Gericht
Sozialgerichtsbarkeit (38838)
Verfassungsgerichtsbarkeit (83)
Verwaltungsgerichtsbarkeit (1210)
Gerichte der EU (6)
Ordentliche Gerichtsbarkeit (1013)
Arbeitsgerichtsbarkeit (137)
Finanzgerichtsbarkeit (87)

Datum
2022 (1459)
2021 (2495)
2020 (2120)
2019 (2531)
2018 (2333)
2017 (2639)
2016 (2936)
2015 (4224)
2014 (2921)
2013 (1392)
mehr...
LSG Hessen, Beschluss vom 25.10.2012 - 8 KR 110/12
Befreiung pharmazeutischer Unternehmen von den Preisabschlagspflichten nach § 130a Abs. 1 und Abs. 1a SGB V im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
1. Nach den Vorgaben der Richtlinie 89/105/EWG (sog. Transparenzrichtlinie) und den Gesetzesmaterialien sowie im Hinblick auf die Lenkungsfunktion des Pharmarabatts nach § 130a SGB V liegen besondere Gründe, unter denen pharmazeutische Unternehmen Abweichungen vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt verlangen können, unter anderem dann vor, wenn das pharmazeutische Unternehmen in einem Ausnahmefall (einer besonderen Marktsituation) gerade durch die Rabattpflicht unzumutbar belastet wird. Eine unzumutbare Belastung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit droht.
2. Die wirtschaftliche Situation des antragstellenden Unternehmens ist in einem solchen Fall einer umfassenden unternehmensbezogenen Betrachtung zu unterziehen, die bei konzernverbundenen Unternehmen unter Einschluss der Konzernstrukturen und der finanziellen Situation der übrigen konzernzugehörigen Unternehmen zu erfolgen hat, soweit diese für die wirtschaftliche Situation des antragstellenden Unternehmens relevant sein können. Dies gilt insbesondere wenn und soweit Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass konzernintern Kosten auf das antragstellende Unternehmen verlagert sind, die wirtschaftlich ganz oder teilweise anderen Unternehmen des Konzerns zuzuordnen sind.
3. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist in solchen Fällen berechtigt, nähere Daten zur finanziellen Situation der übrigen konzernangehörigen Unternehmen und Gesellschaften anzufordern und im Falle der Nichtvorlage den Antrag auf Befreiung vom Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt abzulehnen.
4. Mit der Befreiungsmöglichkeit des § 130a Abs. 4 SGB V von dem Preismoratorium und dem erhöhten Herstellerrabatt sind die Vorgaben des Art. 4 Richtlinie 89/105/EWG umgesetzt worden, hiernach ausgesprochene Befreiungen stellen daher keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV dar. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
AEUV Art. 107 Abs. 1
,
AMNOG Art. 1 Nr. 16
,
AMNOG Art. 11a
,
AMRabG § 1
,
Richtlinie 89/105/EWG Art. 4 Abs. 2 S. 1
,
SGB V § 130a Abs. 1
,
SGB V § 130a Abs. 1a
,
SGB V § 130a Abs. 3a
,
SGB V § 130a Abs. 4 S. 3
Vorinstanzen: SG Wiesbaden 23.01.2012 S 2 KR 294/11 ER
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2012 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen endgültig auf 2.500.000,- EUR festgesetzt.

Entscheidungstext anzeigen: