Abgrenzung der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII; Kein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bei Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II; Entscheidungszuständigkeit über Leistungsgewährung zum verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums
Gründe:
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen der Hilfe zum
Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (SGB XII), hilfsweise nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) für die Zeit vom 18. November 2014 bis 31. März 2015.
Der 1961 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Nach seinen eigenen Angaben in der im November 2014 vorgelegten
eidesstattlichen Versicherung kam er nach einem dreijährigen Aufenthalt in Belgien, wo er keine Arbeit finden konnte, im November
2011 nach Deutschland. Auch hier ist seine Arbeitsuche bisher erfolglos geblieben. Der Antragsteller ist arbeitsuchend gemeldet.
Er ist ohne festen Wohnsitz, hält sich im B-Viertel in B-Stadt auf und lebt von Pfandflaschensammeln und Betteln. Kosten für
einen Deutschkurs kann er nach eigenen Angaben nicht aufbringen. Das beigeladene Jobcenter B-Stadt lehnte den zunächst gestellten
Antrag auf Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 unter Hinweis auf den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2014 zurück. Gegen die ablehnenden
Bescheide des Beigeladenen ist eine Klage unter dem Az. S 32 AS 1700/14 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main anhängig. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Beigeladenen blieb
erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2014 - Az. S 32 AS 1911/14 ER).
Am 5. Januar 2015 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB XII und dem
AsylbLG. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Januar 2015 ab. Hiergegen hat der Antragsteller am 8. Januar 2015
Widerspruch erhoben. Am 9. Januar 2015 hat er Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main
(SG) gestellt, mit dem er vorläufige Leistungen nach dem SGB XII, hilfsweise nach dem
AsylbLG, geltend machte.
Mit Beschluss vom 5. Februar 2015 hat das SG das Jobcenter B-Stadt beigeladen und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum vom 18.
November 2014 bis 31. März 2015 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller
einen Anspruch auf Sicherung seines soziokulturellen Existenzminimums gegen den Staat habe, solange er in Deutschland lebe
und noch nicht tatsächlich ausgereist oder abgeschoben sei. Es könne im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unentschieden
bleiben, ob für diesen Anspruch die Antragsgegnerin oder der Beigeladene zuständig sei. Dies könne im Hauptsacheverfahren
geklärt werden mit eventuellen gegenseitigen Erstattungsansprüchen nach §§ 100 ff SGB X.
Gegen den ihr am 6. Februar 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 24. Februar 2015 Beschwerde zum Hessischen
Landessozialgericht (HLSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe sich allein zum
Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland begeben. Damit sei der Ausschlusstatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII erfüllt. Das Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Es bestehe auch deshalb kein Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB XII, weil der Antragsteller erwerbsfähig und damit dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II (§ 21 SGB XII) sei.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Februar 2015 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin
im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII, hilfsweise nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren, abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen, hilfsweise, den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
dem Antragsteller ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beigeladene beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und den Antrag des Antragstellers, hilfsweise den Beigeladenen im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, abzulehnen.
Zur Begründung hat der Antragsteller über seine Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass ihm seiner Auffassung nach Leistungen
nach dem SGB II zustünden. Der EuGH habe in der Dano-Entscheidung (Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13) zwar ausgeführt, dass es sich bei den SGB II-Leistungen um Sozialleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 handele, dazu, ob der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine zulässige Umsetzung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 darstelle, habe sich der EuGH jedoch nicht geäußert. Diese Rechtsfrage sei Gegenstand der aufgrund des Vorlagebeschlusses
des BSG vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R bei dem EuGH anhängigen Rechtssache Alimanovic, C-67/14. Selbst wenn der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hätte, ihm also nur die Freizügigkeitsvermutung zugute
käme, wäre er nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen des SGB XII ausgeschlossen. Sofern der 7. Senat des HLSG im Beschluss vom 11. Dezember 2014 - L 7 AS 528/14 B ER die Auffassung vertrete, dass bei wirtschaftlich inaktiven, also nicht arbeitsuchenden Unionsbürgern § 7 Abs. 1 SGB XII um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts zu erweitern sei, widerspreche dies der
Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R). Aufgrund der beim BSG anhängigen Revisionsverfahren B 14 AS 33/14 R und B 14 AS 18/14 R zur Frage der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht sei der Ausgang des Hauptsacheverfahrens völlig offen. Im Übrigen werde
auf die Ausführungen in den Beschlüssen des 6. Senats des HLSG vom 7. Januar 2015 - L 6 AS 815/14 B ER und vom 5. Februar 2015 - L 6 AS 883/14 B ER verwiesen. Schließe man sich hingegen der Rechtsauffassung des 7. Senats des HLSG an, wonach der Leistungsausschluss
gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform sei, habe die Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Diese seien nicht nach § 21 SGB XII ausgeschlossen (Hinweis auf LSG Hamburg, Beschluss vom 1. Dezember 2014 - L 4 AS 444/14 B ER). Selbst bei einem Anspruchsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB XII müssten in verfassungskonformer Auslegung die Gewährung von Sozialhilfe als Ermessensleistung geprüft und zumindest unabweisbare
Leistungen gewährt werden (Hinweis auf SG Bremen, Beschluss vom 15. April 2014 - S 33 SO 78/14 ER).
Nach Auffassung des Beigeladenen hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 2. März 2015 den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus
dem erstinstanzlichen Beschluss vom 5. Februar 2015 zurückgewiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen ist.
II.
Die gemäß §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet, weshalb der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom
24. Februar 2015 aufzuheben war.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG). Nach §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII glaubhaft gemacht.
Gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten können.
Vorliegend greift jedoch bereits der Leistungsausschluss des § 21 SGB XII. Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind,
keine Leistungen für den Lebensunterhalt.
Der Antragsteller ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Er hat die personenbezogenen Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht. Er ist erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 SGB II), hat die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt - seit 2011 - in Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Ferner hat er durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung im November 2014 glaubhaft gemacht, dass er hilfebedürftig
im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz Nr. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 SGB II ist.
Zur Überzeugung des erkennenden Senats kann jedenfalls ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, selbst wenn er vorläge, nicht zu der Annahme führen, dass der Antragsteller nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach
dem SGB II ist. Vielmehr ist auch in diesen Fällen von einem Leistungsausschluss nach § 21 Satz 1 SGB XII auszugehen (ebenso Adolph, Kommentar zum SGB II, SGB XII und AsylblG, Stand: 5/15, Rn. 12 zu § 21 SGB XII; Thie in: LPK-SGB XII, 9. Auflage, Rn. 5, 7 zu § 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Juris Rn. 65; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. August 2013 - L 13 AS 203/13 B ER, Juris Rn. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2012 - L 20 AS 1322/12 B ER, Juris Rn. 43; a. A. Eicher in: Schlegel/Voelzke, JurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 24 Februar 2015, Rn. 35 zu § 21; Grube in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zu SGB XII, 5. Auflage, Rn. 5 zu § 21; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2014, L 8 SO 129/14 B ER, Juris Rn. 14 ff m. w. N.; LSG Hamburg, Beschluss
vom 14. Januar 2014 - L 4 AS 444/14 B ER, Juris Rn. 15 ff m. w. N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. November 2013 - L 19 AS 578/13 B ER). Der Senat konnte daher dahingestellt lassen, ob die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im vorliegenden Fall vorliegen.
Die Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII stehen hinsichtlich ihrer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis. Vielmehr
handelt es sich nach ihrem persönlichen Anwendungsbereich um gleichrangig und selbständig nebeneinander stehende Existenzsicherungssysteme,
die sich insoweit grundsätzlich gegenseitig ausschließen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 14 AS 90/12 R, Juris Rn. 50; BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 4/08 R - BSGE 103, 178 ff, Juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff, Juris Rn. 19). § 21 Satz 1 SGB XII dient - korrespondierend mit § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II - dieser grundsätzlichen Systemabgrenzung zwischen SGB II und SGB XII im Bereich der Leistungen für den Lebensunterhalt. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass tatsächlich Leistungen des anderen
Sozialleistungsträgers bezogen werden. Vielmehr wird an die Eigenschaft als Erwerbsfähiger oder die Zugehörigkeit zu einer
Bedarfsgemeinschaft angeknüpft (§ 7 Abs. 2 SGB II). Der Begriff der Erwerbsfähigkeit bildet das wesentliche Abgrenzungskriterium, weil es sich bei dem SGB II nach seiner Grundkonzeption um ein erwerbszentriertes Grundsicherungssystem handelt, das darauf ausgerichtet ist, den Leistungsberechtigten
dadurch von Leistungen der Grundsicherung unabhängig zu machen, dass er in den Arbeitsmarkt eingegliedert wird (vgl. Voelzke
in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Rn. 31 zu § 21 unter Hinweis auf BSG vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R = SozR 4-1100 Art. 1 Nr. 7, Juris Rn. 39). Für die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung des § 21 Satz 1 SGB XII sprechen auch die Gesetzgebungsmaterialien zum Erlass des SGB XII, wonach § 21 Satz 1 SGB XII zur Vermeidung von Schnittstellen "an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen"
anknüpft (BT-Drs. 15/1514, S. 57 zu § 21). Dem SGB XII kommt im Bereich der Leistungen für den Lebensunterhalt im Verhältnis zum SGB II keine Auffangfunktion zu (so auch Thie in: LPK-SGB XII, Rn. 6 zu § 21 SGB XII unter Hinweis auf BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R).
Dieser Einschätzung steht auch nicht die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen, wonach Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus
dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Hieraus kann nicht
der Schluss gezogen werden, dass es dieser Regelung nicht bedurft hätte, wenn die Erwerbsfähigkeit von Ausländern Ansprüchen
auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII grundsätzlich entgegenstünde (so jedoch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2014 - L 8 SO 129/14 B ER, Juris
Rn. 16; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2014 - L 4 AS 444/14 B ER, Juris Rn. 15). § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist auch nach der hier vertretenen Auffassung notwendig und sinnvoll, denn damit werden ausnahmsweise bestehende Ansprüche
Erwerbsfähiger auf Leistungen nach dem SGB XII wie z. B. nach § 21 Satz 2 SGB XII ausgeschlossen.
Dem SGB XII kommt somit keine generelle Auffangfunktion für eine Mindestsicherung bzw. einen Anspruch auf die nach den Umständen des
Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu. Selbst wenn man in Fällen eines fehlenden Aufenthaltsrechts den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Wege der erweiternden Auslegung oder analog anwenden wollte, bliebe daher die Entscheidungszuständigkeit für die Frage,
ob und in welchem Umfang diesem Personenkreis Leistungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zum verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010,
1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 und 18. Juli 2012- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2711) zustehen, folgerichtig bei dem für die Leistungen nach dem SGB II zuständigen Leistungsträger, solange der Antragsteller nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist und damit unter den Tatbestand
des §
1 Nr. 5
AsylbLG fällt. § 21 Satz 1 SGB XII steht daher einem Anspruch auf Mindestsicherung bzw. einem Anspruch auf die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar
gebotenen Leistungen im Rahmen des SGB XII entgegen (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Juris Rn. 66), weil die Existenzsicherungssysteme des SGB II und SGB XII hinsichtlich der Leistungen für den Lebensunterhalt nach ihrem personellen Anwendungsbereich nebeneinander bestehen.
Ebenso wenig ist ein Anordnungsanspruch auf Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz glaubhaft gemacht, da der Antragsteller bereits nicht zum Personenkreis der Leistungsberechtigten zählt (§
1 AsylbLG). Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig im Sinne des
§
1 Nr. 5
AsylbLG ist.
Soweit der Antragsteller erstmals im Beschwerdeverfahren hilfsweise Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist das Rechtsschutzbedürfnis durch Zeitablauf weggefallen bzw. liegt derzeit auch kein Anordnungsgrund mehr vor,
nachdem die Antragsgegnerin aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung und der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung bereits
vorläufig Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich erbracht hat.
Dem Antragsteller war unabhängig von den Erfolgsaussichten des Antrags Prozesskostenhilfe gemäß §
73 a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§
114 Abs.
1,
119 Abs.
1 Satz 2
Zivilprozessordnung -
ZPO - zu bewilligen, da die Antragsgegnerin Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.