Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines am 10. November 2009 in Vietnam erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall.
Der 1982 geborene Kläger ist seit 2008 Tierpfleger im Zoo C-Stadt. Seit Juli 2010 liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
vor. Im gesamten Kalenderjahr 2009 war er in Vietnam im D. (D.), E. Nationalpark, tätig. Dort erlitt er während einer Exkursion
zum Auffinden geeigneter Futterpflanzen für laubfressende Affen am 10. November 2009 einen schweren Unfall, als er auf Grund
eines Steinschlages zwischen einem Stein und einem Baum eingeklemmt wurde und ihm in dessen Folge das linke Bein zu 1/3 amputiert
werden musste.
Mit Unfallanzeige vom 19. November 2009 zeigte die Zoo C-Stadt GmbH (Zoo C-Stadt) dieses Ereignis bei der Beklagten als Arbeitsunfall
an. Nach den Informationen der Personalabteilung des Zoo C-Stadt (Frau F.) förderte der Zoo ein Projekt in dem betreffenden
Nationalpark, indem er Personal (Tierpfleger) zur Unterstützung schickt. Die Tierpfleger würden für den Einsatz durch entsprechende
Verträge freigestellt. Der Zoo würde Geld an das D. überweisen und die Tierpfleger würden dann vor Ort durch den Park das
Geld erhalten, das sie zum Leben benötigen würden. Frau F. äußerte in diesem Telefongespräch die Ansicht, da der Zoo C-Stadt
Gelder nach Vietnam bezahle, müsse es sich doch bei dem Unfall um einen Arbeitsunfall handeln.
Der Zoo C-Stadt übersandte ihren mit dem Kläger unter dem 21. Mai 2008 geschlossenen Arbeitsvertrag, eine mit dem Kläger getroffene
Freistellungsvereinbarung vom 11. Dezember 2008 sowie eine mit dem D. (Herrn G.) im Januar 2009 getroffene Vereinbarung über
die Modalitäten der Unterstützung des D. durch den Zoo C-Stadt. Nach § 1 des Arbeitsvertrages wird der Arbeitnehmer "sofort,
vorbehaltlich unter der auflösenden Bedingung des Bestehens der Abschlussprüfung zum Zootierpfleger, mithin spätestens ab
01.08.2008 beim Arbeitgeber als Tierpfleger in Teilzeit zu 20 Stunden/Woche beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wird gemäß
§ 14 II TzBfrG befristet und endet mit dem Ablauf von zwei Jahren, spätestens am 31.07.2010." In den Schlussbestimmungen des
Arbeitsvertrages (§ 8 Ziff. 1.) heißt es: "Änderungen, Ergänzungen oder Nebenabreden des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit
der Schriftform. Eine nicht schriftliche Abbedingung des Schriftformerfordernisses und sonstige nicht schriftliche Vereinbarungen
sind unwirksam." Die Freistellungsvereinbarung trifft u. a. folgende Regelungen:
§ 1
Die Zoo C-Stadt GmbH und der Arbeitnehmer vereinbaren einvernehmlich die befristete Freistellung von der Arbeitsleistung für
den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009, sofern betriebliche Interessen dem nicht entgegenstehen.
§ 2
Während der Freistellungsphase ruht das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer macht für diesen Zeitraum keinen Entgeltanspruch
gemäß §§
611,
615 Satz 1
BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag geltend.".
§ 4
Änderungen und Ergänzungen sowie Nebenabreden werden nur auf Grundlage schriftlicher Vereinbarungen wirksam. Dies gilt auch
für ein Abweichen vom Schriftformerfordernis.
Die mit dem D. im Januar 2009 getroffene Vereinbarung enthält u. a. folgende Regelungen: 1. Leistungen des Zoos
Der Zoo leistet eine Zahlung von EUR 12.000.- an das D ... Die Zahlung erfolgt bis zum 01.03.2009 in einer Summe an den verantwortlichen
Projektleiter.
3. Verwendungszweck
Mit dem o.g. Beitrag soll die Stelle eines C-Stadter Tierpflegers finanziert werden, der die Arbeit der Station unterstützt
und heimische Pfleger schulen kann. Das D. ist für die korrekte Abwicklung der Bezahlung des Pflegers verantwortlich.
4. Laufzeit
Zoo und D. vereinbaren eine einjährige Laufzeit der Vereinbarung vom 01.01.2009 - 31.12.2009. Anschließend entscheidet der
Zoo, ob er die Zusammenarbeit in dieser Form fortsetzen will, abhängig von der personellen Besetzung der Stelle durch einen
C-Stadter Tierpfleger.
6. Verwendungsnachweis
Bis zum 31.03.2010 ist ein Nachweis der Mittelverwendung durch das D. an den Zoo zu übergeben."
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung
ab, der Kläger habe zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht zum versicherten Personenkreis gehört. Eine Entsendung nach §
4 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -
SGB IV liege nicht vor. Der Kläger sei am Unfalltag nicht für den Zoo C-Stadt, sondern für den Nationalpark in Vietnam tätig gewesen.
Der Auftrag für die Exkursion sei von dem Leiter des D. erteilt worden. Der D. sei während des Aufenthaltes des Klägers in
Vietnam auch für dessen Bezahlung verantwortlich gewesen.
Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2010 zurück.
Der Kläger erhob am 16. Juni 2010 beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klage.
Das Sozialgericht hörte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2011 den Zeugen H., Referent für Artenschutz beim
Zoo C-Stadt, an und wies mit Urteil vom 6. Mai 2011 die Klage ab. Ansprüche des Klägers wegen des in Vietnam eingetretenen
Unfallereignisses kämen nur in Betracht, wenn ein Fall der Ausstrahlung im Sinne des §
4 Abs.
1 SGB IV vorliege, was eine vorübergehende Entsendung ins Ausland im Rahmen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses voraussetze.
Eine solche Entsendung habe hier jedoch nicht vorgelegen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Zoo sei vorliegend vertraglich
und auch faktisch durch die zwischen den Parteien geschlossene Freistellungsvereinbarung zum Ruhen gebracht worden. Hieraus
gehe eindeutig hervor, dass sich die Beteiligten darüber im Klaren gewesen seien, dass die Tätigkeit des Klägers im Jahr 2009
zwar vom Zoo gewünscht und gefördert, aber nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit diesem ausgeführt worden sei. Auch
seien Gehaltszahlungen in 2009 nicht vom Zoo geleistet worden, sondern durch den Nationalpark in Vietnam, von wo der Kläger
Geld und auch Abrechnungen über diese Leistungen erhalten habe. Dies entspreche auch der Vereinbarung zwischen dem Zoo und
dem D. in Vietnam. Der Kläger sei damit 2009 nicht für ein inländisches Unternehmen tätig gewesen. Zwar sei es durchaus wahrscheinlich,
dass der Kläger vor Abschluss der Vereinbarungen für das Jahr 2009 deren rechtlichen Inhalt letztendlich nicht vollständig
durchschaut habe, dies führe jedoch nicht zur Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern
allenfalls zu Schadensersatzansprüchen des Klägers gegenüber dem ihn beratenden Zoo. Eine etwaige Fehlberatung sei jedenfalls
nicht der Beklagten zuzurechnen.
Gegen dieses ihm am 18. Juli 2011 zugestellte Urteil legte der Kläger am 16. August 2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht
in Darmstadt (Landessozialgericht) ein.
Der Kläger machte geltend, die Voraussetzungen einer Ausstrahlung seien erfüllt. Sein Arbeitsverhältnis mit dem Zoo habe vor
der Entsendung bestanden und sei nach der Entsendung wiederaufgenommen worden. Seine Entsendung sei zeitlich befristet und
die Weiterbeschäftigung im Inland bei dem Zoo C-Stadt bereits vor der Entsendung vereinbart worden. Ein Beschäftigungsverhältnis
zum Zoo C-Stadt habe trotz Arbeitsleistung im Ausland weiterhin vorgelegen. Der Zoo C-Stadt habe ihn mittels der dafür vorgesehenen
Zahlungen an das D. in Vietnam weiterhin finanziert und während seines Einsatzes in Vietnam weiterhin Weisungsbefugnisse gehabt.
So hätte der Zoo ihn jederzeit aus Vietnam zurückbeordern können. Der Zoo entsende seit 2007 Personal an das D. nach Vietnam;
die Anwerbung erfolge durch eine interne Ausschreibung im Zoo oder durch direktes Ansprechen von geeigneten Personen. Auch
sei es üblich gewesen, dass zurückkehrende Pfleger zunächst Urlaub bekamen; dies sei auch für den Kläger so vorgesehen gewesen.
Das Landessozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2013 den Kläger persönlich an und hob mit Urteil
vom selben Tag das Urteil des Sozialgerichts und die Bescheide der Beklagten auf. Es stellte fest, dass es sich bei dem Ereignis
um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Unfall des Klägers habe sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Tierpfleger
für den Zoo C-Stadt ereignet. Zwar habe er diesen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erlitten und es existierten keine
zwischen- oder überstaatlichen Abkommen mit Vietnam. Es sei jedoch ein Fall der Ausstrahlung nach §
4 Abs.
1 SGB IV gegeben. Die Beschäftigung im Ausland sei von vornherein zeitlich begrenzt gewesen. Das vor Beginn der Entsendung bestehende
Beschäftigungsverhältnis habe nach deren Beendigung weitergeführt werden sollen. Die für das Jahr 2009 geschlossene Freistellungsvereinbarung
spreche zwar allein aufgrund der Schriftform für ein nur noch fortbestehendes Rumpfbeschäftigungsverhältnis. Jedoch komme
es nicht nur auf den Wortlaut, sondern auf die tatsächlich gelebte Praxis an. Die faktischen Verhältnisse sprächen vorliegend
für eine fortbestehende enge Verknüpfung mit dem inländischen Beschäftigungsverhältnis mit dem Zoo C-Stadt, die weit über
ein bloßes Rumpfarbeitsverhältnis hinausgehe. So sei die Personalauswahl durch den Zoo C-Stadt nach zoointerner Ausschreibung
der Stelle des Cheftierpflegers in Vietnam erfolgt. Der Zoo C-Stadt habe seine gesamte Unterstützung für das Primatenprojekt
beim D. in Vietnam vom dortigen Einsatz eines "C-Stadter Tierpflegers" abhängig gemacht. Die Zahlungen des Zoos C-Stadt an
das D. hätten ausschließlich der Finanzierung der Stelle eines C-Stadter Tierpflegers gedient, der die Arbeit der Station
unterstützen und einheimische Pfleger schulen sollte. Des Weiteren habe der Zoo C-Stadt die Freistellung des Klägers auch
davon abhängig gemacht, dass keine betrieblichen Interessen entgegenstünden. Damit habe sich der Zoo C-Stadt ein jederzeitiges
Rückrufrecht und sein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht als Arbeitgeber vorbehalten. Auch habe sich der Zoo C-Stadt zum
Fortbestehen seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber für die Dauer der Tätigkeit des Klägers in Vietnam bekannt. Die Entgeltzahlung
an den Kläger durch den Projektleiter des D. spreche nicht gegen das Vorliegen einer Entsendung. Bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts
durch den im Ausland ansässigen Betrieb gehe es nur um die praktische Abwicklung. Es komme wesentlich darauf an, wem der Geldfluss
wirtschaftlich zuzurechnen sei. Der Zoo C-Stadt habe letztlich seine Verantwortung als Arbeitgeber für den Kläger wahrgenommen,
als er das D. vertraglich verpflichtet habe, für die korrekte Abwicklung der Bezahlung des C-Stadter Tierpflegers zu sorgen.
Schließlich habe der Zoo C-Stadt auch die Impf- und Visakosten sowie die Kosten für Hin- und Rückflug übernommen und sich
dazu verpflichtet, zusätzlich zwischenzeitliche Urlaubsheimflüge zu finanzieren.
Gegen das ihr am 14. Januar 2014 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 11. Februar 2014 Revision beim Bundessozialgericht
ein. Das Bundessozialgericht hob mit Urteil vom 17. Dezember 2015 das Urteil des Landessozialgerichts auf und verwies die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück. In den Gründen führte das Bundessozialgericht
aus, vom Vorliegen eines zeitlich begrenzten Unfallereignisses im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII, das einen Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich verursacht habe, könne man ausgehen. Anhand der bisherigen Feststellungen
des Landessozialgerichts könne indes nicht beurteilt werden, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses in Vietnam
überhaupt in einem Beschäftigungsverhältnis und ggf. zu wem gestanden habe. Grundsätzlich seien auch mehrere parallel bestehende
Beschäftigungsverhältnisse denkbar. Anhand der bisherigen Feststellungen des Landessozialgerichts könne zudem nicht beurteilt
werden, ob die objektivierte Handlungstendenz des Klägers auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als
Beschäftigter gerichtet war. Das Landessozialgericht habe daher zunächst festzustellen, ob zwischen dem Kläger und dem Zoo
C-Stadt tatsächlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, das durch die zeitlich befristete Tätigkeit in Vietnam
lediglich unterbrochen wurde. Weiterhin habe das Landessozialgericht festzustellen, ob das Beschäftigungsverhältnis zum Zoo
C-Stadt während der Zeit des Aufenthalts in Vietnam nach dem das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnissen fortbestanden
habe, um eine Entsendung i. S. des §
4 SGB IV bejahen zu können. Entgegen der Rechtsansicht des Landessozialgerichtes genüge hierfür ein bloßes Rumpfarbeitsverhältnis
nicht, das durch eine zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten getroffene, den ursprünglichen Arbeitsvertrag abändernde
Abrede über das Ruhen der Hauptpflichten auf Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt und das "automatische" Wiederaufleben
der Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Vertrag bei Beendigung des Auslandseinsatzes gekennzeichnet ist. Das Beschäftigungsverhältnis
müsse vielmehr in seinen wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Merkmalen während der Auslandstätigkeit fortbestehen und
damit hinreichend intensiv sein. Hierfür sei kennzeichnend zum einen das Weiterbestehen der Weisungsrechte des Arbeitgebers
als Nachweis der Eingliederung und weiterhin das Bestehen eines materiellen Entgeltanspruchs gegen den inländischen Arbeitgeber.
Die Formulierungen der zwischen dem Kläger und dem Zoo C-Stadt geschlossenen Freistellungsvereinbarung ließen nach der Schriftform
nur den Schluss auf eine Übereinkunft des gegenseitigen Ruhens der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen für den Zeitraum der
Auslandstätigkeit zu. Sofern das Landessozialgericht dem dort enthaltenen Vorbehalt die Bedeutung eines jederzeitiges Rückrufrechts
und deshalb einseitigen Leistungsbestimmungsrechts i. S. von §
315 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) beigemessen habe, könne dem in dieser Weite nicht gefolgt werden. Allein ein Rückrufvorbehalt, nach dem der Zeitraum des
vereinbarten Ruhens der vertraglichen Hauptpflichten abgekürzt und das inländische Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt
wiederaufleben könne, begründe das Bestehen eines inhaltlichen Direktionsrechts während der Freistellungsphase nicht. Das
Landessozialgericht habe daher zu prüfen, ob zusätzlich zum Inhalt der Freistellungsvereinbarung eine tatsächliche Praxis
mit weiterbestehenden Weisungsrechten des Zoos C-Stadt gegenüber dem Kläger auch zur Zeit des Aufenthaltes in Vietnam bestanden
habe. Hierzu werde es den Inhalt des Arbeitsvertrages vom 21. Mai 2008 festzustellen und zu klären haben, ob dieser überhaupt
abweichende Vereinbarungen ohne Einhaltung der Schriftform zuließ, weil die tatsächlichen Verhältnisse nur im Rahmen des rechtlich
zulässigen beachtlich seien. Wenn danach sowohl im Inland als auch im Ausland Merkmale vorhanden seien, die für eine abhängige
Beschäftigung sprechen würden, sei auf den Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses abzustellen. Wesentlich dafür sei,
wer letztlich Schuldner der Vergütung für die Tätigkeit des Klägers gewesen sei, wie und in welcher Höhe das Arbeitsentgelt
gezahlt wurde und ob der vietnamesische Nationalpark hier lediglich als Zahlstelle für den Zoo C-Stadt aufgetreten sei.
Der erkennende Senat hat nach der Zurückverweisung in einem Erörterungstermin am 16. Juli 2019 den Kläger persönlich angehört
bezüglich weiterbestehender Weisungsrechte des Zoos C-Stadt während seiner Tätigkeit in Vietnam im Jahr 2009. Auf die diesbezügliche
Niederschrift in der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Der Kläger hat dazu im Nachgang einen Halbjahresbericht über seine
Tätigkeit für den Zoo C-Stadt, eine Bescheinigung der Abschlussprüfung Sommer 2008, eine Bewerbung vom 15. Mai 2008 für einen
einjährigen Einsatz im D., einen Änderungsvertrag ohne Datum sowie eine Bescheinigung vom 28. Juli 2010 über die Umwandlung
des Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes zum 16. Juli 2010 vorgelegt. Der Senat hat zudem von dem Zoo C-Stadt Auskünfte
über Gehaltszahlungen für den Kläger im Jahr 2009 eingeholt (Auskunft von 2. August 2019 mit Anlagen). Der Buchungsbeleg für
den Buchungsbetrag von 12.000,00 EUR enthält den Buchungstext "Unterstützung E. 2009”. Zur Trägerschaft des D. hat der Senat
Auskünfte der Zoo L. GmbH vom 12. August 2019 und der Zoologischen Gesellschaft J-Stadt vom 23. Oktober 2019 eingeholt. Danach
war das D. in den Jahren 2009 bis 2013 eine Abteilung des E. Nationalparks und damit in staatlicher Trägerschaft des Ministry
of Agriculture und Rural Development, bevor es 2013 komplett in die eigene Trägerschaft der Zoo L. GmbH übernommen wurde.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, seine Arbeit in dem Projekt in Vietnam habe stets im Interesse des Zoos C-Stadt
gelegen, der u. a. durch die EU-Zoorichtlinie (1999/22/EG) zum Artenschutz verpflichtet gewesen sei. Für seine enge Verbindung
zum Zoo C-Stadt während des Auslandsaufenthaltes würde auch der interne Prozess vor dem Aufenthalt in Vietnam sprechen: Der
Zoo C-Stadt habe die Stelle als Headkeeper in Vietnam intern ausgeschrieben, der Kläger habe sich bei dem Zoo C-Stadt, seinem
Arbeitgeber, darauf beworben. Zwischen dem Zoo C-Stadt und dem Kläger sei das monatliche Gehalt von 1.000,00 EUR für die Dauer
des Einsatzes im Ausland ausgehandelt worden. Genau dieser Betrag sei ihm auch monatlich ausbezahlt worden. Er sei durch den
Zoo C-Stadt vor seinem Aufenthalt in Vietnam auf die Tätigkeit vor Ort vorbereitet worden. G. vom D. habe keinerlei Mitspracherecht
bei der Auswahl des Headkeepers für Vietnam gehabt. Die Auswahl habe einzig und allein dem Zoo C-Stadt oblegen. Während des
Aufenthaltes in Vietnam habe er immer Kontakt mit dem Zoo C-Stadt gehalten und diesem über seine Tätigkeit vor Ort berichtet.
Er habe in Vietnam auch Arbeitskleidung des Zoos C-Stadt mit dessen Logo getragen. Als Cheftierpfleger habe er seine Arbeit
in Vietnam sehr frei organisieren müssen. G., der vom J-Stadter Zoo zeitgleich in dem Projekt gearbeitet habe, sei nicht für
die Arbeit mit den Tieren verantwortlich gewesen. Dieser sei kein Tierpfleger und habe vor allem "Bürosachen" gemacht. Die
Exkursion an dem Unfalltag sei geplant gewesen, um zu erkunden, wo es eine passende Umgebung für die Auswilderung der Affen
aus dem Center gebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2010 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 10. November 2009 ein Arbeitsunfall
ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Kläger im maßgeblichen
Zeitraum in Vietnam für ein eigenständiges ausländisches Unternehmen (den E. Nationalpark) gearbeitet habe. Er sei in dieses
Unternehmen eingegliedert gewesen in der Eigenschaft eines vorgesetzten Cheftierpflegers. Übergeordneter Leiter des D. vor
Ort sei Herr G. vom Zoo J-Stadt gewesen, mit dem auch viele Angelegenheiten abgesprochen worden seien, die über den eigenständigen
Bereich des Cheftierpflegers hinausgegangen seien. Die hier gegebenen Umstände würden eindeutig gegen die tatsächliche Fortdauer
des Beschäftigungsverhältnisses zum Zoo C-Stadt während des Aufenthaltes des Klägers in Vietnam sprechen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2020. Hinsichtlich
des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstrand und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen, insbesondere hinsichtlich
des E-Mail-Verkehrs zwischen den Beteiligten, der dem Senat vorliegt, wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der
Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist erfolgreich. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist aufzuheben, er ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat nach Auffassung des Senats am 10. November 2009 in Vietnam einen Arbeitsunfall
erlitten.
Gemäß §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes,
von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv
und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 1/14 R - juris).
Die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall liegen hier vor. Der Kläger erlitt am 10. November 2009 einen Unfall, als er im
Rahmen einer Exkursion zum Auffinden geeigneter Futterpflanzen für laubfressende Affen aufgrund eines Steinschlages mit dem
linken Fuß eingeklemmt und verletzt wurde mit der Folge einer Teilamputation des linken Beines. Der Kläger gehörte zum Zeitpunkt
des Unfalls auch als Beschäftigter nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII zum Kreis der versicherten Personen. Durch seine Verrichtung vor dem Unfallereignis am 10. November 2009 hat er den gesetzlichen
Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt.
Das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung findet auf den Unfall, der sich auf dem Territorium eines ausländischen und
nicht zur EU gehörenden Staates ereignet hat, über §
4 SGB IV ("Ausstrahlung") Anwendung. Diese Vorschrift bestimmt in Erweiterung des §
3 SGB IV (Beschäftigung im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches), dass die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie
eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches bestehenden
Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der
Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Den Arbeitnehmern in der Sozialversicherung sollen
keine Nachteile entstehen, wenn sie im Ausland beschäftigt werden; daher sollen Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich
des Sozialgesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden,
ihren Versicherungsschutz nicht verlieren (Gesetzesbegründung zu Art. I §
4 des Entwurfs eines
SGB IV, BT-Drucksache 7/4122 S. 30).
Neben einer zeitlichen Befristung des Auslandeseinsatzes erfordern der Wortlaut ("im Voraus") sowie Sinn und Zweck (vgl. die
Gesetzesbegründung, a. a. O.), dass vor Beginn der Entsendung schon ein Beschäftigungsverhältnis zu dem entsendenden Arbeitgeber
im Inland bestanden hat und dass dieses nach Beendigung der Entsendung im Inland weitergeführt werden soll. Denn die Entsendung
muss im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Inland erfolgen. Fehlt es an diesem Rahmen, kann es nicht
zur Ausstrahlung kommen, da dann kein im Inland (schon) bestehender Versicherungsschutz zu erhalten ist (BSG, Urteile vom 10. August 1999 - B 2 U 30/98 R - juris Rn. 23 und vom 5. Dezember 2006 - B 11a AL 3/06 R - juris Rn. 17). Der für eine Auslandsbeschäftigung vorgesehene
Arbeitnehmer muss sich daher vor Aufnahme des Auslandseinsatzes auch im Inland befinden (BSG, Urteil vom 10. August 1999, a. a. O.).
Vorliegend ist der Rahmen eines schon bestehenden Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Der Auslandseinsatz des Klägers war
im Voraus vertraglich zeitlich begrenzt, nämlich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009. Der zu fordernde
"Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses" liegt vor. Schon vor Beginn seines Auslandseinsatzes im Januar 2009
bestand ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu dem Zoo C-Stadt, welches nach seiner Rückkehr im Inland weitergeführt
werden sollte. Nach § 1 des Arbeitsvertrages vom 21. Mai 2008 zwischen dem Zoo C-Stadt und dem Kläger wurde das Vertragsverhältnis
im Inland befristet für zwei Jahre für die Zeit nach Abschluss der Ausbildung des Klägers, "spätestens ab dem 01.08.2008",
bis zum 31. Juli 2010 geschlossen.
Voraussetzung für die Annahme einer Ausstrahlung ist zudem, dass das Beschäftigungsverhältnis zum inländischen Arbeitgeber
während der Zeit der Entsendung fortbestanden hat. Das ist hier der Fall. Auch während seines Aufenthaltes in Vietnam war
der Kläger beim Zoo C-Stadt beschäftigt.
Eine Beschäftigung wird in §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV allgemein bezeichnet als die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung
sind nach Satz 2 der Vorschrift eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Welche Merkmale gegeben sein müssen, um von einem während der Ausübung der Tätigkeit im Ausland mit dem inländischen Arbeitgeber
weiterbestehenden Beschäftigungsverhältnis ausgehen zu können, wird in §
4 SGB IV nicht näher beschrieben. In der Rechtsprechung des BSG wird sowohl in Fällen der Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Ausland in das Inland (Einstrahlung, §
5 SGB IV) als auch für die vorliegende Konstellation der Entsendung ins Ausland (Ausstrahlung, §
4 SGB IV) für die Zuordnung als maßgebend angesehen, ob der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses
im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches liegt. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer
organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt, wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses
erfüllt werden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (vgl. BSG, Urteil vom 5. Dezember 2006 - B 11a AL 3/06 R -juris Rn. 18 f., m. w. N.; vgl. auch das zurückverweisende Urteil des BSG vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 1/14 R - juris Rn. 16). Die Abwicklung der Entgeltzahlung ist dabei lediglich eines von mehreren Indizien; es kommt insbesondere
auch auf die faktische Ausgestaltung der Weisungsverhältnisse an. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder beendet wird,
bestimmt sich eigenständig und unabhängig von der Wirksamkeit und dem Inhalt privatrechtlicher Vereinbarungen nach den tatsächlichen
Verhältnissen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Dabei darf die Beziehung zur inländischen Beschäftigung
stets nur vorübergehend gelockert, nicht jedoch aufgehoben sein (vgl. Wietek in: LPK-
SGB IV, 1. Auflage 2007, §
4 Rn. 8 m. w. N.).
Nach den das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnissen lässt sich hier ein hinreichend intensives Beschäftigungsverhältnis
des Klägers zum Zoo C-Stadt während des Auslandseinsatzes ableiten. Der erkennende Senat stützt sich für diese Feststellung
auf seine nach der Zurückverweisung vorgenommenen Ermittlungen, insbesondere auf die nachvollziehbaren und glaubhaften Ausführungen
des Zeugen H., Referent für Artenschutz bei dem Zoo C-Stadt. Der Zeuge hat für den Senat zunächst nachvollziehbar dargelegt,
welches eigene Interesse der Zoo C-Stadt bezüglich der Arbeit eines Tierpflegers bei dem D. seit dem Jahr 2007 verfolgt hat
und bis heute verfolgt und warum ein intensiver Kontakt mit dem jeweiligen Tierpfleger in Vietnam von dem Zoo gehalten wurde.
Demnach hat der Zoo C-Stadt nicht einfach Personal als Unterstützungsleistung nach Vietnam geschickt, um bei dem Artenschutzprojekt
zu unterstützen und auszuhelfen. Vielmehr bestand das Interesse des Zoo C-Stadt an dem Einsatz von eigenem Personal darin,
beim D. hinsichtlich der Tierpflege westliche Standards einzuführen. Dazu sollten die einheimischen Tierpfleger von C-Stadter
Tierpflegern geschult werden, zumal es in Vietnam ansonsten keine Ausbildung für Tierpfleger gab. Das Personal, das der Zoo
C Stadt seit dem Jahr 2007 nach Vietnam geschickt hat, wurde - so der Zeuge - danach ausgesucht, ob es diese Ziele des Zoos
umsetzen konnte. Der Zeuge selbst hat sich regelmäßig einmal im Jahr persönlich über die Verhältnisse vor Ort informiert.
Auch im Jahr 2009 hat er sich in Vietnam angeschaut, wie es mit der Handaufzucht in der Affenstation läuft, und sich die Tagesabläufe
auf der Station erklären lassen. Dieses Interesse an der Einführung und Durchsetzung westlicher Standards stellt nach Auffassung
des Senats den generellen Rahmen dar, in dem sich die Tätigkeit des Klägers in Vietnam bewegen sollte und entsprechend dem
Willen beider Parteien auch bewegt hat.
Der Kontakt zwischen dem Zoo C-Stadt und dem jeweiligen nach Vietnam entsandten Tierpfleger war zudem auch deshalb intensiv,
weil der Zoo C-Stadt die Verantwortung hatte, dass es "seinem" Tierpfleger vor Ort gut ging. Nach Aussage des Zeugen H. war
er dafür verantwortlich, Unstimmigkeiten vor Ort für den jeweiligen Tierpfleger des Zoo C-Stadt zu regeln. Nach den übereinstimmenden
Angaben des Klägers und des Zeugen gab es nämlich regelmäßig (seit 2007) Streit wegen des Verhaltens der Ehefrau des Herrn
G.s, bei denen der Zeuge als Ansprechpartner für den jeweiligen Tierpfleger aus C-Stadt über Kontakt zu Herrn G. eingegriffen
hat und ggf. auch als letztes Mittel die Rückkehr des Tierpflegers veranlasst hätte. Dies nach dem Zeugen H. auch deshalb,
weil die Gefahr für den Zoo C-Stadt bestand, dass sich ansonsten für den nächsten Einsatz in Vietnam kein Tierpfleger mehr
finden würde. Der Zeuge hat zudem ausgeführt, dass die jeweils von dem Zoo C-Stadt in Vietnam eingesetzten Tierpfleger während
ihrer Zeit dort über die Umsetzung ihrer Arbeit berichtet hätten. An konkrete Berichte des Klägers kann sich der Zeuge zwar
nicht mehr erinnern. Der Kläger selbst hat indes einen Halbjahresbericht an den Zoo C-Stadt aus der Zeit seines Einsatzes
vorgelegt. Auch der dem Senat vorliegende E-Mail-Kontakt des Klägers (E-Mail vom 31. Oktober 2009) mit dem damaligen Senior
Kurator des Zoos C-Stadt, Herrn K., spricht dafür, dass der Kläger seinem inländischen Arbeitgeber über seine Arbeit vor Ort
berichtet hat.
Nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen H. hat der Kläger konkrete Weisungen für seine tägliche Arbeit
vor Ort in der Affenstation von dem Zoo C-Stadt nicht erhalten. Dies steht jedoch der Annahme, dass der Kläger für den Zoo
C-Stadt während des Auslandeseinsatzes tätig war, nicht entgegen. Nach der Aussage des Zeugen war das D. so organisiert, dass
es drei Arbeitsbereiche bzw. unterschiedliche Abteilungen mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten gab. Herr G. hielt für
das Projekt die Kontakte nach außen und war dafür da, Geld für das Projekt anzuwerben. Ein lokaler Beschäftigter, Herr L.,
war für die technischen Arbeiten zuständig (z. B. Wartung der Tierkäfige). "Unser C-Stadter Cheftierpfleger" - so der Zeuge
- war indessen für die Pflege der Tiere verantwortlich und hatte dafür 25 lokale Tierpfleger unter sich. Der Zeuge bestätigt
damit die eigenen Angaben des Klägers, dass er vor Ort alleine die Fachkompetenz im Bereich der Tierpflege besaß, als Headkeeper
die lokalen Tierpfleger eingesetzt und unterwiesen hat und insgesamt in der Affen-Auffangstation eigenverantwortlich agieren
musste. Insgesamt ist die Tätigkeit in Vietnam nach den Angaben des Zeugen H., vor allem in der Zeit, als der Kläger dort
eingesetzt war, viel anspruchsvoller gewesen als die Tätigkeit eines Tierpflegers im Zoo C-Stadt. Das galt auch für die Arbeitsbedingungen,
die nicht den westlichen Standards entsprochen haben. Teilweise war Tag- und Nachtbetreuung der Tiere erforderlich. Freie
Tage mussten eingefordert bzw. selbst organisiert und für eine Vertretung durch einen anderen Keeper gesorgt werden. Die Tatsache,
dass der Zoo C Stadt nicht wegen täglicher Arbeitsanweisungen mit dem Kläger in Kontakt stand, steht unter diesen Umständen
der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen. Auch für Beschäftigungen im Inland gilt, dass eine nach der Art der geschuldeten
Tätigkeit gebotene fachlich-inhaltliche Eigenverantwortlichkeit und das Fehlen konkreter Weisungen (z. B. bei Arbeiten oder
Diensten höherer Art) nicht gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spricht (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R - juris Rn.16 m. w. N.; Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl., §
7 Abs.
1 SGB IV (Stand: 08.04.2019), Rn. 77 ff.). Dies muss nach dem Schutzzweck des §
4 SGB IV aber auch für den in das Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten.
Der Annahme des Fortbestandes der inländischen Beschäftigung steht auch die Beziehung des Klägers zum D. bzw. zu dessen Projektleiter
G. nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob auch diese Beziehung als Beschäftigungsverhältnis (Volontariat) zwischen dem D.,
seinerzeit in staatlicher Trägerschaft des Ministery of Agriculture and Rural Development, Vietnam Forest Protection Department,
und dem Kläger zu bewerten ist (vgl. zur Möglichkeit parallel bestehender Beschäftigungsverhältnisse BSG, Urteile vom 17. Dezember 2015, a. a. O. Rn. 16 und vom 23. April 2015 - B 2 U 5/14 R - juris Rn. 13). Jedenfalls lag hier nicht der Schwerpunkt der Beschäftigung des Klägers. Der Senat geht dabei davon aus,
dass die Arbeit in dem Projekt vor Ort naturgemäß Abstimmungen zwischen dem Projektleiter G. und dem Kläger erfordert hat,
wie z. B. bei der Durchführung von Exkursionen oder der Renovierung von Schutzhütten, wie es der Kläger bei seiner persönlichen
Anhörung angegeben hat. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers selbst sowie des Zeugen H. hatte der Projektleiter G., der
auch kein ausgebildeter Tierpfleger ist, dem Kläger indes nicht reinzureden in die tägliche Arbeit mit den Tieren auf der
Station. Das galt insbesondere auch für die Ehefrau und Assistentin des Projektleiters. Gerade in den Fällen, in denen diesbezügliche
"Übergriffe" stattfanden, hat sich der Zoo C-Stadt durch den Zeugen für "seinen" Tierpfleger eingeschaltet. Glaubhaft hat
der Kläger in diesem Zusammenhang berichtet, dass auch seine Einarbeitung zu Beginn seiner Tätigkeit in Vietnam nicht durch
den Projektleiter G. erfolgt ist, sondern durch seine Vorgängerin in der Cheftierpflege, eine Amerikanerin.
Für ein Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers zu dem Zoo C-Stadt auch während des Aufenthaltes in Vietnam
sprechen auch die Modalitäten seiner Bezahlung. Sein Arbeitsentgeltanspruch richtete sich auch während des Auslandseinsatzes
weiter gegen den Zoo C-Stadt und wurde von diesem erfüllt. Für diese Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die
Aussage des Zeugen H ... Demnach war der Zoo C-Stadt auch während des Vietnameinsatzes des Klägers für die Erfüllung des Entgeltanspruchs
des Klägers verantwortlich. Dazu wurden 12.000,00 EUR zur Bezahlung des Klägers an ein Projektkonto des Projektleiters G.
in M-Stadt überwiesen. Dieses Geld war nach dem Zeugen H. ausschließlich vorgesehen als Gehalt für "unseren eingesetzten Tierpfleger".
Die konkrete Abwicklung der Auszahlung an den Kläger sei zwar nicht von dem Zoo C-Stadt vorgegeben worden. Aber - so der Zeuge
- "wir werden dafür gesorgt haben, dass die Gehaltsauszahlung korrekt abgelaufen ist". Die Angaben des Zeugen stehen im Einklang
mit der Vereinbarung des Zoo C-Stadt und dem D. von Januar 2009 bezüglich der Modalitäten des Einsatzes des Klägers, wo es
unter Ziff. 3 heißt, "Mit dem o.g. Beitrag soll die Stelle eines C-Stadter Tierpflegers finanziert werden, der die Arbeit
der Station unterstützt und einheimische Pfleger schulen kann. Das D. ist für die korrekte Abwicklung der Bezahlung des Pflegers
verantwortlich". Im Einklang mit den Angaben des Zeugen steht auch der dem Senat vorliegende E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger
und dem Zeugen. In seiner E-Mail an den Kläger vom 5. Juli 2010 teilt der Zeuge mit "Die korrekte Bezahlung unserer Pfleger
im D. ist für uns eine Voraussetzung, dass wir die Stelle dort auch in Zukunft unterstützen können ". Der Kläger hat für den
Senat bei seiner Anhörung am 16. Juli 2019 glaubhaft und im Einklang mit den Angaben des Zeugen H. dargelegt, dass ihm 1.000,00
EUR pro Monat zustanden, die ihm auf ein eigenes Konto von dem Projektkonto überwiesen wurden. Er habe in Vietnam gar nichts
ausgeben können, habe das meiste Geld gespart, Pauschalen z. B. für Essen und Waschmaschinenbenutzung habe er mit Herrn G.
abgerechnet. Die E-Mail des Zeugen H. vom 5. Juli 2010, die eine E-Mail des Herrn G. mit einer Gehaltsendabrechnung enthält,
bestätigt den Vortrag des Klägers.
Das jederzeitige Rückrufrecht des Klägers durch den Zoo C-Stadt ist weiteres Indiz für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses
zum inländischen Arbeitgeber während des Auslandseinsatzes, ebenso wie die vom Kläger angegebene und vom Zeugen H. bestätigte
Tatsache, dass er in Vietnam (anders als die lokalen Tierpfleger) die Dienstkleidung des Zoo C-Stadt getragen hat.
Die faktisch gelebten Verhältnisse, wonach der Kläger auch in Vietnam fremdbestimmt für seinen inländischen Arbeitgeber tätig
geworden ist, was auch dem Willen beider Parteien entsprach, sind hier rechtlich beachtlich. Nach der zwischen dem Zoo C-Stadt
und dem Kläger am 11. Dezember 2008 geschlossenen Freistellungsvereinbarung sollten Arbeitsverhältnis und Entgeltanspruch
entgegen den faktischen Verhältnissen zwar ruhen. Diese Vereinbarung enthält in § 4, ebenso wie § 8 des am 21. Mai 2008 geschlossenen
Arbeitsvertrages zudem eine sog. doppelte Schriftformklausel, d. h., dass auch ein Abweichen von der Schriftformklausel der
Schriftform bedarf. Diese Regelungen sind jedoch hier gegenüber den faktischen Verhältnissen nachrangig. Nach §
305b Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dieses Prinzip der Verdrängung der
AGB durch die Individualabrede gilt auch gegenüber (wirksamen) Schriftformklauseln (BAG, Urteil vom 20. Mai 2008 - 9 AZR 382/07 - juris Rn. 27 m. w. N.). AGB sind nach §
305 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen
Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) sind Vertragsbedingungen
für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn diese zum Zwecke der Mehrfachverwendung vorformuliert sind.
Dieser Zweck lässt sich nach dem BAG dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen entnehmen
und kann der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation
abgestimmt ist (BAG, Urteil vom 20. Mai 2008, a. a. O., Rn. 25 f.). In diesem Sinne sind der zwischen dem Zoo C-Stadt und
dem Kläger geschlossene Arbeitsvertrag sowie die Freistellungsvereinbarung nach Auffassung des Senats als AGB zu werten, da
sie den äußeren Anschein der Mehrfachverwendung erwecken. Der Arbeitsvertrag enthält zahlreiche formelhafte Klauseln (§§ 2
ff. bis zu den Schlussbestimmungen in § 8), ebenso die Freistellungsvereinbarung (vgl. die §§ 4 und 5 von insgesamt fünf Paragraphen).
Für eine Mehrfachverwendung spricht auch, dass der Zoo C-Stadt in der Tat seit 2007 regelmäßig Tierpfleger nach Vietnam geschickt
hat. Es kann dahinstehen, ob doppelte Schriftformklauseln in AGB schlechthin gem. §
307 BGB unwirksam sind (BAG, Urteil vom 20. Mai 2008, a. a. O., Rn. 33). Jedenfalls sind hier die faktischen Verhältnisse und Abreden
zwischen dem Zoo C-Stadt und dem Kläger während des Aufenthaltes des Klägers in Vietnam maßgeblich und für die Beurteilung
des Beschäftigungsverhältnisses rechtlich beachtlich.
Zum Zeitpunkt des Unfalls hat der Kläger seine Beschäftigung für den Zoo C-Stadt auch ausgeübt. Die Verrichtung des Klägers
unmittelbar vor dem Unfallereignis steht in sachlichem Zusammenhang zu diesem Beschäftigungsverhältnis. Eine Beschäftigung
im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII wird ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende
Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete
Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen
seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmerbezogene
Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 17. September 2013, a. a. O., Rn. 30 m. w. N.). Die objektivierte Handlungstendenz des Klägers war im Zeitpunkt
des Unfalls darauf gerichtet, im Interesse seines inländischen Arbeitgebers tätig zu werden. Er hat zum Zeitpunkt des Unfalls
keine eigenen bzw. keine eigenwirtschaftlichen Interessen verfolgt. Nach den Angaben des Zeugen H. war und ist Ziel des Projekts
in Vietnam die Auswilderung der bedrohten Affenarten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es nach dem Zeugen einer sog. Habitats-analyse,
d. h., dass Regionen für die Tiere gesucht werden, die das entsprechende Futter bieten und die zudem nicht von Wilderern bedroht
sind. Glaubhaft hat der Kläger dazu angegeben, dass er am Unfalltag genau zu diesem Zwecke die Exkursion mit einem anderen
Tierpfleger unternommen hat und beim Erkunden einer solchen Region verunfallt ist. Die Tatsache, dass der Zoo C-Stadt nicht
speziell Tierpfleger für diese Aufgabe eingesetzt hat, sondern auch andere Personen (z. B. Studenten) oder dass auch der Projektleiter
G. solche Exkursionen vorgenommen hat, ist nicht von Relevanz. Jedenfalls wollte der Kläger am Unfalltag sich einen persönlichen
Eindruck über geeignete Regionen zur Auswilderung der Affen verschaffen, weil dies im Interesse seines inländischen Arbeitgebers
war.