Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 14.02. bis 02.05.2010.
Der am 00.00.1983 geborene Kläger ist algerischer Staatsangehöriger. Am 00.00.2009 heiratete er die am 00.00.1970 geborene
deutsche Staatsangehörige Frau L, in Algerien. Mit Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde der Stadt L reiste der Kläger
am 14.02.2010 in die Bundesrepublik ein und zog zu seiner schwangeren Ehefrau. Zuvor hatte die Ausländerbehörde der Stadt
L am 08.02.2010 dem Antrag des Klägers auf Erteilung eines Visums nach § 31 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes i.V.m. § 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zwecks Familienzusammenführung nach § 28 AufenthG zugestimmt. Nach der Einreise beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörde der Stadt
L erteilte dem Kläger am 09.03.2010 eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthaltsG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit
gestattet". Am 18.04.2011 wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AufenthG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit den Zusätzen " Erwerbstätigkeit ist erlaubt" und "Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs" erteilt. Der
Kläger nahm am 03.05.2011 eine Tätigkeit bei der Firma B GmbH auf. Das Arbeitsentgelt für Mai 2010 wurde am 20.06.2010 auf
das Konto des Klägers gutgeschrieben.
Seit dem 01.01.2005 bezog Frau L zusammen mit ihrer am 00.00.2003 geborenen Tochter T Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II. Im Jahr 2010 erhielt Frau L Kindergeld in Höhe von 184,- EUR mtl ... Durch Bescheid vom 01.02.2010 bewilligte die Rechtsvorgängerin
des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus Frau L und ihrer Tochter T, Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Februar 2010 in Höhe von 990,- EUR (359,- EUR Regelleistung + 52,- EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung, 87,- EUR Sozialgeld
+ 492,- EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) sowie für die Zeit vom 01.03. bis 31.07.2010 in Höhe von 991,- EUR (359,- EUR
Regelleistung + 53,- EUR Mehrbedarf wegen Alleinerziehung + 87,- EUR Sozialgeld + 492,- EUR Kosten für Unterkunft und Heizung).
Bei einer Vorsprache am 12.02.2010 nannte der Beklagte Frau L einen Termin für die Annahme des Neuantrages ihres Ehemannes.
Am 23.02.2010 sprach Frau L zusammen mit ihrem Ehemann vor und legte eine Kopie der Anmeldebestätigung des Klägers zum 14.02.2010
unter der Adresse von Frau L vor. Durch Bescheid vom 15.04.2010 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 18.06.2009 und 01.02.2010
über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2010 an Frau L und ihrem Kind T teilweise in Höhe von insgesamt 703,79 EUR auf. Zur
Begründung führte er aus, dass sich ab Januar 2010 das Kindergeld um 20,- EUR mtl. erhöht habe. Ab dem Zuzug des Klägers am
14.02.2010 stünden Frau L und ihrer Tochter T als Kosten der Unterkunft und Heizung nur noch 2/3 der Miete zu. Hiergegen legte
Frau L Widerspruch ein, dem der Beklagte abhalf.
Mit Bescheid vom 23.04.2010, adressiert an Frau L, lehnte der Beklagte den Antrag auf Aufnahme des Klägers in die Bedarfsgemeinschaft
unter Berufung auf § 7 SGB II i.V.m. § 28 AufenthG ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor. Der Kläger habe für die ersten drei
Monate nach Zuzug aus dem Ausland keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Hiergegen legte u. a. der Kläger Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass er vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz. 2 SGB II nicht erfasst sei. Diese Regelung sei nicht auf Ausländer zugeschnitten, die als Familienangehörige eines Deutschen in die
Bundesrepublik einreisten. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II bezwecke lediglich sicherzustellen, dass EU-Bürger und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten keine Ansprüche
nach dem SGB II geltend machen könnten. Ausländer, die zu einem sich im Bundesgebiet länger aufhaltenden aufenthaltsberechtigten Ausländer
einreisten, seien von dem Ausschluss nicht erfasst. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber Antragstellern,
die als EU-Bürger zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen einreisten, sei
nicht ersichtlich. Durch Widerspruchsbescheid vom 29.07.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II schließe Ausländer, die in der Bundesrepublik weder als Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt seien, von den Leistungen nach dem SGB II für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes aus. Dies gelte nach Satz 3 nicht für Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel
nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten. Einen solchen Aufenthaltstitel besitze der Kläger nicht. Sein bis zum 14.05.2010
gültiger und durch Fiktionsbescheinigung der Stadt L fortbestehender Aufenthaltstitel diene der "Familienzusammenführung"
und sei damit ein Aufenthaltstitel nach dem Kapitel 2 Abschnitt 6 AufenthG.
Durch Bescheid vom 10.05.2010 bewilligte der Beklagte Frau L für die Zeit vom 01.02.2010 bis 31.07.2010 Leistungen nach dem
SGB II. Für die Zeit vom 15.05. bis 31.05.2010 wurde der Kläger als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Dem Bescheid
war die Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, dass gegen den Bescheid Widerspruch erhoben werden kann. Gegen den Bescheid legte
Frau L Widerspruch mit der Begründung ein, dass ihr Ehemann ab der Antragstellung und dem Zuzug am 14.02.2010 als Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sei. Durch weiteren Bescheid vom 27.05.2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft,
bestehend aus Frau L, dem Kläger und dem Kind T, für die Zeit vom 01.06. bis 31.07.2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.261,61 EUR mtl ... Durch Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 wies der Beklagte im Übrigen den Widerspruch als
unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Köln, S 20 AS 3309/10 nahm der Kläger zurück.
Am 13.08.2010 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 23.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2010
erhoben.
Er hat im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und auf die Durchführungshinweise der Bundesagentur
für Arbeit Ziffer 7.5f hingewiesen.
Durch Urteil vom 04.02.2010 hat das Sozialgericht Köln den Bescheid vom 23.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 29.10.2010 geändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 14.02. bis 14.05.2010 Arbeitslosengeld
II in Höhe der Regelleistung und die anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. bis 14.05.2010 zu bewilligen.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in der ab dem 28.08.2007 geltenden Fassung greife zu Ungunsten des Klägers nicht ein. Von diesem Leistungssauschluss würden
Ausländer, die als Familienangehörige eines Deutschen oder eines Arbeitnehmers, eines Selbständigen oder eines auf Grund des
§ 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) Freizügigkeitsberechtigten diesem nachziehen, nicht erfasst. Diese Auslegung könne aus der Entstehungsgeschichte und aus
dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnommen werden und habe auch ihren Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift gefunden. Der
Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 nicht eine
allgemeine Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für alle Ausländer beabsichtigt. Er habe vielmehr auf die europarechtlichen
Regelungen reagieren wollen, wonach sich Unionsbürger für drei Monate voraussetzungslos im Bundesgebiet aufhalten dürfen,
aber nach der Richtlinie 2004/38/EG von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden können und durch die Neuregelungen auch sollten. Es sollten Ausländer von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden, die als EU-Bürger nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU ein dreimonatiges voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht haben. Der Ehegatte eines deutschen Staatsangehörigen, der kein Unionsbürger,
sondern ein Drittstaatenangehöriger sei, reise nicht voraussetzungslos ein. Ein solcher Ausländer bedürfe einer Aufenthaltserlaubnis
in Form eines Visums, dessen Erteilung nach §§ 6, 28 AufenthG voraussetze, dass er mit einem deutschen Staatsangehörigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat,
verheiratet sei. Der Gesetzgeber habe im Ausländerrecht bestimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis für Ehegatten eines Deutschen
in der Regel abweichend von der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme staatlicher Leistungen allgemeine Erteilungsvoraussetzung
für eine Aufenthaltserlaubnis sei, erteilt werde (§ 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Nur in Ausnahmefällen dürfe der Aufenthalt von Drittstaatenangehörigen, die mit Deutschen verheiratet sind, überhaupt von
der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden. Diese Neufassung des § 28 AufenthG habe der Gesetzgeber ebenfalls im Gesetz zur Umsetzung von aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen
Union vom 19.08.2007 geregelt. Durch das gleichzeitige Einfügen von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und von § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in demselben Artikelgesetz werde belegt, dass der Gesetzgeber das fiskalische Interesse des Staates an der Sicherung des
Lebensunterhalts des deutsch-ausländischen Ehepaares über § 28 AufenthG, nicht aber durch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II habe sicherstellen wollen. Gegen das Eingreifen des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II im Fall des Nachzugs eines Drittstaatenangehörigen zu seinem deutschen Ehegatten in die Bundesrepublik bestünden auch verfassungsrechtliche
Bedenken. Art.
6 Grundgesetz (
GG) schütze das Interesse des deutschen Ehepartners, seine Ehe als Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu leben. Es sei nicht
nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Regel den Zuzug eines Drittstaatenangehörigen zu seinem deutschen Ehegatten nicht von der Prüfung abhängig mache,
ob der Lebensunterhalt sichergestellt sei - also den Schutz der Ehe über das Interesse des Staates an der Einschränkung der
Zuwanderung bedürftiger Personen stelle - zugleich diese Möglichkeit durch einen Ausschluss des Ehepartners von Grundsicherungsleistungen
nach der Einreise aber behindere und damit den Schutz der Ehe fiskalischen Erwägungen unterordne. Es sei auch kein sachlicher
Grund nach Art.
3 GG dafür erkennbar, den Ehepartner eines deutschen Staatsangehörigen von Grundsicherungsleistungen auszunehmen, aber Ausländer,
die einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG besitzen, von diesem Leistungsausschluss auszunehmen. Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 16.02.2011 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23.03.2011 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Ungunsten des Klägers eingreife. Dieser sei Ausländer. Er habe kein bestehendes Beschäftigungsverhältnis nachgewiesen,
daher sei er kein Arbeitnehmer gewesen. Die reine Möglichkeit der Arbeitsaufnahme erfülle nicht das Tatbestandsmerkmal des
Arbeitnehmers. Gleiches gelte für die Einordnung als Selbständiger. Er könne sich auch nicht auf die Regelungen der Freizügigkeit
innerhalb der Europäischen Union berufen. Da keine der drei Regelungen zur Begründung eines Anspruchs für die ersten drei
Monate nach der Einreise eines Ausländers vorlägen, ergäbe sich seine Verpflichtung zur Leistung nur aus § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II, wenn sich der Kläger aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen in der Bundesrepublik rechtmäßig aufhielte.
Dies sei aber nicht der Fall. Jeder Ausländer, der nicht zu den in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II Genannten zähle, sei von den Leistungen ausgeschlossen. Der Gesetzgeber habe durch die Änderung der Regelungen nicht ausschließlich
notwendige Anpassungen an die Freizügigkeitsregelung der Europäischen Union für Staatsangehörige der Mitgliedsstaaten regeln
wollen. Ziel des Gesetzgebers sei auch die Umsetzung der Richtlinien über den Familiennachzug und langfristig aufenthaltsberechtigte
Drittstaatenangehörige, der Opferschutzrichtlinie, der Studentenrichtlinie und der Forscherrichtlinie gewesen. Die Umsetzung
dieser Regelungen habe auch der Harmonisierung der Bedingungen für die Zulassung und den Aufenthalt von Drittstaatenangehörigen
gedient. Bei der Einführung der Regelungen habe der Gesetzgeber den Bezug zu den Rechten von Ehe und Familie gesehen. Er habe
den ihm zustehenden weitgehenden Gestaltungsspielraum rechtmäßig und für den Beklagten bindend genutzt. In der Gesetzesbegründung
habe er ausgeführt, dass von dem hier zu prüfenden Leistungsausschluss "vor allem Unionsbürger" - d.h. aber nicht abschließend
nur diese - betroffen seien. Der Gesetzgeber habe somit den weitergehenden Leistungsausschluss auch für andere Ausländer,
wie den hier betroffenen Kläger, erkannt und beabsichtigt. Es sei rechtsfehlerhaft, wenn die weitgehende Umkehr des Regel-/Ausnahmeverhältnisses
durch das Sozialgericht einschränkend ausgelegt werde. Es liege keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor.
Die Tatsache, dass der Gesetzgeber den Zuzug eines EU-Bürgers als Familienangehöriger zu einem deutschen Staatsangehörigen
in die Bundesrepublik von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ausgenommen habe (BT-Drs. 16/688), führe nicht zu einer Ungleichbehandlung zu Familienangehörigen, die Drittstaatenangehörige
seien. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Familiennachzug zu deutschen Staatsangehörigen ebenso aber auch
zu allen nicht freizügigkeits- und assoziationsberechtigten Ausländern aus Gründe der Einwanderungsbegrenzung auf das in Abwägung
mit dem Schutzgebot von Ehe und Familie zulässige Ausmaß beschränkt habe, aber bei Ausländern aus EU-Mitgliedsstaaten wegen
der Pflicht zur Umsetzung bindender EU-rechtlicher Vorgaben abgewichen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.02.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Zeit vom 14.02 bis 02.05.2010
betroffen ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber nachziehende Familienangehörige von
Unionsbürgern von dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ausnehme, rechtfertige nicht eine Ungleichbehandlung gegenüber Familienangehörigen deutscher Staatsangehöriger. Diese dürften
nicht anders behandelt werden als Familienangehörige freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger. Sie dürften nicht schlechter
gestellt werden als nachziehende Familienangehörige von Drittstaatenangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels nach
Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten
des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Köln, S 20 AS 3309/10, und der beigezogenen Ausländerakte der Stadt L Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 23.04.2011 sowie die Bescheide vom 10.05.2010 und 27.05.2010, die den
Bescheid vom 23.04.2011 teilweise nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ersetzt haben, alle in der Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 29.07.2010 und vom 30.07.2010. Da der Beklagte seinen
Berufungsantrag dahingehend zeitlich beschränkt hat, dass er sich nur noch gegen die Verurteilung zur Gewährung von Leistungen
nach dem SGB II an den Kläger für die Zeit vom 14.02. bis 02.05.2010 wendet, ist im Berufungsverfahren der streitige Zeitraum auf die Zeit
vom 14.02. bis 02.05.2010 beschränkt.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beteiligtenfähig (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach § 19 Abs. Satz 1 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 - wie vom Sozialgericht ausgeurteilt - in der Zeit vom 14.02. bis 02.05.2010 zu.
Im Zeitraum vom 14.02. bis 2.05.2010 hat der Kläger die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grunde nach erfüllt. In diesem Zeitraum hat er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
gehabt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Er ist hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II gewesen, da weder er, seine Ehefrau noch deren Tochter T, mit denen er eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a, 4 SGB II gebildet hat, über Einkommen oder Vermögen verfügt haben, das seinen Lebensunterhalt gesichert hat. Der Kläger ist erwerbsfähig
i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II und nach § 8 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.03.2011 gewesen. Er ist in der Lage gewesen, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ebenfalls ist die Aufnahme einer Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 2 SGB II erlaubt gewesen, da ihm in der Fiktionsbescheinigung wie auch in der Aufenthaltsgenehmigung die Ausübung jedweder Beschäftigung
gestattet gewesen ist. Vor der Erteilung der Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG am 09.03.2010 hat der Kläger über ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger einer Deutschen nach § 28 Abs. 1 AufenthG verfügt, das die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit einschließt (§ 28 Abs. 5 AufenthG). Mithin hätte ihm die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden können (vgl. zur Auslegung des § 8 Abs. 2 SGB II a. F.: BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R = juris Rn 22).
Der Kläger hat auch im streitbefangenen Zeitraum einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. §
30 Abs.
3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) gehabt. Er ist am 14.02.2010 in die Bundesrepublik eingereist. Seitdem hält er sich hier unter Umständen auf, die erkennen
lassen, dass er nicht nur vorübergehend verweilt. Er ist zwecks Zuzugs zu seiner schwangeren Ehefrau eingereist und lebt seitdem
mit ihr zusammen. Am 03.05.2010 hat er eine unbefristete Beschäftigung aufgenommen. Im streitbefangenen Zeitraum hat sich
der Kläger auch berechtigterweise in der Bundesrepublik aufgehalten, da er mit einem Visum eingereist ist, die Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung nach § 28 AufenthG zwecks Familiennachzug zu einer Deutschen beantragt hat und aufgrund der erteilten Zustimmung des Ausländeramtes der Stadt
L zu seiner Einreise mit einer Erteilung einer solchen Aufenthaltsgenehmigung rechnen durfte. Die Aufenthaltsgenehmigung nach
§ 28 AufenthG wurde ihm auch am 18.04.2011 erteilt. Zuvor hat sein Aufenthalt auf Grund von § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt gegolten.
Zu Ungunsten des Klägers greift auch zur Überzeugung des Senats nicht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 28.08.2007 (Art. 6 Abs. 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007,
BGBl. I, 1970) ein. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen,
Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre
Familienangehörige für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts von den Leistungen ausgenommen. Von diesem Leistungssauschluss
werden Ausländer, die als Ehegatte eines deutschen Staatsangehörigen oder eines Arbeitnehmers, eines Selbständigen oder eines
auf Grund des § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) Freizügigkeitsberechtigten diesem in die Bundesrepublik nachziehen, nicht erfasst. Der Senat schließt sich den überzeugenden
Ausführungen des Sozialgerichts an, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nach ihrem Wortlaut, ihrem Zusammenhang, ihrem Zweck sowie den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte nicht den
Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu seinem deutschen Ehegatten erfasst. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzlichen
Ausführungen.
Diese Auffassung findet zur Überzeugung des Senats eine Stütze im Regelungsgehalt der Vorschrift, in der zwischen Ausländern
und ihren Familienangehörigen differenziert wird. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II unterscheidet schon nach ihrem Wortlaut zwischen Ausländern, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik
haben, und Ausländern, die ein Aufenthaltsrecht in Deutschland allein aufgrund ihres Familienstatus haben, also ihr Aufenthaltsrecht
von einer anderen Person ableiten (vgl. Thie/Schoch in LPK-SGB II, § 7 4 Aufl., Rn 25; so auch im Ergebnis SG Berlin, Urteil vom 18.04.2011 - S 201 AS 45186/09). Die gegenteilige Auffassung, dass durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II grundsätzlich alle Ausländer - ausgenommen der Personenkreis des § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II sowie Arbeitnehmer, Selbständige, Freizügigkeitsberechtigte nach § 2 Abs ... 3 FreizügG/EU - während der ersten drei Monate nach ihrer Einreise vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind, unabhängig von der Herleitung
ihres Aufenthaltsrechts (so anscheinend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.04.2011 - L 3 AS 1411/11 ER-B -, SG Stuttgart, Beschluss vom 24.03.2011 - S 24 As 1359/11 ER - ohne nähere Begründung) ergibt sich demgegenüber nicht
aus dem Wortlaut der Norm. Wenn der Gesetzgeber den generellen Ausschluss von Ausländern während der ersten drei Monate nach
ihrer Einreise beabsichtigte hätte, wäre eine Differenzierung zwischen Ausländern und deren Familienangehörigen nicht erforderlich
gewesen (siehe auch BT-Drs. 16/688 S. 13).
Zudem sprechen unter Berücksichtigung der gleichzeitigen Neureglung des Nachzugsrechts von ausländischen Familienangehörigen
zu ihrem deutschen Familienangehörigen im Ausländerecht (§ 28 AufenthG) - wobei es für die Berechtigung des Nachzugs in der Regel nicht auf einen ausreichenden Wohnraum und der Unterhaltssicherung
ankommt (vgl. Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 28 Rn 6) - sowohl systematische als auch teleologische Gründe
gegen den Ausschluss eines ausländischen Ehegatten während der ersten drei Monate nach seiner Einreise zwecks Zuzugs zu einem
deutschen Ehegatten aus dem Leistungssystem nach dem SGB II. Ein solcher Leistungsausschluss würde, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, die wirtschaftliche Lebensgrundlage
des deutschen Ehepartners, der seinen Ehepartner trotz fehlender Unterhaltsfähigkeit während der ersten drei Monate nach seiner
Einreise unterhalten müsste, gefährden. Dabei ist die Wertentscheidung des
Grundgesetzes in Art.
6 Abs.
1 GG zu berücksichtigen, wonach es grundsätzlich allein den Ehepartnern zusteht, selbstverantwortlich und frei von staatlicher
Einflussnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen. Die freie Entscheidung beider
Eheleute, gemeinsam in der Bundesrepublik zu leben, verdient demnach besonderen staatlichen Schutz, falls einer der Ehepartner
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (BVerfG Beschluss vom 18.07.1979 - 1 BvR 650/77 - = juris Rn 33). Dieser besondere staatliche Schutz rechtfertigt nicht nur, die Zulässigkeit des Zuzugs eines ausländischen
Familienangehörigen zu einem deutschen Familienangehörigen ausländerrechtlich in der Regel nicht von einem Nachweis der Unterhaltssicherung
i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abhängig zu machen, sondern auch, dass ausländische Familienangehörige eines Deutschen unmittelbar nach ihrer Einreise in
das Leistungssystem des SGB II einbezogen werden. Der Gesetzesbegründung, wonach EU-Bürger, die als Familienangehörige eines Deutschen in die Bundesrepublik
einreisen, nicht von der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II erfasst sind (BT-Drs. 16/688 S. 13), ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber augenscheinlich davon ausgegangen ist, der Fall
des Nachzugs eines ausländischen Ehegatten zu seinem deutschen Ehegatten in die Bundesrepublik werde vom Leistungsausschluss
des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht erfasst. Denn eine Differenzierung zwischen ausländischen Ehegatten, die Unionsbürger sind, und denen, die Drittstaatenangehörige
sind, hat im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, insbesondere nicht im Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II.
Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Leistungsausschlüsse sind nicht ersichtlich. Der Kläger, vertreten durch seine Ehefrau
nach § 38 SGB II, hat am 12.02.2010 einen Leistungsantrag gestellt.
Demnach sind die Voraussetzungen für den Bezug einer Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II für die Zeit vom 14.02. bis 02.05.2010 sowie von anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Zeit vom 01.05. bis 02.05.2010 gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.