Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Arbeitslosengeld ab 24. Juli 2006 noch bis zum 3. September 2006 sowie
um eine Erstattung von überzahltem Arbeitslosengeld in Höhe von 247,31 Euro.
Der 1957 geborene Kläger ist seit 1. Januar 1981 Angestellter bei der D ... Seit 6. August 2004 war er arbeitsunfähig erkrankt
und bezog vom 16. Februar 2005 bis zum 22. Februar 2005 sowie vom 1. März 2005 bis zum 20. Februar 2006 Krankengeld. Nachdem
dieser Anspruch erschöpft war, meldete er sich zum 21. Februar 2006 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, welches ihm
ab Antragstellung in Höhe von 35,33 Euro täglich bewilligt wurde. Unter Zugrundelegung eines Gutachtens des Arztes der Agentur
für Arbeit vom 30. Januar 2006 zahlte die Beklagte das Arbeitslosengeld unter Anwendung der sogenannten "Nahtlosigkeitsregelung",
weil der Arzt festgestellt hatte, dass bei dem Kläger angesichts seiner gesundheitlichen Situation über unabsehbare Zeit keine
Leistungsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe.
In der Zeit vom 27. Februar 2006 bis zum 31. März 2006 nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil
und bezog Übergangsgeld durch die Deutsche Rentenversicherung Bund. Am 1. April 2006 meldete er sich erneut arbeitslos und
beantragte die Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. In diesem Zusammenhang wurde am 27. April 2006 erneut eine Begutachtung
durch den Arzt der Agentur für Arbeit durchgeführt. Dieser stellte nunmehr fest, dass der Kläger vollschichtig und in Tagesschicht
leichte Arbeiten unter Ausschluss bestimmter Belastungen (Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen und Bücken sowie Zwangshaltungen)
verrichten könne. Dagegen war der Kläger nach Einschätzung des Arztes noch nicht wieder in der Lage, seine zuletzt ausgeübte
Tätigkeit zu verrichten. Am 17. Mai 2006 wurde Arbeitslosengeld ab 1. April 2006 weiter bewilligt für eine restliche Anspruchsdauer
von 354 Tagen unter Berücksichtigung des neuen ärztlichen Gutachtens.
Unter dem 5. Juli 2006 wurde durch die den Kläger behandelnden Ärzte ein Wiedereingliederungsplan erstellt, wonach der Kläger
vom 24. Juli 2006 bis zum 26. August 2006 in seiner früheren Tätigkeit als Bankangestellter vier Stunden täglich arbeiten
sollte. Die D. erklärte sich mit Schreiben vom 11. Juli 2006 mit der Maßnahme einverstanden und stellte fest, dass der Kläger
für die Zeit des Arbeitsversuchs weiterhin als erkrankt geführt werde.
Mit Bescheid vom 23. August 2006 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 24. Juli 2006
auf und forderte zugleich das in der Zeit vom 24. Juli 2006 bis zum 31. Juli 2006 gezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 247,31
Euro zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Wiedereingliederungsmaßnahme in einem zeitlichen Umfang von vier Stunden
pro Tag beseitige die Arbeitslosigkeit des Klägers. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 11. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden
erhoben.
Das Sozialgericht hat am 18. Oktober 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und mit Urteil vom selben Tage unter Aufhebung
des Bescheides vom 23. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2006 die Beklagte zur Weitergewährung
von Arbeitslosengeld an den Kläger über den 24. Juli 2006 hinaus verurteilt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen
für eine Aufhebung und Rückforderung lägen nicht vor, da der Kläger aufgrund seiner Teilnahme am Wiedereingliederungsplan
nicht seinen Leistungsanspruch verloren habe. Der Kläger sei nach Wiedereintritt vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte
Arbeiten mit Einschränkungen während des Arbeitslosengeldbezugs ab 24. Juli 2006 erneut arbeitsunfähig als Bankangestellter
geworden. Wegen der rechtlichen Bewertung der stufenweisen Wiedereingliederung als Arbeitsunfähigkeit bezieht sich das Sozialgericht
auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Allerdings sei eine Leistungsfortzahlung nach den einschlägigen Vorschriften
auf längstens sechs Wochen begrenzt, hier also bis zum 3. September 2006. Dieses Urteil ist den Beteiligten jeweils am 24.
Oktober 2007 zugestellt worden.
Mit am 23. November 2007 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Diese begründet sie damit, dass die Arbeitslosigkeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld bei
dem Kläger nicht mehr vorgelegen habe, da er ab 24. Juli 2006 eine mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung
habe ausüben können. Ein Anspruch komme auch nicht aufgrund der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung in Betracht, denn vorliegend
sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Arbeitsunfähigkeit mehr als sechs Monate dauern werde und dass noch ein Bescheid der
gesetzlichen Rentenversicherung ausstehe. Vielmehr sei nach Einschätzung der behandelnden Ärzte eine relativ kurze Wiedereingliederungszeit
mit nur einer zeitlichen Stufe vorgesehen. Ärztlicherseits sei bereits vier Wochen nach Arbeitsbeginn mit der Wiederherstellung
der vollen Arbeitsfähigkeit gerechnet worden. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Fortzahlung von Arbeitslosengeld auch nicht
nach anderen Vorschriften zu, dem Sozialgericht sei zu widersprechen, wenn es annehme, der Kläger sei während des Arbeitslosengeldbezuges
ab 24. Juli 2006 erneut arbeitsunfähig als Bankangestellter geworden. Es sei vielmehr so, dass der Kläger für diese Tätigkeit
bereits seit August 2004 arbeitsunfähig gewesen sei und diese Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Wiedereingliederung noch
angedauert habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Oktober 2007 zu ändern und die Klage im vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf seinen bisherigen Vortrag und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden Bezug.
Der Senat hat am 15. Dezember 2008 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, insoweit wird auf das Protokoll vom selben Tage
verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug
genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) und auch ansonsten zulässige (§§
143,
144 SGG in der bis zum 1. März 2008 gültigen Fassung) Berufung der Beklagten hat, abgesehen von der in den Tenor aufgenommenen zeitlichen
Begrenzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld bis zum 3. September 2006, keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11. September 2006 aufgehoben. Einer darüber hinausgehenden Verurteilung zur Leistung, nämlich der Weitergewährung von
Arbeitslosengeld an den Kläger über den 24. Juli 2006 hinaus, hätte es eigentlich nicht bedurft, da es sich vorliegend um
eine reine Anfechtungsklage handelt. Durch den Bewilligungsbescheid vom 17. Mai 2006 war dem Kläger Arbeitslosengeld für eine
Anspruchsdauer von 354 Kalendertagen bewilligt worden. Durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide lebt dieser Bewilligungsbescheid
wieder auf, da die Gesamtanspruchsdauer zum Zeitpunkt der Aufhebung noch nicht erschöpft war. Der Senat hat aber davon abgesehen,
den Tenor mit einer weiteren Maßgabe zu versehen und hat aufgrund eines rechtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung
und einer daraufhin abgegebenen entsprechenden Erklärung des Klägervertreters im Tenor nur klarstellend den streitgegenständlichen
Zeitraum bis zum 3. September 2006 begrenzt.
Diese Begrenzung entspricht genau dem 6-Wochen-Zeitraum des §
126 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) in der hier maßgeblichen Fassung ab. 1. Januar 2006, auf den das Sozialgericht die Pflicht der Beklagten zur Leistungsfortzahlung
zutreffend gestützt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten lagen nämlich die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides
vom 17. Mai 2006 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. §
330 Abs.
3 SGB III nicht vor, da keine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnisse vorgelegen hat. Zwar gehört nach §
117 Abs.
1 Nr.
1 SGB III zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld die Arbeitslosigkeit. Diese setzt wiederum die Fähigkeit und
Bereitschaft voraus, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen
Bedingungen des für den Anspruchsteller in Betracht kommenden Arbeitsmarkts aufnehmen und ausüben zu können (§ 118 Abs. 1
Nr. 2 i.V.m. §
119 Abs.
1; Abs.
3 und Abs.
5 SGB III). Versicherte, deren Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen so weit abgesunken ist, dass sie diesen Anforderungen
nicht genügen können, haben gleichwohl einen Anspruch auf Arbeitslosengeld unter den Voraussetzungen der sogenannten "Nahtlosigkeitsregelung"
des §
125 SGB III. Allerdings liegen die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - nicht
vor, weil die Situation im vorliegenden Fall eine andere ist. Der Kläger ist nicht unabsehbar arbeitsunfähig und es steht
auch nicht im Raum, dass der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung noch Feststellungen zu einer verminderten
Erwerbsfähigkeit treffen wird. Das Bundessozialgericht hat aber in seiner zu den Akten gelangten Entscheidung vom 21. März
2007 (B 11a AL 31/06 R) ausgeführt, dass sich Leistungen nach §
126 SGB III und nach §
125 SGB III aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung tatbestandlich nicht ausschließen.
Für den hier zu entscheidenden Sachverhalt hat das Sozialgericht danach richtigerweise §
126 SGB III zugrunde gelegt, dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Es spielt hier keine Rolle, dass der Kläger ursprünglich seit dem 6.
August 2004 arbeitsunfähig erkrankt war, denn der Arzt der Beklagten hat den Kläger bereits Ende April 2006 wieder als voll
erwerbsfähig für leichtere Arbeiten eingestuft. Da dem Kläger aber tatsächlich keine Arbeit vermittelt werden konnte, hat
er weiterhin Arbeitslosengeld bezogen. In dieser Situation hätten die behandelnden Ärzte auch eine komplette Arbeitsunfähigkeit
erneut attestieren können. Wenn sie statt dessen der Meinung waren, dass eine schonende Wiedereingliederung möglich sei, so
gilt dies als Minus zu einer kompletten Arbeitsunfähigkeit. Dadurch, dass die den Kläger behandelnden Ärzte ab Ende Juli 2006
die Möglichkeit für diese stufenweise Wiedereingliederung gesehen haben, wird das vorherige ärztliche Zeugnis sozusagen "außer
Kraft" gesetzt. Da es im Sinne der Rechsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. März 2007, aaO., m.w.N.) keine Teilarbeitsunfähigkeit
gibt, ist der Kläger während der Wiedereingliederungsmaßnahme als arbeitsunfähig zu betrachten und hat daher für 6 Wochen
einen Anspruch auf Fortzahlung von Arbeitslosengeld, beginnend ab dem 24. Juli 2006. Der Senat geht bei dieser Bewertung ausdrücklich
davon aus, dass die Feststellungen, die das Bundessozialgericht im Rahmen von Entscheidungen zum Krankenversicherungsrecht
getroffen hat, im Sinne des bereits mehrfach zitierten Urteils vom 21. März 2007 auch auf den Bereich des
SGB III anzuwenden sind. Danach ist ein Versicherter weiterhin arbeitsunfähig, solange er die bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen
Gründen nicht in vollem Umfang wieder ausüben kann, zum Beispiel weil ihn seine Erkrankung noch an vorher geleisteter vollschichtiger
Arbeit hindert und ihm stattdessen nur eine Teilzeitarbeit zur Wiedereingliederung erlaubt ist, da es im rechtlichen Sinne
keine Teilarbeitsunfähigkeit gibt.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die freiwillige stufenweise Wiederaufnahme einer Beschäftigung trotz
anhaltender Arbeitsunfähigkeit letztlich auch im Interesse der Beklagten liegt, da dadurch die Möglichkeit einer vorzeitigen
Beendigung des aktuellen Leistungsfalls eröffnet wird (so auch BSG, aaO.). Es ist dabei ohne Belang, ob die Wiedereingliederung
mehrere Stufen umfasst, oder - wie hier - für eine begrenzte Zeit eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit einer täglichen Arbeitszeit
von 4 Stunden, also circa der Hälfte der regulären Arbeitszeit, vorsieht. Durch die reduzierte Arbeitszeit wird auch kein
echtes Arbeitsverhältnis begründet, da Gegenstand der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht eine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung
ist, sondern der Gesichtspunkt der Rehabilitation im Vordergrund steht. Es entsteht ein Rechtsverhältnis eigener Art und der
Arbeitnehmer unterliegt z. B. auch nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers (vgl. BAGE 69, 272; 92, 140). Dementsprechend hatte die Arbeitgeberin des Klägers auch vor Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme bestätigt, dass sie
mit der Maßnahme einverstanden sei, der Kläger aber weiterhin als erkrankt geführt werde.
Da Leistungsfortzahlung nach §
126 SGB III aber nur für 6 Wochen erfolgen kann, hat der Kläger zutreffender Weise den Streitgegenstand auf den Zeitraum bis zum 3. September
2006 begrenzt. Im Übrigen ist hier anzumerken, dass die Wiedereingliederungsmaßnahme auch in dem von der Beklagten gewünschten
Sinne zum Erfolg geführt hat, denn der Kläger war kurz nach Beendigung der Maßnahme ab dem 8. September 2006 wieder vollschichtig
arbeitsfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen. Insbesondere ist keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits gegeben, denn das Bundessozialgericht
und das Bundesarbeitsgericht haben in der Vergangenheit die betroffenen grundsätzlichen Rechtsfragen bereits geklärt.