Herstellerrabatt; Befreiung; Drittanfechtung; Klagebefugnis; Durchführungsverbot
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer vorläufigen Befreiung von den Herstellerrabatten
nach §
130a SGB V.
Um die Ausgaben im Gesundheitswesen für Arzneimittel zu begrenzen, sind Pharmaunternehmen in Deutschland seit dem 1. Januar
2003 dazu verpflichtet, den Krankenkassen auf die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel einen Preisabschlag in variierender
Höhe, zuletzt in Höhe von 6 % bzw. 7 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers zu gewähren (§
130a Abs.
1 Satz 1,
2 i.V.m. Abs.
3b Satz 1
SGB V). §
130a Abs.
4 SGB V in Verbindung mit Artikel 4 der Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln
für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Transparenz-RL) ermöglicht
die ausnahmsweise Befreiung eines Unternehmens von den Abschlägen. Diese Befreiungsmöglichkeit einzelner Arzneimittelimporteure
von der Entrichtung der Rabatte war Gegenstand eines von der Kommission nach Art. 108 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeleiteten förmlichen Prüfverfahrens, das mit Beschluss (EU) 2015/1300 der Kommission vom 27. März 2015 seinen Abschluss
fand. Die Kommission erklärte in dem Beschluss §
130a Abs.
4 SGB V für mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar. Die Vorschrift stelle zwar eine staatliche Beihilferegelung dar. Die danach
durchgeführte Befreiung (nur) von Unternehmen, die einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen ihren finanziellen Schwierigkeiten
und den Herstellerrabatten nachweisen könnten, sei jedoch mit dem Binnenmarkt vereinbar. Gegen den Beschluss vom 27. März
2015 hat ein anderes pharmazeutisches Unternehmen Nichtigkeitsklage zum Gericht der Europäischen Union erhoben (T-354/15), über die noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin beliefert als Importeurin für EU-Arzneimittel sowohl Kliniken und den Arzneimittelgroßhandel als auch
Apotheken im Direktgeschäft. Ihr Marktanteil in Deutschland ist für den Monat Mai 2017 mit 6,87 % ausgewiesen. Seit 2013 erwirtschaftete
das Unternehmen Verluste, die in den Jahren 2013 und 2014 aufgrund der hohen Eigenkapitalquote abgefangen werden konnten.
In 2015 erwirtschaftete die Antragstellerin einen Verlust in Höhe von rund 13,71 Millionen Euro. Im selben Zeitraum betrugen
die abgeführten Herstellerrabatte rund 14,519 Millionen Euro.
Mit Antrag vom 19. Oktober 2015 begehrte die Antragstellerin vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine
Reduzierung der von ihr zu zahlenden Herstellerabschläge für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 auf 0 %. Entsprechend
den Vorgaben des BAFA in einem veröffentlichten Merkblatt zu den Befreiungsvoraussetzungen legte sie ihre Jahresabschlüsse
für die letzten drei Geschäftsjahre vor und wies die Auswirkungen der geltenden Rabatte auf ihre wirtschaftliche Situation
u.a. durch ein Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom Juni 2016 nach. Das BAFA gab dem Antrag für den Zeitraum
vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 mit Bescheid vom 11. Februar 2016 vorläufig und mit Bescheid vom 28. Oktober 2016
endgültig statt. Hieraus entstand der Antragstellerin ein Rückerstattungsanspruch für geleistete Herstellerrabatte in Höhe
von insgesamt rund 10,7 Millionen Euro netto. Die durch den GKV-Spitzenverband abzuwickelnde Rückzahlung begann im Mai 2016
und erfolgte durch mehr als 50 einzelne, unregelmäßige Zahlungen über die Jahre 2016 und 2017 hinweg.
Im ersten Halbjahr 2016 erwirtschaftete die Antragstellerin einen Verlust von rund 3,543 Millionen Euro. Im gleichen Zeitraum
zahlte sie Herstellerrabatte in Höhe von insgesamt rund 5,8 Millionen Euro brutto. Die Antragstellerin stellte daraufhin am
30. Juni 2016 unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen einen weiteren Antrag auf Reduzierung der Herstellerabschläge für
den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis 30. Juni 2016.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Oktober 2016 (dort: Ziffer 2) gewährte das BAFA der Antragstellerin eine vorläufige
Reduzierung der Herstellerrabatte von 7 bzw. 6 % auf 0 % für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. April 2016; gleichzeitig
lehnte es eine Befreiung vom Herstellerrabatt für die Zeiträume 1. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015 sowie 1. Mai 2016 bis
30.Juni 2016 ab. Durch die bereits erfolgte Befreiung für die ersten neun Monate in 2015 habe ein sehr starkes Abschmelzen
des Eigenkapitals verhindert und Spielraum für die erforderlichen Umstrukturierungen des Unternehmens geschaffen werden können,
so dass eine rückwirkende Befreiung für 2015 darüber hinaus nicht erforderlich sei. Im ersten Halbjahr 2016 habe sich das
Geschäftsergebnis der Antragstellerin weniger gut entwickelt als erwartet. Die eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen hätten
ihre Wirkung (noch) nicht in dem Maße entfaltet, wie dies erwartet worden sei. Außerdem führe die angespannte Liquiditätssituation
der Antragstellerin dazu, dass nicht in dem Maße Vorräte hätten eingekauft werden können wie geplant, was zu weiteren Umsatzeinbußen
und einer Verschlechterung des Ergebnisses geführt habe. Aufgrund der im ersten Halbjahr 2016 erwirtschafteten Verluste habe
das Unternehmen Probleme, die notwendige Liquidität für ihr Geschäft aufrecht zu erhalten. Um den Verlust teilweise auszugleichen
und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Verbindung mit den ergriffenen Maßnahmen aufrecht zu erhalten,
werde für den benannten Teilzeitraum eine vollständige Befreiung von den Herstellerrabatten erteilt.
Die Antragstellerin hat dem BAFA in der Folge ihren geprüften Jahresabschluss für 2016 fristgerecht übermittelt. Eine endgültige
Entscheidung über die Befreiung steht noch aus.
Unter dem 25. November 2016 legte die Beigeladene, bei der es sich um den größten deutschen Arzneimittelimporteur mit einem
Marktanteil von zuletzt rund 24 % handelt, gegen die der Antragstellerin erteilten Bescheide vom 28. Oktober 2016 Drittwiderspruch
ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 als unzulässig zurückwies: Die Beigeladene sei nicht
widerspruchsberechtigt, da sie durch die Befreiungsentscheidung zugunsten der Antragstellerin nicht in eigenen subjektiven
Rechten betroffen sei.
Dagegen hat die Beigeladene am 21. April 2017 Drittanfechtungsklage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben (Az. S 17 KR 177/17) und geltend gemacht, die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerabschlägen lägen nicht
vor. Zielsetzung der Regelung sei es zu verhindern, dass Pharmaunternehmen aufgrund der Herstellerabschläge vom Markt verdrängt
würden. Unternehmen, die auf Grund ihres Sortiments eine schmale Gewinnspanne hätten, solle durch die Befreiung geholfen werden,
falls der Herstellerrabatt ihre Existenz bedrohe. Der Befreiungstatbestand diene indes nicht dazu, Unternehmen, die an anderer
Stelle fehlgewirtschaftet hätten, durch die Befreiung von den Herstellerabschlägen zu subventionieren. Die wirtschaftliche
Schieflage der Antragstellerin sei jedoch auf eine Vielzahl selbstverschuldeter Gründe jenseits der Belastung durch die Herstellerabschläge
zurückzuführen. Bei den Befreiungsbescheiden handele es sich mithin um eine unzulässige Subventionierung der Antragstellerin,
die die Wettbewerbssituation verzerre und sie, die Beigeladene, die mit der Antragstellerin aufgrund einer in Teilen übereinstimmenden
Produktpalette sowie des Imports von Produkten für vergleichbare Indikationen im unmittelbaren Wettbewerb stehe, mittelbar
nachteilig betreffe.
Der für die Rückabwicklung der gezahlten Herstellerrabatte zuständige GKV-Spitzenverband verweigerte in der Folge unter Verweis
auf die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtung die Einleitung der Rückabwicklung der im Zeitraum vom 1. Januar bis 30.
April 2016 angefallenen Rabatte bis zum Eintritt der Bestandskraft des (vorläufigen) Befreiungsbescheides. Hierauf ersuchte
die Antragstellerin das BAFA erfolglos um den Erlass einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung. Ferner ersuchte
die Antragstellerin das Bundesministerium für Gesundheit erfolglos um Weisung gegenüber dem GKV-Spitzenverband. Das Bundesministerium
für Gesundheit lehnte die Erteilung einer Weisung mit Schreiben vom 21. Juli 2017 ab.
Am 18. Juli 2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie
hat vorgetragen, ihr drohten erhebliche wirtschaftliche Nachteile, wenn eine Erstattung der von ihr im Zeitraum vom 1. Januar
bis 30. April 2016 geleisteten Rabatte in Höhe von ca. 3,44 Millionen Euro erst nach rechtskräftigem Abschluss der Hauptsache
erfolge. Sie habe zur Verbesserung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bereits umfassende Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet,
insbesondere in erheblichem Umfang Personal abgebaut, die Produktpalette bereinigt und die Restrukturierung der Unternehmensprozesse
begonnen. Weitere Restrukturierungsmaßnahmen seien aber erforderlich, für die finanzielle Mittel benötigt würden, unter anderem
um eine hoch verzinste Schuldverschreibung zum 31. Dezember 2017 zurückzahlen zu können. Die Klage der Beigeladenen in der
Hauptsache habe wegen fehlender Klagebefugnis keine Aussicht auf Erfolg.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, eine Anordnung der sofortigen Vollziehung sei weder erforderlich noch ihr
selbst überhaupt möglich, da es sich bei den nach §
130a Abs.
4 SGB V erteilten Befreiungsbescheiden um solche handele, gegen die Widerspruch und Anfechtungsklage bereits gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG keine aufschiebende Wirkung entfalteten. Der Klage der Beigeladenen in der Hauptsache komme keine aufschiebende Wirkung zu,
weil sie unzulässig sei. Die Beigeladene könne sich weder auf drittschützende Normen berufen noch habe sie vorgetragen, in
einem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit der Antragstellerin zu stehen. Art. 108 Abs. 3 AEUV habe zwar grundsätzlich drittschützende Wirkung, jedoch sei das Durchführungsverbot mit der Entscheidung der Kommission vom
27. März 2015 entfallen. In der Sache sei der Bescheid vom 28. Oktober 2016 nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, ihrer (Dritt-)Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2016 komme
aufschiebende Wirkung zu. Die vorläufige Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerrabatten sei rechtsfehlerhaft. Dem
Beschluss der Kommission vom 27. März 2015 liege der Gedanke zugrunde, dass der gesetzliche Herstellerabschlag allein ursächlich
für das Eintreten der Umstände sein müsse, auf die der Antragsteller seinen Befreiungsantrag stütze. Wie im Hauptsacheverfahren
dargelegt sei die wirtschaftliche Schieflage der Antragstellerin aber nicht auf die Heranziehung zu den Herstellerrabatten,
sondern unternehmerische Fehlentscheidungen in der Vergangenheit zurückzuführen. Hierzu hat die Beigeladene u.a. auf ein im
Auftrag einer weiteren Mitwettbewerberin erstattetes Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin verwiesen.
Mit Beschluss vom 1. November 2017 hat das Sozialgericht die sofortige Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin
vom 26. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2017 angeordnet. Der Antrag sei nach §
86b Abs.
1 Nr.
1 SGG statthaft. Die Vorschrift erfasse (unter anderem) die Fälle des Drittwiderspruchs bzw. der Drittanfechtungsklage, wenn diesem
Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukomme, wie dies hier bei der (Dritt-)Anfechtungsklage der Beigeladenen der Fall sei.
Ein Fall des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG, bei dem die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ausnahmsweise entfalle, liege nicht vor. Bei den Herstellerrabatten
handele es sich weder um Beiträge oder Umlagen noch liege eine "öffentliche Abgabe" vor. Vielmehr handele es sich um Preisinterventionen
des Staates, mit denen zwar Einsparungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werden sollten, die dadurch aber
nicht zu einer Abgabe im finanzverfassungsrechtlichen Sinn würden (Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005,2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 ff). Im Übrigen stritten die Beteiligten nicht um die "Anforderung einer Geldleistung", sondern um die Befreiung von einer
gesetzlich vorgesehenen Rabattierungspflicht. Die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtungsklage entfalle auch nicht, weil
diese offensichtlich unzulässig sei; davon könne vorliegend angesichts der aufgeworfenen nationalen wie europarechtlichen
Rechtsfragen nicht die Rede sein. Die Antragstellerin habe schließlich ein schützenswertes Rechtsschutzbedürfnis, nachdem
die Antragsgegnerin den Erlass einer Anordnung der sofortigen Vollziehung ausdrücklich abgelehnt habe.
Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung sei begründet. Ihm stehe nicht bereits die vor dem Europäischen Gericht
erhobene Nichtigkeitsklage eines anderen Pharmaunternehmens und damit der Umstand entgegen, dass der Beschluss der Kommission
vom 27. März 2015 noch nicht bestandskräftig sei. Das so genannte Durchführungsverbot ende mit dem Abschluss des Prüfverfahrens
nach Art. 108 Abs. 2 AEUV durch Positiventscheidung der Kommission. Bestands- bzw. Rechtskraft dieses Beschlusses sei nach dem Wortlaut des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht erforderlich. Der Europäische Gerichtshof spreche von der Geltung des Verbots, geplante Beihilfemaßnahmen durchzuführen,
falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleite, bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung (Hinweis auf EuGH,
Urteil vom 11. Dezember 1973, Rs. 120/73, Lorenz). Auch in der Literatur zu Art. 108 AEUV finde sich kein Hinweis darauf, dass das Durchführungsverbot während der gegen die Kommissionsentscheidung geführten Nichtigkeitsklage
fortgälte. Die Rechtsanwender des EU-Rechts seien verpflichtet, auch solche Normen und Entscheidungen des EU-Rechts zu beachten
und anzuwenden, die möglicherweise an einem rechtlichen Fehler litten. Dem entsprächen auch Art. 278 Abs. 1 und Art. 254 Abs. 5 AEUV, wonach Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union und vor dem Europäischen Gericht keine aufschiebende Wirkung zukomme.
Vorliegend sei davon auszugehen, dass die Klage des Beigeladenen in der Hauptsache keinen Erfolg haben werde. Zwar sei diese
voraussichtlich klagebefugt. Eine drittschützende Wirkung insbesondere des Art. 108 Abs. 3 AEUV sei jedenfalls nicht auszuschließen. Ein Einzelner könne ein Interesse daran haben, die durch die Gewährung einer rechtswidrigen
Beihilfe herbeigeführten negativen Auswirkungen einer Wettbewerbsverfälschung zu beseitigen oder zu verhindern zu lassen.
Jedoch spreche Überwiegendes dafür, dass die mit der Drittanfechtungsklage der Beigeladenen angegriffene vorläufige Befreiung
der Antragstellerin rechtmäßig sei. Sie werde den Anforderungen des §
130a Abs.
4 SGB V in der Auslegung, die das BAFA ihm in seinem Merkblatt habe zukommen lassen, wie auch den Voraussetzungen, die die Kommission
ihrem Beschluss vom 27. März 2015 zugrunde gelegt habe, gerecht. Allerdings seien die in der Vergangenheit zu verzeichnenden
und noch fortwirkenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Antragstellerin - soweit von außen erkennbar - zu erheblichen
Teilen auf unternehmerische Fehlentscheidungen bzw. auf Marktentwicklungen zurückzuführen, die von den Herstellerabschlägen
gänzlich unabhängig seien. Die Rechtmäßigkeit der Befreiung setze aber weder voraus, dass das Unternehmen sich in der Vergangenheit
keinerlei unternehmerischer Fehlentscheidung schuldig gemacht hätte, noch dass es so stabil dastehe, dass es die Herstellerabschläge
als zusätzliche Belastung verkrafte. Soweit für das Gericht im Rahmen des Eilverfahrens erkennbar, habe die Antragstellerin
in der Vergangenheit weitgehende Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen bzw. jedenfalls eingeleitet. Dass das Unternehmen
auf Einsparpotentiale verzichtet oder sonst nicht alles in seiner Möglichkeit Stehende getan hätte, um zu gesunden, sei nicht
erkennbar. Angesichts der von der Antragstellerin im Geschäftsjahr 2016 insgesamt erwirtschafteten finanziellen Verluste spreche
jedenfalls viel dafür, dass die weitere Vorenthaltung der (vorläufigen) Erstattung im Umfang von ca. 3,44 Millionen Euro von
gravierender wirtschaftlicher Auswirkung für das weitere wirtschaftliche Schicksal der Antragstellerin wäre.
Gegen den am 2. November 2017 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene am 27. November 2017 Beschwerde eingelegt.
Sie rügt, die Entscheidung des Sozialgerichts weise gravierende Fehler in der rechtlichen Beurteilung und in der Gewichtung
der abzuwägenden Interessen auf. Vorliegend fehle es entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts aufgrund der erhobenen
Nichtigkeitsklage an einer abschließenden Entscheidung der Kommission, so dass weiterhin das Durchführungsverbot greife. Zudem
liege mittlerweile eine an die Europäische Kommission gerichtete Beschwerde eines weiteren Pharmaunternehmens vom 3. November
2017 gegen die Befreiung der Antragstellerin von den Herstellerabschlägen vor. Den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien
der EU liege der Leitgedanke zugrunde, dass ineffiziente Unternehmen nicht künstlich am Markt gehalten werden sollten. Aus
der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. März 2015 ergebe sich ferner, dass der gesetzliche Herstellerabschlag
allein ursächlich für das Eintreten der Umstände sein müsse, auf die der Antragsteller seinen Befreiungsantrag stütze. Die
wirtschaftliche Schieflage der Antragstellerin beruhe indes nicht auf den Herstellerrabatten, sondern auf unternehmerischen
Fehlentscheidungen in der Vergangenheit. Die Betrachtungsweise des Sozialgerichts, welches lediglich die Gewinn- und Verlustrechnung
mit und ohne Herstellerabschläge einbeziehe, greife zu kurz und berücksichtige die wirtschaftlich unsinnigen und verlustträchtigen
Entscheidungen der Antragstellerin in der Vergangenheit nicht ausreichend.
Die Antragstellerin ist weiterhin der Auffassung, dass sich eine Klagebefugnis der Beigeladenen weder aus nationalem nach
aus Gemeinschaftsrecht ergebe. Im Übrigen verteidigt sie die Entscheidung des Sozialgerichts. Die - lediglich behauptete -
Beihilfebeschwerde eines anderen Pharmaunternehmens bewirke kein Durchführungsverbot im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV und sei nach den vorgelegten Unterlagen bereits nicht in der durch Art. 24 Abs. 2 EUV 2015/1589 zwingend vorgeschriebenen Form eingelegt.
Die Antragsgegnerin hält ebenfalls daran fest, dass es der Beigeladenen an der Klagebefugnis fehlt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde der Beigeladenen ist in der Sache nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, die sofortige
Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2016, mit dem diese der Antragstellerin eine vorläufige
Reduzierung des Herstellerrabatts von 7 % bzw. 6 % auf 0 % für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. April 2016 gewährt
hat, anzuordnen, ist nicht zu beanstanden.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung von Ziffer 2 des Bescheids vom 28. Oktober
2016 als zulässig angesehen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts, insbesondere zur Statthaftigkeit des Antrags
auf Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen der aufschiebenden Wirkung der seitens der Beigeladenen erhobenen Drittanfechtungsklage
gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2016 und dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG über das (ausnahmsweise) Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Entscheidung u.a. bei der "Anforderung von Beiträgen",
hat der Senat nichts hinzuzufügen und sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab (§
142 Abs.
2 S. 3
SGG).
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Ergebnis auch zu Recht als begründet angesehen.
Allerdings ist dafür nach Auffassung des Senats maßgeblich, dass die Anfechtungsklage der Beigeladenen gegen den streitgegenständlichen
Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2016 mangels Klagebefugnis (§
54 Abs.
1 Satz 2
SGG) aller Voraussicht keinen Erfolg haben kann. Der Bescheid vom 28. Oktober 2016 zu Ziffer 2 ist damit bindend und vermittelt
der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin, ohne dass es insoweit noch einer Folgenabwägung bedürfte, einen Anspruch,
dass die vorläufig gewährte Reduzierung des Herstellerrabatts auch vollzogen wird.
Die Anfechtungsbefugnis der Beigeladenen scheidet allerdings nicht schon deshalb aus, weil die Antragsgegnerin mit dem Bescheid
vom 28. Oktober 2016 den Herstellerrabatt nur vorläufig auf 0 % reduziert hat und die Entscheidung unter dem ausdrücklichen
Vorbehalt der Nachprüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Befreiungsentscheidung und der Prüfung des Jahresabschlusses
2016 stellt. Zwar erschöpft sich bei einem vorläufigen Verwaltungsakt der Regelungsgehalt darin, dass der Begünstigte die
ihm gewährte Leistung vorläufig bis zum Erlass des abschließenden Verwaltungsakts behalten darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.
April 1983 - 3 C 8.82; Urteil vom 14. August 1986 - 3 C 9/85 -, juris Rn. 34). Eine solche Vorläufigkeit spräche gegen eine Anfechtungsbefugnis der Beigeladenen, wenn es ihr zumutbar
wäre, die endgültige Befreiungsentscheidung abzuwarten. Allerdings ist bereits die vorläufige Befreiungsentscheidung der Antragsgegnerin
Grundlage für die Auszahlung der streitigen Rabatte durch den dafür zuständigen GKV-Spitzenverband. Insoweit können die positiven
wirtschaftlichen Folgen der Befreiungsentscheidung für die Antragstellerin jedenfalls grundsätzlich bereits mit dem vorläufigen
Befreiungsentscheid eintreten und damit auch die von der Beigeladenen als Folge der Befreiungsentscheidung behaupteten Marktverzerrungen,
die möglicherweise auch im Fall einer späteren Aufhebung der Befreiungsentscheidung nicht mehr (vollständig) rückabzuwickeln
wären.
Die Anfechtungsbefugnis der Beigeladenen scheitert jedoch daran, dass sie nicht dargelegt hat, durch die (vorläufige) Befreiungsentscheidung
in eigenen subjektiven Rechten verletzt zu sein.
Die notwendige Klagebefugnis erfordert die generelle Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Klägers. Die Klagebefugnis
fehlt, wenn die Rechtsordnung einen derartigen Anspruch wie den geltend gemachten nicht kennt. So liegt es, wenn die als verletzt
angesehene Rechtsnorm keinen drittschützenden Charakter in dem Sinne hat, dass sie zumindest auch der Verwirklichung individueller
Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist. Es müssen entweder die geltend gemachten rechtlichen Interessen des Dritten
vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfasst sein oder es muss eine weitergehende Grundrechtsverletzung
oder Verletzung des Rechts der EU tatsächlich möglich sein, gegen die die Rechtsordnung den Dritten schützt. Eine rein wirtschaftliche
oder sonstige Betroffenheit reicht nicht aus. Beschwert in diesem Sinne kann auch ein Drittbetroffener sein, indessen Rechtssphäre
durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 12. März 2013 - B 1 A 2/12 R -, juris Rn. 17).
Hiervon ausgehend ist eine unmittelbar aus §
130a SGB V folgende Klagebefugnis der Beigeladenen nicht zu erkennen. Eine drittschützende Wirkung kommt §
130a Abs.
4 S.3
SGB V, der eine Befreiung eines pharmazeutischen Unternehmens von den Herstellerrabatten im Fall "besonderer Gründe" zulässt, nicht
zu. Es handelt sich um eine Härtefallregelung, die verhindern soll, dass Unternehmen (allein) aufgrund der Pflicht zur Entrichtung
der Herstellerrabatte in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gefährdet werden (vgl. BT-Drs. 17/2170, S. 37). Zwar stellt
die Befreiung vom Herstellerrabatt - abstrakt betrachtet - immer eine Benachteiligung der jeweiligen Konkurrenten dar, weil
sie der Antragstellerin einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Diese Benachteiligung ist jedoch vom Gesetz angelegt und
begründet keinen Anspruch aller Marktkonkurrenten der Antragstellerin, die Befreiungsentscheidung im Wege der Drittanfechtung
auf ihre Rechtmäßigkeit nachprüfen zu lassen. Ihre "Belastung" stellt sich insoweit als bloßer Reflex auf die Entlastung der
Antragstellerin dar, ohne dass sich aus dem Gesetz irgendein Anhalt ergäbe, dass dieses die Konkurrenten in den Blick nimmt
und ihnen die Befugnis einräumt, diese Härtefallentscheidung aus eigenem Recht gerichtlich überprüfen zu lassen.
Eine Anfechtungsbefugnis aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art.
12 GG wird von der Beigeladenen nicht dargelegt. Zwar kann in einem staatlich regulierten System eine aus Art.
12 GG abzuleitende Klagebefugnis bestehen, wenn die staatliche Entscheidung, welche einen Konkurrenten begünstigt, sich unmittelbar
nachteilig auf den Mitbewerber auswirkt, insbesondere wenn sie sein erzielbares Entgelt beeinflusst (BVerfG - Kammer - , Beschluss
vom 23. April 2009, 1 BvR 3405/08, juris Rn. 9) oder die wirtschaftliche Position des Konkurrenten unzumutbar beeinträchtigt (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember
2011, 3 C 41/10, juris Rn. 21). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beigeladene trägt nicht substantiiert vor, dass die angefochtene
Befreiungsentscheidung irgendwelche Auswirkungen auf ihr eigenes Geschäft hätte. Soweit sie geltend macht, durch die Befreiungsentscheidung
zugunsten der Antragstellerin werde das Konkurrenzverhältnis zwischen ihr und der Antragstellerin "massiv verschoben" und
damit ihre Wettbewerbsfähigkeit "stark eingeschränkt", fehlt für diese Behauptungen der Beleg. Gegen derartige Auswirkungen
spricht bereits, dass in dem streitigen Zeitraum 2015/2016 der durchschnittliche Marktanteil der Antragstellerin leicht gesunken
ist, während die Beigeladene ihren Marktanteil leicht ausbauen konnte. Die Befreiungsentscheidung zugunsten der Antragstellerin
hat nach den vorliegenden Daten lediglich die ihr in den Jahren 2015 und 2016 entstandenen Verluste kompensiert und damit
das wirtschaftliche Überleben der Antragstellerin gesichert. Eine darüberhinausgehende Auswirkung auf die Marktverhältnisse
ist nicht zu erkennen, insbesondere findet sich kein Anhalt für die Behauptung der Beigeladenen, die Befreiungsentscheidung
ermögliche es der Antragstellerin, ihre Produkte preisgünstiger auf dem Markt anzubieten. Die Antragstellerin wird durch die
hier streitgegenständliche Befreiungsentscheidung für einen begrenzten Zeitraum (1. Januar bis 30. April 2016) vom Herstellerrabatt
in Höhe von 7 % des Herstellerabgabepreises befreit; die finanzielle Wirkung dieser Maßnahme beträgt etwa 3,44 Mio. Euro.
Der Umsatz der Antragstellerin betrug 2016 rund 183 Millionen Euro, der Markt für Arzneimittelimporte wird für 2015 auf etwa
2,7 Milliarden Euro angegeben. Allein aus diesen Zahlen wird deutlich, dass die streitgegenständliche Befreiungsentscheidung
auf den Konkurrenzkampf zwischen den Arzneimittelimporteuren keinen wesentlichen Einfluss haben kann.
Eine Klagebefugnis der Beigeladenen aufgrund der Regelungen des Europäischen Rechts vermag der Senat - anders als das Sozialgericht
- nicht zu erkennen.
Aus dem sog. Durchführungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV kann die Beigeladene unmittelbar keine Klagebefugnis ableiten. Die Vorschrift verbietet den Mitgliedsstaaten, eine bestimmte
Beihilfemaßnahme durchzuführen, bevor die Europäische Kommission im Rahmen des nach Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Prüfverfahrens einen abschließenden Beschluss über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt erlassen
hat, und legt den Gerichten der Mitgliedsstaaten insoweit die Verpflichtung auf, für einen wirksamen Rechtsschutz der benachteiligten
Wettbewerbsteilnehmer zu sorgen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 1991 C 354/90, Slg. 1991, I-5505; zu den Folgen für die Anwendung des nationalen Rechts vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010, 3 C 44/09, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012, I ZR 92/11, BGHZ 196, 254, juris Rn. 34 ff.). Vorliegend hat die Kommission aber in Bezug auf §
130a Abs.
4 SGB V mit dem Beschluss vom 27. März 2015 (2015/1300) einen sog. Positivbeschluss erlassen und festgestellt, dass die Regelung
zwar eine Beihilfemaßnahme darstellt, die aber gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Mit einem solchen Positivbeschluss der Kommission endet das Durchführungsverbot des Art.
108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unabhängig davon, ob gegen diesen Beschluss von einem Beteiligten Nichtigkeitsklage zum Gerichtshof der Europäischen Union
nach Art. 278 Abs. 1 AEUV erhoben wird. Das ergibt sich, wie das Sozialgericht ausführlich und zutreffend dargelegt hat, aus der allgemeinen unionsrechtlichen
Kompetenzverteilung, wonach Beschlüsse der Organe der Europäischen Union in allen ihren Teilen verbindlich sind. Insoweit
spricht für die von den Organen der Union erlassenen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit. Entsprechend dieser Kompetenzordnung
stellt Art. 278 Satz 1 AEUV den Grundsatz auf, dass Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Union keine aufschiebende Wirkung haben. Zwar kann der Gerichtshof,
wenn er dies für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen (Art. 278 Satz 2 AEUV), auch dies jedoch nur ausnahmsweise (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament
und Rat, C-377/98 R, Slg. 2000, I-6229, Rn. 44).
Soweit die Beigeladene vorträgt, dass seitens eines anderen Pharmaunternehmens am 3. November 2017 eine Beschwerde bei der
Europäischen Kommission gegen die Befreiungsentscheidungen der BAFA zugunsten der Antragstellerin eingereicht worden ist,
folgt hieraus unter dem Gesichtspunkt des Durchführungsverbots nichts anderes. Ungeachtet der von der Antragstellerin begründet
aufgeworfenen Frage, ob diese Beihilfebeschwerde überhaupt formgerecht im Sinne von Art. 24 Abs. 2, 33 VO (EU) 2015/1589 erhoben
worden ist, hat sie jedenfalls keine Auswirkung auf den vorliegenden Rechtsstreit. Im Fall des §
130a Abs.
4 SGB V liegt - wie ausgeführt - ein Positivbeschluss der Europäischen Kommission im Sinne von Art. 9 Abs. 3 VO (EU) 2015/1589 vor,
mit dem (vorbehaltlich einer anderweitigen Entscheidung des Gerichtshofs) feststeht, dass nach Maßgabe des Kommissionsbeschlusses
gewährte Befreiungsentscheidungen des BAFA europarechtlich zulässige Beihilfen sind. Insoweit handelt es sich um von der Kommission
genehmigte, "bestehende" Beihilfen im Sinne von Kapitel I Art. 1 b) ii) VO (EU). "Rechtswidrige Beihilfen" sind dagegen (allein)
solche Beihilfen, die unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV eingeführt werden, vgl. Kapitel I Art. 1 f) VO (EU) 2015/1589. Zwar hat die Kommission nach Art. 24 VO (EU) 2015/1589 die Möglichkeit, bei missbräuchlicher Anwendung
von (bestehenden) Beihilfen das förmliche Prüfverfahren nach Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/1589 zu eröffnen. Davon hat die Kommission
jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht.
Der Auffassung des Sozialgerichts, Art. 108 Abs. 3 AEUV müsse über das eigentliche Durchführungsverbot hinaus zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Sinne einer generellen
Klagebefugnis der Wettbewerber eines Beihilfeempfängers verstanden werden, folgt der Senat nicht. Art. 107 f AEUV normieren keine allgemeine europarechtliche Klagebefugnis von Marktkonkurrenten, die durch die streitgegenständliche Beihilfemaßnahme
nicht unmittelbar selbst betroffen sind. Der Maßstab der rechtlichen Betroffenheit im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG wird durch das Wettbewerbsrecht der EU nicht modifiziert (BSG, Urteil vom 12. März 2013 - B 1 A 2/12 R -, juris Rn. 24). Auch Art. 263 Abs. 4 AEUV sieht für Klagen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ausdrücklich vor, dass der Kläger sich gegen eine ihn unmittelbar
und individuell betreffende Handlung wenden muss. An dieses grundsätzliche Verbot der Popularklage anknüpfend fordert der
EuGH für Klagen, die vor diesem Gericht gegen die Beurteilung einer Beihilfemaßnahme durch die Kommission erhoben werden,
dass der Kläger individuell betroffen ist und dass seine Marktstellung durch die Beihilferegelung, die Gegenstand der streitigen
Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt wird (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 - C-78/03 P -, juris, Rn. 37 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, Cofaz u. a./Kommission,
Slg. 1986, 391, Rn. 22 bis 25, und Beschluss Sveriges Betodlares und Henrikson/Kommission, Rn. 45). Soweit der EuGH in seiner
Entscheidungspraxis in Zusammenhang mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV die Klagebefugnis von deutlich geringeren Voraussetzungen abhängig gemacht hat, betrifft dies Sachverhalte, in denen Beihilfen
unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gewährt worden waren. In solchen Fällen kommt es nach der Rsprg. des EuGH nicht darauf an, ob das klagende Unternehmen in
einem unmittelbaren und gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnis zu dem Beihilfeempfänger steht, sondern es genügt bereits, wenn
sich die durch die Beihilfemaßnahmen hervorgerufenen Wettbewerbsverfälschungen irgendwie negativ auf die wirtschaftliche Tätigkeit
des Konkurrenten auswirken können (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2005, C-174/02, Slg 2005, I-85, und den Nachweis bei Hellstern/Koenig, BRZ 2013, 427 ff., Fn. 11). Diese Erweiterung der Klagebefugnis beruht
aber auf der besonderen Situation, dass die Verletzung des Durchführungsverbots durch die Mitgliedsstaaten die Rechte und
die Autorität der Europäischen Kommission berührt. Hieraus folgt die Verpflichtung der nationalen Gerichte, im Fall der Verletzung
des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch der
Rückforderungen der finanziellen Unterstützungen zu ziehen, die unter Verletzung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gewährt wurden, weil ansonsten die Missachtung der Vorschrift durch den betreffenden Mitgliedsstaat begünstigt und der Vorschrift
ihre praktische Wirksamkeit genommen würde (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, I ZR 136/09, juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall liegt indes gerade keine Verletzung des Durchführungsverbots vor, welche
zu einer Ausweitung der Klagebefugnis zwingen würde. Gemessen am Maßstab einer individuell treffenden und die eigene Marktstellung
spürbar beeinträchtigenden Maßnahme ist die Beigeladene jedoch nicht klagebefugt, da die Befreiungsentscheidung zugunsten
der Antragstellerin keine erkennbaren spürbaren Auswirkungen auf den betroffenen Markt und die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen
hat.
Eine von diesen Voraussetzungen der individuellen und spürbaren Betroffenheit abweichende Ausdehnung der Klagebefugnis käme
allenfalls dann in Betracht, wenn das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV - über den Wortlaut hinaus - auch auf solche Maßnahmen erstreckt würde, bei denen ein Mitgliedsstaat eine von der Kommission
gebilligte Beihilferegelung missbraucht, um Beihilfen zu gewähren, die mit Sinn und Zweck der Kommissionsentscheidung nicht
in Übereinstimmung stehen. Für einen solchen rechtlichen Ansatz könnte neben dem bereits vom Sozialgericht angeführten Grundsatz
des "effet utile" - also der auch die nationalen Gerichte treffenden Pflicht zur Auslegung des Unionsrechts in einer Weise,
dass es seine "volle Wirksamkeit" erreicht (vgl. Potacz, EuR 2009, 465 ff.) - die zu Art.
12 Abs.
1 GG entwickelte Rsprg. herangezogen werden, wonach ein Konkurrent die Möglichkeit haben muss, im Wege der Drittanfechtung gegen
solche einen anderen Wettbewerber begünstigenden Entscheidungen vorzugehen, die (im Sinne objektiver Willkür) mit dem Gesetz
offenkundig unvereinbar sind (BSG, Urteil vom 29. September 1999 - B 6 KA 30/98 R -, SozR 3-1500 § 54 Nr. 40; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002 - B 6 KA 32/01 R - Rn. 27; einschränkend nunmehr allerdings BSG, Urteil vom 7. Februar 2007, B 6 KA 8/06 R, juris Rn. 31). Auch bei einer derart ausdehnenden Auslegung kann sich eine Klagebefugnis aber nur ergeben, wenn der Konkurrent
substantiiert rügt und darlegt, dass die Befreiungsentscheidung zugunsten eines anderen Marktteilnehmers entweder hinsichtlich
des durchgeführten Verfahrens oder bei der Entscheidungsfindung mit den von der Kommission formulierten Maßstäben offenkundig
unvereinbar ist. Denn auch die Willkürkontrolle dient nicht der Eröffnung einer faktischen Popularklage, die jedem Mitkonkurrenten
mit der bloßen Behauptung eröffnet wäre, eine Befreiungsentscheidung sei offenkundig fehlerhaft. Dies würde nicht nur das
um Befreiung ersuchende Unternehmen im Hinblick auf die Vielzahl der Marktteilnehmer mit der Gefahr einer Vielzahl von Prozessen
belasten, sondern dem Konkurrenten im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise auch ungerechtfertigte Einblicke
in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mitbewerbers verschaffen.
Gemessen an diesem Maßstab fehlt es der Beigeladenen an einer Klagebefugnis aus dem Gesichtspunkt einer sich aufdrängenden
willkürlichen Entscheidung seitens der Antragsgegnerin. Die Kommission hat in ihrem Beschluss vom 27. März 2015 (EU 2015/1300)
verschiedene Voraussetzungen für Befreiungsentscheidungen nach §
130a Abs.
4 SGB V benannt, die im Ergebnis beinhalten, dass die BAFA nur solche Unternehmen begünstigen darf, die nachweisen können, dass sie
durch die Rabattpflicht unzumutbar finanziell belastet werden; zugleich müssen die Unternehmen nachweisen, dass keine strukturellen
Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten bestehen. Der kausale Zusammenhang zwischen dem Preisstopp und den finanziellen
Schwierigkeiten ist durch das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers nachzuweisen, der diesen kausalen
Zusammenhang ausdrücklich zu bestätigen und begründen und die Maßnahmen zu bewerten hat, die das Unternehmen zur Vermeidung
oder Begrenzung seiner finanziellen Schwierigkeiten bereits ergriffen hat. Diese Kriterien stellen nach Auffassung der Kommission
die Beschränkung der Beihilfen auf das erforderliche Minimum sicher. Vorliegend hat die Antragsgegnerin das vorgesehene und
in seinem Merkblatt eingehend beschriebene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und auf dieser Grundlage im angegriffenen
Bescheid unter Rückgriff auf die von der Kommission gebilligten Voraussetzungen das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne
von §
130a Abs.
4 SGB V für einen beschränkten Zeitraum bejaht, gleichzeitig aber weitergehende Anträge der Antragstellerin abgelehnt. Die Angriffe
der Beigeladenen gegen diese Entscheidung zeigen nicht auf, dass die Antragsgegnerin damit eine - im Hinblick auf die tragenden
Erwägungen der Kommission im Beschluss vom 27. März 2015 - willkürliche, mit dem geltenden Recht keinesfalls mehr vereinbare
Entscheidung getroffen hätte. Vielmehr ist die Entscheidung des BAFA vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation
der Antragstellerin und den von ihr dargelegten umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen, die in den Jahren 2015/2016 u.a. einen
massiven Personalabbau, die Bereinigung der Produktpalette und eine Neustrukturierung der Unternehmensprozesse umfassten,
jedenfalls nicht offensichtlich unvertretbar, sondern lässt sich, wie bereits das Sozialgericht dargelegt, mit guten Gründen
verteidigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a
SGG, 154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht hält der Senat im Hinblick darauf, dass vorliegend lediglich um die Anordnung des
Sofortvollzugs betreffend eine vorläufige Befreiungsentscheidung gestritten wird, einen Streitwert von 1/6 des streitgegenständlichen
Rückgewähranspruchs in Höhe von rund 3,44 Millionen Euro für angemessen.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.