Anspruch auf Übergangsgeld nach stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation; Zwischenübergangsgeld bei stufenweiser
Wiedereingliederung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von (Zwischen-)Übergangsgeld für den Zeitraum vom 24. Oktober bis 8. Dezember 2002.
Die Beklagte gewährte dem zuvor als Schlosser tätigen Kläger nach vorausgegangener längerer Arbeitsunfähigkeit vom 24. September
bis 15. Oktober 2002 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Rheumaklinik Bad J.; der Kläger wurde
arbeitsunfähig entlassen. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 15. Oktober 2002 wurde eine stufenweise Wiedereingliederung
gemäß §
74 SGB V empfohlen, da dem Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit "auf Dauer wieder möglich" sein sollte.
Am 23. Oktober 2002 wurde der Kläger von seiner Krankenkasse ausgesteuert.
Nachdem letztere die Gewährung einer stufenweisen Wiedereingliederung abgelehnt hatte, beantragte der Kläger mit Schreiben
vom 31. Oktober 2002 bei der Beklagten die Gewährung einer Arbeits- und Belastungserprobung; entsprechend diesem Antrag gewährte
die Beklagte dem Kläger ab dem 9. Dezember 2002 eine stufenweise Wiedereingliederung, wobei sie ihm für die Dauer dieser Maßnahme
auch Übergangsgeld gewährte.
Den Antrag des Klägers vom 2. Dezember 2002, ihm auch für den Zwischenzeitraum vom 24. Oktober bis 8. Dezember 2002 Übergangsgeld
zu gewähren, lehnte die Beklagte hingegen mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
26. Juni 2003 mit der Begründung ab, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung nicht um eine Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben, sondern um eine sog. sonstige Leistung im Sinne von §
31 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI gehandelt habe. Hiervon ausgehend sehe die Regelung des §
51 SGB IX nicht die Gewährung eines sog. Zwischenübergangsgeldes vor.
Zur Begründung der am 4. Juli 2003 erhobenen Klage hat der Kläger, der inzwischen bei seinem früheren Arbeitgeber als Standortlogistiker
tätig ist, insbesondere geltend gemacht, dass das BSG bereits bei der früheren Vorschrift des § 1241e
RVO im Wege der Analogie eine erweiternde Auslegung zur Vermeidung von Schutzlücken befürwortet habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 4. März 2008, dem Kläger zugestellt am 6. März 2008, hat das Sozialgericht Bremen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des §
51 SGB IX in der 2002 maßgeblichen Fassung hingewiesen. Die Neuregelung des Abs. 5 dieser Vorschrift sei erst zum 1. Mai 2004 in Kraft
getreten.
Mit der am 7. April 2008, einem Montag, eingelegten Berufung macht sich der Kläger die Begründung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen
vom 5. Februar 2007 (L 3 R 39/06) zu eigen.
Er beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 4. März 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember
2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2003 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verpflichten, ihm Übergangsgeld für den Zeitraum vom 24. Oktober bis 8. Dezember 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, dass eine Notwendigkeit von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
bei der Entlassung des Klägers aus der stationären Heilmaßnahme nicht unbedingt erkennbar gewesen sei.
Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitgebers des Klägers, der K. Erzeugung GmbH & Co. KG, vom 13. Oktober 2008 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld auch für den Zeitraum
vom 24. Oktober bis 8. Dezember 2002. Dieser Anspruch ergibt sich aus der im vorliegenden Zusammenhang entsprechend anzuwendenden
Vorschrift des §
51 Abs.
1 SGB IX. Diese Vorschrift ist für den vorliegenden Rechtsstreit nach §
301 SGB VI weiterhin gemäß ihrer im Jahr 2002 geltenden Fassung heranzuziehen. Die erst zum 1. Mai 2004 in Kraft getretene Vorschrift
des §
51 Abs.
5 SGB IX, wonach sich ein Anspruch auf Übergangsgeld auch auf den Zeitraum zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und
einer im unmittelbaren Anschluss erforderlichen stufenweisen Wiedereingliederung erstreckt, kann daher im vorliegenden Rechtsstreit
noch keine unmittelbare Berücksichtigung finden.
In ihrer 2002 maßgeblichen Fassung sah §
51 Abs.
1 SGB IX unter folgenden Voraussetzungen einen Anspruch auf (Zwischen-)Übergangsgeld vor: Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich,
während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger
nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, wird insbesondere das Übergangsgeld für diese
Zeit weitergezahlt, wenn (Nr. 1) die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben
oder (Nr. 2) ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.
Im vorliegenden Fall war der Kläger nach Abschluss der von der Beklagten in der Rheumaklinik Bad J. gewährten medizinischen
Rehabilitation im streitigen Zeitraum vom 24. Oktober bis 8. Dezember 2002 weiterhin arbeitsunfähig, ohne einen Anspruch auf
Krankengeld zu haben. Auch die Beklagte geht davon aus, dass bereits bei Abschluss dieser Leistung zur medizinischen Rehabilitation
die Notwendigkeit einer stufenweise Wiedereingliederung im Sinne von §
28 SGB IX bestand, wie sie von ihr dem Kläger nachfolgend ab dem 9. Dezember 2002 auch gewährt worden ist.
Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass eine solche stufenweise Wiedereingliederung nach der gesetzlichen Systematik
keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des §
16 SGB VI, sondern eine sonstige Leistung zur Teilhabe im Sinne des §
31 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI darstellt.
Sie weist allerdings ihrer Grundstruktur nach größere Ähnlichkeiten zu einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben als zu
einer Leistung der medizinischen Rehabilitation auf. Namentlich fehlt einer stufenweisen Wiedereingliederung typischerweise
das medizinische Rehabilitationsleistungen prägende Ziel (vgl. dazu BSG, U.v. 12. August 1982 - 11 Rentenantrag 62/81 - E
54, 54) der Erhaltung oder Besserung des Gesundheitszustandes. Jedenfalls vor diesem Hintergrund erachtet der Senat für Zeiträume
vor Inkrafttreten des §
51 Abs.
5 SGB IX eine analoge Anwendung der erläuterten Vorschrift des §
51 Abs.
1 SGB IX in Fällen für geboten, in denen nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung
geboten war und diese aus Gründen, die - wie im vorliegenden Fall - der Leistungsempfänger nicht zu vertreten hatte, nicht
unmittelbar anschließend durchgeführt werden konnte (vgl. im gleichen Sinne auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 2007,
aaO.).
In derartigen Fallgestaltungen war §
51 Abs.
1 SGB IX unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielvorstellungen lückenfüllend analog anzuwenden (vgl. entsprechend zur früheren
Vorschrift des § 18e AVG bereits BSG, U.v. 22. Juni 1989 - 4 RA 24/88 - SozR 2200, § 1241e
RVO Nr. 18). Auch in einer solchen Konstellation war die durch §
51 Abs.
1 SGB IX bezweckte wirtschaftliche Sicherstellung des Versicherten während einer von ihm nicht zu vertretenden Rehabilitationspause
zwischen zwei Maßnahmen zu gewährleisten, soweit dieser - wie im vorliegenden Fall - des Schutzes bedurfte, weil er weder
als Arbeitsunfähiger Krankengeld noch als Beschäftigter Arbeitsentgelt bezog. Den Versicherungsträger traf auch insoweit die
Verantwortung, dass der nicht durch Arbeitsentgelt oder Krankengeld gesicherte Betreute während einer für ihn unvermeidbaren
Rehabilitationsunterbrechung wirtschaftlich nicht weiter absank. Das Bedürfnis des Rehabilitanden nach wirtschaftlicher Sicherung
durch (Zwischen-)Übergangsgeld bestand unabhängig davon, von welcher Art die abgeschlossene und die erforderliche weitere
(gesamtplanfähige) Maßnahme zur Rehabilitation waren (BSG, aaO.). Diesbezüglich bestand auch in Fällen der vorliegenden Art
das spezifisch rehabilitationsbedingte Sicherungsbedürfnis fort (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BSG, U.v. 10. August 1989 -
4 RA 46/88 - SozR 2200, § 1241e
RVO Nr. 19).
Für die Richtigkeit einer analogen Anwendung des §
51 Abs.
1 SGB IX in solchen Fallgestaltungen spricht überdies, dass der Gesetzgeber die zum 1. Mai 2004 in Kraft getretene zum gleichen Ziel
führende gesetzliche Regelung in §
51 Abs.
5 SGB IX nicht als inhaltlich neue Bestimmung, sondern lediglich als Klarstellung verstanden wissen wollte (vgl. die Gesetzbegründung,
BT-Drs. 15/1783, S. 23 des Abdrucks bei Hauck/Noftz). Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten,
dass mit der gesetzlichen Neufassung keine materiellrechtlichen Änderungen bewirkt worden sind (vgl. Schütze in Hauck/Noftz,
§
51 SGB IX, Rn. 29a).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG. Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, sind unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten gesetzgeberischen Klarstellung in §
51 Abs.
5 SGB IX nicht gegeben.