Gründe
I.
Streitig ist die Höhe einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Bereich der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die Antragsgegnerin bewilligte der seinerzeit in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Sohn lebenden Antragstellerin mit Bescheiden
vom 17.06.2011 und 28.07.2011 Leistungen nach dem SGB II bis einschließlich Dezember 2011.
Mit Bescheid vom 15.09.2011 hob die Antragsgegnerin diese Entscheidung für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis zum 31.12.2011
im Hinblick auf die Bewilligung einer Rente an die Antragstellerin und den eigenen Verdienst ihres Sohnes auf. Gegen diesen
Bescheid legte die Antragstellerin vertreten durch die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.09.2011 Widerspruch ein und
stellte am 17.11.2011 beim Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel, der Antragstellerin
wieder zu Leistungen nach dem SGB II zu verhelfen.
Das Sozialgericht hat die Beschwerdeführerin zur Vorlage von Kontenauszügen und Verdienstbescheinigungen aufgefordert, die
beigebracht worden sind.
Das Sozialgericht hat das Rechtsschutzbegehren für den Zeitraum bis zum 31.12.2011 als Antrag auf Herstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid vom 15.09.2011 i.S.v. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, für den Folgezeitraum
als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung i.S.v. §
86b Abs.
2 SGG angesehen und mit Beschluss vom 25.01.2012 abgelehnt, der Senat die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 04.04.2012
zurückgewiesen. Auf die Begründung beider Entscheidungen wird Bezug genommen.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27.01.2012 hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung einer Gesamtvergütung von 571,20 EUR
beantragt zusammengesetzt aus:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 460,00 EUR Pauschale Nr. 7022 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 91,20 EUR Summe: 571,20 EUR.
Mit Beschluss vom 31.01.2012 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts die zu zahlenden Gebühren und Auslagen
festgesetzt auf 327,25 EUR, zusammengesetzt aus:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 255,00 EUR Pauschale Nr. 7022 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 52,25 EUR Summe: 327,25 EUR.
Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 09.02.2012 Erinnerung eingelegt und den Ansatz einer Gebühr nach Nr.
3102 VV RVG im Umfang der Höchstgebühr für gerechtfertigt gehalten.
Mit Beschluss vom 28.02.2012, auf dessen Begründung im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht den Gebührenrahmen
nach Nr. 3103 VV RVG im Hinblick auf das parallel betriebene Widerspruchsverfahren gegen den Aufhebungsbescheid vom 15.09.2011 für einschlägig
und in diesem Gebührenrahmen die festgesetzte Gebühr für zutreffend gehalten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin an ihrer Meinung festhält, der Gebührenrahmen
sei Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.
Der Beschwerdegegner hat sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses angeschlossen.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere statthaft erhobene Beschwerde ist unbegründet.
Auch in Anbetracht des bei Stellung des Antrags auf Eilentscheidung des Sozialgerichts bereits aufgenommenen Widerspruchsverfahrens
bemisst sich die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Eilverfahren nach Nr. 3102 VV RVG und nicht nach Nr. 3103 VV RVG. Unter Berücksichtigung der § 14 RVG zu entnehmenden Kriterien sowie insbesondere auch des infolge des bereits laufenden Widerspruchsverfahrens auftretenden Synergieeffektes
ist die Höhe der festgesetzten Gebühr jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Nach Nr. 3102 VV RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, 40,00 EUR bis 460,00 EUR, die Mittelgebühr daher 250,00 EUR.
Nach Nr. 3103 VV RVG beträgt die Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG 20,00 EUR bis 320,00 EUR, die Mittelgebühr daher 170,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren,
der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Bei der Bemessung der Gebühr ist in
diesem Fall nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im
weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG stellt eine vorrangige Sondervorschrift zu Nr. 3102 VV RVG mit einem geminderten Gebührenrahmen dar (LSG NRW, Beschlüsse vom 16.05.2012 - L 19 AS 250/10 B, vom 16.12.2009 - L 19 AS 180/09 B, vom 22.08.2011 - L 19 AS 634/10 B; Beschluss des LSG Bayern vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO; Straßfeld in Jansen,
SGG, 3. Aufl. 2009, §
197 Rn. 40). Die Minderung trägt dem typisierend anzunehmenden Umstand Rechnung, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem
dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in Gestalt
einer Verringerung des Arbeitsaufwandes und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt (vgl. BT-Drs. 15/1971,
S. 212; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Nr. 3103 VV RVG, Rn. 3).
Ob dem Gesichtspunkt der Synergie bei zeitlicher Parallelität eines Verwaltungsverfahrens und eines nach dessen Einleitung
aufgenommenen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes durch Anwendung von Nr. 3103 VV RVG oder in anderer Weise, z.B. bei der Bemessung der Einzelgebühr im Rahmen von § 14 RVG Rechnung zu tragen ist, wird bislang nicht einheitlich gesehen:
Teilweise wird der zeitliche Gesichtspunkt des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens im Rahmen des Gebührentatbestandes
nach Nr. 3103 VV RVG in den Vordergrund gestellt und als ausreichend erachtet, dass ein behördliches Verfahren zeitlich vor dem einstweiligen
Rechtsschutzverfahren eingeleitet worden ist, der Rechtsanwalt also in einem zeitlich "früheren" behördlichen Verfahren, das
den gleichen Lebenssachverhalt zum Gegenstand hat, tätig gewesen ist (Beschluss des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B; Beschluss des LSG NRW vom 30.06.2011 - L 9 AS 1743/10 B; Beschluss des Bayerischen LSG vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS KO). Soweit in der Rechtsprechung alleine das Tätigwerden in einem Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren für die Anwendung des
Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG als ausreichend angesehen wird, bestehen allerdings differierende Auffassungen, ob das Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren
zum Zeitpunkt der Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits abgeschlossen gewesen sein muss, um den Anfall
des reduzierten Gebührenrahmens auszulösen (so Beschluss des LSG NRW vom 29.01.2007 - L 1 B 35/07 AS; a. A. Beschlüsse des LSG NRW vom 13.02.2009 - L 12 B 159/08 AS, des LSG Thüringen vom 24.11.2010 - L 6 SF 653/10 B).
Die den zeitlichen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellende Auffassung betont das Vorliegen eines Synergieeffektes für den
mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in allen Fällen, in denen er mit dem identischen Lebenssachverhalt bereits in einem
Verfahren befasst war.
Dieser Gesichtspunkt vermag jedoch zur Überzeugung des Senats die Anwendung des reduzierten Gebührenrahmens nach Nr. 3103
VV RVG nicht zu rechtfertigen, da das Ausmaß der im Einzelfall auftretenden Synergieeffekte ganz wesentlich davon abhängig ist,
welche Art eines Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens stattgefunden hat bzw. stattfindet, welcher Aufwand dort betrieben
wurde sowie, ob es sich um ein nachfolgendes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit vergleichbarem Charakter handelt.
Dieser im Interesse der Gebührengerechtigkeit zu fordernden Differenzierung kann innerhalb des Gebührentatbestandes nach Nr.
3103 VV RVG nicht hinreichend Rechnung getragen werden, denn schon nach seiner Formulierung ist bei der Bemessung der konkreten Einzelgebühr
nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der
Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahrens geringer ist (Beschluss des Senats vom 16.05.2012 - L 19 AS 250/10 B).
Zur Überzeugung des Senats liegt es bereits hiernach nahe, der wohl mittlerweile vorherrschenden Auffassung zu folgen, wonach
der verringerte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG anknüpfend an sein Tatbestandsmerkmal des "vorausgegangenen" Verwaltungsverfahrens auf die Fälle beschränkt bleibt, in denen
über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im "vorausgegangenen"
Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden Verfahren besteht, weil auch nur in diesem Fall die typisierende Annahme eines Synergieeffektes
berechtigt erscheint.
Nur die an eine Identität des Streitgegenstandes anknüpfende Betrachtung trägt auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung
zu der mit Nr. 3103 VV RVG im Ansatz vergleichbaren Regelung im Gebührentatbestand der Nr. 2401 VV RVG Rechnung.
Diese Regelung sieht, soweit derselbe Rechtsanwalt schon im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war, eine Reduzierung
des Gebührenrahmens der Geschäftsgebühr wegen der damit verbundenen Arbeitserleichterung für das Widerspruchsverfahren vor
(vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.08.2011 - 1 BvR 2473/10).
Ein Verwaltungsverfahren ist in diesem Sinne "vorausgegangen", wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung
und den Erlass eines Verwaltungsakts nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren und die Tätigkeit im
Widerspruchsverfahren auf einem identischen Verfahrensgegenstand beruhen.
Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens wird dabei einerseits vom
Regelungswillen der Behörde und andererseits vom Begehren des Antragstellers bestimmt (Urteil des BSG vom 25.02.2010 - B 11 AL 24/08 R und Beschluss des BSG vom 20.07.2011 - B 13 R 69/11 B; vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 16.05.2012 - L 19 AS 250/10 B).
Den Hintergrund der Gebührenabsenkung bildet damit im Rahmen von Nr. 2401 VV RVG die Grundannahme, dass (nur) bei Identität des Streitgegenstandes auch ohne Weiteres von einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes
für den Bevollmächtigten auszugehen ist.
Diese Grundannahme ist zur Überzeugung des Senats auf die vergleichbare Regelung des Nr. 3103 VV RVG übertragbar mit der Konsequenz, dass eine Anwendung in nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ganz regelmäßig
ausscheidet, weil auch die Streitgegenstände unterschiedlich sind.
In auf Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist über die im vorausgehenden Verwaltungsverfahren streitgegenständliche
Frage des materiell-rechtlichen Anspruches (Anordnungsanspruch) hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich,
ob ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt (z.B. Beschluss des LSG NRW vom
16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS); in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels
begehrt wird (§
86b Abs.
1 SGG) tritt zur Auseinandersetzung mit dem materiell-rechtlichen Anspruch die erforderliche Interessenabwägung hinzu (z.B. Beschluss
des LSG NRW vom 31.10.2011 - L 6 AS 851/10 B).
Allen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemein ist zudem der verfolgte Zweck einer vorläufigen Sicherung oder Gewährung
von Leistungen, der häufig nicht mit dem im Hauptsacheverfahren verfolgten Anspruch übereinstimmt und insoweit einen abweichenden
Streitgegenstand darstellt (LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS).
Im Grundsatz weisen somit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig von vorausgehenden Verwaltungsverfahren abweichende
Streitgegenstände auf. Die der Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG typisierend zugrundegelegte Erwartung eines Synergieeffektes in gleichfalls typisierend feststellbarem Umfang ist daher regelmäßig
nicht gerechtfertigt.
Der Senat schließt sich daher der mittlerweile wohl vorherrschenden Auffassung an, wonach auch bei einem bereits zuvor eingeleiteten
oder sogar abgeschlossenen Verwaltungsverfahren im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Gebührenrahmen
aus Nr. 3103 VV RVG keine Anwendung findet, vielmehr im Rahmen der Gebührenbemessung nach Nr. 3102 VV RVG das Ausmaß konkret aufgetretener Synergien bei der Bemessung der Einzelgebühr nach § 14 RVG zu berücksichtigen ist (insbesondere Beschlüsse des LSG NRW vom 20.07.2011 - L 16 AL 103/10 B, vom 16.01.2012 - L 2 AS 257/10 B; ).
Nach Vorstehendem nicht abschließend beantwortet, hier jedoch nicht zu entscheiden ist die Frage, ob der reduzierte Gebührenrahmen
nach Nr. 3103 VV RVG dann anzuwenden ist, wenn dem gerichtlichen Eilverfahren ein behördliches Eilverfahren gem. §
86a Abs.
3 SGG vorausgegangen ist (Müller-Raabe, a.a.O., Rn. 4).
Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr ist daher im vorliegenden Rechtsstreit Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.
Nach dem Wirksamwerden der Beiordnung hat die Beschwerdeführerin sich schriftlich am Verfahren beteiligt, so dass eine Verfahrensgebühr
nach Nr. 3102 Anl. 1 VV RVG entstanden ist. Der Gebührenrahmen hierfür beträgt 40,00 EUR bis 460,00 EUR.
Innerhalb dieses Rahmens bestimmt die Prozessbevollmächtigte als beigeordnete Rechtsanwältin nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs
und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers und ihres besonderen
Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG).
Die Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). In diesem Fall ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt/die
Rechtsanwältin zu prüfen.
Der vorliegend gewählte Ansatz einer Höchstgebühr im Rahmen des Nr. 3102 VV RVG i.H.v. 460,00 EUR ist unbillig.
Die Höchstgebühr ist - worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - gerechtfertigt in Fällen, in denen sämtliche
oder nahezu sämtliche Kriterien nach § 14 RVG überdurchschnittlich ausgeprägt vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr ist im konkreten Einzelfall von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall
als billige Gebühr zugrundezulegen ist. Unter einem Normalfall ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts
unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt (BSG im Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R).
Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Bei Abweichung
von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit
einer solchen angesetzten Gebühr wird ein Toleranzrahmen von bis zu 20 % akzeptiert (BSG a.a.O.).
Nach wertender Gesamtbetrachtung handelt es sich zur Überzeugung des Senats allenfalls um einen durchschnittlichen, eher um
einen unterdurchschnittlichen Fall, verglichen jedenfalls mit Hauptsacheverfahren der Sozialgerichte, auf die der Gebührenrahmen
nach § 3102 VV RVG zugeschnitten ist.
Der Senat folgt hierbei nicht der Auffassung, dass in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich eine auf 2/3
reduzierte Mittelgebühr zugrundezulegen ist. Eine solche generelle Minderung des Gebührenrahmens sieht das VV RVG nicht vor (zuletzt Beschluss des Senats vom 25.05.2012 - L 19 AS 449/12 B m.w.N.).
Der Charakter des vorliegenden Verfahrens als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wirkt sich jedoch im Rahmen der Bestimmung
der Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin i.S.v. § 14 RVG aus.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin ist unterdurchschnittlich gewesen. Bei der Beurteilung der Bedeutung
einer Angelegenheit ist auf die unmittelbare tatsächlich, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung
für den Auftraggeber, nicht für die Allgemeinheit abzustellen.
Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum eines Auftraggebers sichern, in der Regel
überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, denen die erheblich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Antragstellerin kompensierend gegenüberstehen. Bis dahin könnte die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin
noch als durchschnittlich, eine Mittelgebühr daher alleine unter diesem Aspekt für gerechtfertigt angesehen werden. Unter
weiterer Berücksichtigung des Verfahrenscharakters als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss jedoch von einer unterdurchschnittlichen
Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin ausgegangen werden.
Vorliegend ist lediglich die vorläufige Bewilligung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes streitig gewesen. Dies ist
mindernd bei der Frage der Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung auch des Senats z.B. im
Beschluss vom 25.05.2012 a.a.O.). Für unterdurchschnittliche Bedeutung spricht zudem, dass das Grundeinkommen der Antragstellerin
in Gestalt von Erwerbseinkommen und Renteneinkommen vorlag, Leistungen nach dem SGB II nur ergänzend in Betracht kamen.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Antragsverfahren wäre ohne Berücksichtigung des Synergieeffektes aus dem parallelbetriebenen
Widerspruchsverfahren gerade noch als durchschnittlich anzusehen. Bei der Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit
ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er objektiv auch auf
die Sache verwenden musste, zu würdigen. Dabei ist der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand, den die Beschwerdeführerin im Verfahren
aufgewendet hat, in die Beurteilung mit einzubeziehen. Die Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Verfahren mehrere Schriftsätze
gefertigt und von der Antragstellerin beschaffte Unterlagen vorgelegt.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin ist unterdurchschnittlich gewesen. Im konkreten Verfahren
ist sie im Vergleich zu Tätigkeiten in sonstigen Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beurteilen. Dabei
sind die qualitativen Anforderungen an die Tätigkeit im konkreten Fall zu berücksichtigen, wobei nicht auf die subjektive
Einschätzung des Rechtsanwalts, insbesondere nicht auf dessen Vorkenntnisse abzustellen ist (BSG im Urteil vom 01.07.2009 a.a.O.). Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im vorliegenden Rechtsstreit erschöpfte sich im Tatsachenvortrag
und in der Vorlage erbetener Unterlagen. Eine juristische Tätigkeit im engeren Sinne hat nicht stattgefunden.
Die mehrfach aufgestellte Behauptung, Einkünfte der Antragstellerin und ihres Sohnes seien auf Leistungsansprüche der Antragstellerin
nach dem SGB II nicht anrechenbar, wurde jeweils ohne Begründung und insbesondere auch ohne Auseinandersetzung mit der inzwischen reichhaltigen
Kommentierung und Rechtsprechung des BSG aufgestellt.
Unter weiterer Berücksichtigung des wegen der parallelen Befassung im Widerspruchsverfahren aufgetretenen Synergieeffektes
sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im vorliegenden Verfahren unterdurchschnittlich gewesen.
Ein besonderes Haftungsrisiko der Beschwerdeführerin ist nicht erkennbar.
Bei Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG, insbesondere auch der Tatsache, dass alleine unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Herabbemessung
der Mittelgebühr bereits hätten rechtfertigen können (vgl. BSG a.a.O.) hielte der Senat den Ansatz einer geringeren Gebühr als der Mittelgebühr für gerechtfertigt.
Der Gebührenansatz des Sozialgerichts liegt noch darüber und unterliegt wegen des im Beschwerdeverfahren nach dem RVG geltenden Verschlechterungsverbots (Verbot der reformatio in peius) nicht der Korrektur.
Die Gebührenansätze im Übrigen sind weder dem Grunde nach noch arithmetisch zu beanstanden.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 RVG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).