LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.02.2016 - 14 R 779/15
Regelaltersrente Berücksichtigung von Beitragszeiten in einem Ghetto Wirksame Antragstellung Rücknahme eines Rentenantrags Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
1. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden grundsätzlich nur auf Antrag erbracht; (erst) der Rentenantrag löst regelmäßig das Verwaltungsverfahren aus.
2. Die Erklärung: "Die Akte schliessen" ist im Rahmen einer verständigen Würdigung gemäß §§ 133, 157 des BGB als Rücknahme des Antrags zu verstehen; bereits ohne die Einbeziehung zusätzlicher Gesichtspunkte kommt im Deutschen der Begrifflichkeit des (Ab)Schließens eines Vorgangs, eines Kapitels etc. (der Begriff des "Schließens der Akte" ist hier eher unüblich) eine endgültige Bedeutung zu.
3. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist hinsichtlich der Frage, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch im Rahmen des § 59 SGB I beachtlich sein kann, nicht ganz einheitlich; grundsätzlich kommt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auf die tatsächliche Anhängigkeit des Verwaltungsverfahrens an, nicht darauf, ob das Verfahren bei konkreter Sachbehandlung hätte anhängig sein müssen; eine Fiktion eines tatsächlich nicht anhängigen Verwaltungsverfahren im Wege der Korrektur durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist insofern nicht zulässig.
4. Denn § 59 Satz 2 SGB I stellt nicht darauf ab, welche Verfahrenslage im Zeitpunkt des Todes hätte bestehen können oder müssen; maßgebend ist nur die in diesem Zeitpunkt tatsächlich bestandene Verfahrenslage; der Gesetzgeber hat dabei einen Anspruchsübergang für den Fall, dass Verfahrensmaßnahmen - und sei es aufgrund eines fehlerhaften Verwaltungshandelns - unterblieben waren, nicht vorgesehen.
5. Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz eine Lücke enthält, wenn der Versicherungsträger für das Unterbleiben (allein oder mit-)verantwortlich ist, sind nicht erkennbar; die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und der materiellen Gerechtigkeit lassen sich jedenfalls nicht dafür ins Feld führen. Sie können im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I schon deshalb nicht maßgebend sein, weil der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift notwendigerweise begründete Ansprüche abschneidet, da unbegründete Ansprüche ohnehin nicht übergehen können.
Normenkette: ,
SGB VI § 115 Abs. 1 S. 1
,
BGB § 133
,
BGB § 157
,
SGB I § 59 S. 2
Vorinstanzen: SG Düsseldorf 21.07.2015 S 15 R 148/12
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.07.2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Streitwert wird endgültig auf 20.053,17 EUR festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

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