Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente
Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut des Rentenberechtigten
Prüfung des Auszahlungseinwandes "anderweitige Verfügung" gem. § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI
Tatbestand
Der klagende Rentenversicherungsträger begehrt die Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente in Höhe von 1.755,51 Euro,
welche nach dem Tod der Rentenberechtigten auf deren Girokonto beim beklagten Geldinstitut überwiesen worden war. Rechtlich
geht es um die Reichweite des zugunsten des Geldinstituts bestehenden Einwandes "anderweitiger Verfügungen" in der Zeitspanne
nach Kenntniserlangung vom Tod der Rentenberechtigten seitens des Geldinstituts bis zum dortigen Eingang des Rückforderungsbegehrens
gegen den Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf "Wiedererlangung" überzahlter Rente.
Die Rentenberechtigte I I (geb. am 00.00.1930, nachfolgend: Rentenberechtigte) erhielt - neben einer Altersrente aus eigener
Versicherung in Höhe eines Auszahlungsbetrages von zuletzt 246,18 Euro von einem anderen Rentenversicherungsträger - von der
Beklagten eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 00.00.1983 verstorbenen Ehemanns X I (Erstbewilligung mit
Bescheid vom 21.7.1986). Der Auszahlungsbetrag dieser Hinterbliebenenrente betrug zuletzt 601,42 Euro monatlich; die Auszahlung
erfolgte auf das bei der Beklagten (Bankleitzahl: 000), einer nach deutschem Recht gegründeten Aktiengesellschaft mit Sitz
in C, geführte Girokonto der Rentenberechtigten unter der Nummer 000 mit Wertstellung zum jeweiligen Monatsende für den Folgemonat.
Die Rentenberechtigte verstarb am 00.9.2009. Ihr Sohn M I teilte dies mit am 2.10.2009 eingegangenem Schreiben der Deutschen
Post AG Renten Service, Berlin, mit (nachfolgend: Rentenservice). Er war über den Tod der Rentenberechtigten hinaus bis zur
Kontoauflösung berechtigt, über deren Girokonto bei der Beklagten zu verfügen.
Nach dem Todestag überwies die Klägerin auf dieses Girokonto die für die Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009 bestimmten
Hinterbliebenenrentenzahlungen in Höhe von insgesamt 1.804,26 Euro (3 x 601,42 Euro). Der Kontostand unmittelbar vor Eingang
dieser jeweiligen Rentenzahlungen war jeweils im Haben und betrug am 30.09.2009 1.718,27 Euro, am 30.10.2009 1.739,71 Euro
und am 30.11.2009 23,83 Euro.
Nach Eingang der Hinterbliebenenrentenzahlungen erfolgten über das Konto der Rentenberechtigten diverse Verfügungen zugunsten
Dritter durch Überweisungen und Einzugsermächtigungslastschriften insbesondere für Arztrechnungen, Wohnungsmiete, Bestattungskosten
und Pflegeheimkosten; es ging auch eine weitere Gutschrift ein. Am 14.10.2009 erlangte die Beklagte Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten.
Am Ende dieses Tages betrug der Kontostand 1.780,71 Euro, nachdem die Beklagte der - seitens des für die Altersrente der Rentenberechtigten
zuständigen Rentenversicherungsträgers begehrten - Rücküberweisung der Altersrente in Höhe von 246,18 Euro entsprochen und
eine Einzugsermächtigungslastschrift des Pflegeheims in Höhe von 538,98 Euro ausgeführt hatte. Am 17.12.2009 wurde das Girokonto
- nach Einbehalt eines Entgeltes für das Girokonto (betreffend den Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 17.12.2009) in Höhe von
17,70 Euro seitens der Beklagten - durch M I, welcher die Erbschaft nach der Rentenberechtigten am 19.10.2009 ausgeschlagen
hatte, - mit einem Restguthaben in Höhe von 557,95 Euro aufgelöst. Dieses Restguthaben überwies die Beklagte am 9.2.2010 an
M I.
In der Zeit vom 30.09.2009 bis zum 17.12.2009 waren im Einzelnen folgende Bewegungen des Girokontos der Rentenberechtigten
zu verzeichnen:
30.9.2009 - 8,60 Euro Zinsen / Entgelte für Girokonto für 1.7.2009 - 30.0.9.2009 30.9.2009 + 246,18 Euro Gutschrift Altersrente
10/2009 30.9.2009 + 601,42 Euro Gutschrift Hinterbliebenenrente 10/2009 14.10.2009 - 246,18 Euro Storno Altersrente 10/2009
14.10.2009 - 538,98 Euro Lastschrift N-eim 16.10.2009 - 41,00 Euro Lastschrift X 30.10.2009 + 601,42 Euro Gutschrift Hinterbliebenenrente
11/2009 2.11.2009 - 15 Euro Lastschrift Hilfe für Tiere E 5.11.2009 - 48,45 Euro Lastschrift XXX 11.11.2009 + 441,58 Euro
Gutschrift Auflösung eines Sparkontos der Rentenberechtigten 17.11.2009 - 41,00 Euro Lastschrift X 23.11.2009 - 80,00 Euro
Überweisung Arztrechnung Dr. L 23.11.2009 - 97,35 Euro Überweisung Arztrechnung U 23.11.2009 - 425,00 Euro Überweisung Wohnungsmiete
T 23.11.2009 - 1.627,08 Euro Überweisung Bestattungsrechnung J 30.11.2009 - 425,00 Euro Überweisung Wohnungsmiete T 30.11.2009
+ 601,42 Euro Gutschrift Hinterbliebenenrente 12/2009 16.12.2009 - 41,00 Euro Lastschrift X 17.12.2009 - 17,70 Euro Zinsen
/ Entgelte für Girokonto per 17.12.2009 17.12.2009 - 557,95 Euro Restsaldo zwecks Kontolöschung
Am 5.7.2010 forderte der Rentenservice (im Auftrag der Klägerin) von der Beklagten überzahlte Hinterbliebenenrente für die
Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009 betreffend die Rentenberechtigte in Höhe von 2.405,68 Euro zurück - basierend auf monatlichen
Überweisungen von je 601,42 Euro. Die Beklagte informierte die Klägerin daraufhin über die Auflösung des Girokontos am 17.12.2009,
über die seit dem 30.9.2009 erfolgten Verfügungen und über das Restsaldo nebst dessen Verbleib sowie über die verfügungsberechtigte
Person. Zudem erstattete sie der Klägerin einen Betrag in Höhe von 2,47 Euro, da nach Eingang der Hinterbliebenenrente für
Dezember 2009 am 30.11.2009 in Höhe von 601,42 Euro nur zwei zu berücksichtigende anderweitige Verfügungen (in Höhe von 41,00
Euro und von 557,95 Euro) insgesamt in Höhe von 598,95 Euro angefallen seien. Eine weitergehende Erstattung lehnte die Beklagte
ab.
Versuche der Klägerin, Teilbeträge der Rentenleistungen von M I und von der Vermieterin der Rentenberechtigten zurückzuerhalten,
verliefen erfolglos.
Im Januar 2012 machte die Klägerin erneut gegenüber der Beklagten ihr Erstattungsbegehren - gestützt auf §
118 Abs.
3 SGB VI - geltend, da die Beklagte bereits am 14.10.2009 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten gehabt habe.
Nach nochmals unbefriedigter Zahlungsaufforderung hat die Klägerin am 26.4.2012 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage (S 6 R 639/12) gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages iHv 1.755,51 Euro erhoben. Sie hat vorgetragen, dass es sich um die Rückforderung
überzahlter Hinterbliebenenrente für die Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009 gemäß §
118 Abs.
3 SGB VI handele - (3 x 601,42 Euro abzüglich des bereits von der Beklagten zurücküberwiesenen Betrages in Höhe von 2,47 Euro sowie
abzüglich zurückgerechneter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 26,28 Euro). Die Beklagte habe
in Kenntnis des Todes der Rentenberechtigten Verfügungen Dritter zugelassen und könne sich daher nach Maßgabe der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) insbesondere im Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, nicht auf Entreicherung oder Auszahlung berufen. Am 14.10.2009, dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Todes der Rentenberechtigten,
habe sich jedenfalls noch ein (Renten-)Schutzbetrag in Höhe von 601,42 Euro auf dem Girokonto der Rentenberechtigten befunden.
Die Beklagte hat eine über den bereits erfolgten Betrag in Höhe von 2,47 Euro hinausgehende Erstattung abgelehnt. Ein Erstattungsanspruch
stehe der Klägerin bereits deshalb nicht zu, weil das Konto der Rentenberechtigten zum Zeitpunkt des Rückforderungsverlangens
der Klägerin am 5.7.2010 bereits seit dem 17.12.2009 erloschen gewesen sei. Komme es auf Veranlassung der Erben oder des Sonderrechtsnachfolgers
zu einer Kontoauflösung, so seien die Voraussetzungen für eine Rücküberweisung entfallen, weil das Konto des verstorbenen
Rentenberechtigten als solches nicht mehr bestehe. Ferner sei die Auflösung eines Girokontos (und die Auszahlung des dort
befindlichen Guthabens) als bankübliches Zahlungsgeschäft zulasten des Kontos eine wirksame anderweitige Verfügung im Sinne
des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI. Der Unbegründetheit der Klage stehe auch nicht ihre Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten entgegen. Sie könne sich trotzdem
auf die seitdem erfolgten Verfügungen berufen, da sie aufgrund des Bankvertrages verpflichtet sei, solche auszuführen. Die
Entscheidung des BSG vom 22.4.2008, Az. B 5a/4 R 79/06 R, die von einer Relevanz der Kenntnis des Geldinstituts vom Tod des Rentenberechtigten vor Verfügungen über das Konto ausgehe,
beziehe sich auf die isolierte Situation der Abhebung von Bargeld am Geldautomaten mittels Bankkarte und Geheimzahl durch
unbekannte Dritte. Grundsätzlich komme es indes auf die Kenntnis des Geldinstituts vom Tod des Rentenberechtigten nicht an.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.10.2012 abgewiesen und den Streitwert auf 1.755,51 Euro festgesetzt. Die Klägerin habe keinen
Anspruch auf Zahlung von 1.755,51 Euro gegen die Beklagte. Bereits der eindeutige Wortlaut des §
118 Abs.
3 S. 2
SGB VI verpflichte das Geldinstitut nur zu einer "Rücküberweisung" der - unter Vorbehalt - erbrachten Rentenleistungen, was denknotwendig
die Existenz des entsprechenden Bankkontos voraussetze. Sei das Konto zum Zeitpunkt des Rückforderungsverlangens bereits aufgelöst,
gehe dieses ins Leere.
Nach Zustellung am 1.11.2012 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 26.11.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie
vor, dass auch nach Auffassung des erkennenden Senats in der mündlichen Verhandlung vom 25.5.2012 (L 14 R 640/11) und einer Reihe erstinstanzlicher Entscheidungen jüngeren Datums (SG Stuttgart, Urteil vom 23.4.2012, S 26 R 5096/11; SG München, Urteil vom 24.5.2012, S 56 R 278/12; SG Berlin, Urteil vom 8.8.2012, S 11 R 3814/11; SG Köln, Urteil vom 28.8.2012, S 12 R 672/12; SG Heilbronn, Urteil vom 26.9.2012, S 2 R 871/11; SG Köln, Urteil vom 24.1.2013, S 37 R 1633/10) die Schutzregelung des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI rechtlich begrenzt bis zur Kenntniserlangung vom Tod der Rentenberechtigten seitens des Geldinstituts sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.755,51 Euro zu zahlen.
Die Beklagte sieht ihre Rechtsauffassung in dem angefochtenen Urteil bestätigt und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Klägerin und die Unterlagen der Beklagten zu den Kontobewegungen des Girokontos der Rentenberechtigten
seit dem 30.9.2009 sowie den Schriftverkehr der Beteiligten betreffend die Rückerstattung beigezogen.
Ferner hat der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu §
118 Abs.
3 SGB VI (Urteil vom 22.4.2008, Az. B 5a/4 R 79/06 R; Urteil vom 3.6.2009, Az. B 5a R 120/07 R; Urteile vom 5.2.2009, Az. B 13/4 R 91/06 R und Az. B 13 R 59/08 R) auf die Bedeutung des Umstandes hingewiesen, ob das Geldinstitut Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten vor Eingang des
Rücküberweisungsverlangens des Rentenversicherungsträgers und Zulassen von Verfügungen über das Konto der Rentenberechtigten
hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den weiteren Inhalt
der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere gemäß §
143 erster Halbsatz
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft; einer Zulassung nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG bedurfte es nicht, da es sich zwar um eine Erstattungsstreitigkeit, nicht aber um eine solche zwischen juristischen Personen
des öffentlichen Rechts handelt. Die Beklagte ist als Aktiengesellschaft juristische Person des Privatrechts.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die zulässige echte - auf Auszahlung eines Geldbetrages im Gleichordnungsverhältnis gerichtete - Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) zu Unrecht abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 1.755,51 Euro.
A. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist §
118 Abs.
3 S. 2
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung in der seit dem 1.1.2008 (bis zum 8.4.2013) geltenden Fassung vom 19.12.2007 (nachfolgend:
SGB VI). Dieser Vorschrift zufolge hat das Geldinstitut Geldleistungen im Sinne von §
118 Abs.
3 S. 1
SGB VI der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht
zurückfordert. Geldleistungen im Sinne von §
118 Abs.
3 S. 1
SGB VI sind solche, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden;
sie gelten als unter Vorbehalt erbracht. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden
Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben
erfolgen kann (§
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI). Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (§
118 Abs.
3 S. 4
SGB VI).
Die Voraussetzungen des in §
118 Abs.
3 S. 2
SGB VI wurzelnden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (bzw. der - für diesen
den Rentenauszahlungsbetrag - überweisenden Stelle) gegen das Girokonto des Rentenberechtigten führende Geldinstitut (I.)
sind im Einzelnen erfüllt (II.); der Einwand des §
118 Abs.
3 S. 3 erster Halbsatz
SGB VI zugunsten des beklagten Geldinstituts steht dem nicht entgegen (III.).
I. §
118 Abs.
3 S. 2
SGB VI normiert in Verbindung mit §
118 Abs.
3 S. 1
SGB VI - in der hier vorliegenden Konstellation, dass "anderweitige Verfügungen" erfolgt sind, ohne dass zugunsten des Geldinstituts
der Einwand des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI greift (entgegen der gesetzestypischen Konstellation der Rücküberweisung, insofern BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, [...], Rdnr. 20) - einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem das Rentenüberweisungskonto
führenden Geldinstitut auf den Wert des durch den Tod des Rentenberechtigten zu Beginn des Zahlungszeitraums rechtsgrundlos
gewordenen und damit fehlgeschlagenen überwiesenen Rentenzahlbetrags (vgl. BSG, Urteil vom 26.4.2007, B 4 R 89/06 R, [...], Rdnr. 70; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.7.2013, L 13 R 2202/12, [...], Rdnr. 35; Pflüger, in: jurisPK-
SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 20.12.2013, § 118 Rdnr. 80). Insofern ist es entgegen der Auffassung des SG unerheblich, dass das Girokonto des Rentenberechtigten zur Zeit der Geltendmachung des Rücküberweisungsbegehrens bereits
aufgelöst war und damit als "Zugriffsgegenstand" nicht mehr zur Verfügung stand. Der Erstattungsanspruch richtet sich gegen
das Geldinstitut und ist - so dessen Voraussetzungen erfüllt sind - aus dessen Vermögen zu bedienen.
II. Die im Erstattungswege zurückgeforderten Geldleistungen sind solche im Sinne von §
118 Abs.
3 S. 1
SGB VI (1.). Die Klägerin hat sie zu Unrecht erbracht (2.) und deswegen gegenüber dem Geldinstitut zurückgefordert (3.).
1. Bei den streitgegenständlichen Geldleistungen handelt es sich um die Witwenrentenauszahlungsbeträge für die Monate Oktober
2009 bis Dezember 2009. Diese Auszahlungsbeträge sind nach dem Tod der Rentenberechtigten am 18.9.2009 auf deren Konto bei
der Beklagten, einem Geldinstitut mit Sitz in Bonn, vom Rentenservice für die Klägerin jeweils in Höhe von 601,42 Euro überwiesen
worden und zwar am 30.9.2009, am 30.10.2009 und am 30.11.2009.
2. Die Witwenrentenzahlungen sind für die Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009 auch zu Unrecht erbracht worden, da der Anspruch
auf Zahlung der Rente gemäß §
102 Abs.
5 SGB VI nur bis zum Ende desjenigen Kalendermonats besteht, in welchem der Rentenberechtigte verstirbt. Vorliegend bestand der Anspruch
auf Witwenrente bis zum 30.9.2009. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin nicht aufgehobenen Rentenbewilligungsbescheid.
Dieser erledigte sich mit dem Tod des Versicherten gemäß § 39 Abs. 2 SGB X "auf andere Weise", ohne dass es einer Aufhebungsentscheidung des Rentenversicherungsträgers bedurft hätte (BSG, Urteil vom 20.12.2001, B 4 RA 53/01 R, [...], Rdnr. 26; BSG, Urteil vom 13.11.2008, B 13 R 48/07 R, [...], Rdnr. 15)
3. Mit der Aufforderung des Rentenservice, welche bei der Beklagten am 5.7.2010 einging, lag auch ein ordnungsgemäßes Rückforderungsverlangen
(im Auftrag) der Klägerin vor. Zwar entspricht die zurückgeforderte Gesamtsumme in Höhe von 2.405,68 Euro nicht dem kumulierten
Witwenrentenauszahlungsbetrag für die Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009. Allerdings bestimmt das Aufforderungsschreiben
des Rentenservice exakt den Zeitraum, auf den sich die Rückforderung erstreckt, nämlich Oktober 2009 bis Dezember 2009; zudem
führt es den monatlichen Rentenüberweisungsbetrag in Höhe von je 601,42 Euro auf. Da somit die Berechnungsgrundlagen eindeutig
in dem Rückforderungsverlangen aufgeführt sind und überdies der zutreffend zurückzufordernde Betrag (3 x 601,42 Euro = 1.804,26
Euro) als Minus in dem tatsächlich zurückgeforderten Betrag steckt, bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel an der Wirksamkeit
des Rückforderungsverlangens der Klägerin vom 5.7.2010.
III. Der Einwand des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI zugunsten des beklagten Geldinstituts steht dem nicht entgegen.
1. Zwar stellt - entsprechend der Rechtsauffassung der Beklagten - der bloße Wortlaut des §
118 Abs.
3 S. 3 erster Halbsatz
SGB VI - unabhängig von der Kenntnis des Geldinstituts vom Tod des rentenberechtigten Kontoinhabers - allein auf den Zeitpunkt des
Eingangs der Rückforderung beim Geldinstitut ab, bis zu welchem das Geldinstitut "anderweitige Verfügungen" dem Erstattungsanspruch
des Rentenversicherungsträgers entgegenhalten kann. "Anderweitige Verfügung" im Sinne dieser Vorschrift meint jedes abgeschlossene
bankübliche Zahlungsgeschäft zulasten des Kontos, durch das sich eine kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung
einer Zahlung oder Auszahlung bedient (BSG, Urteil vom 9.12.1998, B 9 V 48/97 R, [...], Rdnr. 28; siehe auch BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, [...], Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen). Kontoverfügungsberechtigte Person ist insbesondere der bevollmächtigte Vertreter
des Kontoinhabers (BSG, Urteil vom 9.12.1998, a.a.O.), wobei es auf eine materielle Berechtigung des Verfügenden nicht ankommt (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, [...], Rdnr. 16). Prima vista könnte der Auszahlungseinwand vorliegend zugunsten der Beklagten eingreifen: Das Rückforderungsbegehren
der Klägerin ging bei der Beklagten am 5.7.2010 ein; zu diesem Zeitpunkt war über die am 30.9.2009, am 30.10.2009 und am 30.11.2009
wertgestellten Hinterbliebenenzahlbeträge bereits vielfach - insbesondere durch Ausführung von Überweisungen des Sohnes M
I am 23.11.2009, welche bereits den Wert der Hinterbliebenenzahlbeträge in Höhe von insgesamt 1.804,26 Euro überstiegen, und
durch Einzugsermächtigungslastschriften verfügt worden; die "finale" Verfügung über das Girokonto der Rentenberechtigten war
am 17.12.2009 durch dessen Auflösung, spätestens am 9.2.2010 durch Überweisung des Abschlussguthabens in Höhe von 557,95 Euro
an M I erfolgt. M I war auch über den Tod der Rentenberechtigten hinaus bis zur Kontoauflösung berechtigt, über deren Girokonto
bei der Beklagten zu verfügen; dass er durch Ausschlagung der Erbschaft nicht Erbe nach der Rentenberechtigten war, ist insofern
unerheblich.
2. Indes ergibt sich aus der Systematik (a.) sowie dem Sinn und Zweck (b.) des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI, dass sich das Geldinstitut ab demjenigen Zeitpunkt nicht mehr auf den Auszahlungseinwand "anderweitiger Verfügungen" berufen
kann, ab dem es jedenfalls Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten (und Kontoinhabers) hatte. Die Verpflichtung des Geldinstituts
zur Rücküberweisung der Rentenleistung besteht demzufolge nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung
bereits "anderweitig verfügt" wurde, es sei denn, das Geldinstitut hatte bereits vor Eingang der Rückforderung Kenntnis vom
Tod des Rentenberechtigten. Dieser Auslegung steht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des §
118 Abs.
3 SGB VI nicht entgegen (c.).
a. § 118 Abs. 3 S. 3 ist im systematischen Kontext zu dem grundlegenden, in §
118 Abs.
3 S. 1
SGB VI normierten Vorbehalt der Erbringung von Rentenleistungen nach dem Tod des Rentenberechtigten zu sehen (vgl. dazu auch LSG
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.9.2013, L 4 R 496/08, [...], Rdnr. 33). Dieser Vorbehalt bewirkt die Unwirksamkeit aller zivilrechtlichen Verfügungen über das Rentenzahlkonto
des Rentenberechtigten gegenüber dem Rentenversicherungsträger, die nach dessen Tod zu Lasten der rechtsgrundlos erfolgten
Rentenleistung bis zu deren Höhe getroffen worden sind, soweit zum Zeitpunkt der Rückforderung diese nicht aus einem Guthaben
auf dem betreffenden Konto bedient werden kann (BSG, Urteil vom 26.4.2007, B 4 R 89/06 R, [...], Rdnrn. 73, 74). Diese relative Unwirksamkeit entsteht objektiv im Zeitpunkt der Wertstellung der auf den Tod des
Rentenberechtigten folgenden Rentenzahlung und zwar unabhängig davon, ob ein von ihr konkret Betroffener (wie das Geldinstitut,
der Rentenversicherungsträger, der Kontobevollmächtigte oder ein Dritter) Kenntnis davon hatte (BSG, Urteil vom 26.4.2007, B 4 R 89/06 R, [...], Rdnr. 74). Bis zum Eingang des Rücküberweisungsverlangens weiß insbesondere das Geldinstitut typischerweise weder
vom Ableben des Kontoinhabers noch von diesem Vorbehalt zugunsten des Rentenversicherungsträgers. Die in §
118 Abs.
3 S. 3 erster Halbsatz
SGB VI ausdrücklich vorgeschriebene Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen bis zu diesem Zeitpunkt kann daher nur so zu verstehen
sein, dass sie auf der bis dato unterstellten Unkenntnis des Geldinstituts vom Ableben des Kontoinhabers bzw. von diesem Vorbehalt
zugunsten des Rentenversicherungsträgers beruht (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, [...], Rdnr. 17; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.7.2013, L 13 R 2202/12, [...], Rdnr. 41; LSG Hessen, Urteil vom 19.2.2013, L 2 R 262/12, [...], Rdnr. 16).
b. Aus dem Sinn und Zweck des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI folgt weitergehend, dass es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten des Geldinstituts handelt (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.,
Rdnrn. 37, 40). Trotz der vorstehend erläuterten Unwirksamkeit aller zivilrechtlichen Verfügungen über das Rentenzahlkonto
des Rentenberechtigten gegenüber dem Rentenversicherungsträger kann das schutzwürdige - da in Unkenntnis des Vorbehalts bzw.
der diesen begründende Tatsache befindlichen - Geldinstitut anderweitige Verfügungen dem Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers
entgegen halten. Der Grund für die Berücksichtigung dieser anderweitiger Verfügungen im Sinne des §
118 Abs.
3 S. 3 erster Halbsatz
SGB V I entfällt aber jedenfalls in dem Moment, in dem die dem Geldinstitut Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten erlangt und
ab diesem Zeitpunkt in der Lage ist, den Vorbehalt zu kennen und dementsprechend zu handeln (BSG, Urteil vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, [...], Rdnrn. 16, 17; LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnrn. 50, 45; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.9.2013, L 4 R 496/08 R, [...], Rdnrn. 31, 27; LSG Hessen, a.a.O.; Pflüger, a.a.O., Rdrn. 119).
c. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte des §
118 Abs.
3 SGB VI keine dieser Auslegung entgegen stehende Gesichtspunkte. Dies hat das LSG Berlin-Brandenburg - unter eingehender Auseinandersetzung
mit einer anderen in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung (Habl, NZS 2013, 481 ff) überzeugend dargelegt (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., insbesondere Rdnr. 34); der Senat schließt sich diesen Ausführungen
an.
Vorliegend erlangte die Beklagte am 14.10.2009 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten. Am Ende dieses Tages betrug der Kontostand
noch 1.780,71 Euro, nachdem die Beklagte der - seitens des für die Altersrente der Rentenberechtigten zuständigen Rentenversicherungsträgers
begehrten - Rücküberweisung der Altersrente in Höhe von 246,18 Euro entsprochen und auch eine Einzugsermächtigungslastschrift
des Pflegeheims in Höhe von 538,98 Euro ausgeführt hatte. Letztere wird zugunsten der Beklagten noch als berücksichtigungsfähige
anderweitige Verfügung angesehen, da die Uhrzeiten der Abbuchungen am 14.10.2009 nicht festgestellt werden konnten. Dies war
aber auch nicht erforderlich, da das Guthaben auf dem Konto der Rentenberechtigten gleichwohl noch einen Betrag auswies, der
größer als der Rentenzahlbetrag für Oktober 2009 in Höhe von 601,42 Euro war. Zur Zeit der Wertstellung der Rentenzahlungen
für November 2009 und für Dezember 2009 am 30.10.2009 und am 30.11.2009 bestand die Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten
seitens der Beklagten fort; sie hätte alle Verfügungen über das Konto, insbesondere die Überweisungen seitens M I vom 23.11.2009,
nicht ohne Prüfung eines Vorbehalts der Erbringung der Rentenzahlungen ausführen dürfen.
B. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs ergibt sich - wie die Klägerin in der Klageerhebung zutreffend aufgeschlüsselt
hat - aus dem Witwenrentenauszahlungsbetrag in Höhe von 3 x 601,42 Euro = 1.804,26 Euro abzüglich der rückzurechnenden Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentenberechtigten in Höhe von insgesamt 26,28 Euro für die Monate Oktober 2009 bis
Dezember 2009 sowie abzüglich des von der Beklagten zurückerstatteten Betrages in Höhe von 2,47 Euro. Einwände hat die Beklagte
insofern weder erhoben noch sind sie dem Senat ersichtlich.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197 a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 und
2 VwGO.
D. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1, Nr.
2 SGG) liegen nicht vor. An grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Nr. 1) mangelt es, weil die sich stellende Rechtsfrage,
ob der Einwand des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI ab Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten seitens des Geldinstituts ausgeschlossen ist, nicht klärungsbedürftig ist. Sie
ist im Urteil des BSG vom 22.4.2008, B 5a/4 R 79/06 R, ([...], insbesondere Rdnr. 17) höchstrichterlich entschieden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich insofern
weder um ein obiter dictum noch um eine Beschränkung der Antwort auf Fälle fehlender materieller Verfügungsberechtigung des
"anderweitig Verfügenden". Das BSG hat die Auslegung des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI, wie sie bereits in dem genannten Urteil vom 22.4.2008 erfolgt ist, in späteren Entscheidungen mit anderen Fallkonstellationen
als denjenigen fehlender materieller Verfügungsberechtigung entsprechend entschieden: BSG, Urteil vom 3.6.2009, B 5 R 120/07 R [...] (Rdnr. 23).
Da die hier erfolgte Auslegung des §
118 Abs.
3 S. 3
SGB VI auch der Rechtsprechung des 13. Senats (Urteil vom 5.2.2009, B 13/4 R 91/06 R, [...], Rdnrn. 29 am Ende, 34, 35; BSG Urteil vom 5.9.2009, B 13 R 59/08 R, [...], Rdnrn. 29, am Ende, 34, 35; Urteil vom 5.2.2009, B 13 R 87/08 R, [...], Rdnr. 32) entspricht, ist ferner keine Divergenz im Sinne von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG zu erkennen.
E. Der Streitwert wird endgültig auf 1.755,51 Euro festgesetzt, §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz in der seit dem 1.8.2013 geltenden Fassung.