Voraussetzung einer Kodierung des OPS 5-829.d
Strenge Auslegung von Kodierungsbestimmungen nach allgemeinen Regeln
Kein Wechsel aller Teile einer modularen Prothese
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, gegen Vergütungsansprüche der Klägerin mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe
von 3.752,17 Euro aufzurechnen, weil die Klägerin wegen einer entsprechenden Überzahlung für die Behandlung der Versicherten
der Beklagten K zu Unrecht bereichert war. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob der (mit einem krankenhausindividuellen
Zusatzentgelt in Höhe von 3.656,00 Euro verbundene) OPS 5-829.d zu kodieren war.
Der 1936 geborene Versicherte der Beklagten K wurde vom 25. März bis 9. April 2009 (15 Belegungstage) im Krankenhaus der Klägerin
wegen einer Lockerung der erstmals im Jahr 2005 implantierten Totalendoprothese (TEP) im rechten Kniegelenk vollstationär
behandelt. Eine erstmalige Wechsel-OP hatte sich im Jahr 2006 erforderlich gemacht. Im Rahmen des hier streitigen Aufenthalts
erfolgte am 26. März 2009 ein (partieller) TEP-Wechsel in Allgemeinnarkose. Bis auf den noch „bombenfesten“ Tibiastiel (zapfenförmiges
Implantat im Schienbeinknochen, auf dem die weiteren körperfernen Teile der Prothese angebracht werden) mussten bei dem 1,95
m großen, 125 kg schweren Versicherten alle TEP-Komponenten ausgetauscht werden, da es zu einer Lockerung des Femurstiels
und zu einem Bruch der Tibiakomponente gekommen war. Ein intraoperativ entnommener Abstrich ergab eine Kontamination mit Staphylococcus
epidermidis , welcher entsprechend einem Resistogramm antibiotisch behandelt wurde. Bis zum 6. April 2009 wurde eine blutig-seröse
Sekretion dokumentiert. Nach röntgenologischer Kontrolle und Mobilisation wurde der Patient bei geplanter AHB am 9. April
2009 entlassen.
Mit Rechnung vom 21. April 2009 berechnete die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG I43A sowie weiterer 3.752,15
Euro für das Zusatzentgelt ZE2009-25 einen Gesamtbetrag in Höhe von 16.074,69 Euro (Hauptdiagnose: T84.0, Nebendiagnosen u.a.:
T81.0, T81.3, T84.5/B95.7!; OPS: 5-823.3x R, 5-829.d R). Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vollständig aus, holte jedoch
ein Gutachten des MDK zur Frage der richtigen Kodierung ein und verrechnete am 23. September 2009 den gesamten Rechnungsbetrag
mit anderweitigen Forderungen der Klägerin und überwies am 25. September 2009 den ihrer Auffassung nach geschuldeten Betrag
in Höhe von 12.322,52 Euro.
Der MDK führte in zwei Gutachten vom 25. Juni 2009 und 27. Mai 2010 aus, dass sowohl die Nebendiagnose T81.3 (unstreitig,
aber nicht erlösrelevant) und der OPS 5-829.d nicht zu kodieren seien. Es habe sich nur um einen partiellen Knie-TEP-Wechsel
gehandelt. Zwar resultiere weiterhin die DRG I43A, das Zusatzentgelt für die vom Krankenhaus abgerechnete modulare Endoprothese
sei jedoch nicht gerechtfertigt. Es seien nur einzelne der modularen Komponenten gewechselt worden, während der verschlüsselte
OPS die Implantation einer vollständigen modularen Prothese verlange. Das bereits implantierte modulare Kniesystem sei nur
teilweise gewechselt worden. Der Tibiaschaftanteil sei belassen worden. Der Konus des Tibiaplateaus sei gebrochen gewesen
und deshalb gewechselt worden. Es sei nur der Femuranteil neu eingesetzt worden. Ein kompletter Prothesenwechsel sei also
nicht erfolgt. Zudem habe kein Knochendefekt und keine Wunddehiszenz (T81.3) vorgelegen.
Die Klägerin hat am 16. Dezember 2013 bei dem Sozialgericht Rostock Klage erhoben. Sie hat an der Kodierung des OPS 5-829.d
festgehalten. Es sei die gesamte femorale Komponente gewechselt worden, was der Definition dieses Schlüssels entspreche, da
bereits dieser Teil der TEP aus 3 metallischen Einzelteilen bestehe, sodass die Abrechnung des Zusatzentgeltes gerechtfertigt
sei. Aufgrund schwerer Knochen- und Weichteilschäden infolge einer bakteriellen Infektion sei bereits im Jahr 2006 eine größere
gekoppelte Endoprothese implantiert worden. Eine knöcherne Defektsituation habe schon deshalb vorgelegen, weil bei den vorangegangenen
Operationen größere Knochenanteile entfernt worden seien. Der OPS-Kode 5-823.32 bilde den Sachverhalt nicht vollständig ab,
da nicht jede Scharnierendoprothese auch eine modulare Scharnierendoprothese sei. Ferner hat die Klägerin auf einen E-Mail-Austausch
ihres Medizin-Controllers mit Herrn Dr. Sch., seinerzeit Leiter des Bereiches Fuß- & Sprunggelenkschirurgie am A-K Krankenhaus
E. und Mitglied der DRG-Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie – DGOU, hingewiesen, wonach
es im Rahmen einer Konferenz mit Mitgliedern der SEG-4 unstrittig gewesen sei, dass bei einer Wechseloperation immer eine
Defektsituation anzunehmen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.752,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2009 zu zahlen,
sowie für den Fall, dass der Antrag zu 1. begründet ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass zunächst einmal eine knöcherne Defektsituation belegt sein müsse. Im vorliegenden Fall habe
jedoch kein knöcherner Defekt vorgelegen. Zudem sei nicht die gesamte Prothese, sondern nur ein Teil gewechselt worden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Prof. Dr. H. vom 12. Januar
2016 nebst Ergänzungsgutachten vom 11. Mai 2016. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten Bezug genommen.
Die Klägerin hat in Reaktion auf das Sachverständigengutachten die Einholung eines weiteren Gutachtens durch einen ausgewiesenen
Spezialisten für OPS-Kodes angeregt.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 06. Juli 2016 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung nach ausführlicher
Darlegung der Rechtsgrundlagen für den Entgeltanspruch eines zugelassenen Krankenhauses ausgeführt, dass die Klägerin keinen
Anspruch auf Abrechnung des Zusatzentgeltes habe. Zu dieser Auffassung gelange die Kammer aufgrund der Ausführungen des MDK
und des gerichtlichen Gutachtens, wonach eine herkömmliche, unkomplizierte Wechseloperation stattgefunden habe, die nach dem
in 2009 gültigen Prozedurenverzeichnis mit der Ziffer 5-823.32 eindeutig dokumentiert werde. Die Operation mit einer Dauer
von 120 Minuten entspreche einem üblichen, standardisierten Prothesenwechsel bei aseptischer Lockerung. Es seien zwar mindestens
drei metallische Einzelbauteile gewechselt worden, eine knöcherne Defektsituation sei jedoch nicht dokumentiert. Im Operationsbericht
sei weder ein Knochendefekt dokumentiert, noch besondere Maßnahmen zur stabilen Prothesenimplantation oder Nacharbeiten an
dem vorhandenen Knochen beschrieben. Die Auffassung der Klägerin, aufgrund der schon erfolgten Gelenkflächenresektion habe
ein knöcherner Defekt vorgelegen, sei nicht nachvollziehbar. Bei der Implantation einer Gelenkprothese erfolge immer die Resektion
gelenktragender Anteile, womit eine Defektsituation entstehe, die dann durch die Prothesenimplantation wieder beseitigt werde.
In der DIMDI-FAQ Nr. 5003 werde eine derartige operationsbedingte Resektion als Knochendefekt im Sinne von OPS 5-829.d aber
gerade ausgeschlossen.
Gegen das der Klägerin am 14. Juli 2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung vom 29. Juli 2016, mit der sie ihr bisheriges
Begehren, beschränkt auf den Zahlungsantrag zu 1. weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Zur Stützung ihrer Auffassung hat sie die Antwort des „Klassi-Teams“ des DIMDI vom 11. Juli 2017 auf eine Anfrage
ihres Medizin-Controllers vorgelegt, wonach bei einer Knie-TEP-Wechsel-OP der 5-829.d dann neben dem Kode 5-823.32 zu kodieren
sei, wenn die Endoprothese „primär bei knöcherner Defektsituation implantiert wurde“.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 6. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.752,15
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ausführungen in den MDK- und Gerichtsgutachten.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt,
§§
124 Abs.
2,
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat die auf Zahlung in Höhe von 3.752,15 Euro gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin stand
der in Rechnung gestellte Betrag für die stationäre Behandlung des Versicherten der Beklagten K vom 25. März bis 9. April
2009 zu, sie war also durch die vollständige Bezahlung der Abrechnung vom 21. April 2009 nicht zu Unrecht bereichert. Der
Beklagten stand mithin kein aufrechenbarer Bereicherungsanspruch zu, sodass die erklärte „Verrechnung“ vom 23. September 2009
nicht die Erfüllung des unstreitigen und vom Senat nicht näher zu prüfenden Zahlungsanspruchs der Klägerin aus der Behandlung
eines anderen Versicherten der Beklagten bewirkt hat.
Wegen der Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage und der gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen des Vergütungsanspruchs
der Klägerin wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.
Zur Klarstellung sei ferner vorangestellt, dass seitens der Beteiligten und des MDK ebenso wie seitens des gerichtlichen Sachverständigen
zutreffend davon ausgegangen wird, dass allein die Kodierbarkeit des Operationsschlüssels 5-829.d näherer Betrachtung bedarf,
da sich alle weiteren (abrechnungsrelevanten) Diagnose- und Prozedurenschlüssel auch nach eigener Prüfung des Senats zutreffend
und eindeutig aus dem dokumentierten Behandlungsverlauf herleiten lassen. Der als Nebendiagnose von der Klägerin zunächst
in der Rechnung kodierten T81.3 kommt nach den Feststellungen des MDK, bestätigt durch eine eigene Prüfung des Senats, keine
Erlösrelevanz zu.
Vorauszuschicken ist ferner, dass es zur Entscheidung des Rechtsstreits keiner weiteren Ermittlungen, insbesondere auch nicht
der Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens bedurfte, auch wenn dies im ersten Rechtszug von der Klägerin angeregt
wurde. Der medizinische Sachverhalt ist hinreichend und vollständig dokumentiert und zu Recht zwischen den Beteiligten nicht
streitig. Differenzen bestehen allein hinsichtlich der Kodierung, konkret der Auswahl des bzw. der zutreffenden OPS-Schlüssel.
Ob die Definition eines OPS-Schlüssels im Einzelfall dessen Kodierung erlaubt, ist nach Klärung bzw. Feststellung des medizinischen
Sachverhalts keine Tatfrage mehr, die einem Sachverständigenbeweis zugänglich wäre, sondern eine Rechtsfrage, deren Beantwortung
dem Gericht obliegt. Allenfalls bei erforderlichen Feststellungen zur spezifischen medizinischen Verwendung eines fachsprachlichen
Begriffs muss ggf. auf sachverständige Hilfe zurückgegriffen werden. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Nach dem festgestellten medizinischen Sachverhalt lagen die Voraussetzungen für die Kodierung des OPS 5-829.d und damit für
die Abrechnung des streitigen Zusatzentgelts vor. Allein die Kodierbarkeit des OPS 5-829.d löst gemäß Anlage 6 des FPV 2009
das streitige Zusatzentgelt ZE2009-25 (in der Rechnung der Klägerin bezeichnet als „ZE9-E250“) aus. Rechtsgrundlage für diesen
Teilanspruch ist abweichend von den umfangreichen und grundsätzlich zutreffenden allgemeinen Ausführungen des Sozialgerichts
zum rechtlichen Rahmen von Krankenhausentgeltansprüchen nicht die sich aus der Verschlüsselung ergebende Fallpauschale (sog.
DRG, vgl. § 17b KHG i.V.m. § 9 KHEntgG) selbst, sondern ein „sonstiges Entgelt“ im Sinne von §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG in der Fassung
des Gesetzes vom 23. April 2002, welches als krankenhausindiviudelles Zusatzentgelt auch nach Einführung des Fallpauschalensystems
noch weiter abzurechnen war. In der am 25. März 2009, dem Tag der Aufnahme des Versicherten, in Kraft getretenen geänderten
Fassung vom 17. März 2009 fand sich die vorgenannte Weitergeltensregelung unverändert in § 15 Abs. 2 Satz 3 der KHEntgG.
Der streitige Schlüssel 5-829.d hatte in der OPS-Version 2009 folgenden Wortlaut:
„Implantation oder Wechsel von modularen Endoprothesen bei knöcherner Defektsituation mit Gelenk- und/oder Knochen(teil)ersatz
oder individuell angefertigten Implantaten“
Exkludiert sind ausdrücklich bestimmte Tumorendoprothesen, was vorliegend ohne Bedeutung ist. Die Schlüsseldefinition enthielt
ferner folgende Hinweise:
„Dieser Kode ist ein Zusatzkode. Die durchgeführten Eingriffe sind gesondert zu kodieren Modulare Endoprothesen bestehen aus
3 oder mehr metallischen Einzelteilen an mindestens einer gelenkbildenden Komponente, wobei der Aufsteckkopf bei einer Hüftendoprothese
nicht mitgezählt wird“
Der OPS 5-829.d ist nach dem zweiten Hinweis ausdrücklich ein „Zusatzkode“, der neben dem Schlüssel für den durchgeführten
eigentlichen Eingriff (hier: 5-823.32, Revision, Wechsel und Entfernung einer Endoprothese am Kniegelenk) zu verschlüsseln
war. Abweichend vom „Grundprinzip des DRG-Systems […], monokausal einen durchgeführten Eingriff möglichst mit allen Einzelaspekten
in einem Kode abzubilden“ (BSG, Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – Rn. 19), sieht das System vorliegend also ausdrücklich die ausnahmsweise Möglichkeit einer Doppelkodierung vor. Dass bereits
der OPS 5-823.32 den Eingriff vollständig abbildet, dass mit anderen Worten die Kodierung des streitigen Schlüssels nicht
„notwendig“ ist, wie der erstinstanzliche Sachverständige ausgeführt hat, ist mithin ohne rechtliche Bedeutung.
Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Kodierung möglich ist, weil der Schlüssel nach seinem Wortlaut erfüllt ist, da
ein „Wechsel von modularen Endoprothesen bei knöcherner Defektsituation“ durchgeführt worden ist. Die hiergegen im Verlauf
des Verfahrens vorgebrachten Einwände stehen der Kodierung im Ergebnis nicht entgegen.
Der streitige OPS verlangt zum einen nicht den Wechsel aller Teile der modularen Prothese. Vielmehr reicht nach dem Wortlaut
seiner Definition auch ein Teilwechsel aus, solange wenigstens „3 […] Einzelteile[…] an mindestens einer gelenkbildenden Komponente“
getauscht werden, was hier der Fall war: Oberschenkelseitig wurden der Femurstiel, der Femurkasten und der „Femurschild“ (so
die Wortwahl im OP-Bericht, im Hersteller-Prospekt: „Femurkomponente“) getauscht, ferner das zentrale Gelenkstück (Tibia-Rotationseinsatz),
der Tibiasockel und der Tibia-Adapter, der auf den nach wie vor fest sitzenden und daher verbliebenen Tibiastiel geschraubt
wurde. Es wurden im Rahmen der insgesamt zwei- bis dreistündigen OP mithin 6 von insgesamt 7 Einzelteilen der modularen Kniegelenkprothese
getauscht, darunter sämtliche Einzelteile der proximalen Komponente. Auch der erstinstanzliche Sachverständige hat den vollständigen
Austausch des femurseitigen Teils der Prothese mit seinen 3 Einzelteilen genügen lassen und den Schlüssel (insoweit) als erfüllt
angesehen. Die diesbezügliche Argumentation des MDK ist seitens der Beklagten zudem jedenfalls im zweiten Rechtszug nicht
mehr weiterverfolgt worden.
Es lag zum anderen, wie von der Klägerin zutreffend dargestellt, eine knöcherne Defektsituation im Sinne des OPS 5-829.d vor.
Es trifft keineswegs zu, dass diese Auffassung der Klägerin „nicht nachvollziehbar“ ist, wie der gerichtliche Sachverständige
und ihm folgend das Sozialgericht ausgeführt haben. Ein (ausgedehnter) knöcherner Defekt hat vielmehr nach dem dokumentierten
Behandlungsverlauf eindeutig vorgelegen.
Bei der Anwendung des Schlüssels und der Auslegung dessen Voraussetzung „bei knöcherner Defektsituation“ ist zu beachten,
dass nach der ständigen und zutreffenden Rechtsprechung des BSG zwar auch normenvertragliche Abrechnungsbestimmungen grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft
unterliegen; die routinemäßige Abwicklung zahlreicher Behandlungsfälle es jedoch erfordert, Vergütungsregelungen streng nach
ihrem Wortlaut auszulegen, allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang. Bewertungen und Bewertungsrelationen
bleiben außer Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2019 – B 1 KR 19/19 R). Ebenso und insbesondere scheidet eine Auslegung unter Berücksichtigung von (im Wortlaut nicht zum Ausdruck kommendem) Sinn
und Zweck einer konkreten Bestimmung aus, da eine derartige teleologische Auslegung zunächst die Erforschung des mit ihr von
den Vertragspartnern verfolgten Ziels voraussetzen würde, was der beabsichtigten routenmäßigen Abwicklung gerade zuwiderliefe.
Stattdessen ist das DRG-basierte Vergütungssystem als jährlich weiter zu entwickelndes, „lernendes“ System angelegt, weshalb
bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung
für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG, Beschluss vom 19. März 2020 – B 1 KR 69/19 B).
Im hier zu beurteilenden Fall haben die vorangegangenen Operationen, bei denen ein tiefes Loch ins Femur (und in die Tibia)
gebohrt und sowohl dessen gelenkbildender Anteil als auch der Schienbeinkopf zur Aufnahme der Prothesenteile in weiten Teilen
entfernt worden waren, tatsächlich einen erheblichen knöchernen Defekt hinterlassen, welcher durch die Prothese überbrückt
bzw. ausgefüllt wurde. Die in überzeugender Weise vom MDK und vom Gerichtsgutachter übereinstimmend vorgenommene Definition
des verlangten Knochendefekt im Sinne einer „Lücke oder Kontinuitätsunterbrechung“ war damit im Falle des Versicherten unzweifelhaft
erfüllt.
Dieser Defekt lag auch bereits vor Beginn des operativen Eingriffs vor, sodass dieser „ bei knöcherner Defektsituation“ durchgeführt
wurde. Insoweit unterscheidet sich eine Wechseloperation von einer primären Prothesen-Implantation, bei welcher die genannten
Defekte erst im Zuge des Eingriffs vom Operateur geschaffen werden. In der Tat erfolgt mithin eine Wechsel-Operation stets
„bei knöcherner Defektsituation“, wie von Herrn Dr. Sch. in der von der Klägerin vorgelegten E-Mail dargestellt. Gegen dieses
Verständnis spricht somit auch nicht etwa, dass das Erfordernis „bei knöcherner Defektsituation“ eine redundante Wendung ohne
zusätzlichen Informationsgehalt darstellen würde, da dies zwar für Wechseloperationen, nicht jedoch für die weiteren von dem
Schlüssel erfassten Operationen zutrifft, bei denen eine TEP erstmalig implantiert wird und bei welchen der Wendung durchaus
eine einschränkende Wirkung zukommt.
Ob es zutrifft, dass das vom Senat dargestellte Auslegungsergebnis im Rahmen einer Konferenz mit Mitgliedern der SEG-4 „unstrittig“
gewesen ist, wie von Herrn Dr. Sch. angegeben, ist ebenso wenig entscheidend wie der weder für die Beteiligten noch für das
Gericht verbindliche Inhalt der FAQ Nr. 5003 des DIMDI (vgl. den ausdrücklichen Hinweis des DIMDI unter der URL www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/hinweise-
zu-kodierfragen/), wenngleich klarzustellen ist, dass die dortigen Ausführungen mit der hier vertretenen wortlautgetreuen
Auslegung durchaus in Einklang stehen: Während Wechseloperationen ausdrücklich als ein Beispiel für das Vorliegen eines knöchernen
Defekt benannt werden, wird im Falle einer operationsbedingten Resektion eines gelenktragenden Knochenanteils ein solcher
Defekt verneint, womit augenscheinlich ebenfalls zwischen Erstimplantation und Revisionsoperation unterschieden wird.
Die gegenteilige Auffassung des erstinstanzlichen Gutachters und des Sozialgerichts sowie auch des MDK beruhen offenbar auf
der Annahme, dass die von einer vorangegangenen Operation verbliebenen, zuvor zur Aufnahme der Prothese gezielt angelegten
Defekte vom Zweck des OPS-Schlüssels nicht erfasst würden. Ausdrücklich heißt es im Gutachten, dass „sowohl radiologisch als
auch makroskopisch kein weiterer knöcherner Defekt (sic!) dokumentiert ist als der Defekt aus der Voroperation“. Ein derartiges
Auslegungsergebnis im Sinne einer teleologischen Reduktion, wonach derartige iatrogene Defekte nicht „gemeint“ sein sollen,
lässt sich jedoch mit den oben dargestellten Auslegungsregeln nicht erzielen, da der Wortlaut des Schlüssels hierfür keinerlei
Anhalt bietet. Eine weitergehende Argumentation dafür, dass ein knöcherner Defekt „in keinster Weise“ vorgelegen haben soll,
enthalten die Ausführungen des Sachverständigen nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Auffassung
des „Klassi-Teams“ des DIMDI, wonach bei einer Wechseloperation der OPS 5-829.d abhängig davon zu kodieren sei, ob bei der
Erstimplantation eine knöcherner Defektsituation vorgelegen hat. Auch für diese – medizinisch möglicherweise sinnvolle – Einschränkung
bietet der Wortlaut des Kodes keinen Anhalt.
Die Feststellung des Sachverständigen schließlich, dass es sich vorliegend um eine klassische, vollkommen unkomplizierte Wechseloperation
gehandelt habe, ist nach dem oben Gesagten für die Frage der Richtigkeit der Kodierung ebenfalls unerheblich. Sie zielt augenscheinlich
auf die Frage ab, ob der mit der Operation verbundene Aufwand den aus dem streitigen Schlüssel resultierenden Mehrerlös rechtfertigt,
ein Aspekt, der ebenso wie die konkrete mit einer angesteuerten DRG einhergehende Bewertungsrelation bei der Auslegung des
Wortlauts außer Betracht zu bleiben hat.
Auch gegen die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung bestehen keine Bedenken. Zwar hat der Senat über die
konkreten Beträge der seinerzeit von der Klägerin vereinbarten krankenhausindividuellen Zusatzentgelte keine eigene Kenntnis.
Da die über die entsprechenden Kenntnisse verfügende Beklagte indes die ursprüngliche Rechnung der Klägerin vollständig beglichen
und auch im Verlauf des gerichtlichen Verfahren hierzu keinerlei Einwände geltend gemacht hat, waren diesbezügliche Feststellungen
des Senats entbehrlich.
Der Zinsanspruch folgt aus § 17 Abs. 1, 3 des Landesvertrages gemäß §
112 Abs.
1, Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 SGG i. V. m. §§
154 Abs.
1,
161 Abs.
1 VwGO. Danach trägt derjenige die Kosten, der unterliegt. Das nur geringfügige teilweise Unterliegen der Klägerin (Nichtweiterverfolgung
der Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro) war gemäß §
197a Abs.
1 SGG i. V. m. §§
155 Abs.
1 Satz 2
VwGO nicht zu berücksichtigen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §
197a Abs.
1 SGG i. V. m. §§ 47, 52, 63 Abs. 2 GKG. Danach ist der Streitwert anhand der sich aus dem Antrag des Rechtsmittelführers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache
zu bestimmen. Betrifft der Antrag – wie hier – eine bezifferte Geldleistung, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Vorliegend war der Streitwert für das Berufungsverfahren mithin entsprechend der bezifferten, im zweiten Rechtszug noch
weiterverfolgten Klageforderung festzusetzen.
Die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung bezieht sich allein auf die Entscheidung in der Hauptsache. Die Festsetzung des Streitwerts
ist unanfechtbar, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.