Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Bestattung des Bruders der Klägerin in Höhe von insgesamt 2.543,76
Euro.
Der Bruder der Klägerin, B. A., verstarb im Alter von 64 Jahren am 7. November 2009 in S-Stadt (Saarland). Vor seinem Tod
bezog Herr A. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der ARGE X-Stadt. Der Verstorbene verfügte über kein nennenswertes Vermögen.
Die nächsten Familienangehörigen des Verstorbenen sind die 1957 geborene Klägerin als Schwester, sowie eine weitere Schwester
(V. V., geboren 1958) und ein in Mexiko lebender Bruder (C. A.). Zwei weitere Brüder (D. und E. A.) sind bereits vorverstorben.
Die Klägerin und ihre Schwester, sowie deren Sohn haben die Erbschaft ausgeschlagen.
Die Klägerin lebte von 1977 bis 2000 in den USA, ist dort geschieden und hat dort keine Rentenansprüche erworben. Im Jahr
2001 zahlte sie erstmals in die deutsche Rentenkasse ein. Laut Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung vom 27. Juni 2007
hatte sie zu diesem Zeitpunkt einen Rentenanspruch in Höhe von 310,56 Euro monatlich.
Die heute in B-Stadt lebende Schwester der Klägerin (die von 1977 bis 1992 ebenfalls in den USA lebte) hatte (soweit belegt)
von August bis Oktober 2009 ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.871,94 Euro. Darüber hinaus verfügte sie zu dieser Zeit
über einen Bausparvertrag, in den sie 40,00 Euro monatlich einzahlte, sowie über einen Sparvertrag für Wertpapiere, in welchen
ein monatlicher Betrag von 33,33 Euro floss. Ihr Girokonto bei der Ö-bank wies am 2. November 2009 ein Guthaben in Höhe von
3.318,29 Euro aus.
Am 10. November 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihres Bruders. Der
Beklagte führte daraufhin eine Einkommens- und Vermögensprüfung der Klägerin durch. Dabei ermittelte er ein Guthaben von 684,61
Euro, ein Bausparguthaben von 2.163,90 Euro sowie zwei Rentenversicherungen mit garantierten sofortigen Rückkaufswerten in
Höhe von 4.300,00 Euro bzw. 1.850,00 Euro. Bei der letztgenannten Rentenversicherung handelt es sich um eine zusätzliche Altersvorsorge
im Sinne des § 10a des Einkommenssteuergesetzes (sog. Riester-Rente).
Nach einer Vorabrechnung des Bestattungsunternehmens Q. Bestattungen GmbH, S Stadt, vom 9. November 2009 wurde für die Feuerbestattung
des verstorbenen Bruders der Klägerin ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.293,52 Euro veranschlagt. Mit Rechnung vom 16. November
2009 beliefen sich die Kosten des Bestattungsunternehmens auf 1.896,25 Euro. Hinzu kamen später noch eine Rechnung des Friedhofs-
und Bestattungsbetriebs der Landeshauptstadt W. über 443,01 Euro sowie des Bestatters F. F., A-Stadt, über 59,50 Euro und
ein Bescheid über Friedhofsgebühren der Stadt A-Stadt in Höhe von 145,00 Euro.
Mit Bescheid vom 16. November 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Er begründete dies damit, dass die
beiden anderen Geschwister des Verstorbenen der Klägerin gegenüber ausgleichspflichtig seien und diese vorrangig gegenüber
dem Sozialhilfeträger die Kosten zu tragen hätten. Leistungsberechtigter nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei nur der zur endgültigen Tragung der Bestattungskosten Verpflichtete. Zudem sei eine Kostentragung der Antragstellerin
auch zumutbar, da sie über Vermögen verfüge, das die Vermögensfreigrenze von 2.600 Euro übersteige.
Den gegen die Ablehnung eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2010
zurück.
Bereits am 21. Januar 2010 hatte die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gießen
gestellt und am 2. Februar 2010 hat sie Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 26. März 2010 hat das Sozialgericht Gießen den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
die der Klägerin entstandenen Kosten für die Bestattung ihres Bruders in Höhe von 2.272,26 Euro vorläufig bis zur Entscheidung
in der Hauptsache zu übernehmen. Ein Anordnungsanspruch liege vor, da der Klägerin die Kostentragung aufgrund des zerrütteten
Verhältnisses zu ihrem Bruder nicht zuzumuten sei. Daraufhin übernahm der Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2010 die angefallenen
Kosten und darüber hinaus mit Bescheid vom 18. Mai 2010 auch weitere vom Beerdigungsinstitut geforderte Bestattungskosten
in Höhe von 271,50 Euro vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache.
Mit ihrer zuvor erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten ergäbe
sich daraus, dass weder sie noch ihre Schwester über zumutbar einsetzbares Vermögen verfügten. Die vorhandenen Rentenversicherungen
benötigten sie dringend für die Alterssicherung. Auch lägen zerrüttete Familienverhältnisse vor, da der Verstorbene bereits
den elterlichen Haushalt verlassen habe, als sie erst zwei Jahre alt gewesen sei. Ihr Bruder sei zudem immer das "schwarze
Schaf" der Familie gewesen. Er sei mehrfach straffällig geworden und sei später nur immer kurz in die Familie zurückgekehrt,
um Geldforderungen zu stellen. Ein familiäres Zusammenleben habe nie stattgefunden. Es habe auch bei Geburtstagen oder an
Weihnachten keinerlei Kontakt gegeben. Schließlich sei auch der Bruder in Mexiko nicht leistungsfähig und habe im Übrigen
auch weitere Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt. Diesem gegenüber seien daher keine Rechtsschutzmöglichkeiten
in angemessener Zeit gegeben.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2010 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten in Gestalt des
Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch
auf die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihres Bruders. Der Einwand, die Erbschaft sei ausgeschlagen worden, sei rechtlich
unbeachtlich, weil es auf die Erbenstellung des Bestattungspflichtigen nicht ankommen. Die öffentlich-rechtliche Pflicht,
für die Bestattung eines Verstorbenen zu sorgen, sei nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Beerdigungskosten
zu tragen. Gemäß § 26 Abs. 1 des Saarländischen Bestattungsgesetzes sei die Klägerin ebenso wie ihre Geschwister bestattungspflichtig, da keine anderen, vorrangig verpflichteten Angehörigen
vorhanden seien. Die Übernahme der entstandenen, Bestattungskosten sei der Klägerin auch zumutbar im Sinne von § 74 SGB XII gewesen. Bei der Gewichtung der wirtschaftlichen Auswirkungen, die nicht zur Überschuldung oder zur Sozialbedürftigkeit des
Kostenverpflichteten führen dürften, seien u.a. die personale Nähe und zwischenmenschlichen Beziehungen zum Verstorbenen zu
berücksichtigen. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis (z.B. Kinder, Geschwister) oder die rechtliche Beziehung (z.B. Ehe-
oder Lebenspartner) gewesen sei, desto höher sei in der Regel der Einkommens- und Vermögenseinsatz, der zugemutet werden könne.
Bei der Klägerin handele es sich um die Schwester des Verstorbenen und daher sei grundsätzlich von einem engen Verwandtschaftsverhältnis
auszugehen. Die fehlende personale Bindung der Klägerin zu ihrem verstorbenen Bruder lasse die Zumutbarkeit der Kostentragung
nicht entfallen. Die Bestattungspflicht, und damit auch die grundsätzliche Pflicht zur Kostentragung, knüpfe allein an die
Angehörigen-Eigenschaft an. Auf ein tatsächlich bestehendes persönliches Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen
komme es nicht an. Der Gesetzgeber habe insoweit bestimmt, dass die nahen Angehörigen bestattungspflichtig seien, ohne darauf
abzustellen, ob die Familienverhältnisse intakt gewesen seien. Er knüpfe hierbei an die den nächsten Angehörigen gewohnheitsrechtlich
obliegende Totenfürsorge an. Recht und Pflicht der Totenfürsorge seien Ausfluss des familiären Verhältnisses, das über den
Tod hinaus andauere und gegenüber dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebiete. Vor diesem Hintergrund
habe der Gesetzgeber die Bestattungspflicht auch bei gestörten Familienverhältnissen den Angehörigen auferlegt und nicht auf
die Allgemeinheit verlagert. Die Angehörigen eines Verstorbenen stünden diesem allein schon aufgrund ihrer familiären Verbundenheit
näher als die Allgemeinheit, so dass es vorrangig ihnen obliegen müsse, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen
Kosten zu tragen. Eine Unzumutbarkeit der Kostentragungspflicht komme nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten
des an sich Bestattungspflichtigen oder bei einem vergleichbaren schwerwiegenden Fehlverhalten in Betracht. Nicht ausreichend
sei ein zerrüttetes Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dessen nahen Angehörigen sowie in der Folge ein seit Jahrzehnten
fehlender Kontakt zwischen ihnen. Schließlich sei die Übernahme der Bestattungskosten der Klägerin auch finanziell zumutbar
gewesen, insbesondere mit Rücksicht darauf, dass ihr ein Ausgleichsanspruch gegenüber ihren ebenfalls zur Bestattung des Bruders
verpflichteten Geschwistern zustehe. Die Zumutbarkeit des Einsatzes von Vermögen bestimme sich nach den Vorschriften der §§
90, 91 SGB XII. Die Klägerin verfüge über ein Vermögen, das 4.548,00 Euro über dem Schonvermögen des § 90 Abs. 1 Nr. 9 SGB XII liege. Dieses setze sich zusammen aus einem Sparguthaben in Höhe von 684,00 Euro, einem Bausparguthaben in Höhe von 2.163,00
Euro sowie einer anzurechnenden Rentenversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 4.300,00 Euro. Darüber hinaus verfüge
die Klägerin über eine weitere, gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII geschützte sog. "Riester-Rente" mit einem Rückkaufswert in Höhe von 1.850,00 Euro. Der Gesamtbetrag für die Bestattungskosten
belaufe sich auf 2.543,76 Euro. Aus diesem Vergleich ergebe sich, dass die Klägerin die Kosten für die Bestattung aus ihrem
Vermögen bestreiten könne. Die Übernahme der Kosten führe nicht zur Überschuldung. Die beiden Rentenversicherungen der Klägerin
müssten zur Bestreitung der Kosten nicht angetastet werden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin
für die anteilige Erstattung der Kosten an ihre beiden Geschwister halten könne. Diese seien, da sie ebenfalls grundsätzlich
als Bestattungspflichtige gelten, der Klägerin als Gesamtschuldner gemäß §
426 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) zum Ausgleich der anteiligen Kosten für die Bestattung des verstorbenen Bruders verpflichtet. Grundsätzlich sei es Aufgabe
des Anspruchsstellers, sich um die Verwirklichung seiner Ansprüche zu kümmern. Für den Fall, dass ein Bestattungspflichtiger
für die Kosten alleine aufgekommen sei, müsse er sich den entsprechenden Anteil von seinen Geschwistern im Innenverhältnis
erstatten lassen, weil eine Kostentragung nur dann unzumutbar sei, wenn von anderer Seite kein Ersatz verlangt werden könne.
Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn ein etwaiger Ausgleichsanspruch derart zweifelhaft oder sogar dessen gerichtliche
Durchsetzung erforderlich sei, weil der Anspruchsgegner die Übernahme der Kosten bereits abgelehnt habe. Vorliegend sei das
Bestehen eines Ausgleichsanspruchs gegen den Bruder und die Schwester der Klägerin als solches nicht zweifelhaft. Allenfalls
im Hinblick auf den in Mexiko lebenden Bruder dürfte für den Fall seiner fortdauernden Weigerung zur Erstattung die Durchsetzung
des Ausgleichsanspruchs problematisch werden. Demgegenüber könne sich die Klägerin hinsichtlich der Ausgleichspflicht zumindest
an ihre Schwester halten.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 6. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Dezember 2010 beim Sozialgericht
Gießen Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe ihren Bruder kaum gekannt und sich zur Bestattung lediglich
moralisch verpflichtet gefühlt. Das Sozialgericht Gießen habe Zumutbarkeitskriterien angelegt, die im Rahmen der Gesetzesauslegung
zu eng ausgefüllt worden seien. Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass eine fehlende personale Bindung an den Bruder
die Zumutbarkeit nicht entfallen lasse. Dabei habe es außer Acht gelassen, dass nicht nur eine personale Bindung zu ihrem
Bruder gefehlt habe, sondern auch von Beginn an niemals vorhanden gewesen sei. Es handele sich also nicht - wie sehr oft üblich
- um eine Entfremdung zwischen Geschwistern, die in vielen Familien stattfinde, sondern um eine von Anfang an fehlende Bindung.
Die persönlichen Verhältnisse seien dann, wenn keine persönlichen Kontakte vorhanden gewesen seien, in einem anderen Licht
zu sehen, als wenn die vorher bestehende familiäre Bindung im späteren Verhältnis abreiße. Insofern könne auch nicht von einer
fortbestehenden Solidargemeinschaft gesprochen werden. Die Situation sei in etwa mit dem Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 2 SGB XII vergleichbar, wo Eltern für ihre behinderten Kinder dem Sozialhilfeträger gegenüber Unterhaltsansprüche auszugleichen hätten.
Der Begriff der Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII sei entsprechend der unbilligen Härte nach § 94 Abs. 3 SGB XII voll gerichtlich nachprüfbar. Das Verständnis der unbilligen Härte hänge auch von den sich wandelnden Anschauungen der Gesellschaft
ab. Damit seien auch die familiären und die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen sowie die soziale Lage der Beteiligten
heranzuziehen. Die Härte könne in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen
oder des Unterhaltsberechtigten liegen, sofern es sich um Unterhaltsansprüche handele. Der Fall sei insoweit mit den Bestattungskosten
vergleichbar. Das Sozialgericht habe die sozialen Belange der Klägerin vernachlässigt. Die Verpflichtung zur Übernahme der
Bestattungskosten ihres Bruders sei unter Berücksichtigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage - ebenso wie gegenüber
ihrer Schwester oder ihrem Bruder - unzumutbar. Es sei dargelegt worden, dass sie, ebenso wie ihre Schwester, nachdem sie
beide viele Jahre in den USA gelebt hätten und dort keine Rentenansprüche begründen konnten, nach ihrer Rückkehr in das Erwerbsleben
ein gesteigertes Interesse daran gehabt hätten, für den Fall ihrer Verrentung Vorsorge zu schaffen. Die Klägerin habe trotz
Einkommens im unteren Bereich als Reinigungskraft Rücklagen geschaffen, um im Alter abgesichert zu sein. Die gebotene Billigkeitsprüfung
müsse daher eine umfassende Abwägung aller relevanten Umstände mit sich bringen. Dabei sei das Schonvermögen hier mindestens
bei 10.000 Euro anzusetzen, da es sowohl ihr als auch ihrer Schwester nicht vorgeworfen werden könne, aufgrund ihrer Eheschließung
in den USA dort keine Rentenansprüche erworben zu haben. Durch das Scheitern der Ehen hätten sie nur bedingt Einfluss auf
ihre Altersvorsorge - keinerlei Einfluss hätten sie darauf, dass ihr verstorbener Bruder keinerlei Rücklagen für den Fall
seines Versterbens getroffen habe. Es sei unbillig, bei den Verpflichteten hinsichtlich der Bestattungskosten einen Vermögensfreibetrag
in Höhe von 2.600 Euro anzusetzen. Dies möge bei Erwerbstätigen bzw. nichterwerbstätigen Personen bzw. Rentnern angemessen
sein, hingegen nicht bei voll im Berufsleben Stehenden. Schließlich sei auch offenkundig, dass eine Heranziehung des in Mexiko
lebenden Bruders nicht möglich sei, da dieser zum Einen die Auskunft verweigere, zum Anderen es sich nicht etwa um Ansprüche
handele, die gegebenenfalls über Prozesskostenhilfe - wie innerhalb der Europäischen Union möglich - einklagbar seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gießen vom 26. Oktober 2010 den Bescheid des Beklagten vom 16. November 2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die
Bestattung ihres Bruders in Höhe von 2.543,76 Euro zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, die Klägerin sei, wie zumindest auch ihre Schwester, nach den vorgelegten Einkommens- und Vermögensunterlagen
in der Lage die Beerdigungskosten selbst zu tragen. Der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch gegen ihre ebenfalls bestattungspflichtigen
Geschwister zu. Ihre Schwester habe zum Zeitpunkt der Antragstellung über ein Gehalt von monatlich 1.871,94 Euro verfügt.
Daneben verfüge sie auch über Sparguthaben, dessen genaue Höhe mangels detaillierter Angaben bislang nicht habe ermittelt
werden können. Das Vorbringen zur familiären Situation der Klägerin sei nur bedingt nachprüfbar, könne aber im konkreten Fall
nicht geeignet sein, die Unzumutbarkeit der Übernahme der Kosten zu begründen. Gestörte Familienverhältnisse allein könnten
nicht dazu führen, die Bestattungspflicht und die Kostentragungspflicht von der Familie auf die Allgemeinheit zu verlagern.
Dies entspreche auch nicht der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Bestattungsrecht. Nach der Rechtsprechung des OVG
G-Stadt könne dabei unter bestimmten Voraussetzungen nach ergänzender Heranziehung der Regelungen über den Billigkeitserlass
der LHO bzw. des Gemeindehaushaltsrechts oder des Abgabenrechts eine Auslegung der Regelungen des Bestattungsgesetzes erwogen werden und bei besonders schweren Verfehlungen des Verstorbenen gegenüber dem Bestattungspflichtigen von einer Bestattungsverpflichtung
abgesehen werden. Unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten entfielen Unterhaltspflichten ebenfalls nur bei schweren Verfehlungen
des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltspflichtigen, das bloße Nichtbestehen von engen Beziehungen untereinander oder
das Fehlen von Kontakten genügten hier nicht. Einen generellen Vermögensfreibetrag von 25.000 Euro gebe es im Bereich der
Vorschriften des § 90 SGB XII nicht. Eine besondere Notlage der Klägerin liege nicht vor. Auch die Härteregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII greife hier nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten,
der Nachlassakte des Amtsgerichts S Stadt, der Gerichtsakte des beim Sozialgericht Gießen geführten Eilverfahrens sowie auf
die im vorliegenden Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144 Abs.
1,
151 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Gießen hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 26. Oktober 2009 abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten.
Gemäß § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung nur übernommen, soweit es dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden
kann, sie zu tragen. Die Zumutbarkeit hat dabei einen wirtschaftlichen und einen persönlichen Aspekt.
Die Klägerin war rechtlich zur Bestattung ihres Bruders verpflichtet und zwar unabhängig davon, dass sie sich als ältestes
Familienmitglied "lediglich moralisch verpflichtet" fühlte, die Bestattung für ihren Bruder in Auftrag zu geben. Nach § 26 Abs. 1 des Saarländischen Bestattungsgesetzes (BestattG) sind die Geschwister des Verstorbenen als nächste Verwandte bestattungspflichtig, wenn weder Ehepartner noch Partner
einer eingetragenen Lebenspartnerschaft noch Kinder oder Eltern noch Partner einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft
nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II vorhanden sind.
Der verstorbene B. A. war geschieden. Den 1964 geborenen Sohn BB., hat der neue Ehemann der Mutter, K. K. an Kindes statt
angenommen (wirksam seit 1976). Gemäß §
1755 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 BGB erlöschen mit der Annahme durch den neuen Ehegatten das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu dem
bisherigen Elternteil und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. Die Eltern der Klägerin und ihrer Geschwister
sind in den Jahren 2001 und 2006 vorverstorben. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der verstorbene Bruder der Klägerin
mit einer Partnerin in einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gelebt hätte. Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung von einer "Lebensgefährtin" ihres Bruders gesprochen, sie
hat aber nichts Konkretes dazu vorgetragen, dass ihr Bruder mit dieser Frau etwa eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft
im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II geführt hätte. Vielmehr hat die Vertreterin des Beklagten erklärt, dass nach den vorliegenden Unterlagen des Jobcenters und
den Angaben des Vermieters die Freundin des Bruders nicht in dessen Wohnung gelebt habe. Dafür, dass es sich nicht um eine
auf Dauer angelegte nichteheliche Lebensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II gehandelt hat, spricht auch der letzte dem Verstorbenen erteilte Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem SGB II vom 14. Juli 2009 für den Zeitraum vom 11. Juli 2009 bis 31. Januar 2010, in dem keine Lebenspartnerin aufgeführt ist. Weitere
Punkte, die gegen das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft sprechen sind, dass die Wohnung des Verstorbenen
nach den Angaben der Klägerin - von dessen bestem Freund aufgelöst worden ist und dass ihr Bruder im Familiengrab in A-Stadt
beigesetzt wurde.
Danach waren die Klägerin, ebenso wie ihre beiden Geschwister, V. V. und C. A., mangels vorrangig Bestattungsverpflichteter,
gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 6 BestattG bestattungspflichtig. Mehrere Kostenpflichtige (hier: Bestattungspflichtige) sind im Verhältnis
zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§
426 Abs.
1 Satz 1
BGB), was hier nicht der Fall war. Bei mehreren Verpflichteten ist die Zumutbarkeit gesondert für den jeweiligen Antragsteller
zu prüfen, weil eine Kostentragung nur dann unzumutbar sein kann, wenn von anderer Seite kein Ersatz erlangt werden kann (Grundsatz
des Nachrangs der Sozialhilfe; vgl. Beschluss des erkennenden Senats v. 20. März 2008 - L 9 SO 20/08 B ER -). Bei gesamtschuldnerischer
Haftung ist Bezugspunkt der nach §
426 BGB zu tragende Kostenanteil (Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: Dez. 2010, K § 74 Rdn. 10a, m.w.N.; Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 74 Rdn. 40).
Da es sich bei § 74 SGB XII um einen sozialhilferechtlichen Anspruch eigener Art handelt, hat derjenige, der die Übernahme von Bestattungskosten beantragt,
nicht nur "bereite Mittel" einzusetzen, sondern auch etwaige aus Anlass des Todes entstandene Ansprüche durchzusetzen, wozu
auch Ansprüche auf Kostenersatz gegen vorrangig oder gleichrangig Verpflichtete gehören (H. Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hom,
SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 74 Rdn. 11). Die Klägerin müsste sich also zunächst um die Durchsetzung der ihr zustehenden Ersatzansprüche gegenüber ihren
Geschwistern bemühen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist es Sache des Klägers darzulegen und ggf. zu beweisen, dass anderweitige
Ansprüche nicht bestehen bzw. nicht durchsetzbar sind (vgl. Schlette, aaO., K § 74 Rdn. 11, m.w.N.), wozu allein eine telefonische
Nachfrage nicht genügt. Nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen LSG (Beschluss vom 9. Oktober 2008 - L 9 434/08
SO ER -) können Kosten der Bestattung nicht aus Steuermitteln übernommen werden, wenn der Kostenersatzbegehrende nicht nachgewiesen
hat, dass er keinen Ausgleich von anderen Bestattungsverpflichteten erlangen kann bzw. diesen die Bestattung nicht zumutbar
ist; sei ein Bestattungsverpflichteter nicht zu ermitteln, so dass keine Feststellungen zu dessen finanziellen Verhältnissen
getroffen werden könnten, so gehe dies zu Lasten des Kostenersatzbegehrenden. Diese Rechtsprechung hat durch die Entscheidung
des BSG vom 29. September 2009 (B 8 SO 23/08 R, in juris) eine Einschränkung dahingehend erfahren, dass zweifelhafte Ausgleichsansprüche
keine Berücksichtigung finden dürfen.
Im vorliegenden Fall bestehen unzweifelhaft Ausgleichsansprüche der Klägerin gegenüber ihren (ebenso bestattungspflichtigen)
Geschwistern. Die Klägerin hat jedoch keine Nachweise darüber erbracht, sich ernsthaft um einen Ausgleich des auf ihre in
B Stadt lebende Schwester entfallenden Kostenanteils von einem Drittel (847,92 Euro) bemüht zu haben. Verschließt sich der
Bedürftige generell eigenen Bemühungen und sind Ansprüche ohne weiteres realisierbar, geht das zu seinen Lasten (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009, aaO.). Das Arbeitsverhältnis der Schwester der Klägerin mag zwar im Jahr 2010 ausgelaufen
sein, nach den vorliegenden Erkenntnissen hat sie aber im November 2009 über Erwerbseinkommen und eigenes Vermögen verfügt.
Allein auf ihrem Girokonto bei der Ö-bank befand sich am 2. November 2009 ein Guthaben in Höhe von 3.318,29 Euro. Außerdem
waren ein Bausparvertrag und ein Sparvertrag für Wertpapiere vorhanden, in die sie monatliche Einzahlungen geleistet hat.
Zweifelhaft erscheint dagegen die Durchsetzbarkeit des auf den in Mexiko lebenden Bruders entfallenden Anteils von ebenfalls
einem Drittel (847,92 Euro). Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat er ihr nach dem Tod des gemeinsamen
Bruders mitgeteilt, dass sie von ihm nichts zu erwarten habe. Insoweit dürften erhebliche Unwägbarkeiten hinsichtlich der
Durchsetzung des nach deutschem Recht bestehenden Ausgleichsanspruchs in Mexiko bestehen. Dies ist zu berücksichtigen.
Sofern die Erstattung durch den in Mexiko lebenden Bruder ausfiele, hätte dies zur Folge, dass die beiden Schwestern dessen
Anteil grundsätzlich gemeinsam mit zu übernehmen hätten. Gemäß §
426 Abs.
1 Satz 2
BGB ist dann, wenn von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden kann, der Ausfall von den übrigen
zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen. Danach verbliebe für die Klägerin und ihre Schwester ein Anteil von
jeweils der Hälfte der entstandenen Bestattungskosten, mithin je 1.271,88 Euro. Bei der Annahme, dass hinsichtlich des auf
den Bruder entfallenden Anteils ggf. Schwierigkeiten bzgl. des Nachweises seiner Nichtdurchsetzbarkeit auftreten und deshalb
eine Übertragung der Hälfte seines Anteils auf die Schwester der Klägerin nicht ohne weiteres möglich wäre, verblieben für
die Klägerin möglicherweise 2/3 der Bestattungskosten, mithin 1.695,84 Euro.
Der Klägerin ist die Kostentragung des auf sie entfallenden Kostenanteils in Höhe von 847,92 Euro bzw. selbst hinsichtlich
des erhöhten Anteils von 1.271,88 Euro bzw. 1.695,84 Euro finanziell zumutbar. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten
zugemutet werden kann, ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009, m.w.N.). Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit muss nach Sinn und Zweck der Regelung des § 74 SGB XII zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens vorliegen. Resultiert die Unzumutbarkeit (allein)
aus der Bedürftigkeit, muss diese auch noch zum Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung vorliegen. Spätere Veränderungen
der finanziellen Verhältnisse wirken sich nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 29 September 2009, aaO.). Das behördliche Verfahren war hier mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides am 25.
Januar 2010 abgeschlossen.
Im vorliegenden Fall kann von der Klägerin zwar kein Einkommenseinsatz verlangt werden (§ 82 SGB XII), da nach den zutreffenden Feststellungen des Beklagten in der Verwaltungsakte ihr Einkommen zur damaligen Zeit (November
2009) nicht die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII überstiegen hat, die Klägerin verfügte aber über einzusetzendes Vermögen. Der Beklagte und das erstinstanzliche Gericht sind
dabei zutreffend von einem Vermögensfreibetrag in Höhe von 2.600 Euro ausgegangen. Können die Bestattungskosten aus dem Nachlass
oder durch die aus Anlass des Todes erbrachten Leistungen nicht gedeckt werden, ist die Zumutbarkeit der Kostentragung für
den Verpflichteten nach den Bestimmungen der §§ 82 ff. SGB XII über den Einsatz von Einkommen und Vermögen zu beurteilen (H. Schellhorn, aaO., § 74 Rdn. 12; Schlette, aaO., K § 74 Rdn.
12). Die Zumutbarkeit des Einsatzes von Vermögen richtet sich nach den §§ 90, 91 SGB XII (Grube, aaO., § 74 Rdn. 38; Meusinger in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 74 Rdn. 5). Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Das Schonvermögen beträgt 2.600 Euro (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII).
Es wird zwar auch die Auffassung vertreten, dass sich die Zumutbarkeit des Vermögenseinsatzes nicht nach den Regelungen des
Sozialhilferechts, sondern allein nach den Kriterien des §
1603 BGB bestimme (so Bayerischer VGH, Urteil v. 27. Oktober 2005 - 12 B 03.756 -; Berlit in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 74 Rdn. 9). Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Entscheidung des Bayerischen VGH aus dem Jahr 2005 keine nähere Begründung für die Heranziehung der Vorschriften des
BGB zur Unterhaltspflicht enthält und auch noch zu dem damals für die Erstattung von Bestattungskosten einschlägigen § 15 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergangen ist. Dagegen hat der Hessische VGH schon während der Geltung des BSHG entschieden, dass zur Konkretisierung des Begriffs der "Zumutbarkeit" im Sinne von § 15 BSHG die Grundsätze der §§ 79 ff. BSHG heranzuziehen seien. Mit der Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG werde eine Leistung begehrt, die mit den Hilfen in besonderen Lebenslagen vergleichbar sei. Auch spreche für die Anknüpfung
an diese Vorschriften bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit, dass in den §§ 79 Abs. 1 und 2, 84 Abs. 1 Satz 1 BSHG die Hilfegewährung davon abhängig gemacht werde, dass dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel "nicht zuzumuten" sei
(vgl. Hess. VGH, Urteil vom 10. Februar 2004 - 10 UE 2497/03 -). Diese schon damals vertretene Auffassung des Hessischen VGH wird nun auch noch dadurch gestützt, dass die Vorschrift zur Erstattung von Bestattungskosten mit der Neuregelung durch das
SGB XII eine andere Stellung im Gesetz erhalten hat. § 74 SGB XII befindet sich im Neunten Kapitel (Hilfe in anderen Lebenslagen). Gemäß § 2 i.V.m. § 19 Abs. 3 SGB XII werden u.a. Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70-74 SGB XII) nur geleistet, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften
des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann (sog. Nachranggrundsatz; vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009, aaO., Rdn. 17).
Im Fall der Klägerin sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Notlage ersichtlich, die eine Erhöhung des maßgebenden
Freibetrages nach § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII rechtfertigen könnte.
Hinsichtlich des über dem Freibetrag in Höhe von 2.600 Euro vorhandenen Vermögens liegt auch kein Ausschlussgrund wegen unzumutbarer
Härte vor. Gemäß § 90 Abs. 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den,
der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Bei der Auslegung
des Begriffs der Härte ist zu berücksichtigen, dass das geschonte Vermögen gewährleisten soll, dass die Sozialhilfe nicht
zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlage führen soll. Kommen die Regelvorschriften über das
Schonvermögen zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs. 2 SGB XII nicht entsprechenden Ergebnis, sollen atypische Fallkonstellationen durch die Härtereglung im Einzelfall aufgefangen werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R -) liegt eine Härte dann vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles,
wie z.B. die Art, Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter, der Familienstand oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers
und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des
Hilfenachfragenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist.
In Satz 2 sind entscheidungsbedeutsame Beispiele angeführt. Danach liegt bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel
eine besondere Härte insbesondere vor, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die Vorgaben sind einschlägig, da § 74 SGB XII zum Neunten Kapitel des SGB XII gehört. Die Aufrechterhaltung einer angemessen Alterssicherung, soll verhindern, dass die angemessene Lebensführung im Alter
gefährdet ist. In die Prüfung der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung ist einzubeziehen, ob bei einer ins
Auge gefassten Verwertung einer nicht geschützten Lebensversicherung sonstiges Vermögen in Form von Rentenansprüchen vorhanden
ist, das wesentlich zur Alterssicherung beitragen kann. Müssen noch jahrelang weitere Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung
der späteren Alterssicherung eingehalten werden (fortlaufende Prämienzahlungen einer Lebensversicherung) kann von einem Härtefall
nicht die Rede sein. In einem solchen Fall hat der Leistungsberechtigte nicht jene Vermögenssubstanz angesammelt, die sozialhilferechtlich
schutzwürdig ist.
Im vorliegenden Fall verfügt die Klägerin über einen Rentenanspruch aus ihrer Erwerbstätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung,
der im Juni 2007 monatlich 310,56 Euro betragen hätte und bis zum Renteneintritt der Klägerin (Vollendung des 65. Lebensjahres
im Juni 2022) weiter anwächst. Darüber hinaus verfügt die Klägerin über eine geschützte sog. Riester-Rente, die vom einzusetzenden
Vermögen ausgenommen ist. Auf das Vermögen angerechnet wurde nur die darüber hinaus bestehende weitere Rentenversicherung
der Klägerin, in die noch bis Dezember 2017 einzuzahlen ist. Um den auf sie entfallenden Anteil der Bestattungskosten zu tragen,
muss die Klägerin diese Versicherung jedoch nicht antasten. Ihren Anteil an den Bestattungskosten in Höhe von 847,92 Euro
kann sie aus ihrem Guthaben (damals 648,61 Euro) ggfs. zzgl. Bausparguthaben i.H.v. 2.163,90 Euro zahlen. Eine etwa noch bestehende
Sperre hinsichtlich des Bausparguthabens ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Mit diesen Vermögenswerten
kann auch - sofern erforderlich - der erhöhte Anteil von 1.271,88 Euro bzw. 1.695,84 Euro abgedeckt werden (selbst die Gesamtkosten
i.H.v. 2.543,76 Euro, ggf. bis die Klägerin von ihrer Schwester Ersatz erlangt haben sollte, könnten davon gedeckt werden).
Zudem hat die Vertreterin der Beklagten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeboten, eine Ratenzahlungsvereinbarung
zu treffen.
Die Kostentragung ist für die Klägerin auch nicht deshalb unzumutbar, weil etwa persönliche Gründe entgegenstünden, indem
sie geltend macht, zwischen ihr und ihrem Bruder habe niemals eine persönliche Beziehung bestanden. Die Klägerin hat insoweit
vorgetragen, ihr fast 12 Jahre älterer Bruder habe das Elternhaus bereits früh verlassen, sie selbst habe viele Jahre in den
USA gelebt. Hinzu komme, dass ihr Bruder mehrfach straffällig geworden sei, zudem vermute sie, dass er Alkoholiker gewesen
sei, auch sei er noch nicht einmal zur Beerdigung der Eltern erschienen (so der Vortrag während des Widerspruchsverfahrens
im Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin an den Beklagten vom 15. Dezember 2009). Hier ist offenkundig unzutreffend
vorgetragen worden, denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung dem Gericht anschaulich geschildert, wie sie ihrem
nun verstorbenen Bruder zuletzt bei den beiden Beerdigungen ihrer Eltern begegnet ist.
Die Unzumutbarkeit der Kostentragung ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff, der nach Maßgabe der
Umstände des Einzelfalles ausfüllungsbedürftig ist. Dabei beschränkt sich die Zumutbarkeit nicht auf eine finanzielle Zumutbarkeit,
sondern lässt auch Raum für andere (Un-) Zumutbarkeitsgründe, etwa solche persönlicher Natur. Bei der Gewichtung der wirtschaftlichen
Auswirkungen sind u.a. die rechtliche und soziale Nähe und zwischenmenschliche Beziehungen zum Verstorbenen zu berücksichtigen.
Je enger das Verwandtschaftsverhältnis (z.B. Kinder, Geschwister) oder die rechtliche Beziehung (z.B. Ehe- oder Lebenspartner)
zu dem Verstorbenen war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes
(BSG, Urteil vom 29. September 2009, aaO.; Schlette, aaO., K § 74 Rdn. 13, m.w.N.). Daraus folgt, dass etwa bei zerrütteten Verwandtschaftsverhältnissen höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit,
Kosten der Bestattung zu tragen, zu stellen sind (Grube, aaO., § 74 Rdn. 35). Entscheidend sind jeweils die Verhältnisse des
Einzelfalles. Hat der Verstorbene gegenüber dem Verpflichteten schwere Verfehlungen (z.B. Körperverletzungen, sexueller Missbrauch,
gröbliche Verletzung von Unterhaltspflichten) begangen, so kann trotz eines engen Näheverhältnisses die Kostentragung unzumutbar
sein. Dagegen führt die allein fehlende Nähe des Bestattungsverpflichteten zum Verstorbenen nicht zu einer persönlichen Unzumutbarkeit
der Kostentragung (vgl. Strnischa in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand: Oktober 2010, § 74 SGB XII Rdn. 13).
Im vorliegenden Fall hat sich der Verstorbene gegenüber der Klägerin nichts zuschulden kommen lassen. Allein der fehlende
Kontakt zum Bruder, bei einem Altersunterschied von 12 Jahren, ist nicht ausreichend, um eine Unzumutbarkeit im Sinne des
§ 74 SGB XII zu begründen. So "lose" der Kontakt auch gewesen sein mag, ist auffallend, dass die Schwester der Klägerin noch unmittelbar
am Todestag vom Versterben ihres Bruders erfahren hat (wie sich aus der Nachlassakte ergibt), die Klägerin selbst zwei bzw.
drei Tage später. Zudem ist der Bruder im Gemeinschaftsgrab der Familie in A-Stadt beigesetzt worden. Die nächsten Verwandten
eines Verstobenen sind - unabhängig vom Bestehen eines Erbrechts oder einer etwa erfolgten Erbausschlagung - aufgrund der
öffentlich-rechtlichen Bestattungsvorschriften dazu verpflichtet, die Beisetzung vorzunehmen. Durch § 74 SGB XII können die finanziellen Belastungen dieser Verpflichtung von der Allgemeinheit übernommen werden. Dies ist allerdings nur
bei wirtschaftlicher oder persönlicher Unzumutbarkeit gerechtfertigt. Dazu bedarf es mehr als das Fehlen persönlichen Kontakts.
Hielte man dies für ausreichend, würde das in der heutigen Zeit, in der gelockerte familiäre Verhältnisse nichts Ungewöhnliches
sind, dazu führen, dass der Staat und damit die Allgemeinheit in vielen Fällen die Bestattungskosten tragen müsste. Dies würde
aber zu einer Abkehr von den Regelungen der Bestattungsgesetze führen, die grundsätzlich die nächsten Verwandten des Verstorbenen
(allein aufgrund des bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses) als bestattungspflichtig ansehen. Vor diesem Hintergrund ist
der Klägerin, die als Schwester in einem nahen Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen steht, der Einsatz ihres Vermögens
zur Aufbringung ihres Bestattungskostenanteils zumutbar.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin meint, der Begriff der Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII sei entsprechend der unbilligen Härte nach § 94 Abs. 3 SGB XII auszulegen, ist dem nicht zu folgen. § 94 SGB XII dient der Wiederherstellung des Nachrangs der Sozialhilfe gegenüber den nach bürgerlichem Recht Unterhaltsverpflichteten,
wenn trotz Bestehens eines Unterhaltsanspruchs Sozialhilfeleistungen erbracht werden. Im vorliegenden Fall geht es jedoch
nicht um (laufende) Unterhaltsverpflichtungen, sondern darum, dass die Klägerin im Wege der Geltendmachung eines eigenen sozialhilferechtlichen
Anspruchs Kostenersatz für die ihr gesetzlich obliegende Bestattungspflicht erlangen möchte. Die Wertungen des Zivilrechts
in den §§
1361 Abs.
3,
1579 Nr.
2-7, 1611 Abs.
1 BGB, die den Wegfall, die Beschränkung oder die Herabsetzung der familienrechtlichen Unterhaltsverpflichtung aus Billigkeitsgründen
regeln, sind nicht auf die hier in Rede stehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung übertragbar, denn die Bestattungspflicht
begründet kein "Dauerschuldverhältnis" zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen (vgl. OVG des Saarlandes,
Urteil vom 27. Dezember 2007 - 1 A 40/07 -, in juris, m.w.N.). Bei der Pflicht zum Ersatz der Beerdigungskosten handelt es sich vielmehr nur um eine einmalige, der
Höhe nach von vornherein begrenzte Zahlungspflicht, die zu tragen den Angehörigen viel eher zumutbar ist als die Unterhaltspflicht
(VG Halle, Urteil vom 20. November 2009 4 A 318/09 -, in juris, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.