Befreiung eines Apothekers von der Rentenversicherungspflicht; Fortgeltung nach Wechsel in ein Pharmaunternehmen
Gründe:
I. Das vorliegende Verfahren betrifft die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 10. Januar 2011 vor dem Sozialgericht
Frankfurt am Main erhobenen Klage - S 18 KR 31/11 - (mit Aussetzung der Vollziehung der in diesem Verfahren ausgewiesenen Beitragspflicht und Beitragshöhe).
Streitgegenstand und prozessualer Anspruch dieses Klageverfahrens ist die Frage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung der auch in jenem Verfahren Beigeladenen, Dr. C ... Diese hat bei der Klägerin nach dem am 9. Mai 2001/10.
Mai 2001 unterzeichneten Anstellungsvertrag bei der Klägerin "den Status als Marketingleiter (Marketing Manager) Arzneimittel"
und ist gegenüber der Aufsichtsbehörde (Regierungspräsidium P.) als Vertriebsleiterin gemeldet. Darüber hinaus war die Beigeladene
die "offizielle Stellvertretung" des Leiters Medizin, dem die Leitung Pharmakovigilanz unterstand und der die Funktion des
Informationsbeauftragten ausübte. Nach dem erstinstanzlichen Vortrag im Klageverfahren vertritt die Beigeladene den medizinischen
Leiter in dessen Abwesenheit. Außerdem ist sie inzwischen als verantwortliche Person für den Großhandel mit Arzneimitteln
nach § 52 a Arzneimittelgesetz (AMG) gegenüber dem Regierungspräsidium P. gemeldet und als solche tätig. Sie hat heute die Stelle als Leiterin des "Geschäftsbereichs
zentrales Nervensystem" inne. Mit Wirkung vom 2. Mai 1989 ist die Beigeladene Dr. C. für ihre Beschäftigung als Apothekerin
von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden.
Nach einer Betriebsprüfung stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. März 2008 fest, dass die Beigeladene bei der Antragsgegnerin
versicherungspflichtig sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ebenso erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember
2010) wie der am 19. Januar 2011 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage. Mit Beschluss vom 3. Februar 2011 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung abgelehnt. In den Gründen heißt es, dass das Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides vom 27. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 habe, soweit die Beklagte für
die Tätigkeit von Dr. C. als Marketingleiterin der Klägerin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung angenommen und
für die Jahre 2003 - 2006 Beiträge in Höhe von 48.438,00 EUR nachgefordert habe. Die Beigeladene sei im hier streitigen Zeitraum
vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 nicht nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialversicherung (
SGB VI) von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Zwar sei für die Beigeladene mit Wirkung vom 2. Mai 1989 für ihre Beschäftigung
als Apothekerin unstreitig eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht erteilt worden. Dieser Bescheid
erfasse jedoch die seit dem 1. Oktober 2001 ausgeübte Tätigkeit als Marketingleiterin nicht. Nach der maßgeblichen Vorschrift
sei die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Da die Arbeitnehmerin der Klägerin
ihre Tätigkeit mehrere Jahre nach Erlass des Befreiungsbescheides bei der Klägerin aufgenommen habe, könne sich die 1989 ausgesprochene
Befreiung auf diese Tätigkeit nicht beziehen. Die von der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit als Marketingleiterin erfordere
auch nicht zwingend die Approbation als Apothekerin, auch wenn sie die Funktion der Marketingleitung ausweislich ihres Anstellungsvertrages
vom 10. Mai 2001 für den Bereich Arzneimittel in einem Pharma-Unternehmen ausübe. Dies gelte auch für die von der Beigeladenen
zu 1) ausgeübte Funktion als Vertriebsleiterin nach § 52 a AMG. Zwar bedürfe es für den Großhandel von Arzneimitteln der Erlaubnis und in diesem Zusammenhang der Benennung einer verantwortlichen
Person, die die zur Ausübung der Tätigkeit erforderliche Sachkunde besitze. Eine Approbation als Apothekerin verlange das
Gesetz an dieser Stelle ebenso wenig wie für die Funktion des Informationsbeauftragten, die die Beigeladene als Vertreterin
ausgeübt haben solle. Hierfür sei erforderlich bzw. ausreichend ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Humanmedizin, der
Humanbiologie, der Veterinärmedizin, der Pharmazie, der Biologie oder der Chemie oder die Sachkunde eines Apothekerassistenten
oder Pharmareferenten (§ 74 a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 AMG). Die Funktion einer Marketingleiterin entspreche nicht dem typischen Berufsbild eines Apothekers, wie es in § 2 Abs. 3 Bundes-Apothekerordnung
(BApO) definiert sei. Danach sei der Apotheker berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Die
Ausübung des Apothekerberufs sei die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, die Herstellung,
Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung Apotheker. Typischerweise werde die Funktion eines Marketingleiters
jedoch von Betriebswirtschaftlern oder kaufmännisch ausgebildeten Personen begleitet. Für die Aufgaben der Marketingleiterin
Arzneimittel in dem Pharma-Unternehmen der Antragstellerin sei eine pharmazeutische Ausbildung sicherlich sinnvoll und nützlich,
vor allem für die von der Klägerin vorgetragenen zusätzlichen Aufgaben der Beigeladenen bei der Planung und Koordination von
Phase-IV-Studien in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachabteilungen und der Diskussion von Zulassungsstrategien für Arzneimitteln.
Für die Aufgaben, die gute und sichere Arzneimittelwerbung beträfen, bedürfe es keiner Approbation als Apothekerin, weil diese
Aufgaben die Funktion des Informationsbeauftragten im Sinne des § 74 AMG beträfen. Auch trete die Beigeladene bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht unter der Berufsbezeichnung Apothekerin auf.
Da für die Tätigkeit der Beigeladenen für die Jahre 2003 - 2006 keine Befreiung erteilt worden sei, sei die Anforderung von
Beiträgen für die gesetzliche Rentenversicherung rechtmäßig. Die Antragsgegnerin habe diese Beiträge auch zutreffend berechnet.
Die Erhebung der Beiträge begründe auch keine unbillige Härte für die Antragstellerin. Sie könne sich nicht darauf berufen,
die Beigeladene werde mit der Rückzahlung der Beiträge aus dem Versorgungswerk ausscheiden, wodurch sie Nachteile erleide.
Damit mache sie nicht die Verletzung eigener Rechte geltend, sondern die ihrer Arbeitnehmerin. Hierfür fehle ihr jedoch die
Antragsbefugnis. Eine unbillige Härte begründe auch nicht der Umstand, dass die Antragstellerin Leistungen an das Versorgungswerk
der Apotheker erbracht habe und somit doppelt belastet werden könnte. Zum einen stehe es der Antragstellerin frei, diese Beiträge
zurückzufordern, um die Forderung der Antragsgegnerin zu erfüllen. Die Forderung sei auch nicht unbillig, denn es habe der
Antragstellerin freigestanden, bei Aufnahme der Tätigkeit der Beigeladenen einen Befreiungsantrag bei der Antragsgegnerin
zu stellen, um rechtzeitig Klarheit zur Frage der Rentenversicherungspflicht zu erhalten. Den Streitwert hat das Sozialgericht
auf 16.146 EUR festgesetzt.
Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 8. Februar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am
2. März 2011 eingelegte Beschwerde (nebst Anlagen). Unrichtig sei die Annahme des Sozialgerichts, wonach die der Beigeladenen
am 2. Mai 1989 erteilte Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht sich auf eine andere als die von ihr seit
dem 1. Oktober 2001 bei der Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit bezogen habe. Am 14. August
2000 habe die Beigeladene auf ihren Antrag hin eine Bestätigung darüber erhalten, dass sie weiter von der Versicherungspflicht
zur Rentenversicherung der Angestellten befreit sei. Die Befreiung habe am 2. Mai 1989 begonnen. Diese Bestätigung habe die
Beigeladene als Marketing- und Vertriebsleiterin der Firma XY. GmbH in GW. erhalten. Demnach habe die Beigeladene darauf vertrauen
können, dass sie für diese Tätigkeitsbereiche von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit
gewesen sei. Der damalige Tätigkeitsbereich sei im Wesentlichen mit den von der Beigeladenen anschließend bei der Antragstellerin
übernommenen Funktionen und Aufgaben gleich gewesen. In ihrer Stellung im Unternehmen der Antragstellerin und Beschwerdeführerin
habe sie noch weitaus mehr Apothekenaufgaben wahrnehmen müssen. Insbesondere sei die Beigeladene seinerzeit bei XY. GmbH ebenfalls
nicht unter der Berufsbezeichnung "Apothekerin" aufgetreten. Dieses von dem Sozialgericht vorgebrachte Argument sei nicht
nachvollziehbar. Es könne nicht darauf ankommen, welche Berufsbezeichnung eine Person führe, sondern welche Tätigkeiten mit
welchem Verantwortungsbereich ihr anvertraut würden. Das Sozialgericht habe verkannt, dass das Berufsbild des Apothekers nicht
nur die Entwicklung, die Herstellung und/oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung "Apotheker" umfasse, sondern
auch alle Verrichtungen, bei denen aufgrund pharmazeutischer Kenntnisse in pharmazeutischer Verantwortung gehandelt werde.
Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln fänden heute überwiegend gerade nicht mehr in einer Apotheke statt, sondern
in industriell geführten pharmazeutischen Unternehmen. Hinzu komme, dass unter "Abgabe von Arzneimitteln" selbstverständlich
auch der Großhandel zähle. In der Klageschrift vom 11. Januar 2011 werde zudem bereits ausführlich aus der Informationsbroschüre
der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände zitiert und das vielfältige Berufsbild des Apothekers, zu dem ausdrücklich
auch die Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie zähle, beschrieben. Hinzu komme, dass auch die Landesapothekerkammer
Q. am 13. Mai 2008 ausdrücklich bestätigt habe, dass die Beigeladene bei ihr, der Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
eine pharmazeutische Tätigkeit ausübe, weshalb sie der Kammer als Pflichtmitglied angehöre.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2011 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage
vom 10. Januar 2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Zu Recht komme das Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass die seit dem 1. Oktober
2001 ausgeübte Tätigkeit der Beigeladenen nicht durch den Befreiungsbescheid vom 2. Mai 1989 erfasst werde. Da die Beschäftigung
bei der Beschwerdeführerin erst im Jahre 2001 begonnen habe, handele es sich um eine andere Beschäftigung als diejenige, für
welche der Befreiungsbescheid erteilt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Gerichtsakte
des erstinstanzlichen Klageverfahrens S 18 KR 31/11 -, die beide Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde der Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts
Frankfurt am Main vom 3. Februar 2011 war antragsgemäß aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung gemäß §
86 b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG gegen den Bescheid der Beklagten, Antrags- und Beschwerdegegnerin vom 27. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 8. Dezember 2010 vorliegen.
Die Aussetzung einer Abgabepflicht (Beitragsforderung) im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nur in Betracht,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen. Solche ernstlichen Zweifel sind
erst dann begründet, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte derart überwiegen, dass der Erfolg des
Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Denn der Gesetzgeber hat in den Fällen des §
86 a Abs.
2 Nr.
1 SGG durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt
als das Interesse des Betroffenen an der Nichtzahlung von Beiträgen, um die Grundlage und damit die Funktionsfähigkeit der
Sozialversicherungsträger sicherzustellen (Keller, in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Aufl., §
86 a Rdnr. 13).
Nach dem derzeitigen Sachstand im Eilverfahren kommt der Senat auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der in den beigezogenen
Verwaltungsverfahrensakten der Beklagten enthaltenen Unterlagen sowie nach dem Vorbringen in der Klagebegründung zu der Einschätzung,
dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen. Diese ergeben sich daraus, dass das Tätigkeitsfeld
der Beigeladenen nur partiell erfasst und beurteilt worden ist. Nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer
durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung
oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung
Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht befreit. Diese Regelung ist in dem Sinn zu verstehen,
dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen ist. Sie gilt nur für diejenige Tätigkeit, für die sie erteilt ist (BSG, Urteil
vom 22. Okt. 1998 - B 5/4 RA 80/97 R -, BSGE 83, 74 unter Hinweis auf die einschlägige Literatur).
Dazu ist festzustellen: Eine Kontinuität in der berufsspezifischen und "berufstypischen Beschäftigung" (vgl. dazu auch Urteil
des Senats vom 29. Oktober 2009 - L 8 KR 189/08 -, in juris.de) als Apothekerin erschließt sich bereits aus dem für den Senat schlüssigen Vorbringen in der Klageschrift
vom 10. Januar 2011. Dort heißt es, dass bereits mit Schriftsatz vom 15. April 2009 dargelegt worden sei, dass die Beigeladene
im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Kägerin nicht als Pharmaberaterin, sondern als Marketingleiterin und als offizielle
Stellvertreterin des Leiters Medizin, dem die Pharmakovigilanz unterstanden habe, tätig gewesen sei. Nach der Definition der
WHO umfasst Pharmakovigilanz die Analyse und Abwehr von Arzneimittelrisiken, die Aktivitäten, die zur Entdeckung, Beurteilung
sowie zum Verständnis und zur Versorgung von unerwünschten Nebenwirkungen oder anderen Problemen in Verbindung mit Arzneimitteln
dienen, das Risikomanagment, die Vorbeugung von Therapiefehlern, die Vermittlung von Arzneimittelinformationen sowie die Förderung
der rationalen Therapie mit Arzneimitteln (so dokumentiert in: www.wikipedia.org./wiki/Pharmakovigilanz), was ersichtlich
funktionell fachspezifisch ausgerichtet ist. Die in den Tätigkeitsbereich der Beigeladenen fallenden Aufgaben sind in der
Klageschrift wie folgt dargestellt worden:
- Planung und Koordination von Phase IV Studien in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachabteilungen
- Übertragung und Kommunikation von Entwicklungs- und Forschungsergebnissen in den unternehmerischen Routinebetrieb
- Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Gesetzes sowie Einhaltung
der FSA/BPI Codex-Richtlinien im Rahmen des Vertriebs von Medizinprodukten und Arzneimitteln der Klägerin
- Prüfung und Freigabe aller Art von Informationen zum Unternehmen, Arzneimitteln und Medizinprodukten der Klägerin
- Erarbeitung von Konzepten zur Optimierung der Pharmakotherapie in besonderen Therapiesituationen und deren Kommunikation
an die entsprechenden Fachkreise (Ärzte, Schwestern, Pflegepersonal)
- Rechtzeitige Diskussion der Zulassungsstrategien für Arzneimittel mit regulatorischen Fachabteilungen sowie deren Beratung
(ABILIFY/Pletal/Tolvaptan)
- Konzeption und Erarbeitung von Patientenbroschüren und -Informationen unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen
- Beantwortung von Patientenanfragen und Anfragen von Ärzten/Apothekern
- Sicherstellung der korrekten Umsetzung pharmakologischer Wirkprinzipien in für Patienten verständliche Termini
- Bildung von Netzwerken und Sicherstellung des Informationsaustausches der Therapiebeteiligten (z.B. niedergelassene Ärzte-Klinikärzte-Pflegepersonal)
zur Unterstützung einer optimierten Therapie
- Leitung von Gesprächskreisen zum Meinungsaustausch unter Experten
- Koordination und Vertretung der gesundheitspolitischen Belange des Unternehmens bei Krankenversicherungen, Krankenkassen
etc.
- Planung, Koordination und Monitoring von Marketing und Vertriebsstrategien sowie Vorausberechnung deren ökonomischer Relevanz
für das Unternehmen
- Erarbeitung von Standard Operating Procedures und deren Implementierung
- Vorbereitung und Durchführung von Selbstinspektionen und Audit
Ergänzend hierzu weist die Klägerin darauf hin, dass "das vorgenannte Spektrum an Aufgaben und Verantwortlichkeiten" von der
Beigeladenen nur deshalb ausgeübt und professionell bewältigt werden könne, weil sie die durch Approbation dokumentierte,
umfassende Sachkenntnis als Apothekerin und die Zusatzqualifikation als Fachapothekerin für Arzneimittelinformation besitze.
Der Senat teilt diese Auffassung. Weder in dem angefochtenen Bescheid noch in dem Widerspruchsbescheid sind Erwägungen enthalten,
die diesen Tätigkeitsbereich inhaltlich erfassen und substantiell zur Frage einer "berufsgruppenspezifischen Tätigkeit" (Urteil
des Senats vom 29.Oktober 2009 - L 8 KR 189/08 -, aaO.) auswerten, worauf die Klägerin und Antragstellerin im vorliegenden Verfahren zu Recht hinweist. Auch der angefochtene
Beschluss berücksichtigt nur partiell den konkreten Tätigkeitsbereich, wie er für die Beigeladene in der Klageschrift dargestellt
worden ist. Zutreffend wird in dem Beschluss zwar darauf abgestellt, dass die Funktion einer Marketingleiterin nicht dem typischen
Berufsbild eines Apothekers entspricht, wie es in § 2 Abs. 3 BApO definiert ist. Danach ist die Ausübung des Apothekerberufs
die Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln
unter der Berufsbezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin". Nach dem zuvor dargestellten Tätigkeitsbereich der Beigeladenen,
der auch einen konkret beschriebenen Verantwortungsbereich umfasst, kann eine "pharmazeutische Tätigkeit" im Sinne des § 2
Abs. 3 erster Halbsatz BApO nicht verneint werden. Die Fassung der Norm ("insbesondere") zeigt, dass die von ihr erfasste
Berufsausübung nicht ausschließlich unter der Bezeichnung "Apotheker" oder "Apothekerin" erfolgen muss. Konkret abgestellt
auf die beschriebene Tätigkeit der Beigeladenen als "Marketing Leiter (Marketing Manager) Arzneimittel" kommt der Senat auf
der Grundlage des im vorliegenden Verfahren von der Klägerin dazu beschriebenen funktionellen Aufgabenbereiches der Beigeladenen
entgegen der Auffassung des Sozialgerichts aber zu dem Ergebnis, dass eine für Apotheker berufsfremde Tätigkeit jedenfalls
darin nicht gesehen werden kann. Ein spezifischer Bezug des beschriebenen Aufgabenbereichs der Beigeladenen als "pharmazeutische
Tätigkeit" ist nicht zu übersehen. Es ist nachvollziehbar, dass die dokumentierten funktionellen Aufgaben und der beschriebene
Verantwortungsbereich der Beigeladenen nur von einem approbierten Apotheker bzw. einer Apothekerin sachgerecht erfüllt werden
können. Dass die Beigeladene bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht als Apothekerin auftritt, wie das Sozialgericht ausgeführt
hat, kann nicht als maßgebliches Kriterium für die Entscheidung gelten, weil eine außerhalb der für die Befreiung von der
Rentenversicherungspflicht maßgebenden Tätigkeit (§
6 Abs.
1 Satz 1
SGB VI) wohl kaum angenommen werden kann. Von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom
27. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 kann der Senat deshalb nicht ausgehen.
Soweit die Klägerin und Antragstellerin ergänzend auf eine Interessenabwägung abgestellt haben will, hat das Sozialgericht
zutreffend ausgeführt, dass in dem vorliegenden Verfahren eine solche Interessenabwägung nicht in Betracht kommen kann. Gleiches
gilt für die Frage einer unbilligen Härte, auf die sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen kann. Abgesehen davon ist eine
Interessenabwägung vorliegend schon deshalb entbehrlich, weil der Senat, wie dargelegt, nicht von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 27. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2010
ausgehen konnte. Von Bedeutung kann allenfalls der Hinweis sein, dass die Beigeladene aus der Ö Versorgungskammer - Ö Apothekerversorgung
- ausscheiden muss und ihre Mitgliedschaft rückwirkend beendet würde (Antragsschrift vom 19. Januar 2011, Seite 3). Dies ergibt
sich aus der der Antragsschrift als Anlage 2 beigefügte Stellungnahme der Ö Versorgungskammer vom 23. Dezember 2010. Darin
wird bestätigt, dass der "Verrentungssatz" im Jahr der Einzahlung gelte und für die Beigeladene "aufgrund des Verrentungssatzwechsels
eine noch nicht zu beziffernde Einbuße" eintrete. Im Falle einer Interessenabwägung ist das Vollzugsrisiko nach §
86 a Abs.
2 Nr.
1 SGG zwar bewusst auf den Adressaten verlagert worden, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer
Aufgaben sicherzustellen (Keller, in Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Aufl.; §
86 a Rdnr. 27 a). Eine Interessenabwägung fiele vorliegend aber zugunsten der Beigeladenen aus, soweit es darauf ankäme. Der Nachteil,
dass die Beigeladene im Falle der Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gezwungen wäre, Einbußen bei
ihren Versorgungsbezügen hinnehmen zu müssen, hat stärkeres Gewicht als die der Beklagten erwachsenen Nachteile. Diese bestehen
allein darin, die einkommensbezogenen Rentenbeiträge der Beigeladenen erst zu einem späteren Zeitpunkt vereinnahmen zu können.
Auch dies spricht dafür, die aufschiebende Wirkung anzuordnen. In dem Verfahren zur Hauptsache können ggf. weitere offene
Fragen geklärt werden, soweit dies erforderlich sein sollte.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Festsetzung.
Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§
177 SGG).