Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende - Ausschluss von Ausländern vom berechtigten Personenkreis, Geltung des Europäischen
Fürsorgeabkommens
Gründe:
Die gemäß §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 20. Februar 2007 ist begründet. Das Begehren der Antragstellerin war darauf gerichtet, entweder Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu erhalten. In diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat die Antragstellerin glaubhaft
gemacht, dass sie einen Leistungsanspruch auf die Gewährung des Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem SGB II hat. Dementsprechend
war die Beigeladene im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Gewährung zu verpflichten.
Die im Mai 1982 geborene Antragstellerin ist niederländische Staatsangehörige afghanischer Herkunft. Ihr Geburtsort ist F.,
(Afghanistan). Die Antragstellerin ist verheiratet mit dem im März 1977 ebenfalls in F. geborenen afghanischen Staatsangehörigen
G. H ... Die Eheschließung fand am 26. Mai 2004 in den Niederlanden statt (Standesamt I.). Aus dieser Ehe stammt der am 26.
März 2007 in J. geborene Sohn K ... Seit der Geburt ihres Sohnes erhält die Antragstellerin Elterngeld nach dem Gesetz zum
Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG). Der Ehemann ist anerkannter Konventionsflüchtling (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Genfer Konvention) und besitzt eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der Ehemann war - soweit das aus den Akten ersichtlich wird -, zu Beginn des Jahres 2006 erwerbstätig und erzielte monatlich
cirka 1.000,00 EUR netto. Eine Kündigung dieses Beschäftigungsverhältnisses erfolgte laut Kündigungsschreiben vom 21. Juni
2006 "ab 01.07.2006". Die Antragstellerin reiste am 1. April 2006 - aus den Niederlanden kommend - nach Deutschland ein und
wohnt seitdem bei ihrem Ehemann. Sie hat eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU vom 12. April 2006 der Landeshauptstadt
J. erhalten, in welcher ihr bescheinigt wird, dass das Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU am heutigen Tage
bestehe, weil sie - die Antragstellerin - glaubhaft gemacht habe, dass sie nicht erwerbstätig sei, aber über ausreichende
Existenzmittel für den Lebensunterhalt sowie über Krankenversicherungsschutz verfüge.
Mit Antrag vom 29. Juni 2006 begehrten die Eheleute Leistungen nach dem SGB II. Dem Ehemann wurden Leistungen bewilligt (Bescheid
vom 1. August 2006, ab 1. August bis 31. Dezember 2006, monatlicher Zahlbetrag 429,79 EUR). Leistungen an die Antragstellerin
wurden mit Bescheid vom 2. August 2006 abgelehnt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beigeladenen
vom 6. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Der Leistungsausschluss ergebe sich aus § 7 Abs 1 Satz 2 erste Alternative
SGB II; diese Regelung lehne sich an § 2 Freizügigkeitsgesetz/EU an in den Fällen, in denen sich das Aufenthaltsrecht ausschließlich
auf den Grund der Arbeitsuche stütze, § 2 Abs 2 Nr 1 Freizügigkeitsgesetz/EU. Die Antragstellerin sei im Besitz einer Bescheinigung
nach § 4 (richtig § 5) Freizügigkeitsgesetz/EU, da sie zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung glaubhaft gemacht habe,
dass sie aufgrund der Erwerbstätigkeit ihres Ehemannes über ausreichende Mittel zur Deckung des Lebensunterhaltes verfüge.
Dies habe sich durch den Arbeitsplatzverlust des Ehemannes geändert. Damit verliere die Bescheinigung ihre Gültigkeit. Weiterhin
habe sie mitgeteilt, dass sie sich auch auf Arbeitsuche befinde und bei der Arbeitsagentur gemeldet habe. Zwar sei der Grund
der Antragstellerin für den Aufenthalt in Deutschland nicht allein die Arbeitssuche; doch der einzige begünstigte Aufenthaltszweck
der Antragstellerin, der sich aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU herleiten lasse, sei der Aufenthalt zur Arbeitsuche. Dieser
Aufenthaltszweck führe zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II. Dagegen führt die Antragstellerin Klage beim SG Hannover
(S 55 AS 1950/06).
Nach der Ablehnung der Leistungen nach dem SGB II begehrte die Antragstellerin die Gewährung von Sozialhilfe. Die für die
Antragsgegnerin handelnde Landeshauptstadt J. lehnte dies mit Verfügung vom 13. September 2006 ab. Leistungen nach dem SGB
XII könnten nicht gewährt werden, da die Antragstellerin grundsätzlich arbeitsfähig und damit die Zuständigkeit des Leistungsträgers
nach dem SGB II gegeben sei. Die Ablehnung der Beigeladenen könne nicht nachvollzogen werden, da die Antragstellerin als EU-Bürgerin
in der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem SGB II habe. Sozialhilfe könne gemäß §§ 21
Satz 1, 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII (neue Fassung - nF -) nicht gezahlt werden. Gegen die nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung
versehene Verfügung vom 13. September 2006 hat die Antragstellerin am 29. November 2006 Widerspruch eingelegt, über den -
soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat am 14. Dezember 2006 beim SG Hannover um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Ihr Begehren war ursprünglich
gerichtet auf die Zahlung von Sozialhilfe, nach Beiladung der Arbeitsgemeinschaft Job-Center Region J. auch wahlweise auf
die Gewährung von Alg II.
Das SG hat das Begehren mit Beschluss vom 20. Februar 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Ausschluss der
Sozialhilfegewährung aus § 21 SGB XII folge, weil die Antragstellerin zu dem dem Grunde nach leistungsberechtigten Personenkreis
des SGB II gehöre. Daran ändere § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nichts. Selbst wenn ihr Anspruch gegenüber der Beigeladenen danach
ausgeschlossen sein sollte, weil der Aufenthalt ausschließlich dem Zwecke der Arbeitsuche diene, folge daraus keine Leistungspflicht
des Sozialhilfeträgers. Den Vorschriften des SGB XII komme keine Auffangfunktion zu für Personen, die zwar dem Grunde nach
entsprechend den Bestimmungen des SGB II leistungsberechtigt seien, der Anspruch jedoch aus anderen Gründen ausgeschlossen
sei. Dies ergebe sich bereits aus der Neufassung des § 23 Abs 3 SGB XII ab 7. Dezember 2006, der die Ausschlussregelung des
§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB II inhaltsgleich übernommen habe, und entsprechend auch der Zielrichtung des Gesetzgebers, Ausländer,
denen aufgrund der aufenthalts- und arbeitsgenehmigungsrechtlichen Bestimmungen der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht verwehrt
sei, als erwerbsfähig anzusehen. Zwar habe die Beigeladene den Anspruch der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt, weil sie
im April 2006 zu ihrem zu dieser Zeit in der Bundesrepublik beschäftigten Ehemann nachgereist sei, um mit diesem die nach
Artikel
6 Grundgesetz geschützte eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen. Als EU-Angehörige bedürfe sie weder einer gesonderten Aufenthalts- noch
Arbeitsgenehmigung und sei im Besitz einer Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU. Der Umstand, dass der Ehemann
später seine Arbeit verloren habe, ändere daran nichts. Von der nach §
75 Abs
5 SGG grundsätzlich möglichen Verurteilung der Beigeladenen sei abgesehen worden, weil in dieser Sache bereits ein Klageverfahren
anhängig sei (S 55 AS 1950/06).
Dagegen hat die Antragstellerin fristgemäß Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, aus Rechtsprechung zum Beispiel
des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen folge, dass sie einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen habe, sofern ihr
§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB II entgegen gehalten werde. Weiterhin sei zu bedenken, dass sich ihr Aufenthaltsrecht nicht allein aus
dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Sie sei auch eingereist, um mit ihrem hier dauerhaft lebenden Ehegatten eine Familie zu
gründen. Ihr stehe ein Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Abs 1 Freizügigkeitsgesetz/EU iVm §§ 29, 30 AufenthG zu. Die Antragsgegnerin erwidert, dass dem Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe jedenfalls § 21 SGB XII entgegenstehe. Die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II finde sich annährend inhaltsgleich in § 23 Abs 3 Satz 1 SGB
XII nF wieder. Wenn Leistungen nach dem SGB II aufgrund des Aufenthaltszwecks der Antragstellerin ausgeschlossen sein sollten,
komme ein Anspruch nach dem SGB XII aufgrund der genannten Regelung ebenfalls nicht in Betracht. Die Beigeladene hält an ihrer
im Widerspruchsbescheid genannten Begründung fest.
Das Begehren der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in dem in der Beschlussformel festgelegten Umfang
erfolgreich. Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich bei der vorliegenden Fallgestaltung nach §
86b Abs
2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen,
wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes
in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Hier kommt eine Regelungsanordnung gemäß §
86b Abs
2 Satz 2
SGG in Betracht. Hierzu muss glaubhaft gemacht werden, dass das geltend gemachte Recht der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner
bzw Beigeladenen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung
wesentliche, in §
86b Abs
2 SGG näher gekennzeichnete Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, soweit durch diesen Beschluss Leistungen nach dem SGB II zugesprochen worden sind.
Das Begehren der Antragstellerin ist auslegungsbedürftig. Zwar war der ursprüngliche Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
gerichtet auf die Zahlung von Sozialhilfe, zuständig hierfür ist die Antragsgegnerin. Doch mit dieser Einschränkung wäre das
Begehren der Antragstellerin nicht umfassend gewürdigt. Denn sie will die Zahlung von Sozialleistungen unter jedem rechtlichen
Gesichtspunkt erreichen. Deshalb kann ihr Begehren nicht allein auf mögliche Anspruchsgrundlagen aus dem SGB XII gestützt
werden, es müssen auch die weiterhin in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nach dem SGB II herangezogen werden. Bei verständiger
Würdigung ist ihr Begehren mithin darauf gerichtet, Sozialleistungen entweder von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen
zu erhalten.
Der Antragstellerin stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen Prüfung Leistungen nach dem SGB II zu. Diese
sind vorrangig vor den Leistungen nach dem SGB XII, §
2 Abs
1 SGB XII. Folglich ist die Beigeladene in Anwendung des §
75 Abs
5 SGG zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet worden. Denn der Antragstellerin kann der Leistungsausschließungsgrund des
§
7 Abs 1 Satz 2 SGB II erfolgreich nicht entgegengehalten werden.
Die Antragstellerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet
und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, sie ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland. Gemäß §
30 Abs
3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem
Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellerin zu bejahen.
Ihr Aufenthaltsrecht als Unionsbürgerin mit niederländischer Staatsangehörigkeit ergibt sich aus § 2 Abs 2 Nr 1 Freizügigkeitsgesetz/EU.
Danach haben Unionsbürger, die, wie die Antragstellerin, sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung
aufhalten wollen, das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Diese Voraussetzungen haben beide Leistungsträger bejaht, auch aus
den Akten ergibt sich, dass sich die Antragstellerin zur Arbeitsuche hierher begeben und bei der Arbeitsagentur gemeldet hat.
Das Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthalts hier in der Bundesrepublik wird bestätigt durch die Gewährung des Elterngeldes
an die Antragstellerin. Denn die Gewährung von Elterngeld setzt gemäß § 1 Abs 1 Nr 1 BEEG den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
voraus. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, auf welche die Ablehnung gestützt wurde, ist hier anwendbar in der Fassung,
die es durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (vom 24. März 2006, BGBl I Seite
558) erhalten hat. Danach sind von der Anspruchsberechtigung nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht
sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Das Änderungsgesetz trat gemäß seines Artikel 5 Abs 1 allgemein am 1. April 2006 in Kraft. Der durch das Änderungsgesetz eingefügte
§ 68 SGB II bestimmt, dass die §§ 7, 9, 11 und 20 Abs 1, 3 und 4 in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung weiterhin
anzuwenden sind für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. Juli 2006 beginnen. Der für die Antragstellerin in Betracht kommende
Bewilligungszeitraum dürfte - nach ihrem Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - am 1. August 2006 beginnen, da
für die davor liegenden Zeiträume Alg II - wohl aufgrund noch vorhandenen Einkommens des Ehemannes - nicht begehrt wurde.
Dem entspricht die Bewilligung an den Ehemann für die Zeit ab 1. August 2006. Mithin ist § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II in der ab
1. April 2006 geltenden Fassung der Entscheidung zu Grunde zu legen.
§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB II wurde nochmals geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien
der Europäischen Union (vom 19. August 2007, BGBl I Seite 1970 - Artikel 6 Nr 2). Satz 2 lautet nunmehr folgendermaßen:
"Ausgenommen sind 1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des
§ 2 Abs 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate
ihres Aufenthalts, 2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nr 1 gilt nicht für Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten."
Diese Regelung trat gemäß Artikel 10 Abs 1 des vorgenannten Gesetzes am 28. August 2007 in Kraft. Im Hinblick auf die Antragstellerin
ergibt sich daraus keine Änderung der Rechtslage, weil die neu eingefügte Nr 1 für ihre Fallgestaltung nicht einschlägig ist
und die neue Nr 2 mit dem vorher geltenden § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II inhaltlich übereinstimmt.
Wenn die Antragstellerin im Hinblick auf § 2 Abs 2 Nr 1 Freizügigkeitsgesetz/EU eingereist ist, hat sie aus diesem Grunde
hier ein Aufenthaltsrecht und ist berechtigt eine Arbeit aufzunehmen. Für diese Fallgestaltung sieht die fragliche Vorschrift
des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II den Leistungsausschluss vor. Der Gesetzgeber hat dies damit begründet (BT-Drucksache 16/688),
dass mit der Neufassung von Satz 2 Artikel 24 Abs 2 iVm Artikel 14 Abs 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/ 38 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 umgesetzt werde. Hiernach könnten im nationalen Recht Personen und ihre Familienangehörigen
vom Bezug sozialer Leistungen ausgeschlossen werden, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein auf den Zweck der Arbeitsuche gründe.
Betroffen von der Regelung seien vor allem EU-Bürger, die von ihrem Recht auf Unionsbürgerschaft Gebrauch machten und sich
zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhielten (vgl zu dieser Regelung Brühl/Schoch, Lehr- und Praxiskommentar- SGB II,
2. Auflage 2007, § 7 Rdnr 18f; Schumacher in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Sozialhilfe und Grundsicherung für
Arbeitsuchende, Loseblattsammlung Stand: September 2007, § 7 SGB II, Rdnrn 5 und 11). Die vorgenannte Regelung führte weiterhin
dazu, dass der von § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erfasste Personenkreis auch keine Leistungen nach dem SGB XII wegen § 21 Satz 1
SGB XII erhalten könnte, da diese Personen dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind (vgl die vorgenannte Gesetzesbegründung;
Schumacher, aaO., Rdnr 11b).
Wegen des europarechtlichen Hintergrundes der vorgenannten Regelung wird von Teilen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung
darin ein möglicher Verstoß gegen das in Artikel 12 EG-Vertrag verankerte Diskriminierungsverbot gesehen, während dem entgegengehalten
wird, dass sich aus Artikel 24 der Richtlinie 2004/38 EG (Amtsblatt der Europäischen Union L 158, Seite 77) selbst ergebe,
dass für derartige Fallgestaltungen der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet sei, dem sich zur Arbeitsuche in dem jeweiligen
Staat befindlichen Unionsbürger Sozialleistungen zu gewähren (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. November 2006
- L 20 B 248/06 AS ER - Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 114; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. November 2006 - L 14 B 663/06 AS ER - FEVS 58, Seite 311; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER - Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 317; dasselbe, Beschluss vom 5. September 2007 - L 29 B 828/07 AS ER ; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. September 2007 - L 7 SO 3970/07 ER - B; Hessisches LSG, Beschluss vom 13.
September 2007 - L 9 AS 44/07 ER ; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2007 - L 9 B 80/07 AS ER ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Juli 2007 - L 6 AS 444/07 ER ; derselbe Senat, Beschluss vom 2. November 2007 - L 6 AS 664/07 ER -; siehe auch Gutmann, Rosstäuscherei im Ausländersozialrecht, Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 309, 311 ff.).
Der Ausschließungsgrund des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II - seine Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot des Artikel 12 EG-Vortrag
unterstellt -greift allerdings nur, wenn sich das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf den Grund "zur Arbeitsuche" stützt.
Das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin beruht demgegenüber auf einem weiteren Grund, nämlich dem des Ehegattennachzuges,
§§ 27 ff. AufenthG. Nach § 30 AufenthG ist dem Ehegatten eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis
besitzt. Diese Fallgestaltung liegt hier vor. Denn der Ehemann der Antragstellerin, der Ausländer im Sinne des § 30 Abs 1 AufenthG ist, besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Demnach beruht das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nicht allein auf dem Grund
"Arbeitsuche", sondern auf dem Grund Ehegattennachzug. Damit greift der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht
mehr ein.
Darüber hinaus steht ein weiterer Grund der Anwendung der Ausschlussnorm des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II entgegen. Dieser folgt
aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) (vom 11. Dezember 1953, BGBl II 1956, Seite 564, dazu Gesetz zum EFA vom 11. Dezember 1953 und zu dem Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 15. Mai 1956,
BGBl II Seite 563). Das EFA ist innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des einzelnen begründendes Recht (vgl BVerwG, Urteil vom 18.
Mai 2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, Seite 200 = FEVS 51, Seite 433). Die Anwendbarkeit des EFA ergibt sich weiterhin aus §
30 Abs
2 SGB I, wonach Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben. Das EFA ist daher von den Sozialleistungsträgern
und den Gerichten zu beachten (vgl Timme in Lehr- und Praxiskommentar -
SGB I, 2. Aufl 2007, §
30 Rdnr 11). Zu den Mitgliedstaaten des EFA gehören ua die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland (BGBl II 1958, Seite
18).
Artikel 1 EFA bestimmt, dass jeder der Vertragsschließenden sich verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden,
die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende
Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen
der sozialen und Gesundheitsfürsorge (im folgenden als "Fürsorge" bezeichnet) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines
Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. In Artikel 2a (i) EFA wird der Begriff der Fürsorge näher erläutert; als
"Fürsorge" wird jede Fürsorge bezeichnet, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes
geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie
die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Danach erfasste das EFA ohne Zweifel die Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt
- wie sie jetzt im SGB XII geregelt ist (bis zum 31. Dezember 2004 im BSHG). Doch auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus den §§ 19 ff. SGB II sind dem Begriff der Fürsorge im Sinne des EFA zuzurechnen. Das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld
II steht gemäß § 19 SGB II erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu. Die Leistung ist in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem SGB
XII gestaltet. Sie sieht eine - pauschalierte - dem Regelsatz in der Sozialhilfe vergleichbare Regelleistung zur Sicherung
des Lebensunterhaltes vor, sowie die tatsächliche Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, §§ 20, 22
SGB II. Ähnlich wie in der Sozialhilfe werden für verschiedene Situationen Leistungen für Mehrbedarfe vorgehalten, § 21 SGB
II. Das Arbeitslosengeld II weist daher eine sozialhilferechtliche Konzeption auf.
Im Anhang I zum EFA (Stand 1. März 2000, siehe Bekanntmachung der Neufassung der Anhänge I, II und III zum EFA vom 20. September
2001, BGBl II 2001, Seite 186 ff.) wird als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA ua das BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl I Seite 646, 2975) aufgeführt. Eine Neufassung dieses Anhangs im Hinblick auf die Ablösung des BSHG durch das SGB XII und das SGB II zum 1. Januar 2005 ist - soweit ersichtlich - bislang nicht erfolgt. Nach Artikel 16a und
b EFA haben die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung der Gesetzgebung zu unterrichten,
die den Inhalt von Anhang I und III berührt und dem Generalsekretär alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang
I noch nicht aufgeführt sind. Daraus folgt keine Einschränkung der völkervertragsrechtlichen Fürsorgegewährleistung. Denn
eine solche Mitteilung nach Artikel 16 EFA hat nur klarstellende Bedeutung, um die übrigen Vertragsstaaten über den Stand
der Fürsorgegesetzgebung im mitteilenden Vertragsstaat zu informieren (so BVerwG aaO., Rdnr 19 im juris-Abdruck). Da das BSHG zum 1. Januar 2005 abgelöst worden ist durch das SGB XII und für erwerbsfähige Hilfebedürftige durch das SGB II treten diese
Rechtsvorschriften an die Stelle des im Anhang I genannten BSHG als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA.
Das BVerwG (aaO., Rdnrn 19, 20 im juris-Ausdruck) hat weiterhin dazu folgendes ausgeführt: Will der mitteilende Vertragsstaat,
dass sich eine spätere Änderung seiner Fürsorgegesetzgebung auf die Staatsangehörigen der übrigen Vertragsstaaten nicht in
der gleichen Weise auswirken soll wie auf seine eigenen Staatsangehörigen, muss er seine Mitteilung an den Generalsekretär
des Europarats mit einem entsprechenden Vorbehalt verbinden (vgl Artikel 16 Abs b Satz 2 EFA). Einen weitergehenden Vorbehalt
als den nach Einführung des Bundessozialhilfegesetze abgegebenen, sich nicht zur Gewährung von sozialhilferechtlichen Hilfen
zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage und von Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu verpflichten,
hat aber die Bundesrepublik Deutschland nicht abgegeben (...). Sie hätte einen solchen Vorbehalt nach Artikel 16 Abs b Satz
2 EFA ohnehin nur bei neuen, im Anhang II noch nicht aufgeführten Rechtsvorschriften machen können, zu denen das Bundessozialhilfegesetz als bereits in der Anhangsfassung 1982 aufgenommenes Fürsorgegesetz nicht gehört. Denn Artikel 16 Abs b Satz 2 EFA soll den Vertragsstaaten nur die Vorbehalte offen halten, die sie bei Vertragsschluss noch nicht machen
konnten, weil es ein entsprechendes Fürsorgegesetz noch nicht gab, nicht aber den Vertragsstaaten erlauben, sich aus bereits
vorbehaltlos eingegangenen Verpflichtungen nachträglich einseitig zu lösen. Eine nachträgliche Absenkung des gesetzlichen
Fürsorgestandards für den vom Europäisches Fürsorgeabkommen geschützten Ausländerkreis ist demnach unter der Geltung des Europäisches
Fürsorgeabkommen nur durch Absenkung des Fürsorgestandards für Inländer möglich (...).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist allenfalls diskussionswürdig, ob die Bundesrepublik einen Vorbehalt im Hinblick
auf das neu geschaffene SGB II anbringen könnte. Da dieses bislang - soweit ersichtlich - nicht geschehen ist, ist neben dem
SGB XII auch das SGB II als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA zu behandeln.
Zum Teil wurde die Ansicht vertreten, dass das EFA nur auf diejenigen Ausländer anwendbar sei, die sich zur Zeit der Hilfebedürftigkeit
bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen
in einen Vertragsstaat einreisten, womit eine Wanderung aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes vermieden werden sollte
(vgl OVG Berlin, Beschluss vom 22. April 2003 - 16 S 9.03 - FEVS 55, Seite 186). Bei Berücksichtigung dieser Ansicht wäre
das EFA auf die Antragstellerin anwendbar. Denn zur Zeit ihres Übertritts aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland
verfügte sie über ausreichende existenzsichernde Mittel, und zwar aufgrund des Erwerbseinkommens ihres Ehemannes. Die finanzielle
Notlage trat erst nach Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses ihres Ehemannes ein. Es sind daher keinerlei Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin zur Erlangung von Sozialleistungen eingereist ist. Offenbarer prägender Zweck
war vielmehr der Wunsch, mit ihrem Ehemann einen gemeinsamen Haushalt zu führen.
Die Leistung des Alg II ist weiterhin beitragsunabhängig und knüpft an die Bedürftigkeit des arbeitslosen Antragstellers an.
Daraus ergibt sich, dass das EFA auch auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung findet (vgl Fuchs, Deutsche Grundsicherung
und europäisches Koordinationsrecht, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2007, Seite 1, 3 ff.; Schumacher aaO., Rdnr 11).
Die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II geht auch nicht als späteres Recht dem Artikel 1 EFA vor. Der gewohnheitsrechtlich
anerkannte Rechtssatz, dass das später erlassene Gesetz, das den gleichen Sachverhalt regelt, das früher erlassene verdrängt
(lex posterior derogat legi priori - vgl hierzu BSG, Urteil vom 21. März 1991 - 4/1 RA 51/89 - SozR 3-2200 § 1259 Nr 5 = NZA 1991, 830) führt hier nicht zur Unanwendbarkeit des EFA. Denn die Regelungen des EFA sind insoweit spezieller als die fragliche Norm
des SGB II, mit anderen Worten: das spezielle Gesetz geht der allgemeineren Regelung vor (lex posterior generalis non derogat
legi priori speciali). Das ergibt sich bereits daraus, dass sich § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II allein auf bestimmte Ausländer bezieht
und daher keine Aussage über den Umfang der nach den völkerrechtlichen Bestimmungen gebotenen Gleichbehandlung mit Deutschen
trifft. Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen
Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will, sodass
der Vorrang späteren Gesetzes - hier das SGB II - nur dann eingreifen kann, wenn der Gesetzgeber seinen Willen zur Nichtbeachtung
des transformierten völkervertraglichen Rechts mit aller Deutlichkeit herausgestellt hat (vgl BVerwG, aaO. Rdnr 27 im juris-Abdruck).
Eine derart klare Bekundung zur Derogation des EFA ist nicht ersichtlich. Aus der Gesetzesbegründung zu der hier fraglichen
Vorschrift geht vielmehr hervor, dass an die Umsetzung einer EU-Richtlinie gedacht worden ist. Die Wirkungen des EFA haben
hierbei keine Rolle gespielt. Ginge man davon aus, dass § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II als späteres Gesetz die Anwendung des EFA
ausschließt, wäre das EFA für zahlreiche vertragschließende Staaten des EFA außer Kraft gesetzt. Denn ein großer Teil der
Vertragschließenden gehört auch der EU an, für deren Angehörige § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II die im SGB II vorgesehenen Fürsorgeleistungen
ausschlösse. Eine derart weit reichende Außerkraftsetzung des EFA bedarf einer deutlichen Erklärung der Bundesrepublik, die
bislang nicht vorliegt.
Mithin ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II für die vom EFA erfassten Staatsangehörigen wirkungslos.
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des EFA ist der erlaubte Aufenthalt der Antragstellerin im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland, Artikel 1, Artikel 11 EFA und Anhang III zum EFA. Bereits oben wurde dargelegt, dass die Antragstellerin sich
aufgrund des Freizügigkeitsgesetzes/EU bzw aufgrund ihrer Nachzugsberechtigung als Ehefrau erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland
aufhält. Das EFA ist daher auf die Fallgestaltung der Antragstellerin anzuwenden. Dies führt dazu, dass ihr der Ausschlussgrund
des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erfolgreich nicht entgegengehalten werden kann und sie wie ein Inländer Anspruch auf Leistungen
nach dem SGB II hat. Ein Anordnungsgrund steht der Antragstellerin ebenfalls zur Seite, da eine einstweilige Anordnung bereits
dann im Sinne des §
86b Abs
2 SGG nötig ist, wenn anderenfalls der notwendige Lebensunterhalt nicht gewährleistet ist. Da dieser Lebensunterhalt durch die
Vorschriften der §§ 19 ff. SGB II garantiert ist, um den Anspruchsberechtigten die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu
ermöglichen, kann einem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden, sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit einem
geringeren Lebensunterhalt zu begnügen, wenn ein Anspruch darauf mindestens glaubhaft gemacht ist - wie hier -.
Bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist auf den Zeitpunkt des
Eingangs des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einstweilige Anordnung soll in Verfahren
dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-)
Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Dementsprechend waren die Leistungen ab dem 14. Dezember 2006
zuzusprechen, dem Eingang des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim SG Hannover. Die Dauer der einstweiligen
Anordnung richtet der Senat im Regelfall an dem Sechsmonatszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II aus. Zwar ist im Klageverfahren
aufgrund der Ablehnung durch die Beigeladene der gesamte Zeitraum von Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des SG streitig. Doch sofern im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Leistungen zugesprochen werden, bleibt es regelmäßig bei dem Sechsmonatszeitraum
des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II, sodass hier Leistungen ab 14. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007 zu erbringen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des §
193 SGG. Da im Ergebnis die Beigeladene unterliegt, hat sie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Ein Unterliegen der Antragstellerin liegt nicht vor, da sie wahlweise Leistungen von der Beigeladenen bzw der Antragsgegnerin
verlangt hat. Eine Kostenquotelung und eine teilweise Ablehnung der Beschwerde ist daher nicht angebracht. Vielmehr obsiegt
die Antragstellerin mit ihrem Begehren auf Leistungsgewährung.
Gerichtskosten werden in Verfahren dieser Art nicht erhoben. Der Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.
Mit dem zusprechenden Beschluss und der damit verbundenen Kostentragungspflicht der Beigeladenen ist der Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden. Eine Entscheidung über diesen Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe erfolgt daher nicht mehr.