Zahlbarmachung der Renten von Ghettobeschäftigten als rassisch Verfolgte des NS-Regimes
Antrag und Anspruchsbeginn
Tatbestand
Streitig ist der Beginn einer dem Kläger zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen
in einem Ghetto (ZRBG).
Der Kläger wurde am 00.00.1924 in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Er ist jüdischen Glaubens. Er lebt in Israel und
ist israelischer Staatsbürger. Am 17.05.1989 stellte er in Israel einen Antrag auf Altersrente. Im Jahr 1996 erhielt er von
der Claims Conference eine Entschädigung in Höhe von DM 5000,- für in der NS-Zeit erlittene Verfolgungen.
Am 19.01.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten. Mit Schreiben vom
20.10.2003 gab er an, dass er im Zeitraum vom 07.04.1944 bis zum 24.05.1944 im Ghetto Munkacs in einer Ziegelfabrik gearbeitet
habe. Am 13.12.2003 nahm der Kläger seinen Antrag zurück. Er habe zwischenzeitlich eine ausführliche Beratung über das ZRBG
erhalten und habe feststellen müssen, dass das Ghetto Munkacs, in dem er interniert gewesen sei, für die Anerkennung einer
Altersrente nicht in Betracht komme.
Am 30.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten "die Überprüfung des Ablehnungsbescheides nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X)" und beantragte die Anerkennung von Beitragszeiten sowie die Rentenzahlung nach dem ZRBG. Er verwies auf die neuere Rechtsprechung
aus dem Jahr 2009. Er gab in diesem Zusammenhang an, von April 1944 bis Ende Mai 1944 im Ghetto Munkacs/ Ungarn interniert
gewesen zu sein. Mit Bescheid vom 24.05.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von EUR 274,31
monatlich für den Zeitraum ab dem 01.12.2010. Sie erkannte hierbei Beitragszeiten nach dem ZRBG vom 01.04.1944 bis zum 31.05.1944
und Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1946 und vom 01.01.1948 bis zum 31.12.1949 an. Der Kläger erhob am 01.06.2011
Widerspruch gegen diesen Bescheid. Der Rentenbeginn sei vor dem 01.12.2010 anzusetzen. Ihm stehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
zur Seite. Er habe Ende 2003 von der israelischen Nationalversicherung erfahren, dass die deutsche Rentenversicherung für
"Ungarnfälle" keine Anwendbarkeit des ZRBG sehe. Zudem hätten die Rentenversicherungsträger durch ihre restriktive Gesetzesauslegung
in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung
in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben.
Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt.
Zudem liege ein Verstoß gegen Art.3 des
Grundgesetzes (
GG) vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach §
19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB IV) würden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag erbracht. Der Rentenantrag löse gemäß §
115 Abs.1
SGB VI das Verwaltungsverfahren aus. Er bestimme in Zusammenhang mit §
99 SGB VI den Rentenbeginn. Mit §
3 ZRBG habe der Gesetzgeber keine Spezialregelung zur allgemeinen Regelung des §
99 SGB VI geschaffen. Dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter Antrag
gelte und stelle somit eine Antragsfiktion, aber keine spezielle Beginnsvorschrift dar. Der Kläger habe seinen Antrag am 30.12.2010
und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. Den im Jahr 2003 gestellten Antrag habe der Kläger zurückgenommen. § 44 SGB X könne auch in Verbindung mit einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu einem Erfolg des Widerspruchs führen.
Eine rechtswidrige Pflichtverletzung könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil das Bundessozialgericht erstmals
in seinen Urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009 die Tatbestandsmerkmale nach dem ZRBG "gegen Entgelt" und "aus eigenem Willensentschluss"
erweiternd ausgelegt habe. Zudem könne es auch nicht als Pflichtverletzung angesehen werden, dass die Beklagte zum damaligen
Zeitpunkt eine Internierung in einem ungarischen Ghetto noch nicht als anspruchsbegründend im Sinne des ZRBG gesehen habe.
Am 26.11.2012 hat der Kläger vor dem SG Düsseldorf Klage gegen den Bescheid vom 24.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 15.11.2012 erhoben. Er hat vorgetragen, dass der Rentenbeginn bereits früher anzusetzen sei. Er sei im Rahmen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er den Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt habe. Die Rentenversicherungsträger
hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten
habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand
eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung
zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt. Im vorliegenden Fall ergebe sich dies insbesondere daraus, dass er sich
in einem Ghetto in Ungarn aufgehalten habe. Bis zum Jahr 2009 habe die Beklagte ausdrücklich ausgeführt, dass das ZRBG auf
Ghettos in Ungarn keine Anwendung finde. Auch der Präsident des Sozialgerichts Düsseldorf habe geäußert, dass die meisten
Klagen hätten abgewiesen werden müssen. Aufgrund der in vielen Fällen geäußerten Rechtsauffassung seien andere Personen davon
abgehalten worden, einen Rentenantrag zu stellen. Auch er habe sich aufgrund der Chancenlosigkeit dazu entschlossen, das psychisch
und physisch belastende Rentenverfahren nicht durchzuführen. Im Hinblick auf den von ihm angenommenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
verweist der Kläger auf die Urteile des Bundessozialgerichts, 13 RJ 23/95, 13 RJ 5/95 und 12 RK 27/88.
Die Unrichtigkeit eines Bescheides sei aus heutiger Sicht und nicht aus der Sicht des Zeitpunkts der Bescheiderteilung zu
beurteilen. Der Kläger hat anonymisierte Bescheide aus Parallelverfahren aus dem Jahr 2003 beigefügt, nach denen die Gewährung
einer Rente nach dem ZRBG aufgrund einer Internierung im Ghetto Munkacs nicht in Betracht komme.
Die Beklagte hat auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Zudem hat sie ausgeführt, dass der Kläger nicht dargelegt
habe, dass er den neuen Antrag ursächlich bedingt durch eine Verletzung der Auskunfts- oder Beratungspflicht durch die Beklagte
verspätet gestellt habe. Der Verweis auf die damalige Rechtsauffassung der Beklagten könne nicht als fehlerhaft angesehen
werden. Zudem könne eine fehlerhafte Beratung der israelischen Nationalversicherung, die lediglich die Funktion einer Verbindungsstelle
habe, der Beklagten nicht zugerechnet werden.
Mit Urteil vom 14.03.2013 hat das SG Düsseldorf die Klage ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Rentenbeginn sei mit
dem 01.12.2010 zutreffend angesetzt, weil der Kläger erst am 30.12.2010 die Rente nach dem ZRBG beantragt habe. Weder aus
dem in Israel gestellten Rentenantrag vom 17.05.1989 noch aus dem Antrag des Klägers vom 10.06.2003 folge etwas anderes, denn
der Kläger habe den Antrag zurückgenommen. Gemäß dem Urteil des BSG vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - erfasse die bestandskräftige Ablehnung eines in Deutschland gestellten Rentenantrags, dem eine Rücknahme vergleichbar
sei, auch den zuvor in Israel gestellten Rentenantrag.
Dem Kläger stehe weiter kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite. Dieser setze zunächst eine dem Sozialleistungsträger
zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Aufklärung der Bevölkerung gemäß §
13 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB I) aber nicht verletzt. Insbesondere habe sie keine fehlerhafte Allgemeininformation zum ZRBG verfasst. Die Beklagte habe lediglich
in Parallelfällen das ZRBG gemäß der damaligen Rechtsprechung des BSG restriktiv ausgelegt und insbesondere ein die Versicherungspflicht dem Grunde nach auslösendes Entgelt als Voraussetzung
gesehen. Die Annahme einer Pflichtverletzung scheide im Hinblick auf den Entgeltbegriff bereits deshalb aus, weil die Beklagte
sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befunden habe. Zudem sei keine Kausalität zwischen einer unterstellten
Pflichtverletzung der Beklagten und der Rücknahme des Rentenantrags durch den Kläger zu erkennen. Andere Antragsteller hätten
sich durch die restriktive Bewilligungspraxis der Beklagten nämlich nicht davon abhalten lassen, ihren Rentenantrag weiterzuverfolgen
und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen.
Die Verletzung einer Beratungspflicht könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte die Internierung in einem Ghetto
in Ungarn zum damaligen Zeitpunkt nicht als anspruchsauslösend im Sinne des ZRBG angesehen habe. Zunächst habe die damalige
Rechtsprechung die Anwendbarkeit des ZRBG für ungarische Ghettos nämlich noch nicht bejaht. Zudem habe der Kläger im Rahmen
seiner Antragsrücknahme ausgeführt, dass er im Rahmen einer Beratung davon erfahren habe, dass das ZRBG nicht für den Aufenthalt
im Ghetto Munkacs anwendbar sei. Wie oder durch wen diese Beratung erfolgt sei, sei nicht belegt.
Am 26.03.2013 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil eingelegt. Er bezieht sich weiter auf das Institut des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch und in diesem Rahmen insbesondere auf die frühere Auffassung der Beklagten zur Anwendbarkeit des ZRBG
auf Fälle mit Bezug zu Internierungen in ungarischen Ghettos.
Der Kläger stützt sich weiter auf einen Richterbrief des Sozialgerichts Berlin im dortigen Verfahren S 31 R 4726/12. Der dortige Kammervorsitzende hat darauf verwiesen, dass die bis zum 31.12.1991 geltende
Reichsversicherungsordnung (
RVO) und das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) für Versicherte, die das 65.Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hatten, kein Antragserfordernis gesehen. Ein
bereits unter Geltung der
RVO entstandener Altersrentenanspruch erlösche nicht durch das zum 01.01.1992 eingeführte Antragserfordernis. Da sie das 65.
Lebensjahr bereits im Jahr 1985 vollendet habe, sei diese Rechtsauffassung auch auf sie anwendbar. Es sei der Zeitpunkt der
Entstehung des Stammrechts und nicht der Zahlungsbeginn maßgeblich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.03.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.05.2011
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2012 zu verurteilen, ihm Regelaltersrente bereits ab dem 01.07.1997 zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im vorliegenden Fall sei kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch anzunehmen. Die vom Kläger zitierten Urteile des BSG seien nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen.
Das Urteil vom 24.10.1985 - 12 RK 48/84 - habe sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Ausschlussfrist unter bestimmten Voraussetzungen neu eröffnet werden müsse.
In dem Urteil werde ausdrücklich aufgeführt, das in einem derartigen Fall der Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs nicht zulässig sei.
Das Urteil des BSG vom 21.06.1990 - 12 RK 27/88 - sei bereits deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte im vorliegenden Fall (dort abweichend: Herausgabe eines Merkblatts)
keine Allgemeininformation erteilt habe. Das BSG habe auch angemerkt, dass die Versäumung einer Frist nicht mit einer fehlerhaften Beratung oder Auskunft begründet werden
könne, wenn sich der Antragsteller erst nach dem Ablauf dieser Frist an die Behörde gewandt habe. Da das ZRBG rückwirkend
zum 01.07.1997 in Kraft getreten sei, könnten Renten nach diesem Buch auch frühestens am 01.07.1997 beginnen und seien damit
am
SGB VI zu messen. Ghettobeitragszeiten nach dem ZRBG seien nämlich Zeiten eigener Art gemäß §
55 Abs.1 S.2
SGB VI, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Ein Rentenstammrecht aus Ghettobeitragszeiten könne
damit erst mit dessen Inkrafttreten entstanden sein. Aus der Entscheidung des BSG vom 19.05.2009 ergebe sich lediglich, dass für die Erfüllung der Voraussetzung "Versicherter" Ghettobeitragszeiten nach dem
ZRBG so behandeln zu seien, als ob sie nicht erst mit dem Inkrafttreten des ZRBG, sondern bereits in der Zeit entstanden seien,
in der sie zurückgelegt worden seien. Vor dem 01.01.1992 sei aber kein eigentumsrechtlich geschütztes Vollrecht auf Altersruhegeld
entstanden, weil die Ghettobeitragszeiten tatsächlich erst mit dem Inkrafttreten des ZRBG am 01.07.1997 entstanden seien.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte
und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten
vom 24.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2012 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen
Rechten verletzt, §
54 Absatz
2 SGG. Denn die Beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der Regelaltersrente vor dem 01.12.2010
und damit auch nicht für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2010 hat.
Gemäß §
99 SGB VI hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung seiner Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2010, weil er dem Antragserfordernis
des §
115 Absatz
1 Satz 1
SGB VI unterlag und als wirksamer Antrag allein sein Antrag vom 30.12.2010 in Betracht kommt (dazu I.). Ein früherer Rentenbeginn
kann weder aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist entsprechend der Rechtsprechung des BSG zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen (dazu II.) noch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (dazu
III.) noch unter Berücksichtigung des sogenannten Wiedergutmachungsgedankens (dazu IV.) angenommen werden.
I.
Gemäß §
99 SGB VI hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung seiner Regelaltersrente erst für die Zeit ab dem 01.12.2010. Die Anspruchsvoraussetzungen
für eine Regelaltersrente der Klägerin nach §
35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG waren für ihn zwar mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG vom 20.06.2002 (Artikel 1 des
Gesetzes vom 20.06.2002, veröffentlicht am 27.06.2002, BGBl I, 2074) zum 01.07.1997 (Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 20.06.2002)
erfüllt, weil er bereits im August 1989 sein 65. Lebensjahr vollendet hatte, Zeiten nach dem ZRBG vom 01.04.1944 bis zum 31.05.1944
vorliegen und er hierdurch auch die allgemeine Wartezeit erfüllt.
Weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente an den Kläger war aufgrund der Vorschriften des §
115 Absatz
1 Satz 1
SGB VI aber ein wirksamer Rentenantrag.
Danach werden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Erst der Rentenantrag
löst regelmäßig das Verwaltungsverfahren aus. Der Rentenantrag ist dabei auch für den Rentenbeginn nach §
99 SGB VI maßgeblich. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen
für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem
die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§
99 Absatz
1 Satz 1
SGB VI). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente
beantragt wird, §
99 Absatz
1 Satz 2
SGB VI.
§
99 Absatz
1 Satz 2
SGB VI gestaltet einen materiell- rechtlichen, die fälligen und ab dem 01.01.1992 entstandenen Einzelansprüche aus einem Recht auf
Regelaltersrente vernichtenden Einwand aus. Dieser greift dann Platz, wenn der Antrag mehr als drei Kalendermonate nach Ablauf
des Monats gestellt wird, in dem das Recht auf Rente entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5 (Rdnr. 17)). Nachdem der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente nach §
35 SGB VI und nach Maßgabe des ZRBG mit (dem rückwirkenden) Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 erfüllt hatte, war der dritte Kalendermonat
nach Ablauf dieses Monats der Oktober 1997. Da aber nach §
99 Absatz
1 Satz 2
SGB VI bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung erst vom Antragsmonat an geleistet wird, war Rente ab dem
01.12.2010 zu leisten. In diesem Zusammenhang kommt als maßgeblicher Antrag auch allein der Antrag des Klägers vom 30.12.2010
in Betracht.
Der Kläger kann sich weder auf seinen Antrag vom 19.01.2003 noch auf den im Jahr 1989 in Israel gestellten Altersrentenantrag
berufen.
Zunächst kann er sich nicht auf seinen Antrag vom 19.01.2003 berufen, weil er diesen am 13.12.2003 zurückgenommen hat. Die
Erklärung "Deshalb möchte ich meinen Antrag zurückziehen und bitte Sie, den Vorgang zu schließen" ist eindeutig.
Auf einen israelischen Rentenantrag kann der Kläger ebenfalls nicht Bezug nehmen. Zwar hat das Bundessozialgericht mit Urteil
vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10R - [...] - (die Entscheidung des Senats vom 12.02.2010, L 14 R 3/08 - [...] - bestätigend) entschieden, dass ein in Israel gestellter Antrag auf Altersrente gemäß Art.27 Abs.2 S.1 des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit ( Israel SozSich) auch für die deutsche
Altersrente zu berücksichtigen ist. Der israelische Antrag gilt -sowohl formell als auch materiell- zugleich als Antrag auf
"entsprechende Leistung"nach deutschem Recht (BSG, Urteil vom 19.04.2011 - B 13 R 20/10 R - [...] (Rdnr.19)).
Die Rücknahmeerklärung des Klägers vom 13.12.2003 erfasst jedoch auch den israelischen Rentenantrag, soweit dieser sich auf
die Gewährung einer deutschen Altersrente bezog, weil insoweit ein identischer Streitgegenstand vorliegt.
Das BSG hat in dem Urteil B 13 R 20/10 R - [...] - (Rdnr.19) ausgeführt, dass Art. 27 Abs.2 S.2 Abk Israel SozSich eine Antragsfiktion bewirkt, die keine ausdrückliche
Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten, keine Übermittlung des israelischen Antrags an den Versicherungsträger und keine
tatsächliche Kenntnis des deutschen Rentenversicherungsträgers voraussetzt. Der Antragsteller soll damit von der Mühe einer
doppelten Antragstellung entbunden werden. Die Antragsgleichstellung bewirkt die "automatische" Erstreckung eines Antrags
auf Leistung in einem Vertragsstaat auf die entsprechende Leistung in dem anderen Vertragsstaat (BSG, wie vor - [...] - (Rdnr.23)). Aufgrund der automatischen Funktion als deutscher Rentenantrag war der Gegenstand des israelischen
Antrags mit dem Gegenstand des Antrags des Klägers vom 19.01.2003 identisch, soweit ersterer sich auf die eine mögliche Altersrente
bezog. Die Aufspaltung dieses Streitgegenstands ist unter Berücksichtigung der Ausführungen im Urteil des BSG - B 13 R 20/10 R - und insbesondere des Urteils vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R - [...] - nicht möglich.
Das BSG hat sich in dem Urteil B 13 R 40/11 R unter anderem mit der Frage befasst, wie sich die bestandskräftige Entscheidung über einen deutschen Altersrentenantrag
auf einen bereits zuvor gestellten israelischen Antrag auswirkt. Hierzu führt es aus (Rdnr.34 ([...])): "Ob die Klägerin vor
dem 30.6.2003 weitere Rentenanträge zB bei einem israelischen Versicherungsträger (mit Wirkung für die deutsche gesetzliche
Rentenversicherung: s hierzu Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6480 Art 27 Nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt
bleiben. Denn solche Anträge hätten sich auch dann mit Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie
der Beklagten nicht bekannt waren. Denn dieser Bescheid ist mit Eintritt seiner Bestandskraft nach §
77 SGG "in der Sache" bindend geworden (vgl zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte bereits BSG vom 21.9.1962 - BSGE 18, 22, 26 = SozR Nr 35 zu §
77 SGG). Nach der Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 SGB X ist daher auch insoweit die rückwirkende Rentenzahlung durch § 44 Abs 4 SGB X beschränkt."
Dieser Rechtsauffassung schließt der erkennende Senat sich vollumfänglich an.
Diese Doppelwirkung in der "Sache" muss nach dem Vorstehenden auch hinsichtlich der Wirkung der Rücknahme der Klägerin für
den israelischen Rentenantrag gelten. Sofern man die Möglichkeit der Aufspaltung der "einheitlichen" Sache im Rahmen einer
sie erfassenden Entscheidung verneint, kann diese Möglichkeit auch bei einer auf "die Sache" bezogenen Rücknahme nicht angenommen
werden.
Der aus §
99 SGB VI resultierende Rentenbeginn am 01.12.2010 erfährt durch §
3 Absatz 1 Satz 1 ZRBG keine Änderung. Nach dieser Vorschrift gilt ein bis zum 30.06.2003 gestellter Antrag auf Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung als am 18.06.1997 gestellt. Wurde der Antrag bis zum 30.06.2003 gestellt, wird durch § 3 Absatz
1 Satz 2 ZRBG das Antragsdatum fiktiv auf den 18.06.1997 festgesetzt. Damit wurden jene Berechtigten, die durch die Verkündung
des ZRBG am 27.06.2002 davon Kenntnis erlangten und sich aufgrund dieses Gesetzes binnen gut einen Jahres nach seiner Verkündung
zu einem Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung veranlasst sahen, so behandelt, als hätten sie den Antrag
bereits am Tage des BSG-Urteils (vom 18.06.1997, 5 RJ 66/95, BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 94, 294 (Rdnr. 29)). Dass bereits 65-jährige Berechtigte mit erfüllter Wartezeit aufgrund des rückwirkenden Inkrafttretens des ZRBG
vom 20.06.2002 zum 01.07.1997 trotz erst am 27.06.2002 erfolgter Verkündung des ZRBG und damit erstmalig gegebener Möglichkeit
zur Kenntnisnahme dieses Gesetzes einen Antrag bis spätestens Oktober 1997 hätten stellen müssen, um die zwingende Folge eines
Anspruchsverlusts nach §
99 Absatz
1 Sätze 1 und 2
SGB VI zu vermeiden, wurde durch §
3 Absatz
1 Satz 1 ZRBG modifiziert. Die Vorschrift regelt nämlich nicht selbst unmittelbar den Rentenbeginn, sondern fingiert lediglich
den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 07.02.2012, B 13 R 40/11 R, BSGE 110, 97 (Rdnr. 22 m.w.N.)).
Die amtliche Überschrift des § 3 Absatz 1 ZRBG ("Besonderheiten beim Rentenbeginn") verdeutlicht dabei, dass die Regelung
nicht selbst den Rentenbeginn für "Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" festlegt, sondern lediglich Besonderheiten
hinsichtlich eines einzelnen für den Rentenbeginn nach §
99 SGB VI bedeutsamen Umstandes - des Zeitpunktes der Antragstellung - normiert. Dies geht auch aus der Regelung des § 1 Absatz 2 ZRBG
hervor, wonach dieses Gesetz "die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen
Unrechts in der Sozialversicherung" (WGSVG) ergänzt. Nach § 7 WGSVG ergänzen jedoch wiederum diese Vorschriften "zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch".
Dem aus §
99 SGB VI resultierenden Rentenbeginn am 01.12.2010 steht nicht entgegen, dass der Kläger möglicherweise von der Frist des §
99 Absatz
1 Satz 1
SGB VI und vom rückwirkenden Inkrafttreten des am 27.06.2002 veröffentlichten ZRBG zum 01.07.1997 keine Kenntnis hatte. Eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gemäß § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB X kann ihm nicht zugebilligt werden. Zwar ist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen
Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG, Urteile vom 25.10.1988, 12 RK 22/87, BSGE 64, 153 ff.; vom 21.05.1996, 12 RK 43/95, SozR 3 5070 § 21 Nr. 3; vom 22.10.1996, 13 RJ 23/95, BSGE 79, 168 ff.). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des §
99 Absatz
1 Satz 1
SGB VI, der eine Wiedereinsetzung nicht ausdrücklich vorsieht, im Wege der Auslegung zulässig wäre, kann indes offenbleiben (so
auch BSG, Urteil vom 22.10.1996, a.a.O.). Denn gemäß § 27 Absatz 3 SGB X kann nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist (hier Oktober 1997) die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt
werden oder die versäumte Handlung - hier Antrag auf Regelaltersrente - nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor
Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dafür, dass der Kläger bis zum Ablauf des Oktober 1998 durch
höhere Gewalt an der rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sein soll, ist nichts ersichtlich. Wegen Nichteinhaltung
der Jahresfrist konnte ein allenfalls erstmalig für den 01.12.2010 anzunehmender Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu einer
solchen führen. Hinzu kommt, dass der Kläger auch bei bestehender Unkenntnis der Fristenregelung des §
99 Absatz
1 Satz 1
SGB VI nicht im Sinne des § 27 Absatz 1 SGB X ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten, weil sich dies aus dem Grundsatz der formellen Publizität bei
der Verkündung von Gesetzen ergibt. Danach gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als
bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erhalten haben (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90 ff.); dieser Grundsatz ist auch für die Beantwortung der Frage bedeutsam, welche Gründe eine etwa zulässige Wiedereinsetzung
rechtfertigen können und ob dazu auch die Unkenntnis von dem Recht und der Befristung seiner Ausübung geeignet ist (BSG, Urteil vom 09.02.1993, 12 RK 28/92, BSGE 72, 80 ff.). Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung
nicht rechtfertigen (BSG, Urteile vom 21.05.1996 und 22.10.1996, a.a.O.).
Da eine etwaige Rechtsunkenntnis des Klägers über die Frist des §
99 SGB VI eine Wiedereinsetzung nicht begründen kann, scheidet auch eine Nachsichtgewährung aus, falls für sie bei einer grundsätzlichen
Anwendung der Wiedereinsetzung auch auf Fristen des materiellen Sozialrechts überhaupt noch Raum sein sollte (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 7/82, SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 55).
Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2010 ist dem Kläger auch nicht aufgrund einer Entstehung des Stammrechts auf Altersruhegeld
bereits vor 1992 einzuräumen. In einem solchen Fall wäre noch eine Geltung der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) beziehungsweise des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anzunehmen. In einem solchen Fall unterläge der Kläger nicht dem Antragseinwand des §
99 Absatz
1 SGB VI. Eine entsprechende Entstehung des Stammrechts ist aber nicht anzunehmen.
Zwar ist der Kläger am 00.00.1924 geboren und hat demnach am 00.00.1989 das 65. Lebensjahr vollendet. Zu diesem Zeitpunkt
galten noch die erst ab dem 01.01.1992 durch das
SGB VI abgelösten Vorschriften der
RVO beziehungsweise des AVG, die eine Antragstellung als Leistungsvoraussetzung für ein Altersruhegeld nur bei einem vorzeitigen Altersruhegeld (§§ 1248 Absätze 1 bis 3 und 1290 Absatz 1 Satz 2
RVO; §§ 25 Absätze 1 bis 3 und 67 Absatz 1 Satz 2 AVG), ansonsten beim Altersruhegeld aber nicht vorsahen (§ 1248 Absatz 5
RVO, § 25 Absatz 5 AVG). Auch erwarben hiernach Versicherte mit Vollendung des 65. Lebensjahres kraft Gesetzes ein eigentumsrechtlich geschütztes
Vollrecht auf Regelaltersrente, wobei der Antragseinwand des §
99 SGB VI nicht gilt, wenn das Recht auf Regelaltersrente bereits vor dem 01.01.1992 entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000, B 4 RA 54/99 R, SozR 3 2600 § 99 Nr. 5). Ein bereits unter der Geltung der
RVO beziehungsweise des AVG entstandener Anspruch auf Altersruhegeld entfällt schließlich auch nicht nachträglich auf Grund des mit dem
SGB VI ab dem 01.01.1992 eingeführten Antragserfordernisses (BSG, Urteil vom 08.1.2005, B 13 RJ 41/04 R, BSGE 95, 300).
Vorliegend ist aber ein Stammrecht des Klägers auf - antragsfreies - Altersruhegeld nicht bereits unter Geltung der
RVO beziehungsweise des AVG spätestens bis zum 31.12.1991 entstanden, so dass ein solches auch nicht mit dem Inkrafttreten des ZRBG zum 01.07.1997 zahlbar
gemacht werden kann; vielmehr richtet sich sein Anspruch auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nach den Vorschriften
des
SGB VI und des ZRBG und unterliegt daher auch dem Antragseinwand des §
99 SGB VI. Zum Zeitpunkt der Vollendung seines 65. Lebensjahres am 00.00.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 erfüllte
der Kläger nicht die allgemeine Wartezeit (Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten). Dies ist aber Voraussetzung für einen
Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5
RVO, 25 Absatz 5 AVG ist.
Gemäß § 1249 Satz 1
RVO wurden auf die Wartezeit für das Altersruhegeld die ab dem 01.01.1924 zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet. Anrechnungsfähig
waren dabei gemäß § 1250 Absatz 1
RVO Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam
entrichtet ware oder als entrichtet galten (Beitragszeiten), Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251
RVO (Ersatzzeiten) und Zeiten der Kindererziehung vor dem 01.01.1986 nach § 1251a
RVO, wobei gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1
RVO die in § 1251 Absatz 1
RVO aufgeführten Zeiten als Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeiten angerechnet wurden, wenn eine Versicherung vorher
bestanden hatte und während der Ersatzzeit Versicherungspflicht nicht bestanden hatte; insofern musste zumindest ein Beitragsmonat
vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Entsprechende Regelungen sah auch das AVG vor.
Im Zeitpunkt der Vollendung seines 65. Lebensjahres am 00.00.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 hatte der
Kläger solche auf die allgemeine Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht zurückgelegt.
Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen im Rentenbescheid der Beklagten sind dem Kläger Beitragszeiten nach dem ZRBG
vom 01.04.1944 bis zum 31.05.1944 sowie Ersatzzeiten vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1946 und vom 01.01.1948 bis zum 31.12.1949
anzurechnen. Bei diesen Zeiten handelt es sich nicht um auf die allgemeine Wartezeit nach §§ 1250, 1251, 1251 a
RVO beziehungsweise den entsprechenden Regelungen des AVG anrechnungsfähige Zeiten zur deutschen Rentenversicherung.
Zwar konnten Beschäftigungszeiten in einem Ghetto bereits vor dem rückwirkenden Inkrafttreten des ZRBG zum 01.01.1997 Beitragszeiten
sein. Das traf insbesondere für das Ghetto Lodz zu, weil dort ab Inkrafttreten der Ostgebiete-Verordnung vom 22.12.1941 zum
01.01.1942 das Recht der
RVO galt. Solche Zeiten hat der Kläger aufgrund seines individuellen Verfolgungsschicksals jedoch nicht zurückgelegt. Vielmehr
weist er Beschäftigungszeiten im Ghetto Munkacs im damaligen Ungarn und damit in einem Gebiet vor, in dem die
RVO nicht galt. Zwar ist die Berücksichtigung einer ausgeübten Beschäftigung in einem Gebiet, in dem während des zweiten Weltkrieges
die
RVO nicht galt, als gleichgestellte Beitrags-/Beschäftigungszeit nach §§ 15, 16 FRG möglich, wodurch zugleich eine Anrechnung von Ersatzzeiten möglich würde. Die Berücksichtigung der vom Kläger im Ghetto Munkacs
ausgeübten Beschäftigung nach §§ 15, 16 FRG kommt aber nicht in Betracht. Hierfür wäre nämlich die Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis erforderlich.
Hierfür bestehen aber keine Anhaltspunkte. § 15 FRG sieht vor, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind,
den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen; nach Maßgabe des § 16 FRG gilt Entsprechendes für Beschäftigungszeiten in Vertreibungsgebieten. Da der Kläger, soweit ersichtlich, nicht zu dem gemäß
§§ 1, 17 a FRG begünstigten Personenkreis gehört (insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er Vertriebene im Sinne von §
1 des Bundesvertriebenengesetzes ist), könnte ihm insoweit noch die Regelung des § 20 WGSVG zugutekommen, nach der bei Anwendung des FRG den anerkannten Vertriebenen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vertriebene Verfolgte gleichstehen, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt sind oder anerkannt werden können,
weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt haben. Da § 20 Absatz 1 Satz 2 WGSVG auf § 19 Absatz 2 Buchstabe a Halbsatz 2 WGSVG verweist, genügt es, soweit es auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, dass Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des
Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach und Kulturkreis angehört haben. Eine solche Zugehörigkeit des Klägers ist- wie vorab
dargestellt- im Fall des Klägers aber nicht erkennbar.
Die aufgrund der Beitragsfiktion des § 2 Absatz 1 ZRBG anerkannten Beitragszeiten des Klägers vom 01.04.1944 bis zum 31.05.1944
können nicht für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5
RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderlichen allgemeinen Wartezeit herangezogen werden. Diese sind nämlich erst mit Inkrafttreten des ZRBG rückwirkend
zum 01.07.1997 entstanden und bestanden damit nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers
am 00.00.1989 beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991. Nach § 2 Absatz 1 ZRBG gelten für die Zeiten der Beschäftigung
von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt, und zwar für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen
für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine
Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten). Dabei ist die rechtliche Wirkung von fiktiven Beiträgen nach dem ZRBG
dieselbe wie die der tatsächlich zur deutschen Rentenversicherung entrichteten und damit vergleichbar mit den im Rahmen des
FRG gleichgestellten Beiträgen (BSG, Urteil vom 19.05.2009, B 5 R 14/08 R, BSGE 103, 161). Bei den Personen, die wie der Kläger aufgrund gesetzlicher Fiktion in die Geltung der Reichsversicherungsgesetze einbezogen
worden sind, handelt es sich um "tatsächlich" (wenn auch nachträglich) Versicherte im Sinne der Rentenversicherung. Sie sind
in Bezug auf die nach dem ZRBG anerkannten Beitragszeiten nicht anders als diejenigen zu behandeln, für deren Beschäftigung
die Reichsversicherungsgesetze galten, während sie sich innerhalb von deren territorialem Geltungsbereich aufgehalten haben
(BSG, Urteil vom 19.05.2009, a.a.O.). Trotz der durch die Beitragsfiktion nach § 2 Absatz 1 ZRBG entstandenen nachträglichen Versicherteneigenschaft
reicht die Fiktion dieser Vorschrift nicht so weit, dass hierdurch die fiktive Beitragszeit bereits mit Vollendung des 65.
Lebensjahres im Jahr 1987 als zurückgelegt und damit die allgemeine Wartezeit zusammen mit den Verfolgungsersatzzeiten zu
diesem Zeitpunkt als erfüllt gilt. Hiergegen spricht die Systematik der eine Fiktionswirkung entfaltenden Regelungen in §§
2 und 3 ZRBG, der Wortlaut der Vorschrift des § 3 Absatz 2 ZRBG sowie die Gesetzesbegründung und der darin zum Ausdruck kommende
mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Der Senat verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe der beiden Urteile des Sozialgerichts
Lübeck vom 23.04.2013 (S 6 R 353/11- [...] - (Rdnr.26 bis 37)) und vom 24.04.2013 (S 45 R 675/11- [...] - (Rdnr.26 bis 29) dazu anhängig B 13 R 10/13 R), denen er sich vollinhaltlich anschließt.
Allein durch die von der Beklagten festgestellten Ersatzzeiten des Klägers vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1946 und vom 01.01.1948
bis zum 31.12.1949 konnte der Kläger auch nicht bereits zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 00.00.1989
beziehungsweise spätestens bis zum 31.12.1991 die für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Altersruhegeld nach §§ 1248 Absatz 5
RVO, 25 Absatz 5 AVG erforderliche allgemeine Wartezeit erfüllen. Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251
RVO (Ersatzzeiten) konnten gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1
RVO für die Erfüllung der Wartezeiten nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hatte und während der Ersatzzeit
Versicherungspflicht nicht bestanden hatte. Insofern musste zumindest ein Beitragsmonat vorhanden sein, um mit Ersatzzeiten
die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Da, wie aufgezeigt, Beitragszeiten des Klägers zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 65.
Lebensjahres am 00.00.1989 bzw. spätestens bis zum 31.12.1991 nicht bestanden, können auch die festgestellten Ersatzzeiten
vom 31.03.1944 bis zum 31.12.1946 und vom 01.01.1948 bis zum 31.12.1949 gemäß § 1251 Absatz 2 Satz 1
RVO nicht zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit hinzugerechnet werden.
II.
Ein früherer Rentenbeginn als zum 01.12.2010 kann dem Kläger auch nicht aufgrund einer Verlängerung der Rentenantragsfrist
entsprechend der von ihrem Bevollmächtigten angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen
(Urteile vom 01.12.1978, 12 RAr 56/77, SozR 4100 § 141 e Nr. 4; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13; vom 26.06.1985, 12 RK 23/84 in [...]; vom 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R, BSGE 4 2600 § 306 Nr. 1) eingeräumt werden.
Etwaige Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist auf den vorliegenden Fall schon dadurch nicht übertragbar,
dass die Antragstellung nach dem ZRBG nicht an eine Frist gebunden ist. Die in § 3 des ZRBG genannte Frist bis zum 30.06.2003
führt lediglich zu einer Fiktivverlegung des Rentenantrags auf den 18.06.1997 (= Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto). Jedoch war und ist auch nach Juni
2003 jederzeit die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Rentenanspruchs auf der Grundlage des ZRBG gegeben.
Auch im Übrigen sind die diesbezüglich vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall
nicht übertragbar. Die Entscheidung des 12. Senats des BSG vom 12.10.1979 hatte keine Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist zum Inhalt. Vielmehr erweiterte
der 12. Senat des BSG den unter § 10 a WGSVG fallenden Personenkreis auch auf solche Personen, die nach Kriegsende nicht in den Geltungsbereich des WGSVG zurückgekehrt waren, so dass auch diese die durch § 10 a WGSVG geregelte Möglichkeit zur Beitragsentrichtung längstens für die Zeit bis zum 31.12.1955 nutzen konnten. Ebensowenig befasst
sich die Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 03.05.2005 mit der Verlängerung einer Antragsfrist oder einer Nachentrichtungsfrist Vielmehr hat der 13. Senat des BSG dort eine Rechtsfortbildung zur Schließung einer gesetzgeberischen Lücke im ZRBG dahingehend vorgenommen, dass die Vorschrift
des §
306 Absatz
1 SGB VI für Bestandsrentner, die bereits vor dem 18.06.1997 (= Tag des BSG-Urteils B 5 RJ 66/95 (BSGE 80, 250) über die rentenversicherungsrechtliche Behandlung von Beschäftigungen in einem Ghetto) eine Altersrente bezogen haben, und
die vor dem 30.06.2003 einen Antrag auf Zahlung der Rente unter Bezugnahme auf das ZRBG gestellt hatten, nicht nachteilig
anzuwenden ist, und zwar aus Gründen der Gleichbehandlung. Aus dem Leitsatz des Urteils des 12. Senats vom 24.10.1985 ergibt
sich wiederum der Grund, warum hier eine ursprünglich (am 31.12.1975) bereits abgelaufene Ausschlussfrist (zur Nachentrichtung
von Beiträgen nach § 10 a Absatz 2 WGSVG) neu zu eröffnen war (was dann unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom 24.10.1985 erfolgte mit einer Neueröffnung bis zum
31.12.1986); Grund war nämlich, dass durch eine zuvor erfolgte Rechtsprechung des BSG (vom 17.03.1981 bzw. 24.06.1981) eine Gesetzeslücke in der Form geschlossen wurde, als dass für einen weiteren Personenkreis
das Nachentrichtungsrecht erstmals ermöglicht wurde. Der Entscheidung des 12. Senats vom 01.12.1978 lag zugrunde, dass das
BSG die Frist des § 141 e Absatz 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz für einen Antrag auf Konkursausfallgeld neu eröffnet hat, weil es insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit (Lücke) im
Einführungsgesetz zum Einkommenssteuergesetz von 1974 erkannt hat. In der Entscheidung vom 26.06.1985 wiederum sah sich der
12. Senat des BSG infolge seiner Rechtsprechung vom 27.03.1980, dass in Ausfüllung einer Gesetzeslücke Artikel 2 § 5 b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes auf Vorstandsmitglieder von großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit analog anzuwenden sei, veranlasst, die in dieser
Norm enthaltende Befristung (31.12.1979) auf einen angemessenen Zeitpunkt nach dem Bekanntwerden seines Urteils vom 27.03.1980
zu verschieben. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von den vorgenannten Konstellationen aber dadurch, dass die
Rechtsprechung des BSG zum ZRBG vom 02. und 03. Juni 2009 sich lediglich mit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und damit mit der reinen
Auslegung eines Gesetzes befasst hat. Es hat aber nicht Gesetzeslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen.
Darüber hinaus führt der - verspätete - Antrag des Klägers nicht dazu, dass er von einem Rentenanspruch nach dem ZRBG vollständig
(und auf Dauer) ausgeschlossen wird. Die Verspätung hat lediglich die Folge einer nur eingeschränkten Rückwirkung. Dass im
Übrigen der 13. Senat im Urteil vom 03.05.2005 aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Artikel
3 GG zur Anwendbarkeit des ZRBG auch für Bestandsrentner gelangte (§
306 SGB VI), vorliegend aber schon kein Verstoß gegen Artikel
3 GG erkennbar ist, obwohl der Kläger unter Anwendung des §
99 SGB VI erst ab dem Monat ihrer Antragstellung eine Regelaltersrente erhält, hat bereits das Sozialgericht im angefochtenen Urteil
zutreffend dargelegt. Die von ihr angenommene Ungleichbehandlung zu anderen Verfolgten mit früherem Rentenbeginn ist durch
den Umstand gerechtfertigt, dass letztere auch zu einem früheren Zeitpunkt Rente beantragt haben. Dies hätte der Kläger im
Gegensatz zu den Klägern der vom BSG zu §
306 SGB VI entschiedenen Fälle auch selbst in der Hand gehabt.
III.)
Der Kläger kann auch nicht verlangen, aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als hätte
er den Antrag auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung spätestens bis zum 30.06.2003 gestellt, um wie begehrt
entsprechend § 3 ZRBG bereits ab dem 01.07.1997 in den Genuss einer Rente zu gelangen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch,
dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 01.01.2006 führen könnte (dazu 1.), steht dem Kläger nicht zu. Eine
Pflichtverletzung der Beklagten, die diesbezügliche Voraussetzung wäre, ist nämlich nicht festzustellen. Die von seinem Bevollmächtigten
angesprochenen Urteile des Bundessozialgerichts erfassen die hier vorliegende Konstellation nicht (dazu 2.).
1.
Bei der hier vorliegenden Erstfeststellung einer Rente könnte einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers selbst
für den Fall seines Vorliegens in entsprechender Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung nicht bis zum 01.07.1997, sondern nur bis zum 01.01.2006 zukommen. Die in § 44 Absatz 4 SGB X für eine rückwirkende Erbringung von Maßgeblich ist hier der (erstmalige/ allein zu berücksichtigende) Antrag der Klägerin
auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Monat Dezember 2010. festgesetzte zeitliche Grenze von vier Jahren
ist nämlich entsprechend anzuwenden, auch wenn die rückwirkende Gewährung vorenthaltener Leistungen auf einer Erstfeststellung
im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beruht (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 - [...] -; dazu anhängig B 13 R 23/13 R).
2.
Dem Kläger steht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch mit der Folge eines frühest- möglichen Rentenbeginns ab dem 01.01.2006
nicht zu (dazu a.), auch nicht unter Berücksichtigung des Vortrags seines Bevollmächtigten (dazu b.).
a.)
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung
des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger entweder seine Verpflichtung nach §
13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte durch unrichtige oder missverständliche Allgemeininformationen (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15) oder die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten
gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung, zur Auskunft und zu Hinweisen nach §§
14 und
15 sowie 115 Absatz
6 SGB VI, nicht verletzt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3-1200 § 14 Nr 12 m.w.N. und vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3-3200 § 86a Nr 2). Voraussetzung ist weiter, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber
dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung
zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt hat und dass die verletzte Pflicht
darauf gerichtet war, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang). Schließlich
muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden
können, d.h. die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen.
Die Beklagte hat weder im Rahmen ihrer Verpflichtung nach §
13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über deren sozialen Rechte diese unrichtig oder missverständlich informiert (dazu aa.) noch
hat sie ihr aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Kläger obliegende und dieser ein
entsprechendes subjektives Recht einräumende Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§
14 und
15 SGB VI (dazu bb.) bzw. zum Hinweis nach §
115 Absatz
6 SGB VI (dazu cc.), verletzt.
aa.)
Auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht nach §
13 SGB I kann der Kläger seinen Herstellungsanspruch nicht stützen. Nach §
13 SGB I sind die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen im SGB genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet,
im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Unter "Aufklärung"
ist dabei die allgemeine und abstrakte Unterrichtung der Bevölkerung, insbesondere aller von den sozialen Rechten und Pflichten
möglicherweise Betroffenen, die im Einzelnen in der Regel nicht bekannt sind, zu verstehen (vgl. Hauck/Haines,
SGB I, K § 13 Rdn. 5). Diese Aufklärungspflicht begründet nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Aus ihrer Verletzung erwächst dem Betroffenen
daher grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn ein Versicherungsträger eine unrichtige oder missverständliche Allgemeininformation,
z.B. in Merkblättern oder Broschüren, verbreitet hat und ein Versicherter dadurch etwa von der rechtzeitigen Ausübung eines
Gestaltungsrechts abgehalten worden ist (BSG, Urteile vom 16.12.1993, 13 RJ 19/92, SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 und vom 23.05.1996, 13 RJ 17/95, SozR 3 5750 Art. 2 § 6 Nr. 15). Dabei kann auch eine unrichtige Information durch ausländische Stellen dem deutschen Rentenversicherungsträger,
zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, zuzurechnen sein, wenn dieser die ausländischen Verbindungsstellen seinerseits
unzutreffend, etwa über bestehende Antragsfristen, informiert hat (BSG, Urteil vom 23.05.1996, a.a.O.). Dass die Beklagte vorliegend eine solche unrichtige oder missverständliche (Allgemein-)
Information der Bevölkerung in Israel im Hinblick auf das ZRBG, auf etwaige Antragsfristen oder zu den Ghettos in Ungarn erteilt
oder den israelischen Versicherungsträger entsprechend unrichtig informiert hätte, wäre allerdings vom Kläger darzulegen und
nachzuweisen.
Der Kläger hat im Rahmen der Rücknahme des ursprünglichen Antrags lediglich angegeben, dass er "ausführlich beraten" worden
sei, dass eine Internierung im Ghetto Munkacs nicht anspruchsbegründend im Sinne des ZRBG sei. Der Vortrag, dass diese Beratung
durch die israelische Rentenversicherung erfolgt sei, ist erst im Rahmen des Neuantrags durch den Klägerbevollmächtigten erfolgt.
Auch wenn man den Vortrag des Klägerbevollmächtigten als zutreffend unterstellt, ist aber jedenfalls nicht erkennbar, dass
die Beklagte oder die israelische Rentenversicherung vor dem Jahr 2009 eine Allgemeininformation im Hinblick auf den Anwendungsbereich
des ZRBG - insbesondere im Hinblick auf den anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Charakter einer Internierung
in bestimmten Ghettos - herausgegeben haben. Darüber hinaus ist die vom Bevollmächtigten des Klägers angeführte Rechtsauffassung
der Beklagten im Rahmen der Begründung von Bescheiden mit Parallelproblematiken auch nicht "unrichtig", weil sie in Übereinstimmung
mit der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stand.
Die spezifische Fragestellung, ob eine im Ghetto Munkacs verrichtete Arbeit unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis und
Rechtsprechung im Jahr 2003 dem Grunde nach anspruchsauslösend im Sinne von § 1 Abs.1 ZRBG sein konnte, kann in diesem Zusammenhang
dahinstehen.
Die Beklagte hat ausweislich der Begründungen der vom Klägerbevollmächtigten übersandten anonymisierten Bescheide ihre Ablehnung
nämlich nicht pauschal auf die Internierung der jeweiligen Antragsteller im Ghetto Munkacs gestützt. Vielmehr hat sie in den
jeweiligen Fällen ausgeführt, dass sie die von ihr zum damaligen Zeitpunkt angenommenen und auch von der Rechtsprechung formulierten
Voraussetzungen an die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit eines Arbeitsverhältnisses in den dortigen Verfahren aufgrund der
von ihr angenommenen Umstände in dem Ghetto nicht als glaubhaft gemacht ansah. Die von der Beklagten gestellten Anforderungen
an die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Arbeit in einem Ghetto standen auch in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts.
Das Bundessozialgericht hat noch in seinem Urteil vom 07.10.2004 - B13 RJ 59/03 R- [...] - ausgeführt, dass auch ein Anspruch
nach § 1 Abs.1 ZRBG nur gegeben sei, wenn die von der Rechtsprechung vor der Einführung des ZRBG vertretenen Kriterien zur
Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto erfüllt seien (Rdnr.50).
Auch bei Arbeiten, die unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zustandegekommen seien, sei eine
Differenzierung zwischen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und einer nichtversicherten Beschäftigung
andererseits geboten (Rdnr.44). Das BSG hat mit diesem Urteil das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.10.2003 - L 8 RJ 90/01- [...] - geändert und im Fall einer Klägerin, die für die Tätigkeit in einer Militärkantine im Ghetto Lodz eine überdurchschnittliche
Verpflegung erhalten hatte, die Merkmale der Entgeltlichkeit, der Versicherungspflicht und der Freiwilligkeit abgelehnt.
Als Entgelt gemäß § 1226
RVO a.F. i.V.m. § 160
RVO a.F. seien zunächst nur die Gegenleistungen anzusehen, die zum Umfang und der Art der geleisteten Arbeit noch in einem angemessenen
Verhältnis stünden (Rdnr.38). Obwohl auch freier Unterhalt grundsätzlich dem Begriff des Entgelts unterfallen könne, sei eine
Beschäftigung für die nur freiwilliger Unterhalt gewährt worden sei, gemäß § 1227
RVO a.F. nicht versicherungspflichtig gewesen. Als freier Unterhalt sei dasjenige Maß von Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur
unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber
hinausgehe (Rdnr.36-38).
Zudem hat das BSG aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin die Arbeit vom jüdischen Komitee zugewiesen bekommen habe, keine Freiwilligkeit
der von ihr geleisteten Arbeit angenommen.
Noch mit Beschluss vom 22.03.2007 - B 5 R 16/07 B - [...] - hat das BSG eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Anspruch nach § 1 Abs.1 S.1 Nr.1 ZRBG die Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit der Beschäftigung voraussetze und damit an die von der Rechtsprechung
aufgestellten Kriterien für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto anknüpfe und diese Rechtsfrage als
geklärt anzusehen sei.
Nach dem erkennbaren Sachstand hatten die Antragsteller der vom Klägerbevollmächtigten angeführten Parallelverfahren weder
den "freien Willensentschluss" zur Aufnahme der Tätigkeit noch die Gewährung eines Entgelts im Fall der von ihnen konkret
geleisteten Arbeit glaubhaft gemacht.
Die Beklagte hat als ergänzendes Element im Rahmen ihrer Begründung darauf hingewiesen, dass das Ghetto Munkacs ebenso wie
die anderen ungarischen Ghettos aufgrund seines nur kurzen Bestands ein provisorisches Ghetto gewesen sei, in dem die Ausübung
einer Tätigkeit nach den vorgenannten Maßgaben grundsätzlich nicht anzunehmen sei. Die in den Jahren 2003 und 2004 vorherrschende
Betrachtung der Beklagten ist mithin untrennbar mit den zum damaligen Zeitpunkt von der Rechtsprechung vertretenen Anforderungen
an die Begriffe von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit verknüpft. Angaben, die die Beklagte zur Annahme einer freiwilligen
und entgeltlichen Tätigkeit des Klägers nach den im Jahr 2003 angenommenen Maßstäben veranlassen mussten, hat auch der Kläger
des vorliegenden Verfahrens nicht gemacht.
Überdies stellen die vorgenannten Bescheidungen in Parallelfällen jedenfalls aufgrund ihrer bloßen Inter - Partes - Wirkung
keine Allgemeininformation im Sinne von §
13 SGB I dar. Auch ansonsten sind fehlerhaft erfolgte Allgemeininformationen der israelischen Bevölkerung oder des israelischen Versicherungsträgers
durch die Beklagte zum ZRBG, zu etwaigen Antragsfristen und insbesondere zu den Ghettos in Ungarn sowie deren Zugang bei der
Klägerin dem Senat nicht bekannt. Im Übrigen geht der Senat von einem erheblichen Bekanntheitsgrad des ZRBG und bestehender
Antragsfristen in der israelischen Bevölkerung auch bereits für die Zeit bis (zu dem für § 3 ZRBG maßgeblichen Zeitpunkt) Juni 2003 beziehungsweise für die Zeit bis (zur "Rechtsprechungswende" des BSG) 2009 aus, weil dies die bereits bis dahin gestellten sehr zahlreichen Anträge nach diesem Gesetz widerspiegeln.
bb.)
Durch die vom Bevollmächtigten des Klägers gerügte restriktive Verwaltungspraxis bzw. Auslegung des ZRBG hat die Beklagte
der Klägerin gegenüber auch keine Pflichten zur individuellen Beratung nach §
14 SGB I oder zur individuellen Auskunft nach §
15 SGB I verletzt. Zunächst ist die Beratung gemäß dem Vortrag des Klägers durch den israelischen Rentenversicherungsträger erfolgt.
Dass dieser Beratung eine entsprechende Information des israelischen Rentenversicherungsträgers durch die Beklagte vorausgegangen
ist, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Jedenfalls wäre aber (wie unter aa.) ausgeführt wurde) eine Wiedergabe der früheren restriktiven Auslegungspraxis der Beklagten
zu den Merkmalen von Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit schon deshalb keine Pflichtverletzung, weil sie sich hierbei auf die
damalige höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt hat.
Aus diesem Grund musste die Beklagte sich auch nicht zu einer anderweitigen Information oder Beratung des Klägers veranlasst
sehen.
cc.)
Auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach §
115 Absatz
6 Satz 1
SGB VI kann der Kläger seinen Herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist zwar
nicht auf die Verletzung der Pflichten aus §§
14,
15 SGB I beschränkt, sondern kommt auch bei andersartiger Fehl- oder Nichtinformation der Versicherten in Betracht (BSG, Urteil vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5).
Auch hier scheitert eine entsprechende Pflichtverletzung der Beklagten aber jedenfalls daran, dass die Beklagte unter Berücksichtigung
der in den Jahren nach 2003 vorherrschenden Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für einen Anspruch des Klägers nach dem ZRBG
hatte.
b.)
Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten
Entscheidungen des BSG (BSG, Urteile vom 15.12.1983, 12 RK 6/83 - [...] -; vom 21.06.1990, 12 RK 27/88, BSGE 67, 90; vom 08.11.1995, 13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), ohne dass es insoweit auf ein Verschulden der Beklagten ankomme (BSG, Urteile vom 12.10.1979, 12 RK 47/77, BSGE 49, 76; vom 09.05.1979, 9 RV 20/87, SozR 3100, § 44 Nr. 11; vom 15.12.1983, 12 RK 6/83 - [...] -; vom 28.02.1984, 12 RK 31/83, SozR 1200 § 14 Nr. 16; vom 24.10.1985, 12 RK 48/84, SozR 5070 § 10 a Nr. 13).
Diese Entscheidungen haben nicht den ihnen vom Bevollmächtigten zugesprochenen Inhalt. Sie sind insbesondere auf den vorliegenden
Fall nicht dahingehend übertragbar, dass das für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erforderliche Fehlverhalten
eines Versicherungsträgers darin liegen kann, dass dieser bis zum Zeitpunkt geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung
in größerer Zahl negative Bescheidungen erlassen hat, die aus der Ex-Post- Sicht der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung
seitdem nicht mehr haltbar erscheinen, und aufgrund derer Berechtigte von einer Antragstellung abgehalten worden sind oder
sein könnten. Vielmehr fordern (auch) die vom Bevollmächtigten genannten Entscheidungen des 12. Senats des BSG für einen Herstellungsanspruch, dass das gerügte Verhalten - etwa eine fehlerhafte Gesetzesanwendung - bereits im Zeitpunkt
der Ausübung fehlerhaft gewesen sein muss, wozu die spätere Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit aus der Rückschau nicht ausreicht.
Dass diese Anforderungen an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu stellen sind, ist nicht nur den vom Bevollmächtigten
angeführten Entscheidungen des 12. Senats des BSG zu entnehmen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung weiterer Senate des BSG, so zum Beispiel der Rechtsprechung des 7. Senats (Urteil vom 25.01.1996, 7 RAr 60/94, SozR 3 3200 § 86 a Nr. 2), der ausgeführt hat, dass der Leistungsträger, wenn seine - negative - Auskunft über eventuelle
Leistungsansprüche im Zeitpunkt ihrer Erteilung der Gesetzeslage und dem Stand des eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens entsprach,
bei einer späteren, im Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht erkennbaren Gesetzesänderung zugunsten des Betroffenen nicht
verpflichtet ist, den durch eine verspätete Antragstellung bedingten Nachteil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
auszugleichen. Dies entspricht überdies der Rechtsprechung des heute für das Recht der Rentenversicherung zuständigen 13.
Senats des BSG (Urteil vom 08.11.1995,13 RJ 5/95, SozR 3 2600 § 300 Nr. 5), der ausgeführt hat, dass ein Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommt, wenn die dem Versicherten günstigen Voraussetzungen
erst später bekannt wurden oder nachgewiesen werden konnten.
Die in größerer Zahl ergangenen negativen Bescheidungen der Beklagten bis zum Jahr 2009 standen aber in Einklang mit der bis
zur "Rechtsprechungswende" des BSG zum ZRBG im Jahr 2009 bestehenden damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die unbestimmten Rechtsbegriffe des "Entgelts"
und des Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem Willensentschluss" restriktiv ausgelegt hatte (vgl. etwas Urteil vom 07.10.2004,
B 13 RJ 59/03, BSGE 93, 214, und Beschluss vom 22.03.2007, B 5 R 16/07 B - [...]). Dass Erfolgsaussicht für die Durchsetzung ihrer Ansprüche für des Klägers erst aufgrund der Urteile des BSG von Juni 2009 bestand und vorher nicht, beruht somit nicht auf einem objektiven Fehlverhalten der Beklagten durch etwaige
Falschanwendung von Gesetzen beziehungsweise Rechtsprechung im Zeitpunkt der Anwendung. Aus dem gleichen Grund führen auch
die vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidungen des BSG vom 12.10.1979, 09.05.1979, 15.12.1983, 28.02.1984 und 24.10.1985 (alle a.a.O.) nicht weiter, nach denen ein - hier nicht
vorliegendes - im Zeitpunkt der Ausübung bereits objektiv fehlerhaftes Verhalten der Verwaltung, das einen Herstellungsanspruch
begründet, nicht subjektiv schuldhaft zu sein braucht. Beim Fehlen eines objektiven Fehlverhaltens kommt es auf die Frage
der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht mehr an. Deutlich wird dies insbesondere aus der vom Bevollmächtigten angeführten Entscheidung
des BSG vom 12.10.1979 (12 RK 47/77), in der das BSG ausgeführt hat, dass der sozialrechtliche Herstellungsanspruch auf Seiten des Versicherungsträgers grundsätzlich kein Verschulden
voraussetze, also (auch) bestehe, wenn der Versicherungsträger im Zeitpunkt der Auskunftserteilung eine bereits damals objektiv
unrichtige Auskunft erteilt habe, er zu diesem Zeitpunkt aber von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht habe ausgehen dürfen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass zum einen wegen der verspäteten Antragstellung eine der notwendigen Anspruchsvoraussetzungen
nicht erfüllt ist und zum anderen eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt, die eine Ersetzung des nicht rechtzeitig
gestellten Antrags im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ermöglichen könnte.
IV.
Die vom Kläger erstrebte Rechtsanwendung - Gewährung einer Altersrente auf der Grundlage des ZRBG bereits für die Zeit ab
dem 01.07.1997 trotz Versäumung der Antragsfrist des §
99 Absatz
1 Satz 1
SGB VI - ist schließlich auch unter Berücksichtigung des sog. Wiedergutmachungsgedankens nicht möglich. Denn zugunsten des Klägers
wirkt sich hier auch nicht der vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Entschädigungsrecht entwickelte Grundsatz aus, dass eine Gesetzesauslegung,
die möglich ist und dem Ziel entspricht, das zugefügte Unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den
Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (Urteile des BGH
vom 26.02.1960, IV ZR 255/59, RzW 1960, 262; vom 22.02.2011, IX ZR 113/00, BGH Report 2001, 372). Zwar ist hiervon bei der Auslegung einschlägiger Vorschriften auch das BSG ausgegangen; der Bevollmächtigte des Klägers hat die einschlägigen Entscheidungen des BSG auch (in anderem Zusammenhang) genannt (Urteile vom 26.10.1976, 12/1 RA 81/75, SozR 5070 § 9 Nr. 1; vom 12.10.1979, 12 RK 15/78, SozR 5070 § 10 a Nr. 2; vom 28.02.1984, 12 RK 50/82, SozR 5070 § 9 Nr. 7). Dennoch führt dies hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG zur Wiedergutmachung
erlittenen Unrechts Rentenzeiten, die mit in einem Ghetto verrichteter Arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren Voraussetzungen
(insbesondere nach dem FRG) als Regelaltersrente zahlbar gemacht. Anders als etwa bei der Zuerkennung eines festen Entschädigungsbetrags handelt es
sich damit bei den auf der Grundlage des ZRBG gezahlten Leistungen um Renten, die dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
nach dem
SGB VI folgen. Die aus dieser Konzeption folgenden Konsequenzen, wie etwa der Verfall von Rentenansprüchen für die Vergangenheit
bei Versäumung der Antragsfrist, treten aber bei allen Renten gleichermaßen ein und widersprechen insofern auch nicht dem
Wiedergutmachungsgedanken.
Aus dem gleichen Grund lässt sich auch kein anderes Ergebnis aus §
2 Absatz
2 Halbsatz 2
SGB I ableiten, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des SGB sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend
verwirklicht werden.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf den Beginn der Regelaltersrente vor dem 01.12.2010 und damit auch nicht auf
Zahlung von Regelaltersrente für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 30.11.2010. Im Übrigen wirkt es sich zugunsten des Klägers
aus, dass die Beklagte für den Zugangsfaktor (§
77 Absatz
2 Satz 1 Nr.
2 b SGB VI) davon ausgegangen ist, dass der Kläger die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze erst zum 01.12.2010 in Anspruch
genommen hat, so dass die Beklage insofern die Rente auch nach einem höheren Zugangsfaktor als bei einem (begehrten) Rentenbeginn
zum 01.07.1997 berechnet hat (vgl. § 3 Absatz 2 ZRBG). Angesichts des hohen Lebensalters des Klägers dürfte sich allerdings
sein wirtschaftliches Interesse eher auf eine (größere) Nachzahlung als auf eine laufende höhere Rente richten. Zu dem weiteren
Vortrag des Bevollmächtigten, dass die Regelungen der §§ 3 ZRBG und 44 SGB X sowie das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs je nachdem, ob es sich um ein Überprüfungsverfahren oder eine
Erstbescheidung handele, zu sehr unterschiedlichen Folgen für den Rentenbeginn führen würden (Rentenbeginn ab 1997, ab 2005
oder erst ab Rentenantragstellung) und dies den Betroffenen schwierig zu vermitteln sei, ist auf Folgendes hinzuweisen: Überprüfungsanträgen
nach Ablehnungsbescheiden, die seit 2009 - fußend auf der "Rechtsprechungswende" des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und
03.06.2009 zur Auslegung der Rechtsbegriffe des "Entgelts" und des Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses "aus eigenem
Willensentschluss" - gestellt wurden, kann nach § 44 Absatz 4 SGB X Rückwirkung maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen (vgl. allerdings die anhängigen zahlreichen Revisionen im 5. und
13 Senat des BSG zu der Frage: " Kann eine Rente bei Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG im Falle eines erstmaligen Rentenantrages noch vor Juli 2003 schon ab dem 01.07.1997 beginnen, wenn bereits eine bestandskräftig
gewordene Ablehnung des Rentenantrags vorlag und die Rente erst danach aufgrund eines Überprüfungsverfahrens bewilligt wurde
unter Anwendung von § 44 SGB X oder §
100 Absatz
4 SGB VI). Auch Erstbescheidungen aufgrund erstmaliger Antragstellung seit der "Rechtsprechungswende" in 2009 könnte selbst bei Vorliegen
eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rückwirkung nur in Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X (Urteil des erkennenden Senats vom 24.05.2013, L 14 R 432/12 - [...] -; dazu anhängig B 13 R 23/13 R) und damit ebenfalls maximal bis 2005 und nicht bis 1997 zukommen. Liegen die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
allerdings nicht vor, können Rentenleistungen in Einklang mit §
99 SGB VI erst ab dem Antragsmonat gewährt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Absatz
1 SGG.
Die Revisionszulassung folgt aus §
160 Absatz
2 Nr.
1 SGG, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.