SGB-II-Leistungen
Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen
Abgrenzung von Erwerbstätigkeit und Vermögensverwaltung
Tagesgeschäft an der Terminbörse EUREX
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über vom Kläger begehrte Förderungsleistungen.
Der 1957 geborene Kläger steht beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.
Im Jahr 2006 beantragte der Kläger einen Kredit in Höhe von EUR 60.000,00 für ein beabsichtigtes Geschäft mit dem Handel von
Indexderivaten an der Terminbörse, den der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2007 und Widerspruchsbescheid vom 31. Januar
2008 ablehnte. Nach einer beim Sozialgericht Hannover (SG) hiergegen erfolgten Klagerhebung zum dortigen Aktenzeichen S 47 AS 677/08 vereinbarten die Beteiligten in einem am 2. Dezember 2009 geschlossenen gerichtlichen Vergleich eine erneute Antragsbescheidung
vor dem Hintergrund der ab 1. Januar 2009 geltenden neuen Rechtslage unter Zuhilfenahme der Industrie und Handelskammer (IHK)
als sachkundiger Stelle.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2010 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen in Form
der Übernahme einer Bürgschaft bzw. der Gewährung eines Darlehens ab. Nach einer vorliegenden Stellungnahme der IHK vom 27.
April 2010 sei es annähernd unmöglich, von einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit für hochspekulative Börsengeschäfte auszugehen,
da es in der Natur der Sache liege, dass diese Geschäfte mit hohen Ausfallwahrscheinlichkeiten verbunden seien.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2010 zurück. Die Voraussetzungen
für eine Förderung gemäß § 16c Abs. 1 SGB II lägen nicht vor, weil die wirtschaftliche Tragfähigkeit des vom Kläger beabsichtigten Geschäfts als notwendige Voraussetzung
für eine Ermessensentscheidung nach der eingeholten Beurteilung der IHK nicht gegeben sei. Weiterhin könne gemäß § 16c Abs. 2 SGB II auch bei Annahme einer wirtschaftlichen Tragfähigkeit nur die Beschaffung angemessener und notwendiger Sachgüter durch Darlehen
gefördert werden, wobei diese Hilfe zur Selbsthilfe EUR 5.000,00 nicht überschreiten solle. Bei der Gewährung eines Darlehens
bzw. einer Bürgschaft in Höhe von EUR 60.000,00 für die Beschaffung von Derivaten handele es sich nicht um die Beschaffung
von Sachgütern.
Die hiergegen beim SG unter dem dortigen Aktenzeichen S 47 AS 2373/10 geführte Klage hat das SG nach Einholung einer Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 4. Februar 2011 mit Urteil
vom 27. Februar 2012 abgewiesen. Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen erforderten die Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit, die auf einen berufsmäßigen Erwerb mit Außenwirkung gerichtet sei. Der Kläger beabsichtige aber einen Handel mit
Derivaten ausschließlich für sich selbst. Darüber hinaus würden Leistungen nur für die Beschaffung von Sachgütern in Betracht
kommen. Die Bezuschussung von Dienstleistungen oder Grundkapital sei nicht vorgesehen. Auch eine Prognose für die Tragfähigkeit
der Existenzgründung könne nicht abgegeben werden.
Die vom Kläger im März 2012 gegen dieses Urteil des SG eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in dem zum dortigen Aktenzeichen L 6 AS 402/12 geführten Berufungsverfahren mit Beschluss vom 4. Juni 2014 gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtgesetz (
SGG) zurückgewiesen und dazu ausgeführt:
"Die vom Kläger umfangreich und im Einzelnen mit fachkundigem Anschein dargelegten Ausführungen besagen im Ergebnis nichts
anderes, als dass die Betreibung eines Börsenhandels angestrebt wird. Der Anschub soll vom Beklagten als Leistung zur Eingliederung
von Selbständigen oder als freie Leistung zur Eingliederung in Arbeit gefördert werden. Dafür sind die aus Steuermitteln finanzierten
Leistungen des SGB II indes nicht gedacht. Vielmehr erfordert § 16c SGB II die Aufnahme oder Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit, d.h. einer Tätigkeit, der die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben
als Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen zugrunde liegt. Diese beabsichtigt der Kläger gerade nicht. Das vorgestellte
"Geschäftsmodell" zielt vielmehr auf eine Einkommenserzielung durch Spekulation. Des Weiteren können Leistungen nur für die
Beschaffung von Sachgütern, d.h. von Betriebsmitteln (zur Herstellung von Gütern oder zur Erbringung von Dienstleistungen)
bewilligt werden. Schließlich kann nicht von der für eine Überwindung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen wirtschaftlichen
Tragfähigkeit ausgegangen werden. Deshalb scheiden auch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit - die im Übrigen vollständig
im Ermessen der Leistungsträger stehen (§ 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II) - aus (§ 16f Abs. 2 Satz 3 SGB II)."
Die dagegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 28. November 2014 als unzulässig verworfen.
Bereits am 6. August 2013 reichte der Kläger beim Beklagten einen neuen Antrag ein, gerichtet auf "Leistungen zur Eingliederung
von Selbständigen nach § 16c Abs. 1 SGB II" in Form eines Darlehens in Höhe von EUR 60.000,00 zum Betrieb eines "Day-Trading mit Index-Futures, konkret FDAX". Eingereicht
wurden dazu auf April 2013 datierte Unterlagen. Die Tätigkeit stelle einen verlässlichen Vorgang dar, mit dem der Lebensunterhalt
auch von zu Hause aus verdient werden könne. Das beabsichtigte Tagesgeschäft an der Terminbörse EUREX mit DAX-Future benötige
nur wenig Vorbereitung, führe schon nach wenigen Tagen zu ersten Umsätzen, verursache keine Nebenkosten, z.B. für Miete, Versicherung,
Warenein- und ausgang, Transport oder Reklamation, beziehe sich auf sichere und von der BaFin beaufsichtigte Produkte, sei
krisensicher und benötige weder Rechnungstellungen noch ein Mahnwesen. Sie unterliege zudem keinen Sicherheitsauflagen, Reklamationen,
Nachbesserungen o.ä. Auch Genehmigungen seien nicht erforderlich, weil keine Tätigkeit als Finanzdienstleister für Dritte
erfolge, sondern die DAX-Future nur für den Kläger selbst gekauft und verkauft würden. Eine allgemeine Erläuterung zum Futurehandel
könne dem Internet sowie den beigefügten erläuternden Unterlagen entnommen werden. Die Markteinschätzung beruhe auf der bereits
im Mittelalter bekannten "Candlestick Charting Technique". Das beabsichtigte so genannte Day-Trading werde in einem Buch von
Joe Ross dokumentiert. Dieser Ansatz ermögliche im Mittelwert einen Tagesgewinn in Höhe von EUR 800,00 und beim Ansatz von
50% Arbeitstage je Monat einen Gewinn in Höhe von monatlich EUR 8.000,00 bzw. bei einer Erfolgsquote von 80% in Höhe von monatlich
EUR 6.400,00. Nach Abzug von 50% für Steuern und Abgabe verblieben monatlich EUR 1.000,00 für die Kredittilgung und EUR 2.200,00
für den Lebensunterhalt. Weitere Details des Geschäftsmodells sowie Risikoeinschätzungen und Kalkulationen seien aus den beigefügten
Unterlagen zu entnehmen.
Mit Bescheid vom 26. August 2013 lehnte der Beklagte den Antrag auf "Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen gemäß
§ 16c Abs. 1 SGB II" ab. Ein Darlehen in Höhe von EUR 60.000,00 sei unter Berücksichtigung des unternehmerischen Risikos und der Ansprüche anderer
Leistungsberechtigter unangemessen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. September 2013 wurde hiergegen für den Kläger Widerspruch eingelegt. Der Einschätzung,
ein Darlehen in Höhe von EUR 60.000,00 sei im Rahmen von § 16c Abs. 1 SGB II als unangemessen zu beurteilen, könne nicht gefolgt werden. Auch ein besonders hohes unternehmerisches Risiko bestehe nicht.
Bei etwaigen Zweifeln seien Unterlagen anzufordern und das Risiko anhand der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens
zu beurteilen. Auf das Verhältnis zu Ansprüchen anderer Leistungsbezieher komme es nicht an. Zudem ergebe sich der Anspruch
des Klägers auch aus § 16f SGB II. Diese Anspruchsgrundlage sei noch nicht geprüft worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 wies der Beklagte den Widerspruch vom 12. September 2013 zurück. Die Ablehnung
der Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen gemäß § 16c Abs. 1 SGB II sei rechtmäßig. Insoweit werde auf das Urteil des SG vom 27. Februar 2012 zum Aktenzeichen S 47 AS 2373/10 verwiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 richtete sich eine im Wesentlichen unter Wiederholung des Vortrags aus
dem Widerspruch vom 12. September 2013 begründete, am 7. November 2013 beim SG anhängig gemachte und dort ursprünglich zum Aktenzeichen S 70 AS 3793/13 sowie nach einem zwischenzeitlichen Ruhen zum Aktenzeichen S 70 AS 1749/15 geführte Klage mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015 gestellten Antrag, den Bescheid vom 26. August
2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen
zur Selbständigenförderung nach den §§ 16c und 16f SGB II in Höhe von EUR 5.000,00 als Zuschuss und in Höhe von EUR 55.000,00 als Darlehen zu bewilligen.
Das SG hat diese Klage mit Urteil vom 10. September 2015 abgewiesen, weil nach § 16c Abs. 1 SGB II Darlehen und Zuschüsse nur für die Beschaffung von Sachgütern gewährt werden könnten. Bei Derivaten und Futures handele es
sich nicht um Sachgüter iSv § 16c Abs. 1 Satz 2 SGB II. Auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens sei die Kammer nicht von der gemäß § 16c Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB II erforderlichen wirtschaftlichen Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit überzeugt. Für eine freie Leistungsförderung gemäß
§ 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II fehle es bereits an der gemäß § 16f Abs. 2 Satz 1 SGB II vor Förderbeginn erforderlichen Beschreibung der Ziele der Leistungen. Zudem scheide eine Ermessensreduktion auf Null aus,
weil eine Alternativlosigkeit der Tätigkeit als selbständiger Derivatenhändler für den Kläger nicht ersichtlich sei.
Die gegen dieses am 23. September 2015 zugestellte Urteil am 19. Oktober 2015 eingelegte Berufung wird beim LSG unter dem
Aktenzeichen L 7 AS 1495/15 geführt. Der Kläger beantragt dort, gemäß §
113 Abs.
1 Satz 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) die Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids vom 21. Juni 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 9. November 2010 durch
Urteil auszusprechen, das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. September 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
den Antrag des Klägers auf Leistungen zur Eingliederung unter Berücksichtigung der Verwaltungsordnung unter Einbeziehung aller
Änderungsanträge des Klägers zu bewilligen sowie eine gesonderte gerichtliche Prüfung der Einhaltung von im Einzelnen benannten
Verfahrensgrundsätzen.
Mit weiterem Bescheid vom 23. Oktober 2013 lehnte der Beklagte eine "freie Förderung gemäß § 16f SGB II" ab. Leistungen nach § 16f SGB II dürften gesetzliche Leistungen, worunter auch die Basisleistungen nach §§ 16 - 16e SGB II fielen, nicht umgehen oder aufstocken. Zudem schieden die Förderleistungen aus, wenn bereits die Basisleistungen zur Eingliederung
in Arbeit führen könnten. Dies sei beim Kläger bei einer individuell angepassten Förderung der Fall.
Hiergegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 6. November 2013 Widerspruch ein. Vorrangige Basisleistungen seien
auch nach Auffassung des Beklagten offensichtlich nicht aussichtsreich, weil solche dem Kläger nicht angeboten worden seien.
Stattdessen sei ein Rentenantrag angeregt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch vom 6. November 2013 unter Verweis auf die Begründung
im Ausgangsbescheid zurück.
Hiergegen richtete sich die im Wesentlichen unter Wiederholung des Vortrags aus dem Widerspruch vom 6. November 2013 begründete,
am 15. April 2014 beim SG anhängig gemachte und dort zum Aktenzeichen S 70 AS 1754/14 geführte Klage. Der Beklagte habe in der Vergangenheit keine Bemühungen zur Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt unternommen,
weshalb etwaig in Betracht kommende Basisleistungen benannt und belegt werden müssten.
Zudem seien für den Kläger aufgrund seiner Langzeitarbeitslosigkeit andere Maßstäbe anzulegen. Einwände gegen den gestellten
Förderantrag selbst habe der Beklagte nicht vorgebracht. Hinsichtlich der Tragfähigkeit der beabsichtigten Existenzgründung
werde auf das bereits im Verfahren S 70 AS 1749/15 eingereichte Dokument mit dem Titel "Hilfe zur Selbsthilfe" verwiesen. Die Arbeitsproben zeigten eine lockere Verteilung
der Arbeitszeit über den Tag und seien deshalb geeignet, dem Kläger zu Hause eine freie Arbeitseinteilung zu ermöglichen.
Damit sei ein leidensgerechter Arbeitsplatz nachgewiesen. Aus Sicht des Klägers liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor,
weshalb der Beklagte zur Kreditgewährung verpflichtet sei. Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 10. September
2015, den Bescheid vom 23. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 aufzuheben und den Beklagten
zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Selbständigenförderung nach den §§ 16c und 16f in Höhe von EUR 5.000,00 als Zuschuss
und in Höhe von EUR 55.000,00 als Darlehen zu bewilligen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. September 2015 abgewiesen. Nach § 16c Abs. 1 SGB II könnten Darlehen und Zuschüsse nur für die Beschaffung von Sachgütern gewährt werden. Bei Derivaten und Futures handele es
sich nicht um Sachgüter iSv § 16c Abs. 1 Satz 2 SGB II. Auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens sei die Kammer nicht von der gemäß § 16c Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB II erforderlichen wirtschaftlichen Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit überzeugt. Der vom Kläger dargelegte Handelsansatz
risikoloser Börsengeschäfte lese sich verlockend. Die Börse lebe jedoch gerade von kurzfristigen Verlusten und wenigen dauerhaften
Gewinnen. Die insoweit vom Kläger verfolgte Absicherungsstrategie durch gegenläufige Risikogeschäfte sei zwar wirtschaftswissenschaftlich
anerkannt, hänge aber von der dauerhaft richtigen Wahl von Kontrakten ab. Auf welche Kontrakte der Kläger setzen wolle, offenbare
er nicht. Für eine freie Leistungsförderung gemäß § 16f Abs. 1 Satz 1 SGB II fehle es bereits an der gemäß § 16f Abs. 2 Satz 1 SGB II vor Förderbeginn erforderlichen Beschreibung der Ziele der Leistungen. Diese Leistungsbeschreibung müsse auf Entsprechung
mit den Zielen und Grundsätzen des SGB II geprüft werden. Zudem scheide eine Ermessensreduktion auf Null aus, weil eine Alternativlosigkeit der Tätigkeit als selbständiger
Derivatenhändler für den Kläger nicht ersichtlich sei.
Gegen das am 23. September 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Oktober 2015 eingelegte und beim LSG unter dem
Aktenzeichen L 7 AS 1494/15 geführte Berufung des Klägers. Das SG habe einfach die Begründung aus dem Urteil im Verfahren S 70 AS 1749/15 kopiert und sich mit der als Generalklausel ausgestalteten und auch präventiv anwendbaren eigenständigen Anspruchsgrundlage
des § 16f SGB II nicht auseinander gesetzt. In den fachlichen Hinweisen zu § 16f SGB II werde das Aufstockungs- und Umgehungsverbot im Sinne des § 16f Abs. 2 Satz 4 SGB II für Langzeitarbeitslose, zu denen der Kläger gehöre, aufgehoben. Die entsprechende Begründung im ablehnenden Bescheid des
Beklagten sei daher rechtswidrig. Entgegen §
107 SGG sei das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mitgeteilt worden. Hierin liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Das Verfahren sei zudem ruhend zu stellen. Es gebe gute Gründe, Unregelmäßigkeiten in der Prozessführung und Rechtsauslegung
durch den Vorsitzenden der 70. Kammer am SG der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu geben und deren Antwort abzuwarten. Abzuwarten sei zudem der Ausgang der beim Bundesverfassungsgericht
gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 6. Dezember 2016 eingereichten Verfassungsbeschwerde.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. September 2015 aufzuheben und
2. den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Existenzgründung gemäß § 16f Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach den einschlägigen Vorschriften unverzüglich zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den
Inhalt der Prozessakte im vorliegenden Verfahren, im Verfahren L 7 AS 1495/15 und im Verfahren L 7 AS 402/12 sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat ist an einer Entscheidung nicht durch den Antrag des Klägers gehindert, das Verfahren ruhend zu stellen. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Ruhens des Verfahrens gemäß §
202 SGG iVm §
251 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind bereits mangels eines Antrags beider Beteiligten nicht erfüllt. Gleiches gilt mangels eines ersichtlichen vorgreiflichen
Rechtsverhältnisses sowie mangels eines ersichtlichen Straftatverdachts für eine Verfahrensaussetzung gemäß §
114 SGG. Irgendwelche strafrechtliche relevante "Unregelmäßigkeiten in der Prozessführung und Rechtsauslegung" sind weder vom Kläger
substantiiert bezeichnet noch aus der Gerichtsakte ersichtlich.
Eines gesonderten Beschlusses bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht (vgl. Leopold in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2012, §
114 Rn 73; Kolmetz in Jansen,
SGG, 4. Aufl. 2012, §
114 Rn 14).
2. Die nach §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 23. Oktober 2013 ist rechtmäßig, weil das vom Kläger beabsichtigte Geschäftsmodell eines Tagesgeschäfts
an der Terminbörse EUREX mit DAX-Future auf ausschließlich eigene Rechnung nicht den Strukturgrundsätzen und damit auch nicht
den grundsätzlichen Förderzielen des SGB II entspricht, weshalb jegliche darauf bezogene Förderung gemäß §§ 16 ff. SGB II ohne für den Grundsicherungsträger bestehenden Ermessensspielraum bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist.
Maßgeblich ist insoweit, dass sich aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 Nr. 1 SGB II ein grundsätzlich erwerbszentriertes Leistungssystem ergibt, in dem die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als einzige Möglichkeit
angesehen wird, um die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Entsprechend sind alle Leistungen der Grundsicherung darauf auszurichten,
dass durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder
der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Erg.-Lief. 7/16, § 1 Rn 31a, 38; Groth in GK-SGB II, 42 September 2015, § 1 Rn 22, 29; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn 22, 26). Nicht förderungsfähig ist demgegenüber die beabsichtigte Bildung von Vermögen, auch nicht zur etwaig beabsichtigten
Erzielung von Einnahmen, etwa aus Vermietung und Verpachtung oder Verzinsung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Juli
2011 - B 14 AS 79/10 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 48; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn 22).
Erwerbstätig sind nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Personen im Alter von 15 und mehr Jahren, die als Arbeitnehmer (Arbeiter, Angestellter, Beamter, geringfügig Beschäftigte)
in einem Arbeitsverhältnis stehen oder selbständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben, wobei gemäß § 8 SGB II für den Bereich der Grundsicherungsleistungen auf Tätigkeiten im allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen
abzustellen ist. Nicht erwerbstätig ist entsprechend, wer ohne Bezug zum allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich private Vermögensverwaltung
betreibt und ggf. daraus Einkünfte erzielt, z.B. durch Zinserträge oder Veräußerungsgewinne.
Auf genau eine solche private Vermögensverwaltung läuft im Ergebnis jedoch das so bezeichnete Geschäftsmodell des Klägers
hinaus, weil dieser Erträge nicht aus der Anbietung und Vergütung der eigenen Arbeit als Dienstleistung im Markt erzielen
will, sondern ausschließlich aus der Anlage eigener Vermögenswerte durch Investition in Wertpapiere sowie Reinvestition von
Veräußerungsgewinnen. Im Ergebnis werden damit nach dem Modell des Klägers lediglich eigene Vermögenspositionen umgeschichtet
und der daraus erwartete Ertrag u.a. für den Lebensunterhalt verwendet. Qualitativ ergibt sich damit kein Unterschied zu Zins-
und Renditegewinnen aus sonstigem Aktienhandel, aus Investitionen in Edelmetalle o.ä. oder aus Fond- oder Immobilieninvestitionen.
Die vom Kläger beabsichtigte Tätigkeit führt dagegen weder zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses noch zu einem selbständigen
Gewerbebetrieb. Nach dem insoweit auch für die Begriffsbestimmung im SGB II maßgeblichen steuerrechtlichen Begriffsverständnis (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 41/15 R) ist ein "Gewerbebetrieb" nämlich eine selbständige und nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht, die sich als
Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht nur als private Vermögensverwaltung anzusehen ist (vgl.
Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 11. Oktober 2012 - IV R 32/10 - und Urteil vom 2. September 2008 - X R 14/07). Maßgeblich ist dabei das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung, welche Tätigkeiten in den gewerblichen
Bereich fallen und einer privaten Vermögensverwaltung fremd sind, wobei als wesentliches Indiz für ein gewerbliches Handeln
das Tätigwerden für Andere, insbesondere ein Tätigwerden für fremde Rechnung, angesehen wird (vgl. Bundesfinanzhof aaO.).
Für den konkreten Bereich des Wertpapierhandels wird entsprechend zur Abgrenzung weder auf die Zahl noch auf den Umfang der
Transaktionen abgestellt, sondern darauf, dass ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung im Regelfall darauf hindeutet,
dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (vgl. BFH, Urteil vom 2. September 2008 - X R 14/07). Die ausschließlich und ausdrücklich nur auf eigene Rechnung beabsichtigte Tätigkeit des Klägers stellt sich danach gerade
nicht als gewerbliches Handeln dar, sondern lediglich als nicht förderungsfähige private Vermögensverwaltung.
Aufgrund des damit vorliegenden grundsätzlichen Förderungsausschlusses kommt es weder auf Ermessungsgrundsätze an noch auf
die speziellen Förderungsvoraussetzungen der §§ 16 ff. SGB II im Einzelnen, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des
Geschäftsmodells oder sonstige Ermittlungen oder Beweiserhebungen weder geboten waren noch erfolgt sind. Die Rüge einer fehlenden
Mitteilung von Beweisergebnissen ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Dahinstehen kann aufgrund des grundsätzlichen Förderungsausschlusses, ob ein Förderbegehren unter Anführung verschiedener
Rechtsgrundlagen, wie z.B. § 16c SGB II oder § 16f SGB II in jeweils gesonderten Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden kann und entsprechend auch gesondert zu bescheiden wäre,
oder ob jede ablehnende Förderentscheidung eine negative Entscheidung zu allen denkbaren Anspruchsgrundlagen beinhaltet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des §
193 Abs.
1 und 4
SGG.
4. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich (§
160 Abs.
2 SGG).