Gericht
Sozialgerichtsbarkeit (38838)
Verfassungsgerichtsbarkeit (83)
Verwaltungsgerichtsbarkeit (1210)
Gerichte der EU (6)
Ordentliche Gerichtsbarkeit (1013)
Arbeitsgerichtsbarkeit (137)
Finanzgerichtsbarkeit (87)

Datum
2022 (1459)
2021 (2495)
2020 (2120)
2019 (2531)
2018 (2333)
2017 (2639)
2016 (2936)
2015 (4224)
2014 (2921)
2013 (1392)
mehr...
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.10.2015 - 19 AS 1365/15
Leistungen der Grundsicherung für Unionsbürger Verpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erbringung von Leistungen nach SGB II Regelbedarf und Leistungen für Unterkunft und Heizung Zuerkennung der Leistungen im Wege der Folgenabwägung Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU Wenig Aufträge und niedriger Umsatz in den ersten neun Monaten der selbstständigen Erwerbstätigkeit
1. Bei der Frage der Anwendung und Auslegung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine schwierige, ungeklärte Rechtsfrage.
2. Allein die Tatsache, dass auch ohne Leistungen durch den Träger der Grundsicherung jedenfalls das Lebensnotwendige offenbar gesichert ist, lässt eine Hilfebedürftigkeit nicht entfallen. Entscheidend ist, ob Einkommen in Geld oder Geldeswert im jeweils zu beurteilenden Zeitraum in einer Höhe konkret zur Verfügung steht, das den Gesamtbedarf vollständig deckt.
3. Unerheblich für die Eröffnung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit ist, ob die Tätigkeit einen bestimmten Gewinn abwirft, insbesondere ob sie zur Deckung des Lebensunterhalts ausreicht, insbesondere bei Beginn der Ausübung der selbständigen Tätigkeit. Insoweit steht der in den ersten neun Monaten erzielte Umsatz von 380,00 - 400,00 EUR monatlich nicht der Annahme einer Ausübung einer selbständigen Tätigkeit i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU entgegen.
4. Das Vorhandensein von sehr wenigen Aufträgen kann im Rahmen einer Gesamtbewertung ein Anhaltspunkt für eine nur untergeordnete und unwesentliche selbständige Tätigkeit sein. Bei der Frage der Unwesentlichkeit ist aber zu berücksichtigen, dass es, wenn ein Gewerbebetrieb - wie im vorliegenden Fall - nicht übernommen, sondern neu eröffnet wird, oftmals einer längeren Anlauf- und Aufbauphase bedarf, bis der Betrieb sich trägt.
5. Im Hinblick auf einen erzielten Umsatz von 380,00 - 400,00 EUR monatlich in den ersten neun Monaten spricht nach Auffassung des Senats unter Würdigung der Tatsache, dass der Betrieb des Antragstellers sich im Aufbau befindet und nach dessen Angaben kaum Betriebskosten anfallen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei Arbeitnehmern bei einem Entgelt von 380,00 - 400,00 EUR monatlich ihr Arbeitnehmerstatus nicht in Frage gestellt wird, mehr gegen als für die Annahme einer untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeit.
Normenkette:
SGB II § 20
,
SGB II § 22
,
SGB II § 23
,
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
,
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3
,
SGB II § 7 Abs. 3 Nr. 3a
,
SGB II § 9
,
SGB II § 19 Abs. 1 S. 2
,
FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 2
,
AEUV Art. 49
,
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
,
ZPO § 114
,
SGB II § 7 Abs. 1. S. 2 Nr. 2
Vorinstanzen: SG Dortmund 04.08.2015 S 53 AS 2685/15 ER
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.08.2015 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern den Regelbedarf nach § 20 SGB II für den Zeitraum vom 07.07.2015 bis zum 30.09.2015 sowie den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis zum 30.09.2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt 3/4 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 09.10.2015 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Q aus I beigeordnet.

Entscheidungstext anzeigen: