Gründe:
Die Antragstellerin ist am H. in I./Kosovo geboren. Sie gehört der Volksgruppe der Roma an. Am 3. Januar 2004 ist sie erstmals
in die Bundesrepublik eingereist. Nach eigenen Angaben habe sie ein deutscher Mann in einem Wohnmobil mit in die Bundesrepublik
genommen, wo er sie an einer Autobahntankstelle abgesetzt habe. Von dort aus habe sie Herrn J. K. angerufen, der sie dort
abgeholt habe. Seitdem wohne sie bei ihm und ihrem Cousin (Erklärung vom 16. Januar 2004). Am 22. Januar 2004 erschien die
Antragstellerin mit Herrn J. K. bei der Antragsgegnerin. Dort erklärten beide, dass die Antragstellerin die zukünftige Ehefrau
von Herrn K. werden solle. Zunächst wollten sich die Antragstellerin und Herr K. aber kennen lernen, um festzustellen, ob
sie zusammenpassen (Vermerk vom 22. Januar 2004). Zum heutigen Zeitpunkt ist Herr K. der Lebenspartner der Antragstellerin.
Sie haben drei gemeinsame Kinder, die in den Jahren 2005, 2006 und 2008 geboren sind. Der Lebenspartner der Antragstellerin
hat die Vaterschaft anerkannt. Er ist im Jahre 1981 geboren, verfügt über die serbische Staatsangehörigkeit und bezieht ebenfalls
Leistungen nach dem
AsylbLG.
Am 21. Januar 2004 erklärte die Antragstellerin mit Hilfe der Übersetzung eines Dolmetschers vor dem Sozialamt der Antragsgegnerin,
dass sie ohne Familienangehörige im Kosovo in einem Flüchtlingsheim gewohnt habe. Das Elternhaus in I. sei durch Verbrennung
zerstört worden. In dem Flüchtlingswohnheim sei es zu Problemen mit Mitbewohnern gekommen. Aus diesem Grund sei die Antragstellerin
zu Verwandten nach Deutschland gereist. Vor dem Krieg im Kosovo habe ihr der Vater Telefonnummern von Verwandten in Deutschland
gegeben. Da sie Analphabetin sei, habe ihr ein Mann geholfen, die Verwandten anzurufen. Ihre Verwandten erhielten in Deutschland
Sozialhilfe und deshalb wolle sie auch Sozialhilfe erhalten. Kriegsbedingte Gründe für die Flucht hätten nicht vorgelegen
(Erklärung vom 21. Januar 2004, Blatt 11 der Leistungsakte).
Die Antragstellerin bezog seit 21. Januar 2004 fortlaufend Leistungen gemäß §
1a AsylbLG. Die Antragsgegnerin ging davon aus, dass die Motivation, Leistungen nach dem
AsylbLG bzw. dem Bundessozialhilfegesetz zu erlangen, von prägender Bedeutung für die Einreise in das Bundesgebiet gewesen sei.
Während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik hat die Antragstellerin einen Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens
nicht gestellt. Mit Verfügung vom 9. März 2004 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik freiwillig
bis zum 31. März 2004 zu verlassen. In den Gründen wurde ausgeführt, dass zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse hinsichtlich
der Republik Serbien und Montenegro nicht vorlägen. Abschiebungshindernisse wurden ebenfalls verneint. Mit Schreiben vom 14.
April 2004 teilte die Antragsgegnerin der Staatsanwaltschaft L. mit, dass nach der Erlasslage eine Abschiebung von ethnischen
Minderheiten mit serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit in das Kosovo seinerzeit nicht möglich war. Der gegen die
Ausreiseaufforderung vom 9. März 2004 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2006). Die
Antragstellerin wird fortlaufend geduldet.
Mit Schreiben vom 8. August 2007 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die fortwährende Kürzung der Leistungen gemäß
§
1a AsylbLG ein. Sie trug vor, nicht zum Zweck des Erhalts öffentlicher Leistungen nach Deutschland eingereist zu sein, sondern vielmehr
wegen der Zerstörung des Elternhauses im Kosovo. Die Einreise sei zum Zweck der Familienzusammenführung in der Bundesrepublik
erfolgt. Der Widerspruch wegen der Leistungskürzung blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008). Hiergegen hat
die Antragstellerin am 23. Mai 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim zum Aktenzeichen M. erhoben mit dem Hauptantrag, ihr Leistungen gemäß §
2 AsylbLG zu gewähren.
Im hier streitigen Verfahren hat die Antragstellerin am 11. April 2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
beim SG Hildesheim gestellt. Sie hat sich erneut darauf berufen, wegen der Zerstörung ihres Elternhauses im Kosovo und zum
Zweck der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik eingereist zu sein. Das Erhalten von öffentlichen Leistungen habe
hierbei nicht im Vordergrund gestanden. Im Flüchtlingsheim im Kosovo sei sie Diskriminierungen wegen ihrer Zugehörigkeit zum
Volke der Roma ausgesetzt gewesen.
Mit Beschluss vom 16. Juni 2008 hat das SG Hildesheim den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der
Erklärung der Antragstellerin vom 21. Januar 2004 die Inanspruchnahme von Sozialleistungen das prägende Motiv der Einreise
gewesen sei. Die Auseinandersetzungen mit Mitbewohnern im Flüchtlingsheim im Kosovo seien hingegen für die Einreise nachrangig
gewesen, zumal es der Antragstellerin möglich gewesen wäre, einen anderen Aufenthaltsort innerhalb ihres Heimatlandes aufzusuchen.
Hiergegen richten sich die am 18. Juli 2008 eingelegten Beschwerden. Die Antragstellerin vertieft ihren Vortrag, wonach die
Familienzusammenführung sowie die Diskriminierungen der Antragstellerin als Roma im Kosovo die maßgeblichen Gründe für ihre
Einreise in die Bundesrepublik gewesen seien. Die Antragstellerin betont, dass ihr vor der Einreise nicht bekannt gewesen
sei, ob und welche Leistungen ihre Verwandten in der Bundesrepublik bezogen hätten. Die Formulierungen in der Erklärung vom
21. Januar 2004 seien ihr durch die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin "quasi in den Mund gelegt worden". Unter dem 15. Oktober
2008 hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung zur Gerichtsakte gereicht, wonach ihr am 21. Januar 2004 nicht
klar gewesen sei, welchen Inhalt sie mit ihrer Unterschrift bestätigt habe. Die Tragweite der von ihr unterschriebenen Erklärung
sei ihr nicht bewusst gewesen. Sie habe auch noch unter dem Eindruck der Ereignisse im Flüchtlingsheim im Kosovo gestanden.
Sie habe auch nicht gewusst, dass die in Deutschland lebenden Verwandten von Sozialhilfe leben. Der Erhalt von öffentlichen
Leistungen sei jedenfalls nicht der prägende Grund für die Einreise nach Deutschland gewesen. Die Antragsgegnerin hält die
angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess-, Leistungs- und Ausländerakten Bezug genommen.
Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II. Die gemäß §§
172 ff
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässigen Beschwerden sind nicht begründet. Zu Recht hat das SG Hildesheim den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
und auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG, weil die Antragstellerin, die seit Januar 2004 gekürzte Leistungen unter Auszahlung des Barbetrages erhält, sog. Grundleistungen
gemäß §
3 AsylbLG begehrt. Gemäß §
86b Abs
2 Satz 2
SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Voraussetzung für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines die Eilbedürftigkeit rechtfertigenden
Anordnungsgrundes sowie das Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen
gemäß §
86b Abs
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §
920 Abs
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) glaubhaft gemacht werden.
Nach diesen Prüfmaßstäben hat die Antragstellerin im Rahmen dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens einen Anordnungsanspruch
auf Gewährung von Leistungen gemäß §
3 AsylbLG nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin berechtigt ist, den Anspruch
der Antragstellerin gemäß §
1a Nr 1
AsylbLG einzuschränken. Die Antragstellerin fällt unter den Anwendungsbereich des §
1a AsylbLG, weil ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik fortlaufend geduldet wird (§
1 Abs
1 Nr
4 AsylbLG).
Nach bisherigem Sach- und Streitstand ist es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Antragstellerin in den Geltungsbereich
dieses Gesetzes begeben hat, um Leistungen nach dem
AsylbLG zu erlangen (§
1a Nr 1
AsylbLG). Nach dieser Vorschrift kommt es darauf an, ob ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme
von sozialen Leistungen besteht ("um zu"). Beruht die Einreise auf mehreren Motiven, so muss die Absicht Sozialleistungen
in Anspruch nehmen zu wollen, für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen sein (vgl. BVerwGE 90, 212 zu § 120 BSHG). Es reicht daher nicht aus, dass der Ausländer den Sozialhilfebezug lediglich als notgedrungene Konsequenz seiner - aus
anderen Gründen - erfolgten Einreise (z.B. Flucht vor politischer Verfolgung usw.) in Kauf nimmt (BVerwG aaO.).
Nach den Erklärungen der Antragstellerin in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren und unter Beiziehung der Ausländerakten
spricht zum jetzigen Zeitpunkt mehr dafür als dagegen, dass der Bezug von Sozialleistungen das prägende Motiv für die Einreise
in die Bundesrepublik gewesen ist. Bislang hat die Antragstellerin nicht plausibel gemacht, dass die politischen Verhältnisse
bzw. die Anfang des Jahres 2004 vorherrschenden Unruhen im Kosovo die Einreise in die Bundesrepublik maßgeblich beeinflusst
haben könnten. Solche Gründe sind von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden. Sie hat insb. auch keinen Antrag auf Gewährung
von Asyl in der Bundesrepublik gestellt. Im Unklaren bleibt auch das Ausmaß und die Qualität der "Probleme mit Mitbewohnern",
die im Flüchtlingsheim im Kosovo aufgetreten sein sollen. Die pauschale Behauptung, es habe sich hierbei um "Übergriffe von
Albanern" gehandelt, reicht nicht aus, um eine konkrete Gefährdung für Leib und Leben der Antragstellerin zu begründen. Im
Übrigen drängt es sich auf, dass es für die Lösung dieser Probleme Möglichkeiten gegeben hätte, ohne deshalb den Weg in die
Bundesrepublik zu suchen.
Dass die Antragstellerin zum Zwecke der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik eingereist ist, ist derzeit nicht hinreichend
wahrscheinlich. Nach wie vor ist völlig unklar, welche Familienmitglieder sich an welchem Ort in der Bundesrepublik aufhalten
sollen. Auch hierzu hat die Antragstellerin bisher keine nachvollziehbaren Angaben gemacht. Sie hat lediglich erklärt, seit
Einreise in die Bundesrepublik bei ihrem Cousin in L. Unterkunft gefunden zu haben. Über den Verbleib von Eltern und Geschwistern
ist hingegen nichts bekannt. Offensichtlich strebt die Antragstellerin auch nicht ein Zusammenleben mit ihnen an, da sie inzwischen
eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft gegründet hat, aus der drei gemeinsame Kinder mit Herrn J. K. hervorgegangen sind.
Diese Lebensgemeinschaft wurde unmittelbar nach Einreise in die Bundesrepublik gegründet. Dass die Antragstellerin in erster
Linie zum Zwecke der Begründung der Lebensgemeinschaft mit Herr K. in die Bundesrepublik eingereist ist, erscheint zwar nicht
ausgeschlossen zu sein; auch diese Möglichkeit ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der Ernsthaftigkeit dieses
Entschlusses steht zumindest die im Januar 2004 vor der Antragsgegnerin abgegebene Erklärung entgegen, wonach sich die Antragstellerin
und ihr heutiger Lebenspartner offensichltich erst kennenlernen mussten, um danach festzustellen, ob sie ein gemeinsames Leben
miteinander führen wollten.
Schließlich führt auch die Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherung vom 15. Oktober 2008 zu keinem anderen Ergebnis.
Hier hat die Antragstellerin nicht erwähnt, dass sie zum Zwecke der Familienzusammenführung bzw. zum Zwecke der Eheschließung
in die Bundesrepublik eingereist ist. Sie hat lediglich erklärt, dass jedenfalls nicht der Erhalt von öffentlichen Leistungen
der prägende Grund für die Einreise gewesen sei. Welche Gründe für die Einreise prägend gewesen sind, hat die Antragstellerin
auch hier nicht offen gelegt, obwohl es letztlich in ihrer Verantwortungssphäre liegt, hinreichende Angaben zur Einreisemotivation
zu machen. Die nur in ihr Wissen gestellten Gründe für die Einreise müssen schon deshalb benannt und hinreichend dargelegt
werden, um der Behörde und auch dem Senat die Möglichkeit zu geben zu überprüfen, ob der Tatbestand des §
1 a Nr 1
AsylbLG erfüllt ist (vgl. BverwG aaO.; wie hier LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.08.2007, Az: L 23 B 10/07 AY ER in juris). Solange die Antragstellerin keinen plausiblen Grund für ihre Einreise darlegt, muss sie sich an ihrer Erklärung
vom 21. Januar 2004 gegenüber der Antragsgegnerin festhalten lassen. Auch wenn sie nunmehr vorträgt, sich nicht im Klaren
über Inhalt und Bedeutung der Erklärung gewesen zu sein, so hat die Antragstellerin in diesem Verfahren die Erklärung weder
wegen Irrtums angefochten noch bestritten, die Erklärung abgegeben zu haben. Dass die Antragstellerin aller Voraussicht nach
Kenntnis darüber hatte, dass ihre in Deutschland lebenden Verwandten von Sozialhilfe leben, ergibt sich zweifelsohne aus der
Erklärung vom 21. Januar 2004. Die Erklärung "und deswegen möchte ich auch Sozialhilfe erhalten" macht es in diesem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren überwiegend wahrscheinlich, dass die Motivation der Antragstellerin für die Einreise in die Bundesrepublik
in erster Linie vom Bezug öffentlicher Sozialleistungen geprägt war.
Der Senat übersieht dabei nicht, dass die Antragstellerin mittlerweile über einen fünfjährigen Zeitraum gekürzte Leistungen
unterhalb des Sozialhilfeniveaus bezieht. Jedenfalls zahlt die Antragsgegnerin den Barbetrag aus, den die Antragstellerin
zur Bestreitung eigener, persönlicher Bedürfnisse zur Verfügung hat. Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht vorgetragen,
welcher unabweisbare Bedarf infolge der fortwährenden Leistungseinschränkung nicht mehr zu befriedigen wäre.
Ob die Antragstellerin einen eilbedürftgen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht hat, musste nicht mehr entschieden
werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Der Antragstellerin steht weder ein Anspruch auf Bewilligung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren noch für dieses Beschwerdeverfahren
zu. Gemäß §
73a SGG in Verbindung mit §
114 ff der
ZPO liegen hinreichende Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der dargelegten Entscheidungsgründe nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).