solchen Systemversagen fehlt es aber, wenn der Patient außerhalb eines Notfalls nach §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V aufgenommen wird oder aus anderen Gründen eine Therapie fortsetzt. In dieser Konstellation ist eine Behandlung auch dann
nicht vergütungsfähig, wenn später eine akut gefahrträchtige Situation entsteht. Wegen der notfallunabhängigen Fortsetzung
findet diese Behandlung nach der Zäsur der Verlegungsfähigkeit als Einheit außerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung
statt (zum Prinzip der Behandlungseinheit vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 4. Dezember 2008 - L 1 KR 213/06 -; BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 3/04 R - m. w. N.). Die Anerkennung eines Notfalls gleichsam "bei Gelegenheit" einer außerhalb des Systems erfolgenden Behandlung
widerspräche der Funktion des §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V, allein das Systemversagen auszugleichen.
Eine weitere Beweisaufnahme ist nicht geboten. Dem in der mündlichen Verhandlung präzisierten Antrag auf weitere Ermittlung
der für die Anwendung des Notfallbegriffs maßgeblichen medizinischen Sachverhalte auch unter dem Aspekt des Systemversagens
durch Sachverständigengutachten und dem schriftsätzlichen Beweisangebot der Vernehmung des Dr. H. als sachverständigen Zeugen
ist nicht nachzugehen. Es fehlt an der Entscheidungserheblichkeit, da selbst im Falle einer medizinischen Dringlichkeit die
Behandlung durch die Klägerin mangels Systemversagens keine Notfallbehandlung darstellen würde. Im Vortrag der Klägerin sind
zudem keine Tatsachen erkennbar, die nicht als wahr unterstellt werden könnten, ohne dass die obige Würdigung eine Änderung
erfahren müsste. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine weitere Beweisaufnahme wegen der durchgeführten Behandlung
auch entbehrlich ist, soweit mit dem Sozialgericht keine Akutmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben oder zur
Abwehr heftiger Schmerzen festgestellt werden konnten. Eine Vernehmung des Dr. H. als sachverständigen Zeugen ist nicht geboten.
Der Senat geht nach Würdigung des Klägervortrages nicht davon aus, dass die Patientenakte im Hinblick auf die durchgeführte
Behandlung wesentliche Lücken aufweist. Eine Unvollständigkeit der Dokumentation wurde auch seitens der Klägerin nicht vorgetragen.
Es kann daher unterstellt werden, dass lediglich die behaupteten und dokumentierten Maßnahmen durchgeführt wurden. Die Würdigung
des Umstandes, dass Eintragungen über Akutmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben oder zur Abwehr heftiger Schmerzen
gänzlich fehlen, bedarf ebensowenig ergänzenden medizinischen Sachverstandes wie der Umstand, dass die wesentlichen vorhandenen
Eintragungen unter der Rubrik "Diagnostik" erfolgt sind. Bei ihrem Vorbringen in der Berufung verkennt die Klägerin, dass
übereinstimmend von einer stationären Behandlungsbedürftigkeit der Versicherten auszugehen ist. Die medizinische Notwendigkeit
der erst im weiteren Verlauf des Aufenthalts durchgeführten Maßnahmen steht nicht im Streit. Hingegen ist nicht erkennbar,
dass unmittelbar nach Aufnahme allein vergütungsfähige Akutmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben oder zur
Abwehr heftiger Schmerzen durchgeführt wurden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie wegen der Dringlichkeit nur bei der
Klägerin und nicht in einem benachbarten Vertragskrankenhaus hätten durchgeführt werden können.
Der Klägerin steht auch nicht als "minus" ein Anspruch für die ärztliche Tätigkeit zur Prüfung der Erforderlichkeit einer
Notfallbehandlung zu. Weder liegen die Voraussetzungen für eine solche Vergütung vor, noch kann die Klägerin als Krankenhausträgerin
gerade von der Beklagten eine solche Vergütung beanspruchen. Sucht ein Versicherter einen nicht zugelassenen Leistungserbringer
auf, weil er subjektiv eine Notfallsituation annimmt, so muss zur Klärung, ob eine sofortige Untersuchung und Behandlung notwendig
ist, ein Arzt hinzugezogen werden, der sich zumindest über die Beschwerden des Patienten und dessen Zustand unterrichten muss,
ehe er eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann. Bereits diese orientierende Befragung und Untersuchung ist
zwar eine ärztliche Tätigkeit im Rahmen der Krankenbehandlung, die nach allgemeinen Grundsätzen einen Vergütungsanspruch nach
sich ziehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 1. Februar 1995 - 6 RKa 9/94 - SozR 3 2500 § 76 Nr. 2). Jedoch ist eine solche Tätigkeit hier von Seiten der Klägerin weder vorgetragen worden noch sonst
ersichtlich. Die Klägerin beansprucht eine nach Tagespflegesätzen berechnete, nicht weiter aufgeschlüsselte Vergütung für
die behauptete stationäre Notfallbehandlung und trägt unter Bezugnahme auf die vorgelegte Patientenakte eine Aufnahmeuntersuchung
zur stationären Behandlung vor. Hierbei handelt es sich um ein "aliud" zur o.g. ärztlichen Tätigkeit: Im Rahmen der stationären
Behandlung ist die auf die Prüfung des Notfalls hin erfolgte Untersuchung für das Krankenhaus nicht gesondert vergütungsfähig
(vgl. §§
10 ff.
BPflV in der vom 1. Januar 2000 bis 4. Mai 2001 geltenden Fassung). Hätte sich die Klägerin bzw. der behandelnde Krankenhausarzt
auf die Erhebung der Anamnese und des Aufnahmestatus beschränkt, so wäre dies möglicherweise als ambulante Krankenhausleistung
vergütungsfähig. Der Vergütungsanspruch wäre am damaligen Maßstab der entsprechenden Anwendung der §§
76 Abs.
1 Satz 2 i. V. m. 120 Abs.
1 SGB V in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung nicht von der Klägerin gegenüber der Beklagten, sondern vom Krankenhausarzt
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend zu machen gewesen (vgl. Knittel in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung
- Pflegeversicherung, 32. EL, §
120 SGB V Rdnr. 5; siehe auch die Konstellation in BSG, Urteil vom 1. Februar 1995 aaO.).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorgelegen haben.