Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach
dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII gehörte.
Der 1934 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1997 Pfarrer im Ruhestand bei der Evangelischen Kirche in X. (EKX). Er war zuvor
bei der evangelisch-lutherischen Y gemeinde in A-Stadt tätig. Gegenüber dieser Gemeinde erklärte er sich vertretungsweise
bereit, am 10. April 2009 den Karfreitags-Gottesdienst zu gestalten und durchzuführen. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes
stürzte der Kläger auf der Treppe zur Orgelempore und brach sich das linke Bein. Der Kläger wurde noch am gleichen Tag operiert
und anschließend stationär und ambulant behandelt.
Nachdem die EKX den Unfall bei der Beklagten angezeigt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2009 Entschädigungsleistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 10. April 2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass
der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht zum versicherten Personenkreis nach §
2 SGB VII gehört habe. Pfarrer seien nach §
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII als Personen, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgepflichten gelten, versicherungsfrei und somit nicht in der gesetzlichen
Unfallversicherung versichert. Der Kläger sei daher zum Unfallzeitpunkt nicht wie ein Beschäftigter nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII, sondern wie eine versicherungsfreie Personen nach §
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII tätig geworden. Es habe sich somit bei dem Ereignis vom 10. April 2009 nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen
Unfallversicherung gehandelt.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 16. Juli 2009 Widerspruch ein, welchen er damit begründete, dass er Pfarrer auf Lebenszeit
sei und damit die vollen Ordinationsrechte auch nach der Pensionierung unverändert weiter innehabe. Er sei deshalb wie ein
Beschäftigter tätig geworden. Er fügte ein Schreiben der Y-gemeinde vom 20. Juli 2009 bei, worin diese mitteilte, dass die
Gemeinde in Zeiten von Vakanzen und Personalabbau auch auf die Mitarbeit von Pfarrern und Pfarrerinnen im Ruhestand angewiesen
sei. Der Kläger habe auch im Auftrag und für die Gemeinde gehandelt und hierfür keinerlei Honorar oder Vergütung erhalten.
Der Kläger als Pfarrer im Ruhestand sei auch nicht verpflichtbar gewesen, Gottesdienste für andere Pfarrer zu übernehmen,
so dass die Übernahme des Gottesdienstes als ehrenamtliche Tätigkeit zu werten sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, da der
Kläger als Pfarrer im Ruhestand grundsätzlich nicht zu dem in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreis
gehöre. Erleide ein Pfarrer, auch wenn er sich bereits im Ruhestand befinde, bei Ausübung seiner Tätigkeit einen Unfall, handele
es sich um einen Dienstunfall, welcher vom Dienstherrn im Rahmen der beamtenrechtlichen Versorgung abzuwickeln sei. Eine Entschädigung
durch die gesetzliche Unfallversicherung sei ausgeschlossen. Die Übernahme eines Gottesdienstes durch einen Pfarrer im Ruhestand
könne auch nicht als ehrenamtliche Tätigkeit für eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gewertet werden, selbst
wenn die Übernahme auf freiwilliger Basis und ohne Vergütungsanspruch erfolge. Dies ergebe sich schon daraus, dass ein Pfarrer
auch im Ruhestand die vollen Ordinationsrechte behalte.
Hiergegen hat der Kläger am 7. Dezember 2009 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei
vorliegend als versicherungsfreie Person im Sinne des §
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII tätig gewesen, so dass eine Einstandspflicht der Beklagten nicht vorliege. Er habe am 10. April 2009 einen Dienstunfall im
Sinne von § 29 Abs. 2 S. 2 des Kirchengesetzes über die Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer - Pfarrerdienstgesetz
- (PfDG) erlitten, wonach sich die Unfallfürsorge bei Dienstunfällen nach den für Bundesbeamte geltenden Vorschriften richte.
Ein Dienstunfall setze voraus, dass der Unfall bei Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Gemäß § 45 Abs. 1 PfDG ende mit
Beginn des Ruhestandes zwar die Verpflichtung des Pfarrers zur Dienstleistung, nach Abs. 2 der Vorschrift bestehe das Dienstverhältnis
im Übrigen jedoch weiter. Der Pfarrer behalte die mit der Ordination erworbenen Rechte und auch das kirchliche Disziplinarrecht
finde weiter Anwendung. Zu den mit der Ordination erworbenen Rechten gehört dabei nach § 62 Abs. 1 PfDG das Recht zur öffentlichen
Wortverkündung, zur Verwaltung der Sakramente und zur Vornahme von Amtshandlungen sowie das Recht, eine kirchliche Amtsbezeichnung
zu führen und die Amtskleidung eines Pfarrers zu tragen. Im Ergebnis bedeute dies, dass der Pfarrer mit der Versetzung in
den Ruhestand zwar nicht mehr verpflichtet werden könne, Dienstleistungen zu erbringen, er diese jedoch aufgrund der Beibehaltung
der Ordinationsrechte im Namen der Kirche weiter erbringen könne. Anders als bei Beamten, bei welchen mit Eintritt in den
Ruhestand das Beamtenverhältnis ende und welche im Ruhestand auch nicht mehr berechtigt seien, Dienste zu erbringen, und dementsprechend
auch keinen Anspruch auf beamtenrechtliche Unfallfürsorge hätten, bestehe bei einem Pfarrer in der EKX das Dienstverhältnis
fort. Wenn aber das Dienstverhältnis auch im Ruhestand bestehe und der Pfarrer weiter das Recht behalte, im Namen der Kirche
Amtshandlungen auszuführen, so müsse auch spiegelbildlich die Fürsorgepflicht des Dienstherrn weiter gelten. Hierfür spreche
auch, dass die EKX auch gegenüber Pfarrern im Ruhestand disziplinarrechtlich vorgehen könne. Wenn daher der Pfarrer freiwillig
im Ruhestand eine Amtshandlung beziehungsweise wie vorliegend die Abhaltung eines Gottesdienstes vornehme, handele er im Rahmen
des weiterbestehenden Dienstverhältnisses mit der EKX - mit allen Rechten (z.B. Unfallfürsorge) und Pflichten (Disziplinarrecht).
Eine versicherungspflichtige Tätigkeit ergebe sich auch nicht aus §
2 Abs.
1 Nr.
10 b)
SGB VII, wonach u. a. kraft Gesetzes Personen versichert seien, die für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen
ehrenamtlich tätig seien. Zwar habe der Kläger für die Übernahme des Karfreitag-Gottesdienstes vorliegend kein Entgelt bekommen,
dies allein genügt jedoch nicht, die Tätigkeit als ehrenamtliche zu qualifizieren. Mit der Neufassung der Norm habe der Entwicklung
Rechnung getragen werden sollen, dass bislang von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften selbst wahrgenommene Aufgaben
vermehrt durch bürgerschaftlich Engagierte unentgeltlich erfüllt würden. Bereits nach dem Sinn und Zweck der Norm falle der
Kläger als Pfarrer im Ruhestand der Religionsgemeinschaft somit nicht unter diese Vorschrift, da bei einer Ausführung der
Aufgabe durch ihn die Religionsgemeinschaft selbst die Aufgabe erfülle. Im Ergebnis vorrangig sei aber, dass für den Kläger
infolge des erlittenen Unfalls beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften gälten und er deshalb unter §
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII falle.
Gegen dieses seiner Prozessbevollmächtigten am 27. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2010 Berufung
bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er mit der Versetzung in den Ruhestand gegenüber der EKX keinerlei dienstlichen Verpflichtungen
mehr unterliege. Er unterliege auch nicht mehr dem Weisungsrecht des ehemaligen Dienstherrn. §
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII stelle zudem nur solche Personen versicherungsfrei, für die die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende
Grundsätze gelten würden. Dies sei bei Ruhestandsbeamten jedoch gerade nicht mehr der Fall, da sie nicht mehr im Dienst seien
und somit auch keine Dienstunfälle erleiden könnten. Zwar habe der Kläger nach wie vor alle Ordinationsrechte und damit die
Möglichkeit, Gottesdienste abzuhalten; verpflichtet sei er hierzu jedoch nicht. Da er am Unfalltag freiwillig und ohne hierfür
eine finanzielle Entschädigung zu erhalten einen Gottesdienst gehalten habe, sei er ehrenamtlich tätig geworden. Er falle
daher unter §
2 Nr. 10 b)
SGB VII. Für das Dienstverhältnis des Klägers sei zudem das PfDG maßgebend, wonach sich gemäß § 29 Abs. 2 die Unfallfürsorge bei
Dienstunfällen nach den für Bundesbeamte geltenden Vorschriften regle. Der Kläger sei jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls bereits
im Ruhestand und nur freiwillig und ohne Vergütung tätig gewesen, so dass er nicht unter §
31 Beamtenversorgungsgesetz -
BeamtVG - falle.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts vom 10. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12. November 2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei seinem Unfall vom 10. April 2009
um einen Arbeitsunfall im Sinne des
SGB VII handelt,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2010 (Beklagte) bzw. vom 16. Dezember 2010 (Kläger) mit einer Entscheidung
durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie
der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Hinsichtlich der Beendigung des Dienstverhältnisses trifft das PfDG eine gegenüber dem Bundesbeamtengesetz (BBG) abweichende Regelung. Während nach § 30 BBG das Beamtenverhältnis durch Entlassung (Nr.1), Verlust der Beamtenrechte (Nr. 2), Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach
dem Bundesdisziplinargesetz (Nr. 3) oder eben durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (Nr. 4) beendet wird, endet das Dienstverhältnis der Pfarrerinnen
und Pfarrer nach § 54 Abs. 1 PfDG außer mit dem Tod durch Entlassung (a), Ausscheiden (b) oder Entfernung (c) aus dem Dienst.
Die Versetzung in den Ruhestand stellt insoweit auch kein "Ausscheiden aus dem Dienst" i.S.v. § 54 Abs. 1 b) PfDG dar; ein
solches Ausscheiden folgt gemäß § 56 Abs. 1 PfDG dem Kirchenaustritt oder dem Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft
(a), der Aufgabe des Dienstes mit der Absicht, diesen nicht wieder aufzunehmen (b), dem Verzicht auf die durch die Ordination
erworbenen Rechte (c) oder einem Verhalten nach § 17 b Abs. 2 Satz 2 PfDG (d) im Falle unterlassener Bewerbung oder Nichtübernahme
einer angebotenen Dienststelle. Die Versetzung in den Ruhestand ist dagegen nicht nur in § 54 Abs. 1 PfDG nicht als Beendigungskriterium
des Dienstverhältnisses aufgeführt, sondern das Dienstverhältnis des Pfarrers besteht mit Eintritt des Ruhestandes gemäß §
45 Abs. 2 PfDG unter Beibehaltung aller mit der Ordination erworbenen Rechte und der Fortsetzung der Anwendung des kirchlichen
Disziplinarrechts ausdrücklich fort. Lediglich die Verpflichtung zur Dienstleistung entfällt (§ 45 Abs. 1 PfDG).
Damit findet aber auch die außerhalb der Verpflichtung zur Dienstleistung weiterhin regelmäßige oder gelegentliche Ausübung
des Dienstes im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses statt. Durch die Ausübung des Amtes nach Eintritt des Ruhestandes
wird diese damit keinesfalls eine ehrenamtliche, außerhalb des Dienstverhältnisses stehende Tätigkeit. Hierfür spricht auch,
dass die ehrenamtliche Beauftragung von nicht im Dienstverhältnis Stehenden ausdrücklich im "Kirchengesetz über die Beauftragung
von anstellungsfähigen Theologinnen oder Theologen und über die Ordination zur Pfarrerin oder zum Pfarrer im Ehrenamt" geregelt
ist. Für die Beauftragung im Dienstverhältnis stehender Pfarrerinnen und Pfarrer braucht es naturgemäß keine entsprechenden
Regelungen, da die Tätigkeit jeweils im Rahmen des bestehenden Dienstverhältnisses ausgeübt wird. Damit handelt es sich -
wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - auch bei einem Unfall eines im Ruhestand befindlichen Pfarrers, den dieser
in Ausübung seines Dienstverhältnisses erleidet, um einen Dienstunfall nach § 29 Abs. 2 Satz 2 PfDG.