Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin seit dem 1. Januar 1999 bei der Beigeladenen zu 2. versicherungspflichtig
beschäftigt ist.
Die Klägerin machte im Steinmetzbetrieb ihres Vaters eine Ausbildung zur Bürokauffrau und war anschließend als kaufmännische
Angestellte bei einem Zeitungsverlag tätig. 1991 gründete sie mit ihrem Vater (E.) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).
Gegenstand des Unternehmens war ein Fliesen- und Steinmetzbetrieb. An diesem Unternehmen hatten die Klägerin einen Anteil
von 90 % und ihr Vater einen Anteil von 10 %. Mit Mietvertrag vom 2. Januar 1991 vermietete die Klägerin der GbR zwei Häuser
für den Geschäftbetrieb. Der Ehemann der Klägerin ist seit 1991 im Betrieb tätig. Nach Maurerlehre und Meisterprüfung studierte
er Hochbautechnik und Betriebswirtschaft. Am 30. Dezember 1998 übertrug ihm die Klägerin ihren Anteil an der GbR.
Mit Übergabevertrag vom 30. Dezember 1998 übergab die Klägerin ihrem Ehemann die ideelle Hälfte von mehreren Betriebsgeländen
bzw. -flächen. Mit Vertrag gleichen Datums errichteten die Eheleute die A. und F. GbR mit dem Zweck des Erwerbs, der Bebauung
und Verwaltung von Grundbesitz (Anteile: Ehemann 51 % und Klägerin 49 %).
Mit Vertrag ebenfalls vom 30. Dezember 1998 gründeten Vater und Ehemann der Klägerin die G. Geschäftsführungs- und Verwaltungs-GmbH
mit einem Grund- und Stammkapital in Höhe von 50.000,- DM. Hiervon brachten der Vater der Klägerin 500, DM und der Ehemann
der Klägerin 49.500,- DM ein. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind die Klägerin und ihr Ehemann. Sie haben die
Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.
Maßnahmen der Geschäftsführer, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen, bedürfen im Innenverhältnis der vorherigen
Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 5 des Vertrages). Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss (§
9 des Vertrages).
Mit weiterem Vertrag vom 30. Dezember 1998 schlossen die G. Geschäftsführungs- und Verwaltungs-GmbH als Komplementärin sowie
der Ehemann der Klägerin als Kommanditist die D. GmbH & Co. KG (= Beigeladene zu 2.). Der Ehemann der Klägerin brachte eine
Kapitaleinlage in Höhe von 100.000,- DM durch Einbringung seiner Gesellschaftsanteile an der E. GbR ein. Zur Geschäftsführung
und Vertretung der Gesellschaft ist die Komplementärin berechtigt und verpflichtet. Diese sowie deren Geschäftsführer sind
für Geschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit. Soweit ein Kommanditist von seinem Widerspruchsrecht nach § 164 HGB Gebrauch macht, entscheiden auf Antrag der Komplementärin die Gesellschafter durch Beschluss über die Vornahme der Handlung
(§ 6 des Vertrages). Gesellschafterbeschlüsse bedürfen hinsichtlich Vertragsänderungen und Gesellschaftsauflösung der Einstimmigkeit,
im Übrigen der Mehrheit der stimmberechtigten Stimmen (§ 8 des Vertrages). Die Stimmanzahl richtet sich nach dem Kapitalanteil.
Gewinn- und Verlustverteilung erfolgt ebenfalls nach den Kapitalanteilen (§ 10 des Vertrages).
Mit Vertrag vom 30. Dezember 1998 vermietete die A. und F. GbR die Räume auf drei Grundstücken in A-Stadt an die Beigeladene
zu 2. zum Betrieb des Fliesen- und Steinmetzbetriebs für einen monatlichen Mietzins in Höhe von 3.500,- DM.
Am 2. Januar 1999 schlossen die Beigeladene zu 2. und die Klägerin einen Arbeitsvertrag "zwischen Ehegatten/Angehörigen".
Hiernach verpflichtete sich die Klägerin ab dem 1. Januar 1999 für die Beigeladene zu 2. als kaufmännische Angestellte mit
37,5 Wochenstunden und einem Bruttogehalt von monatlich 3.800,- DM zu arbeiten. Ihr stehen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung
im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation und 30 Tage Urlaub jährlich zu.
Im Jahre 2002 verstarb der Vater der Klägerin. Die Anteile des Vaters wurden dem Ehemann der Klägerin überschrieben.
Am 23. August 2002 gab die A. und F. GbR gegenüber der X.-Bank eine Grundschulderklärung über 120.000,- EUR ab. Die Grundschuld
diente als Sicherheit für Darlehens- bzw. Kreditverträge der Beigeladenen zu 2.
Die Klägerin beantragte eine versicherungsrechtliche Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses. Im Feststellungsbogen erklärte
sie am 1. August 2005 gegenüber der Beklagten, dass sie für die Beigeladene zu 2. alle im Büro anfallenden Tätigkeiten wie
Werbung, Schriftverkehr, Zahlungsverkehr, Verkauf, teilweise Einkauf, Eingabe von Daten in PC, Mahnungen, Überprüfung der
Lieferung und Rechnungen verrichte. Sie sei wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert, ohne ihre Mitarbeit hätte eine andere
Arbeitskraft eingestellt werden müssen, sie sei an die Weisungen des Betriebsinhabers gebunden, könne ihre Tätigkeit nicht
frei bestimmen und gestalten, wirke bei der Führung des Betriebes nicht mit. Auch sei ihre Arbeit nicht durch ein gleichberechtigtes
Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Das vereinbarte Gehalt werde auf ein privates Konto überwiesen, über das sie verfügungsberechtigt
sei. Weihnachtsgeld in Höhe von 750,- EUR brutto werde gewährt. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet und es
werde als Betriebsausgabe gebucht.
Mit Bescheid vom 20. September 2005 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass diese an der Beigeladenen zu 2.
nicht beteiligt sei, ihre Tätigkeit weisungsgebunden ausübe und bei der Führung des Betriebs nicht mitwirke. Die Merkmale
der Tätigkeit wiesen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis auf. Sie sei daher sozialversicherungspflichtig. Der Bescheid
erging ohne Rechtsmittelbelehrung.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2006 Widerspruch. Der Bescheid berücksichtige nicht die Darlehensverpflichtung
der Klägerin über 228.000,- EUR sowie die weitere Aval-Bindung in Höhe von 20.000,- EUR. Ferner verwies sie auf ihr Stellung
bei der GmbH sowie der GbR, welche die Betriebsstätte des Unternehmens an die Beigeladene zu 2. vermiete.
Unter dem 29. August 2006 erklärte die Klägerin im Feststellungsbogen der Beklagten, dass sie Geschäftsführerin der G. Geschäftsführungs-
und Verwaltungs-GmbH sei. Aufgrund der Familienzugehörigkeit könne sie Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern.
Gegenüber der Beigeladenen zu 2. habe sie Sicherheit durch mehrere Grundschulden gegeben. Ihre Tätigkeit sei aufgrund von
familienhaften Rücksichtnahmen durch gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Ein Geschäftsführervertrag
bestehe nicht. Sie sei nur per Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführerin ernannt worden. Der Arbeitsvertrag weiche stark
von der täglichen Praxis ab. Sie unterliege keinem Direktions- bzw. Weisungsrecht und könne ihre Tätigkeit in der Gesellschaft
frei bestimmen. Personal könne sie nicht selbstständig einstellen. Aufgrund der Familienzugehörigkeit könne ihr nicht gekündigt
werden. Die monatliche Vergütung betrage 2.621,- EUR. Die Vergütung werde als Gehalt und als Betriebsausgaben verbucht. Am
Gewinn sei sie nicht beteiligt. Ihr Ehemann bestätigte die Richtigkeit der Angaben und erklärte, dass die Klägerin aufgrund
ihrer Familienzugehörigkeit und ihrer Fachkenntnisse die Unternehmensgeschicke maßgeblich mitbestimme. Es habe zu keinem Zeitpunkt
Einzelanweisungen bzw. Gesellschaftsbeschlüsse gegeben, die ihre Tätigkeit betreffen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Steuerrechtlich sei das Arbeitsentgelt
als Betriebsausgabe verbucht und Lohnsteuer gezahlt worden. Die steuerrechtliche Behandlung stelle einen wesentlichen Aspekt
für die versicherungsrechtliche Beurteilung dar. Ferner bestehe kein echtes Unternehmerrisiko. Die Klägerin habe ein regelmäßiges
Gehalt bezogen. Zwar seien Haftung und Darlehensgewährung Indizien gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Da keine
weiteren entscheidungserheblichen Aspekte für eine Mitunternehmerschaft sprächen, werde hierdurch jedoch ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis nicht ausgeschlossen. Dies gelte auch für die Überlassung von Betriebsgrundstücken, gebäuden und
-anlagen zum im Wesentlichen marktüblichen Miet- bzw. Pachtzins. Dass das Unternehmen in der Rechtsform einer Einzelfirma
geführt werde, spreche für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Ferner verweist die Beklagte auf die Angaben der Klägerin
im Feststellungsbogen vom 1. August 2005. In einem Telefonat vom 20. September 2005 habe der Ehemann der Klägerin zudem angegeben,
dass die GbR nur aus steuerlichen Erwägungen gegründet worden sei. Die Klägerin habe ferner telefonisch bestätigt, dass die
Beschäftigung weisungsgebunden ausgeübt werde. Erst mit Eintritt der Prozessbevollmächtigten in das Verwaltungsverfahren seien
die Angaben geändert worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. Juli 2007 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben und im Wesentlichen auf ihre Begründung
im Verwaltungsverfahren verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Ehemann der Klägerin erklärt,
dass diese lediglich aus steuerrechtlichen Gründen nicht Gesellschafterin geworden sei. Er habe keinen Arbeitsvertrag. Der
Betrieb zahle seine Lebensversicherungen und seine Zusatzkrankenversicherung. Dies seien 2.000,- EUR im Monat. Ein festes
Entgelt bekomme er nicht. Das Geld für seine persönlichen Bedürfnisse bekomme er von der Klägerin. Die Klägerin hat erklärt,
dass die Umwandlung in eine GmbH und Co. KG auf Anraten des Steuerberaters erfolgt sei. Sie erhalte 2.300,- EUR brutto. Weihnachtsgeld
habe sie nie erhalten. Der Steuerberater habe den Abschluss eines Arbeitsvertrages vorgeschlagen. An ihrer Tätigkeit habe
sich hierdurch nichts geändert.
Die Beklagte hat hingegen angeführt, dass die Klägerin keinerlei Geschäftsanteile an der GmbH besitze. Bei sogenannten Fremdgeschäftsführern
werde aber regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen. Aus den ursprünglichen Angaben der Klägerin gehe hervor, dass
eine Beschäftigung vorliege. Unbedeutend sei ferner, dass sie Gesellschafterin der GbR sei, da sie insoweit keine Arbeitskraft
einsetze. Mit dem Arbeitsvertrag hätten sich die Klägerin und ihre Familie bewusst für diese Vertragsgestaltung entschieden.
Ein gleichberechtigtes Nebeneinander im Rahmen der Unternehmensführung spreche solange nicht gegen das Vorliegen eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses, solange eine Mitunternehmerschaft nicht nach außen dokumentiert werde. Stünde die Klägerin mit
ihrer Tätigkeit der Beigeladenen zu 2. nicht zur Verfügung, müsste diese eine fremde Arbeitskraft einstellen.
Mit Urteil vom 26. August 2009 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 20. September 2005 und den Widerspruchsbescheid vom
27. Juni 2007 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. seit dem
1. Januar 1999 nicht versicherungspflichtig beschäftigt ist. Die Klägerin sei eigentlich "der Kopf und die Seele" der Firma,
da sie ihre Anteile an der
BGB-Gesellschaft auf ihren Ehemann übertragen habe, damit dieser die Firma haben gründen können. Auch die ihr gehörenden Grundstücke
habe sie zum großen Teil übertragen. Sie verfüge über die erforderlichen Fachkenntnisse für die Führung des Unternehmens.
Sie sei nur aus steuerlichen Gründen nicht Gesellschafterin geworden und nicht weisungsgebunden tätig.
Die Beigeladene zu 1. hat gegen das ihr am 9. November 2009 zugestellte Urteil am 8. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Sie
verweist auf die Begründung der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend führt sie an, dass der freiwillige Verzicht
auf Weihnachtsgeld keinen Rückschluss auf eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin zulasse. Dies sei aus der familiären
Bindung der Klägerin zu den Firmeninhabern zu begründen und stelle die tatsächliche Umsetzung des Arbeitsvertrages nicht in
Zweifel. Auch führe der Vortrag der Klägerin, der Arbeitsvertrag könne nicht maßgeblich für die Beurteilung des versicherungsrechtlichen
Status sein, zu keiner anderen Beurteilung. Denn es fehle an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen
nicht ernst gemeint (§
118 BGB) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§
117 BGB) abgegeben worden seien. Darüber hinaus liege es nicht in der Disposition der Klägerin, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages
nach Maßgabe seiner Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken. Wenn eine vertragliche Gestaltung durch
zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben sei, sei davon auszugehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich
abweichen und deshalb bei der Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgeblich
sei. Daher greife die Behauptung, der Vertrag sei nicht gelebt worden, nicht durch.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Berufung sei verfristet. Im Übrigen hält sie das angegriffene Urteil für zutreffend und verweist
darauf, dass sie vor dem streitbefangenen Zeitraum mit 90 % nahezu Alleininhaberin des Unternehmens gewesen sei. Daher könne
sie nicht allein deshalb, weil sie ihrem bis dahin bei ihr angestellten Ehemann ihre Anteile überschrieben habe, zur abhängig
beschäftigten Angestellten geworden sein.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere - entgegen der Auffassung der Klägerin - fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte hat zu Recht eine abhängige Beschäftigung und entsprechend die Versicherungspflicht
der Klägerin bei der Beigeladenen zu 2. festgestellt. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 26. August 2009 ist daher aufzuheben.
Nach §
28 h Abs.
2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) entscheidet die Beklagte als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den
Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche
Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - und Urteil vom 4. Juli 2007 - B 11 a AL 5/06 R).
Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis
der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst
das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer
gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche
Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der
nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung
eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen
in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile
vom 8. August 1990 - 11 Rar 77/89 - und 8. Dezember 1994 - 11 Rar 49/94). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse
den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteile vom 1. Dezember 1977 12/3/12 RK 39/74 - und vom 10.
August 2000 - B 12 KR 21/98 R jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie
rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R).
Der Geschäftsführer einer GmbH, der am Stammkapital nicht beteiligt ist (sog. Fremdgeschäftsführer), ist grundsätzlich abhängig
Beschäftigter der GmbH und versicherungspflichtig (BSG, Urteile vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - und 6. März 2003 - B 11 AL 25/02 R. Etwas kann ausnahmsweise gelten, wenn der Geschäftsführer allein über das nötige Fachwissen verfügt, vgl. Hessisches LSG,
Urteil vom 23. November 2006 - L 1 KR 763/03).
Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf
die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen
einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer
familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteile
vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R). Dabei führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung. In
sehr eng begrenzten Einzelfällen kann eine selbstständige Beschäftigung anzunehmen sein. Ein solcher Ausnahmefall kann z.
B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein
Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z. B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage
des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts
völlig mangelt. Hiervon kann insbesondere bei demjenigen auszugehen sein, der obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital
beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach
eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987 7 RAr 25/86; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. März 2010 - L 6 R 3/09).
Soweit die Rechte und Pflichten des Fremdgeschäftsführers durch den Gesellschafts- und Geschäftsführervertrag festgelegt sind
und den Gesellschaftern zumindest nach den vertraglichen Grundlagen auch die Rechtsmacht zusteht, den Geschäftsführer zu entlassen,
ihm in bestimmten Fällen Weisungen zu erteilen und die Unternehmenspolitik selbst zu bestimmen, wird in aller Regel jedoch
auch bei einer Familiengesellschaft von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Fremdgeschäftsführers auszugehen
sein. Denn in "ruhigen Zeiten" mag die Rechtsmacht der Gesellschafter gegenüber dem Geschäftsführer zwar durch familiäre Bindungen
überlagert sein, so dass von ihr faktisch kein Gebrauch gemacht wird. Diese Rechtsmacht entfällt jedoch nicht dadurch, dass
rechtliche Vereinbarungen erst im Konfliktfall Bedeutung erlangen, wenn z.B. nach einer familiären Trennung die familiären
Rücksichtsnahmen ein Ende haben. Es ist daher im Hinblick auf größtmögliche Rechtssicherheit geboten, eine vorhandene Rechtsmacht
auch dann schon als ein für abhängige Beschäftigung sprechendes Kriterium maßgeblich zu berücksichtigen, wenn von ihr konkret
(noch) kein Gebrauch gemacht wird. Dies entspricht auch der Rechtsprechung zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung
von Gesellschafter-Geschäftsführern mit Kapitalmehrheit, die von der ihnen gesellschaftsvertraglich zustehenden Rechtsmacht
tatsächlich keinen Gebrauch machen. Maßgeblich ist insoweit die abstrakte Rechtsmacht (vgl. Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage
in: jurisPK-
SGB IV, §
7 Rn. 98 m.w.N.).
Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten
Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für
die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder einer Anerkennung für Gefälligkeiten
hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung,
ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe
verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird und der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind
die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass
der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich
auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht
möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 R; LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 23. Februar 2010 - L 11 KR 2460/09). Im Übrigen steht es nicht in der Disposition der Beteiligten, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer
Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Januar 2010 L 1 KR 30/09; SG Berlin, Urteil vom 8. April 2010 - S 36 KR 1107/07).
Vor diesem Hintergrund ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
der Klägerin bei der Beigeladenen zu 2. zu bejahen.
Die Klägerin ist nicht Gesellschafterin der Beigeladenen zu 2. Sie ist lediglich Geschäftsführerin der G. Geschäftsführungs-
und Verwaltungs-GmbH, die wiederum Komplementärin der Beigeladenen zu 2. ist. Mit der Abtretung ihrer Anteile an ihren Ehemann
hat die Klägerin sich bewusst der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft und auf den Geschäftsbetrieb begeben
und den Arbeitnehmerstatus gewählt. Sie war bzw. ist in ihrer Tätigkeit nicht völlig frei, sondern rechtlich von ihrem Ehemann
(Alleingesellschafter) abhängig. Die Klägerin ist zwar als Geschäftsführerin der G. Geschäftsführungs- und Verwaltungs-GmbH
einzelvertretungsberechtigt. Diese Gesellschaft ist Komplementärin der Beigeladenen zu 2., so dass die Klägerin auch zur Geschäftsführung
und Vertretung der Beigeladenen zu 2. berechtigt ist. Soweit die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes
der Beigeladenen zu 2. hinaus geht, steht dem Kommanditisten - und damit dem Ehemann der Klägerin - jedoch ein Widerspruchsrechts
zu (§ 6 des Vertrags, § 164 Handelsgesetzbuch). Daher hat die Klägerin sich mit der Übertragung ihrer Gesellschaftsanteile auf ihren Ehemann weitgehend eines gesellschaftsrechtlich
begründeten Einflusses auf die Beigeladene zu 2. begeben. Dem entspricht, dass die Klägerin - nach ihren eigenen Angaben auch
in dem am 29. August 2006 unterzeichneten Feststellungsbogen - z. B. kein Personal selbstständig einstellen darf.
Darüber hinaus erhält die Klägerin ein angemessenes festes Monatsgehalt und hat die typischen Arbeitnehmerrechte wie Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall und Urlaub. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde geschlossen, das Entgelt unterliegt der Lohnsteuerpflicht,
wird als Betriebsausgabe verbucht und der Klägerin zur freien Verfügung ausgezahlt. Ferner ersetzt die Klägerin einen ansonsten
anzustellenden Arbeitnehmer.
Die Klägerin führt die Geschäfte der Beigeladenen zu 2. auch nicht wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken. Ihren
eigenen Angaben zufolge treffen die Ehegatten die Entscheidung vielmehr im Einvernehmen. Ferner verfügt sie nicht allein über
das notwendige Fachwissen. Ihr Ehemann besitzt vielmehr aufgrund seiner verschiedenen Ausbildungen und langjährigen Tätigkeit
im Fliesen- und Steinmetzbetrieb in ganz besonderem Maße über qualifizierte Branchenkenntnisse.
Die Klägerin trägt schließlich kein unternehmerisches Risiko. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes
Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen
und persönlichen Mittel also ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R). Die Klägerin erhält ein regelmäßiges Entgelt unabhängig von der Ertragslage. Für sie besteht daher nie die Gefahr, die
Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. An der Beurteilung der Klägerin als abhängig Beschäftigte ändert sich auch nichts
dadurch, dass sie Darlehen gewährt und Grundschulderklärungen abgegeben hat. Denn die Gewährung von Darlehen bzw. Sicherheiten
unter Familienangehörigen ist mit der Gewährung eines Darlehens oder einer Sicherheit durch einen fremden Arbeitnehmer, der
nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, nicht zu vergleichen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010
- L 11 KR 2460/09 m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Juli 2009 - L 1 KR 166/08). Familienmitglieder haben in der Regel ein gesteigertes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Hieraus folgt
aber kein wesentliches Unternehmerrisiko (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - L 4 KR 3/04; s. a. Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage in: JurisPK-
SGB IV, §
7 Rn. 125).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.