Tatbestand:
Der 1947 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung
auf die Auszahlung der Leistung einer Lebensversicherung.
Er war bei den amerikanischen Stationierungskräften (U.S. Army in Europe - USAREUR) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete
am 31. Oktober 2007 infolge einer Standortschließung. Der Kläger war ab diesem Zeitpunkt arbeitslos. Seit dem 1. Mai 2010
bezieht er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses wurde zu Gunsten des Klägers eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen (C.
AG Vers.-Nr. xxx- Versorgungswerk für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften). In der allgemeinen
Versicherungsbescheinigung (Stand: 1. Januar 2004) finden sich die folgenden Regelungen:
"III.3. Deckungsrückstellung Die Deckungsrückstellung ist der verzinslich angesammelte Teil der für die Versicherung entrichteten
Beiträge (Grundbeiträge, zusätzliche Beiträge und sämtliche Einmalbeiträge), der nicht für das von den Versicherungsgesellschaften
getragene Risiko und die Verwaltungskosten verbraucht wurde. Sie wird nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik
als Zeitwert der Versicherung berechnet. (...)
IV. Ansprüche auf die Versicherungsleistungen
1. Versicherungssumme Die Versicherungssumme steht zu:
a) bei Vollendung des 65. Lebensjahres dem versicherten Arbeitnehmer, (...)
3. Deckungsrückstellung Die Deckungsrückstellung steht jedem versicherten Arbeitnehmer zu, der vor Eintritt des Versicherungsfalles
(Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres) aus der Gruppenversicherung ausscheidet (Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei
den US-Stationierung Streitkräften) und im Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 5 Jahre versichert war. (...)
VI. Beendigung der Versicherung Die im Gruppenversicherungsvertrag geführte Kapital-Lebensversicherung endet
a) bei Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres)
b) durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles."
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses setzte der Kläger die Versicherung nicht fort, sondern wählte die Auszahlung der
Deckungsrückstellung.
Zum 8. November 2007 wurde dem Kläger ein gegenüber der Beklagten von der C. -AG als "einmaliger Versorgungsbezug" bezeichneter
Betrag von 33.855,78 EUR ausbezahlt. In einem Schreiben an den Kläger vom 7. November 2007 bezeichnete die C. -AG die Leistung
als "Deckungskapital" und bezog sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Mit Bescheiden vom 5. Mai 2008 und 14. Mai 2008 setzte die Beklagte auf der Grundlage von beitragspflichtigen Bezügen in Höhe
von 282,13 EUR monatlich Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 44,58 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe
von monatlich 4,80 EUR fest.
Gegen den Beitragsbescheid vom 5. Mai 2008 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er sei erst 61 Jahre alt und aufgrund
des Personalabbaus bei den alliierten Streitkräften ausgeschieden. Die Deckungsrückstellung aus der Gruppenversicherung sei
nicht zur Altersversorgung erzielt, sondern wegen der Entlassung gezahlt worden. Hierbei handele es sich nicht um eine Kapitalleistung,
die an die Stelle des Versorgungsbezuges trete, sondern um eine nichtbeitragspflichtige Kapitalleistung, die an die Stelle
eines künftigen Versorgungsanspruchs getreten sei. Zum Zeitpunkt der Auszahlung sei der vertraglich vorgesehene Versicherungsfall
(Vollendung des 65. Lebensjahres) nicht gegeben gewesen. Der Kläger berief sich auf das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom
4. Juni 2007 - S 11 KR 366/05 - und wendete die Verfassungswidrigkeit einer rückwirkenden Anwendung der Erhebung von Beiträgen auf die Deckungsrückstellung
ein. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 zurück. Zur Begründung führte
die Beklagte unter anderem aus, nach §
229 Abs.
1 Satz 3
SGB V unterlägen der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht, soweit sie zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung
erzielt würden. Trete an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung, so gelte 1/120 der
Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Seit 1. Januar 2004 gelte für
Versorgungsbezüge der volle allgemeine Beitragssatz. In seinem Urteil vom 13. September 2006 habe das Bundessozialgericht
entschieden, dass auch ein Versorgungsbezug, der schon vor Eintritt des Versicherungsfalles als Kapitalleistung vereinbart
oder zugesagt gewesen sei, beitragspflichtiges Entgelt sei. Ein Verstoß gegen den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz
liege nicht vor.
Die hiergegen gerichtete Klage ist am 1. Dezember 2008 bei dem Sozialgericht Gießen eingegangen. Der Kläger hat die Ansicht
vertreten, bei der ausgezahlten Kapitalleistung handele es sich nicht um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug. Die Deckungsrückstellung
sei nicht wegen einer Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit oder zur Altersversorgung erzielt worden, sondern sei zur Auszahlung
gekommen, da er aus der Gruppenversicherung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei den US-Stationierungskräften
ausgeschieden sei. Die Beklagte hat sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ausgeführt,
dass es nicht darauf ankomme, ob es bei ansonsten unverändertem Direktversicherungsvertrag aufgrund einer Abrede zur Vorauszahlung
der Versicherungssumme komme. Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 3. Februar 2010, der Beklagten zugestellt am 15.
Februar 2010, den Bescheid vom 5. Mai 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 aufgehoben. Bei der von den
amerikanischen Stationierungskräften abgeschlossenen Lebensversicherung der C. -Aktiengesellschaft handele es sich zwar um
eine Direktversicherung, deren Leistung im Versicherungsfall als Versorgungsbezug §
229 Abs.
1 Satz 1 Ziffer 5
SGB V unterfalle. Trotzdem sei die dem Kläger ausgezahlte Deckungsrückstellung nicht der Beitragspflicht zu unterwerfen, da es
sich nicht um einen Versorgungsbezug handele, weil der Versorgungsfall nicht eingetreten sei. Der Kläger habe die Deckungsrückstellung
bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhalten und als Versorgungsfall sei das 65. Lebensjahr vereinbart gewesen. Als
der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezug) gelten nach dem Wortlaut der Norm Renten der betrieblichen Alterversorgung
nur dann, wenn sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt würden.
Hierzu zählten nicht die Bezüge, die aus anderen Gründen, wie die vorzeitige Auflösung der Versicherung wegen des Verlustes
des Arbeitsplatzes, erzielt würden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sei der Zweck der Leistungserzielung maßgebend. Die Deckungsrückstellung
sei jedoch nicht wegen der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Altersversorgung erzielt worden. Der Versicherungsfall,
nämlich die Vollendung des 65. Lebensjahres, sei bei der Auszahlung am 8. November 2007 noch nicht eingetreten gewesen. Der
Kläger sei zum Zeitpunkt der Auszahlung 60 Jahre alt gewesen und beziehe keine Erwerbsunfähigkeitsrente. Er sei zur Zeit arbeitslos.
Auch aus der Versicherungsbescheinigung sei zu entnehmen, dass die ausgezahlte Deckungsrückstellung keinen Versorgungsfall
darstelle. In Abschnitt VI der Versicherungsbedingungen werde der Eintritt des Versicherungsfalls, nämlich Tod oder Vollendung
des 65. Lebensjahres, definiert. Davon zu unterscheiden sei die Möglichkeit, sich die Deckungsrückstellung bei Ausscheiden
aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles auszahlen zu lassen. Der Anspruch auf Auszahlung der Deckungsrückstellung
sei ausdrücklich beschränkt auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ende. Der Auszahlungsanspruch
auf die Deckungsrückstellung bezwecke nach dem Vertrag die Abgeltung für den Verlust eines Anspruchs auf zukünftige Versorgung
als Folge der Arbeitslosigkeit und sei damit kein Versorgungsbezug. In der Auszahlung der Deckungsrückstellung sei auch kein
Umgehungsfall im Sinne einer Vermeidung einer Beitragspflicht zu sehen. Aus der Neuregelung des §
229 Abs.
1 Satz 3
SGB V könne kein allgemeines Gebot abgeleitet werden, den Kreis der Versorgungsbezüge auch auf Zahlungen jenseits des Versicherungsfalles
zu erstrecken. Die Zahlung der Deckungsrückstellung stelle aus denselben Gründen auch keine beitragspflichtige Einnahme bei
der Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung dar, da §
57 Abs.
1 SGB XI zur Beitragsbemessung für Mitglieder der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind,
für die Beitragsbemessung auf die §§
226 bis
238 SGB V verweise.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist am 12. März 2010 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.
Die Beklagte trägt vor, tatsächlich sei der Versorgungsfall zum Zeitpunkt der Leistung noch nicht eingetreten gewesen, jedoch
sei vom Kläger die vorzeitige Auszahlung der Versicherungssumme wegen des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis in
Anspruch genommen worden. Somit sei bei ansonsten unverändertem Direktversicherungsvertrag von der Möglichkeit der Vorauszahlung
der Versicherungssumme Gebrauch gemacht worden. Deshalb unterliegen auch diese Versicherungsleistungen der Beitragspflicht.
Diese Rechtsauffassung werde auch von den Spitzenverbänden der Krankenkassen geteilt. Die Spitzenverbände gingen von einer
Beitragspflicht für vorzeitige Abfindungen in Umgehungsfällen aus. Eine solche Umgehung werde vermutet bei einem zeitlichen
Zusammenhang mit einer vorzeitigen Abfindungsleistung im "rentennahen Alter" ab dem vollendeten 59. Lebensjahr des Versicherten.
Dem Kläger sei die Deckungsrückstellung im 61. Lebensjahr ausgezahlt worden. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts
vom 12. November 2008 - B 12 KR 10/08 R - stelle dieses rentennahe Alter des Klägers zum Zeitpunkt der Auszahlung der Deckungsrückstellung einen hinreichenden Bezug
zur Altersvorsorge dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 30.4.2009 L 1 KR 28/09 B ER. Er ist der Rechtsauffassung, dass nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. Mai 2010 - B 12 KR 15/09 R - ein Numerus clausus der beitragspflichtigen Einnahmen für Pflichtversicherte festgelegt sei, der nicht durch Analogie zu
Lasten bisher nicht betroffener Leistungen erweitert werden könne. Eine solche Analogie nehme die Beklagte vor, wenn sie von
der Beitragspflicht für Zahlungen ausgehe, die nicht wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder
Hinterbliebenenversorgung erzielt worden seien.
Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten übersandten Verwaltungsakte
Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 18. November 2010 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beitragsbescheide zu Recht aufgehoben.
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 5. Mai 2008 und der Widerspruchsbescheid; der von der Beklagten ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung
als maßgeblich angesehene Bescheid vom 14. Mai 2008, der neben dem Bescheid vom 5. Mai 2008 auch von der Beklagten zum Gegenstand
des Widerspruchsverfahrens gemacht wurde, enthält keine über den Bescheid vom 5. Mai 2008 hinausgehende Beschwer, sondern
lediglich eine ergänzende Begründung.
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Erhebung von Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung auf die Auszahlung
der Deckungsrückstellung kommen für den Zeitraum der Versicherung als Arbeitsloser nur § 232a Abs. 3 i.V.m. §§
226 Abs.
1 Nr.
3,
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5, Satz 3
SGB V in Betracht. Hiernach wird der Beitragsbemessung bei Beziehern von Arbeitslosengeld der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren
Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie
wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der
betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen
Zusatzversorgung.
Für den Zeitraum ab Altersrentenbezug gilt §
237 Satz 1 Nr.
2, Satz 2
SGB V i.V.m. §
229 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5, Satz 3
SGB V. Hiernach wird bei versicherungspflichtigen Rentnern bei der Beitragsbemessung ebenfalls unter anderem der Zahlbetrag der
der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2007 - B 12 KR 6/06 R - juris m. w. N.), der sich der Senat anschließt, gehören zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung auch solche Renten,
die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung
handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch
den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers
ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung
des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards
nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck muss nicht ausdrücklich geregelt
sein, er kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten
allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung
erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit
des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer
solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung jedenfalls dann gegeben, wenn
der Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum Versicherungsnehmer ist bzw. die Versicherung fortführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom
28. September 2010 - 1 BvR 1660/08).
Zwar handelt es sich bei der der Leistung zugrundeliegenden Versicherung um eine solche Direktversicherung. Die von der Beklagten
zur Beitragsbemessung herangezogene Auszahlung der Deckungsrückstellung ist indes keine dem Zweck der Altersversorgung dienende
Leistung. §
229 Abs.
1 Satz 1
SGB V setzt nämlich voraus, dass der Versorgungsfall der betrieblichen Altersversorgung bereits eingetreten ist. Denn als der Rente
vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten Zahlungen aus einer Direktversicherung nur, "soweit sie wegen einer Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist
für die Bestimmung der der Rente vergleichbaren Einnahmen nicht auf die Zweckrichtung bei Abschluss der Lebensversicherung
oder den Zweck der Beitragsentrichtung abzustellen, sondern auf den Zweck der Leistungserzielung (vgl. auch SG Speyer, Urteil
vom 4. Juni 2007 - S 11 KR 366/05 - juris). Auf die Zielrichtung des Vertrages bzw. Motivation des Abschlusses kommt es nach den oben ausgeführten Grundsätzen
nur an, soweit zu ermitteln ist, ob der Versicherungsfall als solcher der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen ist.
Dass die Qualität der Leistung maßgeblich ist, entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, den Kreis der beitragspflichtigen
Einnahmen gerade um rentengleiche Leistungen zu erweitern, die z. B. von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit ohne eine entsprechende
Zielrichtung der Lebensstandardsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit abzugrenzen sind. Damit sind vorzeitige Auszahlungen
nicht schlechthin aus der Beitragspflicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 13. September 2006 - B 12 KR 5/06 R). Eine Beitragspflicht besteht indes nur dann, wenn auch die vorzeitige Leistung nach vertraglichen oder normativen Wertungen
wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt wird, etwa anders als
hier - als Leistung auf der Grundlage von §
6 BetrAVG (dazu BSG, Urteil vom 12. November 2008 - B 12 KR 10/08 R). Das Bundessozialgericht hat bislang ausdrücklich offen gelassen, in welchen Fällen ein relevantes Auseinanderfallen von
Vertragszweck und Leistungszweck möglich ist (BSG, Urteil vom 12. November 2008 aaO. Rdnr. 13 nach juris). Es hat allerdings
wegen des abschließenden Charakters des §
229 SGB V anerkannt, dass es Fälle geben kann, in denen vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgezahlte Kapitalleistungen gerade wegen
des Nichteintritts des Versicherungsfalles nicht als Versorgungsbezug angesehen werden können (Urteil vom 25. August 2004
- B 12 KR 30/03 R - zur Vorgängerregelung). Nichts anderes folgt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - aus der Entscheidung vom 13.
September 2006 - B 12 KR 5/06 R - juris. In den dortigen Entscheidungsgründen (Rdnr. 18ff. nach juris) wird ausgeführt, dass die Vereinbarung einer Vorauszahlung
nicht notwendigerweise die Beitragspflicht entfallen lasse, allerdings unter Beachtung des Inkrafttreten der Novellierung
des §
229 SGB V eine Auszahlung des Rückkaufswertes im Dezember 2003 beitragsfrei sein könne.
Bereits die Vertragsauslegung ergibt, dass die streitgegenständliche Auszahlung keinen entsprechenden Versicherungs- bzw.
Versorgungsfall darstellt. Die Versicherungsbescheinigung enthält in Ziffer VI.a nicht nur den Beendigungstatbestand, sondern
auch eine Definition des Versicherungsfalles, der mit "Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres" bezeichnet wird. Hiervon
wird ausdrücklich die Beendigung durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unterschieden (VI.b). Diese Systematik findet
ihre Entsprechung in den Regelungen zur Versicherungsleistung, in denen die Versicherungssumme im Versicherungsfall von der
Auszahlung der Deckungsrückstellung unterschieden wird (IV.). Der Anspruch auf die Auszahlung der Deckungsrückstellung ist
ausdrücklich beschränkt auf Arbeitnehmer, die zeitlich vor Eintritt des Versicherungsfalles aus der Gruppenversicherung ausscheiden.
Er steht diesen im Zeitpunkt des Ausscheidens zu. Die Deckungsrückstellung ist auf den verzinslich angesammelten Teil der
für die Versicherung entrichteten Beiträge (einschließlich Gewinnanteilen der Gruppenversicherung in Gestalt sog. zusätzlicher
"Beiträge" und "Einmalbeiträge") beschränkt, der nicht für das von den Versicherungsgesellschaften getragene Risiko und die
Verwaltungskosten verbraucht wurde. Sie wird nach III.3. der Versicherungsbescheinigung nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik
als Zeitwert der Versicherung berechnet. Nach dem Vertrag bezweckt der Auszahlungsanspruch auf die Deckungsrückstellung daher
primär die Abgeltung des Verlusts eines Anspruchs auf künftige Versorgung als Folge der Arbeitslosigkeit. Er ist damit selbst
kein Versorgungsbezug.
Entgegen der Auffassung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen im Besprechungsergebnis vom 9. März 2005 zur "Beitragspflicht
von Versorgungsbezügen hier: c) Gruppenversicherungsvertrag der Stationierungsstreitkräfte" ist §
229 Abs.
1 Satz 1
SGB V nicht erweiternd auszulegen, um eine missbräuchliche vorzeitige Auszahlung als Umgehungstatbestand zu unterbinden. Insbesondere
kann nicht ein zeitlicher Zusammenhang zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ab der Vollendung des 59. Lebensjahres für die
Zweckrichtung der Leistung als hinreichend angesehen werden. Als Argument hierfür kann nicht §
229 Abs.
1 Satz 3
SGB V herangezogen werden. Dieser zielt nur auf die Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten wegen der vorherigen Vereinbarung einer
Einmalzahlung im Versicherungsfall, die nunmehr erweiternd als Versorgungsbezug zu behandeln ist, was bereits aus Gründen
der Gleichbehandlung sachgerecht ist (vgl. Peters in: Kasseler Kommentar, Stand: 60. EL, §
229 SGB V Rdnr. 16). Der vom Versorgungsbezug vorausgesetzte Versicherungsfall ist hingegen nicht erweitert worden (vgl. auch SG Speyer
aaO.; Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 139). Aus der Vorschrift kann demnach kein allgemeines Gebot abgeleitet werden, den
Kreis der Versorgungsbezüge auch auf Zahlungen jenseits des Versicherungsfalles zu erstrecken. Auch eine teleologische Reduktion
der einschränkenden Voraussetzungen des §
229 Abs.
1 Satz 1
SGB V scheidet aus. Die Heranziehung weiterer Einnahmen zur Beitragsbemessung versicherungspflichtiger Rentner ab 1. Januar 1982
gemäß § 180 Abs. 6
RVO i.V.m. § 180 Abs. 8
RVO durch das Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung 1982 sowie gemäß §§
237,
229 Abs.
1 SGB V ab 1. Januar 1989 beschränkte sich auf abschließend benannte Einnahmearten. Zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen
gehören im Einzelnen benannte Einnahmen, die im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehen. Deren Aufzählung ist als abschließend
anzusehen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2010 - B 12 KR 15/09 R; vgl. BT-Drs. 9/458, S. 29, 34). Dies schließt es aus, die fehlende Beitragspflicht im vorliegenden Fall als Folge einer
planwidrigen Regelung anzusehen und durch teleologische Reduktion oder Analogie Beiträge auf Einnahmen zu erheben, die zwar
aufgrund einer betrieblichen Altersversorgung, nicht aber wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters-
oder Hinterbliebenenversorgung erzielt worden sind (im Ergebnis auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Februar 2009 -
L 5 (16) KR 158/07). Vorliegend erscheint es auch schwierig, im Wege der Auslegung die Umgehung auszuschließen. Allein die
zeitliche Verbindung zwischen Auszahlung und Rentenalter ist angesichts der Normstruktur des §
229 SGB V ein wenig trennscharfes Kriterium. Schließlich ist die Binnenstruktur des Beitragsbemessungsrechts des
SGB V zu respektieren, wonach nur ausnahmsweise die Vermögensbildung oder deren Erträge bei der Beitragsbemessung heranzuziehen
sind. Diese dogmatische Grenzziehung ist bei der Auslegung zu beachten. Im vorliegenden Fall vermag der Senat schließlich
auch keinen Umgehungstatbestand zu erkennen. Die Auszahlung der Deckungsrückstellung war vertraglich an den Verlust des Arbeitsplatzes
gekoppelt. Die Initiative zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ging seinerzeit nach dem unwidersprochen gebliebenen
Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren vom Arbeitgeber wegen einer Standortschließung aus.
Eine Berücksichtigung als Arbeitsentgelt (§
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV) im Rahmen von §§ 232a Abs.
3 i.V.m. 226 Abs. 1 Nr. 1
SGB V scheidet aus, da die Auszahlung der Deckungsrückstellung nicht dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann.
Aus den oben genannten Gründen stellt die Zahlung der Deckungsrückstellung auch keine beitragspflichtige Einnahme bei der
Bemessung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung dar. §
57 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI) verweist zur Beitragsbemessung für die Mitglieder der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert
sind, auf die §§
226,
228 bis
238 und §
244 SGB V. Ungeachtet dessen scheitert die Erhebung von Beiträgen zur Pflegeversicherung durch die Krankenkasse bereits an der fehlenden
Zuständigkeit. Die Krankenkasse ist hierzu allein im Rahmen des hier nicht einschlägigen Einzugsstellenverfahrens nach §
28h Abs.
2 SGB IV berechtigt (BSG, Urteil vom 7. März 2007 - B 12 KR 33/06 R; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Oktober 2006; L 5 ER 189/06 KR; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Dezember
2007 - L 9 B 584/07 KR ER). Eine eigene Festsetzungsbefugnis der Krankenkasse folgt nicht aus §
46 Abs.
2 Satz 2
SGB XI. Diese Regelung ordnet ausschließlich eine Organleihe an (Udsching,
SGB XI, 3. Aufl. §
46 Rdnr. 6), bei der das Handeln der Organe des Verleihenden unmittelbar der ausleihenden Körperschaft zugerechnet wird. Die
Organe der Krankenkasse müssen hiernach ausdrücklich und unmittelbar als Pflegekasse handeln, wenn sie Beiträge festsetzen.
Auch die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides bereits geltenden Vorschriften des §
46 Abs.
2 Sätze 4 und 5
SGB XI, eingefügt durch das "Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung" vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874), tragen die Festsetzung nicht. Krankenkassen und Pflegekassen können hiernach für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen.
Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht.
Diese Vorschrift dient aber allein der Verwaltungsvereinfachung und soll vermeiden, dass zwei formal getrennte Bescheide durch
die Krankenkasse und durch die Pflegekasse ergehen müssen. Die Krankenkasse handelt hinsichtlich der Festsetzung der Pflegeversicherungsbeiträge
im Namen der Pflegekasse, die bei etwaigen Klagen gegen den Beitragsbescheid weiterhin passivlegitimiert bleibt (so ausdrücklich
BT-Drs. 16/8525, S. 99). Die Neuregelung eröffnet der Krankenkasse neben der Organleihe die Handlungsalternative der Stellvertretung.
Nach wie vor bleibt die Krankenkasse nicht befugt, Pflegeversicherungsbeiträge in eigenem Namen zu erheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision war zuzulassen. Eine grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) kommt der Rechtssache zu, da der insoweit zuständige 12. Senat des Bundessozialgerichts die Frage, wann der Zweck der Absicherung
in einem System der betrieblichen Altersvorsorge und der Zweck der ausgezahlten Leistung auseinanderfallen können, mit der
Folge, dass die Leistung nicht als Versorgungsbezug anzusehen ist, ausdrücklich noch nicht entschieden hat. Zudem dürfte die
vorliegende Konstellation für Parallelfälle von Bedeutung sein.