Anspruch auf Arbeitslosengeld; Neuentstehung einer Anwartschaftszeit durch Nachzahlung von Arbeitsentgelt; Erfordernis eines
Antrags
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der für die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) maßgebende Bemessungszeitraum streitig.
Der im Jahr 1946 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis 28. Februar 1994 im Zentrum für Kindesentwicklung in
H. als Diplom-Psychologe gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von monatlich 6757,93 DM tätig. Zuletzt war er ab 1. Dezember
1993 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Über deren Berechtigung und der damit verbundenen Frage der Gehaltsansprüche
ab 1. März 1994 bestand mit dem Arbeitgeber unter dem Aktenzeichen I. vor dem Arbeitsgericht H. Streit. Am 6. Juni 1994 meldete
sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Der Meldung war ein Schreiben des Arbeitgebers vom 8. Juni
1994 beigefügt, wonach dieser auf sein Direktionsrecht verzichtete. Mit Bescheid vom 22. Juni 1994 bewilligte die Beklagte
dem Kläger Alg ab 6. Juni 1994 für 572 Tage in Höhe von 594,60 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt von 1560,- DM wöchentlich,
Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 0). Der Anspruch war am 3. April 1996 erschöpft. Im Anschluss daran gewährte die Beklagte
dem Kläger auf seine Anträge vom 18. März 1996, 3. Februar 1997, 11. Februar 1998, 22. Januar 1999 und 16. Januar 2000 Arbeitslosenhilfe
(Alhi).
Der Kläger hatte ab dem Jahre 1996 gegen seinen Arbeitgeber einen weiteren Rechtstreit vor dem Arbeitsgericht H. (J.) geführt
und die Wirksamkeit einer Kündigung zum 31. März 1997 angefochten. Auf den Hilfsantrag des Arbeitgebers wurde in diesem Verfahren
am 19. März 2000 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1997 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen ist.
Am 15. Januar 2001 wurde der Arbeitgeber des Klägers durch das Arbeitsgericht Hamburg (7 Ca 205/94) verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 1. März 1994 bis 31. März 1997 Arbeitsentgelt zu zahlen. Dieses Urteil wurde
durch eine Entscheidung das Landesarbeitsgericht H. (K.) vom 16. April 2002 in der Hauptsache bestätigt und rechtskräftig.
Am 12. Dezember 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm Alg ab 1. April 1997 zu gewähren. Der ehemalige Arbeitgeber
des Klägers hatte in der Zwischenzeit auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 16. Oktober 2000 im Rahmen des Anspruchsübergangs
gemäß § 117 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit vom 6. Juni 1994 bis 31. März 1997 für die Gewährung von Alg und Alhi die Leistungen in Höhe von insgesamt
84.087,- DM (Alg in Höhe von 56.760,70 DM zuzüglich Alhi in Höhe von 27.326,30 DM) zurückerstattet. Anfang Juni 2003 legte
der Kläger das Protokoll eines zwischen ihm und dem ehemaligen Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht H. (L.) zustande gekommenen
Vergleichs vom 28. März 2003 über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996 in Höhe von 4000,- EUR vor und
bat nochmals um Neuberechnung seiner Leistungen ab April 1997 wegen Änderung der Bemessungsgrundlage durch die Nachzahlung.
Die Beklagte legte den Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2001 als Überprüfungsantrag aus und lehnte die Rücknahme des Bewilligungsbescheides
vom 22. Juni 1994 mit Bescheid vom 13. August 2003 ab, weil das Recht bei Erlass richtig angewandt worden sei. Mit einem Schreiben
gleichen Datums setzte die Beklagte den Kläger darüber in Kenntnis, dass sie die Differenz des Alg zur geleisteten Alhi für
die Zeit vom 1. April 1997 für die Dauer von 572 Tagen leisten werde, was einem Betrag von 4414,04 EUR entsprach.
Den gegen den Bescheid vom 13. August 2003 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass er die
Neufeststellung ab April 1997 begehre, weil sich das Bemessungsentgelt geändert habe, sodass das tatsächlich durch das Urteil
vom Arbeitsgericht Hamburg verbindlich festgestellte Gehalt einschließlich der durch gerichtlichen Vergleich zugebilligten
Sonderzahlung maßgeblich sei. Daneben wandte sich der Kläger gegen die Berechnung des an ihn mit Schreiben vom 13. August
2003 abzuführenden Betrages. Der dort angesetzte Betrag in Höhe von 56.760,70 DM entspreche nicht dem gegenüber dem Arbeitgeber
geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 84.087,- DM im Überleitungsbescheid vom 16. Oktober 2000. Die Beklagte wies
den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003 als unbegründet zurück und verwies auf die Gründe in ihrem
Bescheid.
Dagegen hat der Kläger am 8. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben. Er hat sich im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren bezogen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. August 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bescheide
der Beklagten, insbesondere derjenige vom 22. Juni 1994 den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hätten. Auch seien in der
Folgezeit keine wesentlichen Änderungen eingetreten, sodass weder nach § 44 SGB X noch aufgrund von § 48 SGB X eine andere Beurteilung und damit andere bescheidmäßige Regelungen zu erfolgen hätten. Aus diesen Ausführengen ergebe sich,
dass die arbeitsrechtliche Entwicklung und Beurteilung eigenständig und für die Beurteilung des im vorliegenden Rechtsstreit
geltend gemachten Anspruchs nicht erheblich sei. Es werde auf die von der Beklagten genannten Urteile des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 29. September 1987 (7 RAr 59/96) und vom 3. Dezember 1998 (B 7 AL 34/98 R) verwiesen.
Gegen das ihm am 25. August 2006 zugegangene Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 14. September 2006 beim Landessozialgericht
eingegangenen Berufung. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt unter Hinweis auf eine Entscheidung des BSG (Urteil vom
6. Februar 2005, B 1 KR 19/03 R ) auf dem Gebiet des Krankenversicherungsrechts vor, dass auch beim Alg zunächst vorbehaltenes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen
sei, welches einem Versicherten für den maßgeblichen Bemessungszeitraum bei Annahmeverzug des Arbeitgebers zur nachträglichen
Vertragserfüllung zugeflossen sei. Er habe insgesamt betrachtet ein Recht darauf, dass die Beklagte antragsgemäß eine andere
bescheidmäßige Regelung unter Berücksichtigung der durch die Entscheidungen der Arbeitsgerichte verbindlich geregelten Rechtslage
treffe. Die von der Beklagten zitierte BSG-Entscheidung vom 3. Dezember 1998 sei schon nicht einschlägig, weil dort Streitgegenstand
Anspruch auf höheres Alg gewesen sei und nicht wie vorliegend, wo es ihm um die Verlegung des Versicherungsfalles auf den
1. April 1997 ginge.
Der Kläger beantragt nach seinem Vortrag sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2003 abzuändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, ab 1. April 1997 Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe nach einem höheren Bemessungsentgelt
unter Berücksichtigung der vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 gezahlten Arbeitsentgelte einschließlich des Weihnachtsgeldes
für das Jahr 1996 in Höhe von 4000,- EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die mit ihm überprüften Bescheide für zutreffend. Sie trägt vor, dass das Alg ab 6. Juni
1994 nicht vorbehaltlich einer Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig gewährt worden sei. Eine Korrektur der Rahmenfrist
bzw. eine Neubestimmung des Bemessungszeitraumes finde auch dann nicht statt, wenn die Bundesagentur für Arbeit aus dem nachzuzahlenden
Arbeitsentgelt in Höhe ihrer Leistungen befriedigt worden sei. Insoweit werde weiterhin auf die Entscheidung des BSG vom 3.
Dezember 1998 (B 7 AL 34/98 R) verwiesen. Der Zufluss von Einmalzahlungen werde nach der modifizierten Zuflusstheorie zwar berücksichtigt, allerdings liege
die dem Kläger zugeflossene Weihnachtsgratifikation aus dem Jahre 1996 außerhalb des bindend gewordenen Bemessungszeitraumes,
so dass sie keine Berücksichtigung finden könne. Sie habe auch dadurch, dass sie ab 1. April 1997 die Differenz zwischen der
gezahlten Alhi und dem zuvor gezahlten Alg nachgezahlt habe, keinen neuen Anspruch des Klägers auf Alg festgestellt. Der Kläger
habe auch nicht die Voraussetzungen für einen Neuanspruch auf Alg ab 1. April 1997 erworben, weil er durch das fortbestehende
Arbeitsverhältnis erneut die Anwartschaftszeiten erfüllt habe. Denn der Kläger habe erst am 12. Dezember 2001 einen wirksamen
Antrag auf Alg gestellt und ausgehend hiervon reiche die Rahmenfrist nicht bis zur Beschäftigung Ende März 1997 zurück. Diese
Auffassung werde durch die Entscheidung des BSG vom 15. Juni 1988 (7 RAr 54/86) bestätigt, wonach ein Antrag - als materielle Voraussetzung - nicht nur bei jeder neu eintretenden Arbeitslosigkeit zu stellen
sei, sondern grundsätzlich auch beim Übergang von einer Leistung zur anderen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß
§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) einverstanden erklärt.
Dem Senat haben die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung
gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch insoweit begründet,
als dem Kläger ab 1. Januar 1998 Alg und im Anschluss hieran Alhi nach dem im Bemessungszeitraum vom 1. April 1996 bis 31.
März 1997 bezogenen Arbeitsentgelt zu gewähren ist. Das Bemessungsentgelt ist pauschal um 10 Prozent zu erhöhen. Im Übrigen
ist die Berufung unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 13. August 2003, die Zahlung der Differenz zwischen Alg und geleisteter Alhi für die 572 Tage
betreffend, war für die Zeit ab 1. Januar 1998 rechtswidrig und insoweit abzuändern. Der Bescheid vom 13. August 2003, die
Rücknahme des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 22. Juni 1994 betreffend, erweist sich dagegen als rechtmäßig.
Der Kläger hat ab 1. Januar 1998 Anspruch auf Gewährung von Alg nach dem sich aus einem Bemessungszeitraum vom 1. April 1996
bis 31. März 1997 ergebenen Bemessungsentgelt zuzüglich einer pauschalen Erhöhung um 10 Prozent für die Einmalzahlung. Denn
der Anspruch auf Alg ist erst am 1. Januar 1998 entstanden.
Dagegen ist der Anspruch auf Alg auf der Grundlage eines höheren - die Entgelte bis März 1997 zu berücksichtigenden - Bemessungsentgelts
nicht schon zum 1. April 1997 entstanden. Denn der Kläger hat die Voraussetzungen für das Entstehen eines Alg-Anspruch nach
den bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Regelungen des AFG nicht erfüllt. Nach § 100 Abs. 1 AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung
steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Der Kläger ist bereits
seit der Freistellung ab Dezember 1993 beschäftigungslos und damit arbeitslos. Beschäftigungslosigkeit ist mit der tatsächlichen
Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses gegeben. Im Falle
der Freistellung ergibt sich das dadurch, dass durch den Verzicht des Arbeitgebers auf seine Verfügungsbefugnis eine Arbeitsleistung
tatsächlich nicht mehr erbracht wird. Dem stand weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser
oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende
der Beschäftigung hinaus oder auch (Nach-) Zahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 17). Auch der
Arbeitgeber des Klägers hatte im Zusammenhang mit der Freistellung ab 1. Dezember 1993 auf sein Direktionsrecht gegenüber
dem Kläger verzichtet und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die Voraussetzung der Beschäftigungssuche
ab der ursprünglichen Meldung nicht erfüllt. Auch die weiteren Voraussetzungen sind beim Kläger unstreitig mit Ausnahme des
Antrages erfüllt. Insbesondere hat er innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist gemäß § 104 Abs. 3 AFG vom 1. April 1994 bis 31. März 1997 mindestens die erforderliche Anwartschaftszeit nach § 104 Abs. 1 AFG von 360 Tagen vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 durch die bis dahin erzielten Arbeitsentgelte erfüllt und die Rahmenfrist
reicht auch nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist, in der der Kläger die Anwartschaft erfüllt hatte hinein, weil diese
bereits am 30. November 1993 wegen der Freistellung ab 1. Dezember 1993 endete.
Der Anspruch auf Alg ist bis 31. Dezember 1997 jedoch nicht entstanden, weil es an einem entsprechenden Antrages (§ 100 Abs. 1 AFG) fehlt. Zunächst kann der ursprüngliche Antrag auf Gewährung von Alg vom 6. Juni 1994 nicht den Anspruch ab April 1997 entstehen
lassen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der ursprüngliche Antrag wegen einer Rückabwicklung des durch die
Gleichwohlgewährung geleisteten Alg als nicht verbraucht anzusehen wäre, weil der Kläger in diesem Fall so gestellt würde,
wie er gestanden hätte, wenn er sich erst am Tage nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gemeldet und Alg beantragt hätte.
Der ursprüngliche Antrag wurde aber durch Bescheid vom 22. Juni 1994 beschieden und diese Alg- Bewilligung ist - ebenso wie
die spätere Bewilligung von Alhi - auch rechtmäßig, weil nach der ständigen Rechtsprechung in den Fällen des § 117 Abs. 4 AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung mangels gesetzlicher Grundlage keine Rückabwicklung in Frage kommt. Das Gesetz
sieht nicht vor, dass die Alg- Bewilligung rückwirkend aufzuheben ist, sobald sich herausstellt, dass das Arbeitsverhältnis
über den Tag hinaus, von dem an nach § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG Alg gewährt worden ist, Bestand gehabt hat (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 22). Eine solche Rückabwicklung kommt auch nicht in Betracht, wenn die Beklagte durch den Arbeitgeber gemäß § 117 Abs. 4 AFG infolge des Anspruchsübergangs der Lohnansprüche für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitgeber
befriedigt wurde (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 19). Also wird das Alg nach § 117 Abs. 4 AFG nicht vorbehaltlich einer Arbeitsentgeltzahlung, sondern endgültig gewährt, und die Gewährung bleibt rechtmäßig, auch wenn
der Empfänger des Alg später das Arbeitsentgelt oder eine nach § 117 AFG an sich zum Ruhen des Anspruchs auf Alg führende Leistung erhält; denn die Zahlung des Arbeitsgebers wirkt nicht auf die
Zeit der Gleichwohlleistung zurück (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 16 bis 19). Es verbleibt also hinsichtlich des dem Arbeitslosengeld
zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts bei dem alten Bemessungszeitraum, auch wenn - wie im Fall des Klägers - die Klage vor
dem Arbeitsgericht Erfolg hat und der Arbeitgeber nachträglich Entgelt zahlt, solange die Anwartschaftszeit nicht erneut zurückgelegt
bzw. erfüllt worden ist (Gagel-Rolfs,
SGB III, §
130 Rdnr. 17; Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III §
130 Rdnr. 34).
Der Kläger hat aber die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Alg neu erfüllt, weil er nach der ersten Arbeitslosmeldung
vom 6. Juni 1994 bis 31. März 1997 im Sinne der §§ 104, 168 Abs. 1 AFG in einer die Betragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Dass der Kläger seit dem 1. Dezember 1993 infolge der
Freistellung und späteren Kündigung seines Arbeitsverhältnisses faktisch ohne Beschäftigung war und seit 6. Juni 1994 Alg
und anschließend Alhi bezogen hat, steht dem nicht entgegen, weil das versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigungsverhältnis
fortbesteht. Anwartschaftsbegründend sind auch Zeiten nach Eintritt faktischer Beschäftigungslosigkeit, in denen das Arbeitsverhältnis
Bestand hatte und für die dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt gezahlt wird. Das führt dazu, dass der faktisch beschäftigungslose
Arbeitnehmer während des Bezugs von Alg oder Alhi nach § 117 Abs. 4 AFG durch das fortbestehende Arbeitsverhältnis Anwartschaftsvoraussetzungen erfüllen oder vollenden kann (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 18, 22).
Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, ab wann der Kläger nach dem Erwerb der Anwartschaft erneut alle Voraussetzungen
für einen Anspruch auf Alg erfüllt hat. Die Rahmenfrist, innerhalb der die erforderlichen Beschäftigungszeiten liegen müssen,
wird nach § 104 Abs. 2 AFG durch den ersten Tag der neuen Arbeitslosigkeit bestimmt, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt
sind. Dies ist regelmäßig der Tag, für den sich der Arbeitslose erneut arbeitslos meldet und Alg beantragt. In Fällen des
§ 117 Abs. 4 AFG kann zwar mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit eine erneute Arbeitslosmeldung entbehrlich sein, auf einen Antrag,
durch den die zwischenzeitliche Erfüllung der Anwartschaftszeit geltend gemacht wird, kann dagegen nach den bis 31. Dezember
1997 geltenden Vorschriften des AFG nicht verzichtet werden, weil der Antrag eine materiellrechtliche Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Alg und
Alhi darstellt (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 22). Ein solcher Antrag ist nicht nur bei jeder neu eintretenden Arbeitslosigkeit
zu stellen, sondern grundsätzlich auch beim Übergang von einer Leistung zur anderen, insbesondere auch wenn der Arbeitslose
statt bewilligter Alhi Alg beziehen will (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 22). Vorliegend bedurfte es daher eines erneuten Antrags
des Klägers, schon um zu bewirken, dass eine andere Rahmenfrist maßgeblich wird, weil er meint nunmehr die Anspruchsvoraussetzungen
für eine neue Bemessung des Alg zu erfüllen. Insofern hilft ihm der ursprüngliche Antrag von Juni 1994 nicht weiter. Einen
den Erfordernissen des AFG entsprechenden Antrag auf Alg wegen des bis zum 31. März 1997 anhaltenden Arbeitsverhältnisses hat der Kläger ab April 1997
nicht gestellt. Dem am 12. Dezember 2001 gestellten Antrag kommt dagegen keine Rückwirkung zu (BSG, SozR 4100 § 117 Nr. 22).
Daher kann auch der erst am 11. Februar 1998 gestellte Antrag auf Gewährung von Alhi - unabhängig von der Frage, ob dieser
als Antrag auf Alg ausgelegt werden könne - die Neubemessung des Alg nicht bereits ab April 1997 auslösen. Anders stellt sich
die Sachlage auch nicht durch den früheren Antrag auf Zahlung von Alhi vom 3. Februar 1997 dar, weil dieser vor der erneuten
Arbeitslosigkeit lag und damit keine Wirkung im Hinblick auf die neue Bemessung des Alg entfalten konnte.
Etwas anderes ergibt sich aber unter Anwendung der ab 1. Januar 1998 geltenden Regelungen des Dritten Buches Sozialgesetzes
(
SGB III). Ab dem Zeitpunkt der Geltung des neuen Rechts hatte der Kläger alle Voraussetzungen für das Entstehen eines erneuten Anspruchs
auf Alg erfüllt, weil der Antrag nicht mehr eine anspruchsbegründende Voraussetzung darstellt. Nach §
117 SGB III in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur
für Arbeit arbeitslos melden und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Kläger war ohne Zweifel nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses
ab April 1997 und damit auch im Januar 1998 im Sinne der Vorschrift des §
118 SGB III in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung arbeitslos. Es sind zudem ab Januar 1998 auch die weiteren Voraussetzungen der
Arbeitslosmeldung und Anwartschaftserfüllung für die Gewährung von Alg gegeben. Nach §
122 Abs.
1 Satz 1
SGB III liegt eine Arbeitslosmeldung vor, wenn sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos
gemeldet hat. Der Kläger hat sich - soweit erkennbar - seit Juni 1994 regelmäßig bei der Beklagten gemeldet. Daher dürfte
diese Voraussetzung der persönlichen Meldung durch die Arbeitslosmeldungen seit Juni 1994 erfüllt worden sein, welche mit
Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit des Klägers fortwirken. Der Kläger hat des Weiteren ausgehend vom 1. Januar
1998 die Anwartschaftszeit erfüllt, denn er hat innerhalb der vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1997 liegenden Rahmenfrist
mindestens 12 Monate vom 1. April 1996 bis 31. März 1998 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Anwartschaftszeit
hat gemäß §
123 Satz 1 Nr. 1
SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach §
124 Abs.
1 SGB III beträgt die Rahmenfrist drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Antrag
auf Alg. Dabei können - wie bereits ausgeführt - auch während des Kündigungsschutzprozesses zurückgelegte Beschäftigungszeiten
die Anwartschaft für einen Anspruch auf Alg (erneut) erfüllen, auch wenn der Betreffende während dieses Zeitraums arbeitslos
war und Alhi bezogen hat (BSG SozR 4100 § 117 Nr.22). Gegen diese Annahme spricht im Fall des Klägers auch nicht die Vorschrift
des §
124 Abs.
2 SGB III, weil die neue Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht. Denn die Rahmenfrist für den ursprünglichen
Antrag des Klägers von Juni 1994 dauerte vom 1. Dezember 1990 bis 30. November 1993 ausgehend vom Tag der Freistellung am
1. Dezember 1993. Insoweit steht die Rechtsprechung des BSG (SozR 4100 § 117 Nr. 19 und 20, SozR 3-4100 § 117 Nr. 17) nicht
entgegen, wonach es im Falle der Gleichwohlgewährung bei dem ursprünglichen Bemessungszeitraum verbleibt, weil es dort um
Sachverhalte ging, bei denen in der nach dem faktischen Ende der Beschäftigung liegenden maßgeblichen Rahmenfrist die Anwartschaft
erfüllt war, aber nach dem faktischen Ende der Beschäftigung die Anwartschaft durch die Gleichwohlgewährung des Alg nicht
- im Gegensatz zu der hier vorliegenden Fallgestaltung - neu erfüllt wurde und die Regelung zur Anwendung kam, wonach die
Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht. Vorliegend hatte der Kläger dagegen nach dem faktischen
Ende seiner Beschäftigung durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab 1. April 1997 innerhalb einer nicht in die alte
Rahmenfrist hineinreichende neue Anwartschaft auf Alg erworben, so dass ein neues Stammrecht entstanden ist (Behrend in Eicher/Schlegel,
Kommentar,
SGB III, §
130 Rdnr. 34).
Gegen die Feststellung des Vorliegens aller Voraussetzungen für die Entstehung des Alg-Anspruchs ab 1. Januar 1998 nach dem
SGB III spricht auch nicht, dass der Kläger ab 1. Januar 1998 keinen ausdrücklichen Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat. Zwar
hat das BSG in einer Entscheidung zum AFG es für erforderlich gehalten, dass die zwischenzeitliche Erfüllung der Anwartschaftszeit durch einen neuen Antrag geltend
zu machen sei (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 22). Nach Auffassung des Senats kann an diesem Erfordernis jedoch infolge der zwischenzeitlich
eingetretenen Rechtsänderungen nicht mehr festgehalten werden. Gemäß §
323 Abs.
1 Satz 2
SGB III in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung gelten Alg und Alhi mit der persönlichen Arbeitslosmeldung im Sinne einer Fiktion
der Antragstellung als beantragt. Damit kommt der Antragstellung nunmehr nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung zu (BSG SozR
4-4300 § 123 Nr. 2). Das bedeutet, dass das Stammrecht auf die Gewährung des Alg am 1. Januar 1998 entstanden ist und der
Antrag nur noch Voraussetzung für den jeweiligen Auszahlungsanspruch ist (Hauck/Noftz-Radüge,
SGB III §
323 Rdnr. 23). Da ab 1. Januar 1998 alle für die Entstehung des Alg Anspruchs erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat
der Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2001 den Anspruch ausgelöst.
Da der neue Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg vor dem 1. Januar 2000 entstanden ist, wird das sich aus dem Bemessungszeitraum
ergebene Bemessungsentgelt vom 1. April 1996 bis 31. März 1998 nach der Vorschrift des § 434c
SGB III um 10 Prozent pauschal erhöht. Dagegen kann die dem Kläger für das Jahr 1996 rückwirkend zugeflossene Weihnachtsgeld in Höhe
von 4000,- EUR entgegen seiner Auffassung nicht erhöhend berücksichtigt werden, weil gemäß §
134 Abs.
1 Nr.
1 SGB III in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung einmalig gezahlte Entgelte bei der Ermittlung des Bemessungsentgeltes außer
Betracht bleiben.
Der Kläger kann zudem von der Beklagten nach Erschöpfung des Alg-Anspruches die Anschluss-Alhi nach dem im festgelegten Bemessungszeitraum
vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 zurück gelegten Leistungsentgelt nach den gesetzlichen Bestimmung des § 195
SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung verlangen.
Soweit der Kläger Einwendungen gegen die Höhe der von der Beklagten geleisteten Differenz des Alg zur Alhi erhebt, weil der
in der Abrechnung vom 13. August 2003 angesetzte Betrag in Höhe von 56.760,70 DM nicht dem gegenüber dem Arbeitgeber geltend
gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 84.087,00 DM im Überleitungsbescheid vom 16. Oktober 2000 entspreche, wird darauf verwiesen,
dass der gegenüber dem Kläger angesetzte Betrag in Höhe von 56.760,70 DM dem Erstattungsbetrag entspricht, der für die Zeit
der Alg-Gewährung für die 572 Tage geltend gemacht worden ist. Dieser Betrag erhöhte sich gegenüber dem Arbeitgeber für die
Zeit der Zahlung von Alhi in Höhe von 27.326,30 DM auf den Gesamtbetrag von 84.087,00 DM. Da für den Kläger lediglich die
572 Tage Alg nachgezahlt wurden, konnte auch nur der Erstattungsbetrag für diesen Zeitraum gegen gerechnet werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Sozialgesetzbuch (
SGG).
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegt nicht vor.