Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagten zu verpflichten sind, mit der Klägerin einen Versorgungsvertrag für die
vollstationäre Pflege in der Einrichtung O. in P. abzuschließen. Bei der Klägerin handelt es sich um eine wirtschaftlich verselbständigte
Betreibergesellschaft unter dem Dach der Holding der Q., die seit 2008 40 Pflegeplätze für körperbehinderte junge Erwachsene
mit einer Pflegestufe anbietet. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichte "Konzeption
Pflegewohneinrichtung O." Bezug genommen. Nach ihrer im Internet veröffentlichten Selbstbeschreibung nimmt die Einrichtung
vorrangig Personen aus dem Einzugsgebiet der Förderschule R. in P. auf; dabei werden Mehrfachbehinderte berücksichtigt, wenn
die körperliche Behinderung im Gesamtbehinderungsbild im Vordergrund steht. Eine eigene Tagesstruktur innerhalb der Einrichtung
wird nicht angeboten. Als tagesstrukturierende Maßnahme sollen die Bewohner der Pflegeeinrichtung in der Regel und im Rahmen
ihrer Möglichkeiten die Werkstatt für Behinderte beim S. in T. besuchen. Der Jahresbericht 2014 der U. teilt hierzu mit, dass
alle Bewohner die benachbarte Werkstatt für behinderte Menschen besuchen. Den Antrag der Klägerin vom 18. Dezember 2008 auf
Abschluss eines Versorgungsvertrages lehnten die Beklagten mit Bescheid vom 23. April 2009 ab. Zur Begründung bezogen sie
sich auf eine vom MDK-V. vorgenommene Prüfung vor Ort, nach der im Tagesablauf die Wiedereingliederung der Bewohner überwiege.
Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des §
71 Abs.
4 SGB XI, in der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stünden. Die pflegerischen
Aufwendungen seien daher auf der Grundlage von §
43a SGB XI abzugelten. Mit ihrer hiergegen am 20. Mai 2009 erhobenen Klage hat sich die Klägerin auf abweichende Stellungnahmen des
W. vom 23. Juni 2008 sowie des X. vom 18. September 2008 bezogen und ausgeführt, die Besonderheit der Einrichtung bestehe
lediglich darin, dass die Bewohnerinnen und Bewohner auf Wunsch tagesstrukturierende Maßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte
in Anspruch nehmen könnten. Demgegenüber würden in der Einrichtung selbst alle Anforderungen an eine Pflegeeinrichtung erfüllt.
Der Anteil von Pflegebedürftigen der Pflegestufe III übersteige sogar den Bundesdurchschnitt. Weder der Umstand, dass die
Bewohnerinnen und Bewohner behindert seien, noch der Umstand, dass mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe eine Leistungsvereinbarung
nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen worden sei, die neben der im Vordergrund stehenden Hilfe zur Pflege auch tagesstrukturierende Maßnahmen zum Gegenstand
habe, stehe dem geltend gemachten Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages entgegen. Soweit es darauf ankomme, welches
Ziel in der Einrichtung vorrangig verfolgt werde, liege der Schwerpunkt der erbrachten Leistungen in der Pflege; die überwiegende
Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner gehöre nämlich der Pflegestufe II oder der Pflegestufe III an, sodass der Hilfebedarf
für die Verrichtungen nach §
14 Abs.
4 SGB XI mindestens drei bzw. fünf Stunden täglich betrage. Hinzu trete der Bedarf an Behandlungspflege und der weitergehende Betreuungsbedarf
bei der Motivations- und Kommunikationsförderung. Die Belegungsstruktur weise dabei einen im Durchschnitt größeren Hilfebedarf
bei den Verrichtungen des täglichen Lebens aus als eine durchschnittliche Einrichtung der stationären Dauerpflege, die einen
Versorgungsvertrag erhalte. Die Beklagten sind der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen getreten und haben dargelegt, dass
die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung sich von Montag bis Mittwoch zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr sowie an Donnerstagen
und Freitagen zwischen 8.00 Uhr und 15.00 Uhr regelhaft in der Behindertenwerkstatt des Y. in T. befänden. Der MDK habe im
Rahmen seiner Überprüfung festgestellt, dass sich mit Ausnahme von zwei erkrankten Bewohnern alle übrigen Bewohner in der
Werkstatt für behinderte Menschen in T. aufgehalten hätten. Der von ihm gezogene Schluss, dass an den Werktagen in der zeitlichen
Abfolge des Tagesablaufs die Wiedereingliederung überwiege, treffe zu. Bei der Klägerin handele es sich mithin um eine Einrichtung
i.S.v. §
71 Abs.
4 SGB XI, in der die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft überwögen. Mit Urteil vom 13. April
2012 hat das Sozialgericht Oldenburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin
durch §
71 Abs.
4 SGB XI vom Abschluss eines Versorgungsvertrages ausgeschlossen werde. Bei unvoreingenommener, verständiger Betrachtung sei ohne
weiteres erkennbar, dass die Einrichtung von einer ganzheitlichen Förderung der Behinderten geprägt werde, wie sie den anerkannten
Zielen und Methoden der Eingliederungshilfe entspreche. Ob eine stationäre Einrichtung als Pflegeheim oder als nicht zulassungsfähige
Einrichtung zu bewerten sei, richte sich nach dem im Vordergrund stehenden Zweck der Einrichtung und nicht nach dem Ausmaß,
in welchem daneben Pflegeleistungen erbracht würden (Bezugnahme auf LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, L 1 P 7/98). Die Zwecksetzung der Einrichtung bestimme sich hierbei in erster Linie nach ihrer schriftlichen Konzeption sowie der tatsächlichen
Umsetzung in personellen Bereichen und im Hinblick auf das Leistungsangebot (Bezugnahme auf LSG Thüringen, Urteil vom 25.10.2000,
L 6 P 129/97, Rn. 44). Zwar möge es zutreffen, dass die pflegerischen Aufwendungen den Bemühungen um berufliche und soziale Rehabilitation
bzw. Eingliederung zumindest gleichrangig gegenüberstünden. Insoweit komme es jedoch weniger auf eine quantitative als vielmehr
auf eine qualitative Betrachtung an. Für die Kammer liege der entscheidende Aspekt darin, dass es sich unter Würdigung sämtlicher
vorhandener Unterlagen bei dem Z. um eine Einrichtung handele, welche gegenüber ihren Bewohnern einen ganzheitlichen Pflege-
und Betreuungsansatz entsprechend dem Konzept der Eingliederungshilfe verfolge. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass
die Klägerin in diesem Zusammenhang auch in erheblichem Umfang Pflegeleistungen gem. §
14 SGB XI erbringe. Mit ihrer am 15. Mai 2012 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin wiederholt
und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, das Urteil des Sozialgerichts erwecke den Eindruck, als schließe
das
SGB XI jede Form der Kumulation von Leistungen der Eingliederungshilfe mit Pflegeleistungen in zugelassenen stationären Pflegeeinrichtungen
aus. Dies treffe indessen nicht zu. Ergänzende Leistungen des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Tagesstrukturierung und der
sozialen Betreuung hinderten den Abschluss eines Versorgungsvertrages nach §
72 SGB XI nach richtiger Auffassung nicht. Vielerorts in der Bundesrepublik Deutschland seien nach Einführung der Pflegeversicherung
entsprechende Vereinbarungen zustande gekommen. Auch nach einem Rechtsgutachten des Deutschen Vereins AA. e.V. gebe es keine
zwingende rechtliche Exklusivität zwischen ergänzenden Leistungen der Eingliederungshilfe einerseits und Leistungen der Pflegeversicherung
nach §
43 SGB XI andererseits. Gegenstand der Kostenträgerschaft der Pflegeversicherung sei hierbei nach §
43 Abs.
1 SGB XI die Übernahme der pflegebedingten Aufwendungen, der Aufwendungen für soziale Betreuung und der Aufwendungen für Leistungen
der medizinischen Behandlungspflege. Dabei sei fraglich, wie der Begriff der sozialen Betreuung im Leistungsrahmen des
SGB XI inhaltlich zu bestimmen sei und ob er inhaltlich Leistungen der Eingliederungshilfe einschließe, bzw. wie er von diesen abzugrenzen
sei. In der Gesetzesbegründung zum ersten
SGB XI-Änderungsgesetz werde ausgeführt, dass das vollstationäre Pflegeheim mehr sei als eine Einrichtung, in der pflegebedürftige
Menschen Grundpflege, Unterkunft und Verpflegung erhielten. Vielmehr komme der sozialen Beratung und Betreuung der Pflegebedürftigen
im Heim eine zentrale Bedeutung zu. Anhaltspunkte für deren Inhalte seien der Empfehlung nach §
75 Abs.
5 SGB XI vom 25. November 1996 zu entnehmen, nach der die Pflegeeinrichtung durch Leistungen der sozialen Betreuung für die Pflegebedürftigen
einen Lebensraum gestalten solle, der ihnen die Führung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens ermögliche sowie zur
Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung beitrage. Damit werde die Teilnahme am Leben
in der Gesellschaft und die Gestaltung dieses Lebens in der Gemeinschaft als Teil der sozialen Betreuung i.S.v. §
43 SGB XI beschrieben. Hieraus folge, dass die Erbringung von Maßnahmen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als Leistungsbestandteil
nach §
43 SGB XI nicht per se dazu führen könne, dass eine Einrichtung, die soziale Betreuungsleistungen erbringe, als solche der Eingliederungshilfe
einzuordnen sei. Soweit § 55 SGB XII für die Eingliederungshilfe in Einrichtungen vorsehe, dass von ihr auch die Pflegeleistungen - mit der Folge einer anteiligen
Finanzierung durch die Pflegekassen gem. §
43a SGB XI - umfasst seien und §
71 Abs.
4 SGB XI hiermit korrespondierend vorsehe, dass Einrichtungen, in denen die Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft
im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stünden, keine Pflegeeinrichtungen darstellten, sei das Sozialgericht im Ansatz
zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Abgrenzung der Leistungsbereiche insbesondere auf die Ziele der Hilfe ankomme.
Soweit es dabei weiterhin davon ausgegangen sei, dass es nicht auf den quantitativen Anteil der von den Bewohnern und Bewohnerinnen
benötigten Leistungen ankomme, sondern auf den qualitativen Schwerpunkt der Einrichtung, sei es allerdings zu unzutreffenden
Schlüssen gelangt. Tatsächlich liege der Schwerpunkt der Einrichtung in der Erbringung von Pflegeleistungen. Insoweit bestimme
Ziff. 2.2 der Konzeption, dass das Vorliegen eines die Pflegestufe I erreichenden Hilfebedarfs Voraussetzung für die Aufnahme
sei, und Ziff. 2.3, dass die Pflegeleistungen unter ständiger Verantwortung der ausgebildeten Pflegefachkraft im Vordergrund
stünden. Danach sei die Inanspruchnahme einer tagesstrukturierenden Maßnahme an einem anderen Ort nicht als vorrangiger Zweck,
sondern als fakultative Möglichkeit ausgestaltet. Auch im Übrigen sehe das Konzept die Erbringung aller für ein Pflegeheim
bestimmenden Leistungen vor. Die Personalstruktur, die das Sozialgericht nicht gewürdigt habe, weise zudem einen eindeutigen
Schwerpunkt beim Pflegepersonal auf. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2012 sowie
den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2009 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, das als Anlage 1 der Klageschrift
beigefügte Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages gem. §
72 SGB XI für die von der Klägerin betriebene Einrichtung der vollstationären Dauerpflege anzunehmen. Die Beklagten beantragen, die
Berufung zurückzuweisen. Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führen aus, dass dem angefochtenen
Urteil nicht entnommen werden könne, dass das SG fehlerhaft davon ausgegangen sei, eine Kombination von Leistungen der Eingliederungshilfe und solchen der Pflege nach dem
SGB XI sei prinzipiell ausgeschlossen. Das Gericht habe vielmehr die streitgegenständliche Einrichtung der Regelung des §
71 Abs.
4 SGB XI zugeordnet. Dies sei zutreffend gewesen, weil bei dem O. die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft als
Ziel der Einrichtung im Vordergrund stehe. Dem stehe nicht entgegen, dass man sich hierbei auf das S. als selbständige, externe
Einrichtung stütze mit der Folge, dass bei der Beklagten selbst die Erbringung von Pflegeleistungen überwiege. Dies ändere
nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung der Einrichtung, nach deren Darstellung unter Punkt 2 der Konzeption die Zielgruppe
von körperbehinderten, pflegebedürftigen Menschen im erwerbsfähigen Alter gebildet werde, bei denen die Erhaltung und Wiedergewinnung
einer möglichst selbständigen Lebensführung bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens angestrebt werde. Es führt zu keinem
anderen Ergebnis, dass die Zuerkennung einer Pflegestufe Voraussetzung für die Aufnahme sei. Wegen weiterer Einzelheiten des
Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verfahrensakten der Beklagten
Bezug genommen, die beigezogen worden sind.