Elterngeld
Verbrauch von Elterngeldbezugsmonaten
Unmöglichkeit der persönlichen Betreuung des Kindes wegen Krankheit oder Schwerbehinderung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bezugsdauer des an den Kläger zu zahlenden Elterngeldes nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig. Der Kläger macht Elterngeld auch für den 12. bis 14. Lebensmonat des Kindes geltend.
Der 1982 geborene Kläger, freizügigkeitsberechtigter österreichischer Staatsangehöriger, und seine 1980 geborene Ehefrau,
D. A., sind Eltern des 2012 geborenen Kindes C. Sie stellten am 4. Dezember 2012 Antrag auf Elterngeld und legten für den
Kläger als Bezugszeitraum den 1. bis 14. Lebensmonat des Kindes fest. Die Ehefrau des Klägers ist querschnittsgelähmt und
ausweislich des vorgelegten Schwerbehindertenausweises vom 6. Juli 2012 anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung
von 100 sowie festgestellten Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "H" (Hilflosigkeit).
Aus einer Bescheinigung der BKK Linde vom 17. Dezember 2012 geht hervor, dass die Ehefrau des Klägers für die Zeit vom 18.
Oktober 2012 bis 24. Januar 2013 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich bezogen hat. Daneben erhielt sie
Mutterschaftsgeldzuschuss von ihrem Arbeitgeber. Mit Beendigung der Mutterschutzfrist hat die Ehefrau des Klägers zum 25.
Januar 2013 ihre Berufstätigkeit als Projektassistentin im E. e.V. wieder in Vollzeit aufgenommen. Der Kläger gab ergänzend
zu dem Antrag an, seine Ehefrau sei aufgrund ihrer Körperbehinderung nicht in der Lage, das Kind eigenständig zu betreuen
und zu versorgen, weshalb er Elternzeit bereits ab der Geburt habe in Anspruch nehmen müssen und sich sein Antrag auf den
1. bis 14. Lebensmonat des Kindes erstrecke. Mit Attest vom 23. August 2012 bescheinigte die behandelnde Ärztin für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe F., die Ehefrau des Klägers sei aufgrund ihrer körperlichen Behinderung nicht in der Lage, die alleinige
selbstständige Versorgung des Kindes zu übernehmen, so dass es erforderlich sei, dass der Kläger die Elternzeit für 14 Monate
in Anspruch nehme.
Durch Bescheid vom 29. Januar 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Elterngeld für die Zeit vom 16. November 2012 bis 15.
Oktober 2013 (1. bis 11. Lebensmonat des Kindes) in Höhe von jeweils monatlich 665,16 EUR und führte zur Bezugsdauer aus,
Lebensmonate des Kindes, in denen mindestens an einem Tag Mutterschaftsleistungen oder dem Elterngeld vergleichbare Leistungen
bezogen würden, seien als Monate, für die die elterngeldberechtigte Person Elterngeld beziehe, zu behandeln und auf den Bezugszeitraum
des Elterngelds anzurechnen, so dass die entsprechenden Monate als von der Mutter verbraucht gelten würden.
Der Kläger erhob Widerspruch am 20. Februar 2013 und machte geltend, er habe Anspruch auf 14 Monate Elterngeld ohne Anrechnung
des von seiner Ehefrau bezogenen Mutterschaftsgeldes. Insofern sei zu berücksichtigen, dass seine Ehefrau Elterngeld nicht
beanspruchen könne, da sie aufgrund ihrer Querschnittslähmung nicht in der Lage sei, das Kind selbst zu betreuen, was sich
aus dem vorgelegten ärztlichen Attest ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Hinweis auf das Urteil vom
26. Mai 2011, B 10 EG 11/10 R) könnten von der Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG nur Bezugsmonate erfasst werden, in denen ein Bezug von Elterngeld rechtlich möglich sei. Davon könne dann nicht ausgegangen
werden, wenn die betreffende Person aufgrund objektiver Gegebenheiten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne
des § 1 BEEG gehöre. Dies treffe hier auf seine Ehefrau zu, da sie die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 BEEG geregelte Voraussetzung, das Kind selbst zu betreuen und zu erziehen, nicht erfüllen könne. Insofern sei sie aufgrund ihrer
Schwerbehinderung zu einer entsprechenden Betreuungsleistung nicht in der Lage. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass
seine Ehefrau seit dem 25. Januar 2013 wieder ihre volle Arbeitstätigkeit ausübe, so dass ab diesem Zeitpunkt einem Anspruch
auf Elterngeld auch § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG entgegenstehe. Letztlich erstrecke sich wegen der Schwerbehinderung seiner Ehefrau bzw. der Unmöglichkeit der Betreuung des
Kindes seine Anspruchsberechtigung in Anwendung von § 4 Abs. 3 Satz 2 (gemeint: Satz 3) BEEG auf 14 Monate Elterngeld.
Durch Widerspruchsbescheid vom 8. April 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung
im Wesentlichen aus, durch die in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG geregelte Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten aufgrund des zeitlich kongruenten Bezugs von anzurechnenden Leistungen wie
Mutterschaftsgeld würden die entsprechenden Lebensmonate des Kindes gesetzlich zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch
auf die anzurechnende Leistung habe. Im Falle des Bezugs von Mutterschaftsgeld sei dies gemäß § 200 Abs. 1
Reichsversicherungsordnung (
RVO) die Mutter. Im Übrigen erfasse im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip die Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn nur für den ersten Tag Mutterschaftsgeld zustehe. Die Anrechnung
von Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld rechtfertige sich aus dem Umstand, dass es sich um zweckidentische Leistungen handele,
die Einkommenseinbußen aus Anlass der Geburt ganz oder teilweise ersetzen bzw. ausgleichen würden, wie dies der Gesetzesbegründung
zu § 3 Abs. 1 BEEG entnommen werden könne. Grundvoraussetzung für den Eintritt der Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG sei, dass in den betreffenden Lebensmonaten diejenige Person, der die anzurechnende Leistung zustehe, nach objektiven Gegebenheiten
zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne des BEEG gehöre. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG sei es für den Anspruch auf Elterngeld u.a. notwendig, dass der Antragsteller keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe.
Eine Person sei nicht voll erwerbstätig, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht
übersteige. Hier habe die Ehefrau des Klägers nach ihren Angaben im Anschluss an die Mutterschutzfrist ihre Erwerbstätigkeit
am 25. Januar 2013 in vollem Umfang aufgenommen. Bezogen auf den dritten Lebensmonat des Kindes errechne sich eine durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit von 28,39 Stunden. Dies habe zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG auch für den dritten Lebensmonat erfüllt seien und dieser Monat ebenfalls, wie auch der erste und zweite Lebensmonat, verbraucht
sei.
Mit der am 29. April 2013 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholte er sein Vorbringen
im Widerspruchsverfahren.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 15. Januar 2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Verweis auf die im
Widerspruchsbescheid gegebene Begründung im Wesentlichen weiter ausgeführt, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei nicht
zu beanstanden, denn der erste bis dritte Lebensmonat des Kindes würde aufgrund des in der Zeit vom 18. Oktober 2012 bis 24.
Januar 2013 an die Mutter gezahlten Mutterschaftsgeldes im Hinblick auf den Bezug von Elterngeld gemäß der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG geregelten gesetzlichen Fiktion als verbraucht gelten, so dass für den Kläger lediglich noch eine Bezugsdauer von 11 Monaten
verbleibe. Im Übrigen sei dem Kläger darin zuzustimmen, dass von der zwingenden gesetzlichen Zuordnung von Bezugsmonaten durch
§ 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG nur Bezugsmonate erfasst würden, in denen ein Bezug von Elterngeld rechtlich möglich sei, wobei die gesetzlich angeordnete
Fiktion jeweils ganze Lebensmonate des Kindes erfasse (Hinweis auf BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, B 10 EG 12/10 R). Entgegen der Auffassung des Klägers sei jedoch nicht zutreffend, dass die Mutter des Kindes aufgrund ihrer gesundheitlichen
Einschränkungen von dem Bezug von Elterngeld ausgeschlossen sei. Einen solchen Ausschlusstatbestand, der rechtlich kaum Bestand
haben könne, sehe das Gesetz nicht vor, sondern lediglich Verlängerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für den Fall, dass ein
Elternteil wegen schwerer Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht selbst betreuen könne. Eine Verlängerung der maximalen
Bezugszeit unter Außerachtlassung von zweckidentischen Leistungen wie das Mutterschaftsgeld für zeitlich kongruente Bezugszeiträume
sei damit nicht verbunden und auch rechtlich nicht geboten. Insoweit sehe das Gericht auch keine Benachteiligung des Klägers
oder Ungleichbehandlung im Hinblick auf eine Verletzung des Art.
3 Grundgesetz (
GG) oder einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen der Schwerbehinderung der Kindesmutter.
Gegen das dem Kläger am 25. März 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 17. April 2014 bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingegangene Berufung. Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sein Anspruch
auf 14 Monate Elterngeld ergebe sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG, wonach ein Elternteil abweichend von der in § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG geregelten Begrenzung auf 12 Bezugsmonate Elterngeld beziehen könne, wenn die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil
unmöglich sei, insbesondere wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt,
wie dies durch ärztliches Attest nachgewiesen sei. Dementsprechend sei es unerheblich, dass seine Ehefrau unter die Anwendung
der Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG falle, denn nicht sie, sondern er beanspruche Elterngeld. Aufgrund der Schwerbehinderung seiner Ehefrau habe er in vollem
Umfang Elternzeit in Anspruch nehmen müssen und insoweit auf eigenes Erwerbseinkommen verzichtet. Zwangsläufig habe seine
Ehefrau ihre Vollzeittätigkeit wieder aufnehmen müssen, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Ohnehin sei seine
Ehefrau im Vergleich zu ihm die Besserverdienende. Aufgrund der Schwerbehinderung sei seine Ehefrau daran gehindert gewesen,
in den ersten 14 Monaten das Kind zu betreuen. Insofern sei es ihr schlechterdings unmöglich gewesen, die umfassende Sorge
für das Kind zu übernehmen, denn die Betreuung eines Kleinkindes setzte ständiges Heben und Fortbewegen, etwa mit dem Kinderwagen,
voraus, was seiner Ehefrau nicht habe leisten können. Die von dem Gesetzgeber genannten Zwecke für die Regelung in § 4 Abs. 3 BEEG könnten im vorliegenden Fall nicht eingreifen, zumindest sei eine verfassungskonforme Auslegung erforderlich, um eine Diskriminierung
von Ehepaaren, bei denen ein Elternteil wegen einer Schwerbehinderung die Betreuung des Kindes jedenfalls in den ersten 14
Lebensmonaten nicht übernehmen könne, zu vermeiden. Soweit das Bundessozialgericht entschieden habe (Hinweis auf das Urteil
vom 26. März 2014, B 10 EG 6/13 R), dass die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG Teil des verfassungsrechtlich abgesicherten gesetzlichen Konzepts sei, Elterngeld nur dann für 14 Monate zu gewähren, wenn
die Betreuung des Kindes für mindestens zwei Monate durch den anderen Elternteil wahrgenommen werde könne, komme dies von
vornherein für den Fall nicht zum Tragen, dass der andere Elternteil dazu nicht in der Lage sei, da ansonsten eine Diskriminierung
im Sinne des Art.
3 Abs.
2 GG vorliege.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides
vom 29. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2013 zu verurteilen, ihm Elterngeld für das Kind
C. auch für die Zeit vom 16. Oktober 2013 bis 15. Januar 2014 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf das nach seiner Auffassung zutreffende Urteil des Sozialgerichts.
Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung
einverstanden sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten, die Gegenstand
der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§
124 Abs.
2,
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die gemäß §§
143 und
144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß §
151 Abs.
1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung des Klägers ist auch sachlich begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht durch Urteil vom 15. Januar
2014 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
8. April 2013 hält einer rechtlichen Prüfung nicht vollumfänglich stand und war abzuändern. Dem Kläger steht über die Bewilligung
für die ersten 11 Lebensmonate des Kindes C. hinaus ein Anspruch auf Elterngeld in gesetzlicher Höhe auch für den 12. bis
14. Lebensmonat und damit für den Zeitraum vom 16. Oktober 2013 bis 15. Januar 2014 zu.
Nach § 1 Abs. 1 (Satz 1 in der Fassung seit dem 1. Januar 2015) BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem
Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit
ausübt (Nr. 4). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger (auch) für den streitigen Bezugszeitraum vom 16. Oktober 2013 bis
15. Januar 2014, was sich aus den Angaben des Klägers sowie seiner Ehefrau im Verwaltungsverfahren ergibt und auch zwischen
den Beteiligten nicht streitig ist.
Der Beklagte hat gemäß § 2 Abs. 1 und 2 BEEG die Höhe des monatlichen Elterngeldes mit 665,16 EUR zutreffend festgestellt und angesichts des 1.000,00 EUR unterschreitenden
Einkommens des Klägers im Bemessungszeitraum der letzten 12 Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes beanstandungsfrei den
Prozentsatz von 67 auf 68 erhöht. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Beklagten findet vorliegend ein Verbrauch von Elterngeldbezugsmonaten aufgrund
des Bezugs von Mutterschaftsgeld durch die Ehefrau des Klägers nicht statt.
Der in Betracht kommende Bezugszeitraum ergibt sich aus der Regelung des § 4 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden und hier anzuwendenden Fassung (a.F.). Elterngeld kann grundsätzlich in der Zeit
vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG a.F. kann ein Elternteil mindestens für zwei und höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen. Lebensmonate des Kindes, in
denen einem Elternteil nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BEEG anzurechnende Einnahmen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Elterngeld bezieht (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG a.F.). § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG a.F. bestimmt, dass ein Elternteil abweichend von Satz 1 für 14 Monate Elterngeld beziehen kann, wenn eine Minderung des
Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und mit der Betreuung durch den anderen Elternteil eine Gefährdung des Kindeswohls
im Sinne von §
1666 Abs.
1 und
2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs verbunden wäre oder die Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit
oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann; für die Feststellung der Unmöglichkeit der Betreuung bleiben wirtschaftliche
Gründe und Gründe einer Verhinderung wegen anderweitiger Tätigkeiten außer Betracht.
Ausgehend von diesem Regelungsgefüge greift vorliegend die gesetzliche Fiktion von Elterngeldbezugsmonaten gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG a.F. nicht ein. Wie das Bundessozialgericht in seinen richtungweisenden Urteilen vom 26. Mai 2011 (B 10 EG 11/10 R und B 10 EG 12/10 R) entschieden hat, gelten Lebensmonate des Kindes, in denen Mutterschaftsgeld zusteht, nur dann als Monate, für die die Mutter
Elterngeld bezieht, wenn diese in dem betreffenden Zeitraum aufgrund objektiver Gegebenheiten zum anspruchsberechtigten Personenkreis
im Sinne des § 1 BEEG gehört. Insoweit hat das Bundessozialgericht den Tatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (allerdings in der bis zum 17. September 2012 geltenden Fassung) für auslegungsbedürftig gehalten, weil sich aus dem Wortlaut
nicht eindeutig ergibt, wie der Begriff der "anzurechnenden Leistungen" zu verstehen ist, und der Wortlaut drei verschiedene
Auslegungsmöglichkeiten zulässt. Die Vorschrift in der bis zum 17. September 2012 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut:
"Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs. 1 oder 3 anzurechnende Leistungen zustehen, gelten als Monate, für die die
berechtigte Person Elterngeld bezieht." Zunächst könne, so das Bundessozialgericht, die Vorschrift dergestalt weit verstanden
werden, dass es für den Eintritt der Fiktion von Bezugsmonaten genüge, wenn der berechtigten Personen in dem betreffenden
Monat ihrer Art nach anzurechnende Leistungen zustehen, unabhängig davon, ob im konkreten Fall überhaupt ein Elterngeldanspruch
bestehen könne, auf den diese Leistungen anrechenbar wären. Die Vorschrift könne aber auch dahingehend ausgelegt werden, dass
anzurechnende Leistungen nur dann vorliegen, wenn diese im konkreten Fall im betreffenden Lebensmonat auch tatsächlich angerechnet
werden. Weiter sei es möglich, den Begriff der anzurechnenden Leistungen so aufzufassen, dass in dem betreffenden Lebensmonate
jedenfalls eine Anrechnung der Leistung auf das Elterngeld rechtlich konkret möglich sein müsse, also die Person, der die
anzurechnende Leistung zustehe, aufgrund objektiver Gegebenheiten auch zum elterngeldberechtigten Personenkreis im Sinne des
§ 1 BEEG gehöre (BSG aaO. B 10 EG 11/10 R Juris-Rdnr. 22 und B 10 EG 12/10 R Juris-Rdnr. 19). Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und
Zweck des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (a.F.) für das letztgenannte Begriffsverständnis sprechen. Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Wortlaut der
Vorschrift hinsichtlich des Begriffs der "berechtigten Person" in doppelter Richtung verstanden werden könne. Zum einen müsse
die Person in den betreffenden Monaten eine Berechtigung zum Bezug der "anzurechnenden Leistung" (wie des Mutterschaftsgeldes)
haben. Zum anderen müsse es dieser Person zumindest rechtlich möglich sein, in dieser Zeit Elterngeld zu beziehen. Dies sei
dann nicht der Fall, wenn sie in diesen betreffenden Lebensmonaten aufgrund objektiver Gegebenheiten überhaupt nicht zum anspruchsberechtigten
Personenkreis im Sinne des § 1 BEEG gehöre. Eine solche fehlende Anspruchsvoraussetzung werde nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (a.F.) nicht fingiert. Auch die Gesetzesmaterialien würden dafür sprechen, dass von der Fiktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (a.F.) nur Bezugsmonate erfasst werden, in denen ein Bezug von Elterngeld rechtlich möglich sei. Weiter bestätigten systematische
Stellung und Sinn und Zweck der geregelten Fiktion von Bezugsmonaten die vorgenommene Auslegung. § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (a.F.) ergänze die Anrechnungsregelung des § 3 Abs. 1 und 3 BEEG (a.F.), indem durch eine zwingende gesetzliche Zuordnung von Bezugsmonaten die Gestaltungsmöglichkeiten der Eltern eingeschränkt
und Doppelleistungen für zeitlich kongruente Zeiträume vermieden würden. Im Ergebnis sei Grundvoraussetzung für den Eintritt
der Fiktion von Bezugsmonaten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG (a.F.), dass in den betreffenden Lebensmonaten diejenige Person, der die anzurechnende Leistung zustehe, nach objektiven
Gegebenheiten die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG erfülle (BSG aaO. B 10 EG 11/10 R Juris-Rdnrn. 20 bis 22, 24, 25 und B 10 EG 12/10 R Juris-Rdnrn. 23 bis 25, 27).
Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, der der erkennende Senat folgt, ist zwanglos auch auf die nachfolgende bis
zum 31. Dezember 2014 geltende und vorliegend anzuwendende Fassung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG übertragbar, denn der Gesetzgeber hat lediglich geringfügige Veränderungen im Wortlaut vorgenommen, ohne dass hierdurch auch
der Sinngehalt der Vorschrift verändert worden wäre. So ist der Begriff der "anzurechnenden Leistungen" durch "anzurechnende
Einnahmen" ersetzt worden, wobei anstelle auf § 3 Abs. 1 oder 3 BEEG (a.F.) nunmehr auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BEEG wegen der zum 18. September 2012 erfolgten Modifikation dieser Vorschrift Bezug genommen wird. Im Übrigen hat der Gesetzgeber
lediglich den Begriff der "berechtigten Person" durch "Elternteil" ersetzt.
Unter Beachtung der ausgeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes kommt vorliegend ein Verbrauch von Elterngeldbezugsmonaten
in Anwendung der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG a.F. geregelten Fiktion im Sinne einer Grundvoraussetzung nur in Betracht, wenn die Ehefrau des Klägers während des Bezugs
von Mutterschaftsgeld zeitgleich nach objektiven Gegebenheiten auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG erfüllen konnte. Dies ist indes zu verneinen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG unzweifelhaft ergibt, müssen die dort genannten Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 4 kumulativ erfüllt sein. Unstreitig hatte
die Ehefrau des Klägers auch während der Zeit des Bezugs von Mutterschaftsgeld ihren Wohnsitz in Deutschland und lebt seit
der Geburt des Kindes mit diesem in einem Haushalt (Nrn. 1 und 2). Die Ehefrau des Klägers hat jedoch ihr Kind nicht selbst
betreut, wie dies neben der Erziehung des Kindes ("betreut und erzieht") nach Nr. 3 der Vorschrift erforderlich ist, denn
hierzu war sie aufgrund ihrer Körperbehinderung nicht in der Lage. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ist seine Ehefrau
querschnittsgelähmt. Bereits hieraus kann abgeleitet werden, dass sie als Rollstuhlfahrerin zu den in aller Regel erforderlichen
Betreuungsleistungen allein und umfassend nicht in der Lage war. Insofern erfordert § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BEEG auch eine umfassende persönliche Betreuungsleistung, denn der Gesetzgeber hat eine lediglich überwiegende oder gar untergeordnete
Betreuung nicht als ausreichend erachtet, wie sich dies bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt (vgl. hierzu SG Aachen, Urteil
vom 8. November 2011, S 13 EG 1/11). So liegt auf der Hand, dass die Ehefrau des Klägers zum Beispiel allein nicht in der Lage war, das Kind zu tragen, zum
Stillen oder Wickeln aus dem Kinderbett zu nehmen, im Kinderwagen zu fahren usw. (vgl. zum Umfang der persönlichen Betreuung
im Säuglingsalter auch Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, Kommentar 2014, § 1 BEEG Rdnr. 22). Selbst wenn man einen wesentlichen, dem Berechtigten möglichen Anteil an der Betreuungsleistung ausreichen ließe
(vgl. hierzu Grüner/Dalichau, BEEG Kommentar, Stand März 2015, § 1 Anm. 4.2), bliebe festzustellen, dass die Ehefrau des Klägers auch hierzu infolge ihrer Körperbehinderung nicht imstande
war. Im Übrigen ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Unmöglichkeit der persönlichen Betreuung des Kindes insbesondere
ihre Ursache in einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung haben kann (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG a.F.). Die Schwerbehinderung der Ehefrau des Klägers ist hier mit dem höchstmöglichen Grad der Behinderung von 100 anerkannt.
Steht bereits aufgrund der Schwere der Körperbehinderung der Ehefrau des Klägers für den Senat fest, dass diese zu einer eigenständigen
Betreuung des Kindes im erforderlichen Umfang in der hier maßgeblichen Zeit nicht in der Lage war, wird dies mit dem vorgelegten
Attest der Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe F. vom 23. August 2012 nochmals nachvollziehbar bestätigt. Zudem hat
der Beklagte den Vortrag des Klägers, seine Ehefrau sei zu einer Betreuung des Kindes nicht in der Lage gewesen, nicht bestritten,
so dass sich der Senat nicht gedrängt fühlen musste, zu den Auswirkungen der Körperbehinderung weiter Beweis zu erheben. Insgesamt
besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass die Ehefrau des Klägers nach den vorliegenden objektiven Gegebenheiten nicht
alle Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG erfüllen konnte und damit von vornherein nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis im Sinne dieser Vorschrift gehörte.
Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts vermag der Senat nicht zu folgen, das insoweit lediglich ausgeführt hat, ein
Ausschluss der Ehefrau des Klägers von Leistungen nach dem BEEG könne rechtlich kaum Bestand haben und das Gesetz sehe einen entsprechenden Ausschlusstatbestand auch nicht vor. Dies steht
mit den genannten und kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 BEEG nicht im Einklang. Der Beklagte hat sich im Übrigen im Widerspruchsbescheid gar nicht damit auseinandergesetzt, dass die
Klägerin die Anspruchsvoraussetzung der Nr. 3 der genannten Vorschrift nicht zu erfüllen vermag. Vielmehr wird zwar erkennbar
die ausgeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beachtet, insoweit jedoch ausschließlich § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BEEG im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit in Vollzeit nach Ablauf der Mutterschutzfrist geprüft. Nach überschlägiger
Betrachtung dürfte die von dem Beklagten errechnete durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im dritten Lebensmonat des
Kindes von 28,39 Stunden zutreffend sein. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil dem Bezug von Elterngeld
durch die Ehefrau des Klägers bereits deren gesundheitliche Einschränkungen (auch) für den gesamten hier maßgeblichen Zeitraum
entgegenstanden.
Sind damit durch den Bezug von Mutterschaftsgeld keine Elterngeldbezugsmonate verbraucht worden, sind auch die weiteren Voraussetzungen
für einen Anspruch (allein) des Klägers auf Elterngeld für 14 Monate erfüllt. Die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 BEEG a.F. erforderliche Unmöglichkeit der Betreuung des Kindes durch die Ehefrau des Klägers ist wie ausführlich dargelegt - aufgrund
der Querschnittslähmung mit Anerkennung als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 100 (und zusätzlichen Merkzeichen)
gegeben.
Im Ergebnis steht dem Kläger der erweiterte Elterngeldanspruch für die ersten 14 Lebensmonat des Kindes zu, so dass auf die
Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und der Bescheid bzw. der Widerspruchsbescheid des Beklagten zu ändern war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht zuzulassen.