Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Einstiegsgeld, Zuschüssen zu Sachgütern wie Computer und Büroeinrichtungen sowie die
Übernahme von Mietrückständen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1975 geborene Kläger steht mit seiner 1982 geborenen Ehefrau und den 2006 und 2007 geborenen Kindern beim Beklagten im
laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Er geht seinen Angaben zufolge seit 2006 einer selbständigen Tätigkeit als Erfinder und Designer nach und beabsichtigt eine
Herstellerfirma für Sanitärprodukte (Waschbecken, Armaturen) zu gründen. Mit Beschluss des Amtsgerichts B aus Dezember 2010
ist dem Kläger ein Betreuer für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung in außergerichtlichen und
gerichtlichen Angelegenheiten und gegenüber Behörden bestellt worden. Für den Bereich der Vermögenssorge besteht ein Einwilligungsvorbehalt.
Die Betreuung besteht nach mehrfachem Wechsel des Betreuers unverändert fort.
Zunächst bewohnten der Kläger und seine Familie eine 55qm große Wohnung unter der Anschrift Hstraße 00, 50000 B. Diese wurde
aufgrund von Mietrückständen vom Vermieter gekündigt und der Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts B vom 08.12.2010
zur Zahlung von 7.810,31 Euro sowie Räumung bis 31.03.2011 verurteilt. Zum 03.01.2012 sind der Kläger und seine Familie umgezogen.
Am 02.03.2010 sprach der Kläger beim Beklagten vor und bat um Unterstützung seines Existenzgründungsvorhabens als Erfinder
und Designer. Der Beklagte lehnte die Gewährung von Einstiegsgeld mit Bescheid vom 24.09.2010 und Widerspruchsbescheid vom
22.10.2010 ab. Die angestrebte Tätigkeit sei nicht geeignet, die Hilfebedürftigkeit des Klägers zu beseitigen.
Einen Antrag des Klägers vom 07.06.2010 auf Übernahme der Mietschulden lehnte der Beklagte ab, ebenso einen erneuten Antrag
vom 02.09.2010 (Bescheid vom 07.09.2010, Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010) und einen Antrag 09.09.2010 (Bescheid vom 11.09.2010)
mit der Begründung ab, dass Mietrückstände nur übernommen werden könnten, wenn dies der Sicherung der Wohnung diene. Der Kläger
habe aber bereits den Umzug in eine andere Wohnung beantragt, der auch genehmigt worden sei.
Am 30.07.2010 hat der Kläger Klage beim SG Aachen "gegen Herabwürdigung und Herabsetzung des Berufsgrades als Erfinder und
Designer; die Empfehlung einer Helfertätigkeit in Firmen durch den Zwang der Eingliederungsvereinbarung, welcher durch Verwaltungsakt
erlassen wurde oder womit gedroht wurde; gegen die Bildung einer Gruppierung der Städteregion Aachen und die damit verbundene
absichtliche Strategie" erhoben. Alle relevanten Unterlagen würden der Generalstaatsanwaltschaft Köln vorliegen (Az 00 A 00/10). In einem an die Generalstaatsanwaltschaft beigefügten Schreiben hat er gerügt, dass der Beklagte nicht einmal bereit sei,
ihn mit Einstiegsgeldern zu unterstützen.
Mit Schreiben vom 30.08.2010 (Eingang beim SG am 31.08.2010) hat der Kläger beantragt, ihm Einstiegsgeld sowie Zuschüsse in Höhe von 5.000 Euro für Sachgüter wie z.B.
Computer, Büroeinrichtungen zu zahlen und ihm einen technischen Zeichner bereitzustellen (Übernahme oder Förderung dessen
Arbeitslohns).
Mit weiterem Schreiben vom 13.09.2010 hat er im Klageverfahren (auch) die Übernahme der Mietrückstände beantragt.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht hat der Kläger im Einverständnis mit dem ihn begleitenden Betreuer seine Klage
auf die Gewährung des Einstiegsgeldes, der Zuschüsse sowie auf die Übernahme der Mietrückstände beschränkt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.02.2011 abgewiesen. Die Klage hinsichtlich des Zuschusses von 5.000 Euro
sei unzulässig, da es diesbezüglich an einem Verwaltungsakt des Beklagten mangele. Bezüglich des Antrags auf Gewährung von
Einstiegsgeld lägen die Voraussetzungen des § 16b Abs. 1 SGB II nicht vor. Einstiegsgeld könne nur bei erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, nicht aber zur Förderung einer
bereits ausgeübten (in Gang gesetzten) Tätigkeit gewährt werden. Der Kläger übe seine Tätigkeit als Erfinder und Designer
nach eigenen Angaben bereits seit 2006 aus. Bezüglich der Mietrückstände handele es sich um eine objektive Klageerweiterung
(§
99 SGG). Die Voraussetzungen für die Übernahme der Rückstände nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II lägen nicht vor, weil der Wohnungslosigkeit des Klägers und seiner Familie, die nach dem Urteil des Amtsgerichts nicht mehr
zu verhindern sei, hierdurch nicht begegnet werden könne. Zudem sei die Wohnung des Klägers und seiner Familie zu klein und
daher nicht angemessen. Der Beklagte habe daher auch erklärt, einen Umzug zu fördern.
Gegen das seinem Betreuer am 12.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2012 selbst Berufung eingelegt. Er hat
einige gerichtliche Verfahren angeführt, die mit seinem Verfahren in Zusammenhang stünden (z.B. Betreuungsverfahren, Verfahren
vor dem VG Aachen zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur, Verfahren vor dem LG Frankfurt wegen Schadensersatzes aufgrund
von Verletzung gewerblichen Schutzes in Sachen Gebrauchsmuster etc.). Seiner Auffassung nach gehen die Verfahren auf politische
Motivationen zurück, weil er und seine Frau aus Armenien stammten. Sie seien aber deutsche Staatsangehörige und er habe keine
politischen Motive was seine Tätigkeit oder sein Anstreben zur Unternehmensbegründung betreffe. Seine Idee habe das Potential
zur Unternehmensgründung und er sei auch als Unternehmer geeignet. Er habe alle Kernpunkte zur Unternehmensgründung beachtet.
Seiner Berufung hat er eine Vielzahl von Dokumenten (Auszüge aus Wikipedia über die Geschichte Armeniens, Informationen über
seine Familie, Informationen des Deutschen Patentamts, Antrag vom 21.02.2011 auf Übernahme von Leistungen zur Unternehmensgründung
etc.) beigefügt.
Der Kläger, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich auch nicht hat vertreten lassen, hat im
Berufungsverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Sinngemäß beantragt er - entsprechend seinem erstinstanzlichen Klageantrag
-,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 09.02.2011 zu ändern und
1) den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2010 zu verurteilen,
ihm Einstiegsgeld für den Zeitraum ab Antragstellung zu gewähren,
2) den Beklagten zu verurteilen, ihm Zuschüsse in Höhe von 5.000 Euro für Sachgüter wie Computer und Büroeinrichtungen zu
zahlen,
3) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2010 zu verurteilen,
Mietrückstände in Höhe von 7.222,55 Euro zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die im Laufe des Verfahrens zuständigen Betreuer des Klägers haben das Berufungsverfahren nicht aufgenommen. Der zuletzt bestellte
Betreuer vertritt die Auffassung, dass die vom Kläger selbst eingelegte Berufung unzulässig sei. Dadurch, dass der vormalige
Betreuer die Prozessführung im Klageverfahren übernommen habe, habe der Kläger seine eigene Prozessfähigkeit verloren. Durch
die Regelung in §
53 Zivilprozessordnung (
ZPO) solle eine verfahrensrechtliche Doppelzuständigkeit von Betreutem und Betreuer ausgeschlossen werden. Die unzulässige Berufung
des Klägers könne wegen Ablaufs der Berufungsfrist durch Erklärungen von ihm als jetzigem Betreuer nicht nachträglich zulässig
werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten
verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Senat konnte in Abwesenheit des nicht persönlich zum Termin geladenen
Klägers verhandeln und entscheiden, da er mit der Ladung hierauf hingewiesen worden ist.
Der Senat erachtet die vom Kläger selbst eingelegte Berufung zu dessen Gunsten für zulässig. Ein Einwilligungsvorbehalt bezüglich
gerichtlicher Verfahren ist nicht ausdrücklich angeordnet. Die Problematik der Doppelbetreibung eines Geschäfts (§
53 ZPO) stellt sich konkret nicht, da das Berufungsverfahren, das erst aufgrund einer neuen Prozesserklärung (hier der Berufungseinlegung
durch den Kläger) in Gang gesetzt wird, in betreuungsrechtlicher Hinsicht mit dem Klageverfahren kein einheitliches Verfahren
darstellt, sondern von diesem getrennt zu betrachten ist. Da kein Betreuer des Klägers das Berufungsverfahren aufgenommen
hat und die Betreibung dieses Verfahrens für den Kläger aufgrund der Kostenfreiheit von Sozialgerichtsprozessen für Leistungsempfänger
als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann (vgl. §
1903 Abs.
3 Bürgerliches Gesetzbuch), geht der Senat im Berufungsverfahren von der Prozessfähigkeit des Klägers aus.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage auf Gewährung von Zuschüssen in Höhe von 5.000 Euro ist unzulässig, die Klage
auf Zahlung von Einstiegsgeld und Mietrückständen unbegründet. Die streitigen Bescheide des Beklagten vom 24.09.2010 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2010 (Einstiegsgeld) bzw. vom 07.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 03.11.2010 (Mietrückstände) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 S. 1
SGG). Auf die Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts vom 09.02.2011, die der Senat sich nach Überprüfung zu eigen
macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Tatbestandsvoraussetzungen des vom Kläger begehrten Einstiegsgeldes gem.
§ 16b SGB II, das als Ermessensleistung des Beklagten ausgestaltet ist, nicht vorliegen. Weder ist erkennbar, dass eine selbständige Tätigkeit
zur Eingliederung des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist (§ 16b Abs. 1 S. 1 SGB II) noch lässt eine Prognose die Annahme zu, dass die Aufnahme der vom Kläger begehrten Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit entfallen
lassen könnte (§ 16b Abs. 1 S. 2 SGB II). Aus dem Akteninhalt ergibt sich vielmehr klar, dass der Kläger zur angestrebten Selbständigkeit nicht geeignet ist. Er
verfügt er über keine Ausbildung bzw. kein Studium als Ingenieur oder Kaufmann und ist nach Aktenlage nicht in der Lage, eine
tragfähige selbständige Tätigkeit zu planen, finanztechnisch einzuschätzen und zu realisieren. Eigenes Kapital steht ihm in
keiner Weise zur Verfügung. Sonstige Erfahrungen des Klägers auf dem angestrebten Markt sind - abgesehen von einem streitigen
Gebrauchsmuster für ein von ihm erfundenes Genitalwaschbecken - nicht ersichtlich. Die zahlreichen vom Kläger geführten Klageverfahren
sowie die vom Amtsgericht angeordnete Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge bestätigen die mangelnde
Eignung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen.