Gründe
I. Streitig ist in der Hauptsache der Beginn einer Regelaltersrente.
Der am 00.00 1947 geborene Kläger wohnte ab dem 1.6.2011 in N, C-straße 00, wo er bis zum 27.1.2016 durchgehend gemeldet war.
Er wurde am 10.12.2011 in Italien inhaftiert und war dort bis zum 10.12.2015 in Haft. Während dieser Zeit bezog der Kläger
offenbar (bis zum 31.7.2012 und wieder ab dem 1.1.2015) Arbeitslosengeld II vom Jobcenter des Kreises S. Am 16.12.2012 (also
während der Haft in Italien) erreichte der Kläger die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze von 65 Jahren und einem Monat,
vgl. §
235 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Am 21.12.2015 beantragte er bei der Stadt N Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Die Stadt N teilte dies der Beklagten mit, die dem Kläger auf der Grundlage eines "am 21.12.2015 gestellten Antrags" Regelaltersrente
ab dem 1.12.2015 in Höhe von - netto - EUR 749 bei Zugrundelegung eines erhöhten Zugangsfaktors von 1,175 gewährte (Rentenbescheid
vom 8. März 2016).
Im August 2016 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Bescheides mit dem Begehren, die Regelaltersrente ab Erreichen
der Regelaltersgrenze (also ab Januar 2013, mithin für weitere 35 Monate) zu zahlen. Die Beklagte hätte über das deutsche
Konsulat in Italien entsprechende Hinweise auf die Rentenberechtigung erteilen müssen. Wäre dies geschehen, hätte er den Rentenantrag
früher gestellt. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 26.8.2016; Widerspruchsbescheid vom 12.6.2017).
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei aufgrund seiner Inhaftierung nicht in der Lage gewesen,
die erforderlichen Kenntnisse über den regulären Rentenbeginn zu erhalten. Dem deutschen Konsulat in Italien sei der dortige
Aufenthalt des Klägers bekannt gewesen. Diese Kenntnis sei der Beklagten zuzurechnen.
Die Beklagte trägt vor, der Auslandsaufenthalt des Klägers sei ihr nicht bekannt gewesen. Deshalb habe sie eine Rentenauskunft
vom 20.1.2012, in der das Datum der des Erreichens der Regelaltersgrenze explizit genannt ist, wie auch die Hinweisschreiben
vom 13. November und 18.12.2012, die auf einen möglichen Rentenantrag hinweisen, an den Kläger unter der ihr bekannten Adresse
C-straße 00 in N gerichtet.
Das Sozialgericht (SG) hat abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete
(Beschluss vom 21.6.2018).
Dagegen hat der Kläger am 3.7.2018 Beschwerde eingelegt. Die Beklagte habe Kenntnis über den Aufenthalt des Klägers im europäischen
Ausland gehabt, weil ihr die Kenntnis der deutschen Auslandsvertretung zuzurechnen sein. Das deutsche Konsulat sei überdies
verpflichtet, über (mögliche) Leistungen der Sozialversicherung zu informieren.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie ihre Hinweispflichten gegenüber Versicherten, die sich im (EU-) Ausland aufhalten,
in der gleichen Weise wahrnehme wie gegenüber Versicherten, die sich im Inland aufhalten, sofern sie Kenntnis vom Auslandsaufenthalt
habe.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG abgelehnt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe,
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§
73 a
Sozialgerichtsgesetz (
SGG), 114
Zivilprozessordnung (
ZPO). Hinreichende Aussicht auf Erfolg setzt voraus, dass eine - nicht ganz entfernt liegende - Möglichkeit des Obsiegens besteht.
Das ist zB der Fall, wenn vor der abschließenden Beantwortung der streiterheblichen Fragen eine (weitere) Beweisaufnahme von
Amts wegen ernsthaft in Betracht kommt, deren Ausgang offen ist, und/oder eine bisher nicht (vollständig) geklärte Rechtsfrage
entscheidungserheblich ist (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, s dazu: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss
vom 20.2.2002 - 1 BvR 1450/00; Beschluss vom 29.9.2004 - 1 BvR 1281/04 - NJW-RR 2005, 140 ff und Beschluss vom 19.2.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060 ff).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Klage gegen den Bescheid vom 26.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12.6.2017 (§
95 SGG), bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach der derzeitigen Beweislage besteht für den Kläger allenfalls eine ganz
entfernt liegende Möglichkeit, mit der Klage Erfolg zu haben. Zu Recht hat die Beklagte die Regelaltersrente erst ab Dezember
2015 bewilligt, §
99 Abs
1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Ein früherer Antrag kann nach Aktenlage auch über einen Sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht fingiert werden.
Der von der Rechtsprechung entwickelte Sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung
des Zustandes gerichtet, der bestünde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses
gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§
14,
15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I), 115 Abs
6 SGB VI), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung
voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geführt hat. Daneben ist
erforderlich, dass durch die Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestünde, wenn
die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (stRspr, vgl BSG Urteile vom 30.9.2009, Aktenzeichen (Az) B 9 VG 3/08 R = BSGE 104, 245 = SozR 4-3100 § 60 Nr 6 und vom 16.3.2016, Az B 9V 6/15 R = SozR 4-3100 § 60 Nr 7).
Die Voraussetzungen eines Sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sind danach hier derzeit nicht gegeben. Die Beklagte hat
ihre Hinweispflicht aus §
115 Abs
6 SGB VI erfüllt, indem sie den Kläger im Jahr 2012 auf das Erreichen der Regelaltersgrenze und die mögliche Beantragung der Regelaltersrente
durch mehrere, an seine weiterbestehende Meldeanschrift in N gerichtete Schreiben hingewiesen hat. Einer deutschen Auslandsvertretung
obliegen keine Hinweispflichten im Sinne von §§
14,15
SGB I, 115 Abs
6 SGB VI. Sie ist lediglich verpflichtet, Anträge entgegenzunehmen, §
16 Abs 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch. Der Kläger behauptet aber nicht, dort einen Rentenantrag gestellt zu haben. Weitergehende
Pflichten, etwa (Rechts-)Beratungs- oder Hinweispflichten, bestehen im Umkehrschluss nicht. Ergänzend nimmt der Senat zur
Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug, die er sich zu eigen
macht, §
153 Abs
2 SGG entsprechend. Nach Auffassung des Senats beruht die verspätete Antragstellung des Klägers wesentlich darauf, dass er seine
Meldeanschrift in N beibehalten und sich offenbar - trotz Kontakts mit dem deutschen Konsulat - auch nicht um die Öffnung
und/oder Nachsendung der dort eingehenden Post gekümmert hat.
Vor diesem Hintergrund besteht derzeit allenfalls eine entfernt liegende Möglichkeit, im vorliegenden Verfahren zu obsiegen,
nämlich dann, wenn sich feststellen lässt, dass die Beklagte entgegen ihrem Vortrag vom Auslandsaufenthalt des Klägers gewusst
hat. Da der Kläger bei der Beklagten (als Knappschaft, vgl § 43 der Satzung der Beklagten) auch krankenversichert war, könnte
dies der Fall sein, wenn sie ihm in dieser Zeit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege der Aushilfe (Art
19 VO (EG) 883/04) erbracht oder die dafür entstandenen Kosten erstattet hat (vgl § 64 der Satzung der Beklagten). Ob dies
überhaupt in Betracht kommt, hängt von der Organisation der Krankenfürsorge/-versorgung in italienischer Haft ab. Der Kläger
hat bislang nicht behauptet, die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen zu haben.
Denkbar ist wegen der sich überschneidenden Zeiträume des Bezugs von Arbeitslosengeld II und der Haft in Italien auch, dass
die Beklagte (als Knappschaft) mit dem Ausbleiben bzw. der Wiederaufnahme der (Beitrags)Zahlungen vom Auslandsaufenthalt des
Klägers erfahren hat. Dazu könnte der Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins befragt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs 1 Satz 1
SGG i.V.m. 127 Abs 4
ZPO. Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, §
177 SGG.