Gründe
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der zuvor von dem Sozialgericht bewilligten Prozesskostenhilfe durch Beschluss
des Sozialgerichts Aachen vom 5.8.2021.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen ist statthaft.
Nach §
172 Abs.
3 Nr.
2a SGG ist die Beschwerde zwar ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen oder
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Das Sozialgericht hat zutreffend angenommen, dass die
in Rede stehende Mitgliedschaft des Klägers im VdK und das damit verbundene Recht auf eine kostenlose Prozessvertretung für
Mitglieder als Vermögen zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe zählt (vgl. BSG, 12.3.1996 - 9 RV 24/94 -, LSG NRW, 29.1.2015 - L 9 AL 316/14 B -).
Bei der Aufhebung nach §
124 ZPO handelt es sich aber nach gefestigter, allerdings nicht unumstrittener Rechtsprechung und h.M. der Literatur nicht um eine
Ablehnung gemäß §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG (siehe die Darstellung des Streitstandes bei Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, §
172, Stand: 14.9.2021, Rn. 165 ff.). Dem schließt der Senat sich an. Insbesondere ist die, im Vergleich zur Bewilligung auch
gesondert geregelte, Aufhebung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe mit einer Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages
qualitativ nicht vergleichbar, weil die Aufhebung zum Entzug einer eingeräumten Rechtsposition führt. Eine andere Bewertung
ist auch im Vergleich zur Rechtslage bei Änderung einer bewilligten Prozesskostenhilfe, die vom Beschwerdeausschluss umfasst
ist, nicht angezeigt. Das Verfahren zur Abänderung nach §
120a ZPO ist verfahrensrechtlich Teil des Bewilligungsverfahrens. Es verbleiben bei der Änderung auch die wesentlichen mit der Bewilligung
der Prozesskostenhilfe verbundenen Rechtsfolgen des §
122 ZPO, während sie bei der Aufhebung entfallen (zum Gesamten: Karl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, §
172 SGG, Stand: 14.9.2021, Rn. 168).
Die statthafte Beschwerde ist auch begründet.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung verfahrensfehlerhaft aufgehoben, denn es hat bei seiner Aufhebungsentscheidung nicht
geprüft, ob ihm aufgrund eines besonders gelagerten Einzelfalls gerichtliches Ermessen eröffnet ist. Nach §
124 Abs.
1 ZPO "soll" die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die dort genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Es handelt sich dabei - anders als in der Vorgängerfassung - um eine gebundene Ermessensentscheidung (Schultzky in: Zöller,
ZPO, 2022, §
124 ZPO, Rn. 4). Im Grundsatz ist danach eine Aufhebung geboten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass in atypisch gelagerten Einzelfällen
ausnahmsweise von einer Aufhebung abzusehen ist (BT-Drucksache 17/11472, S. 34: "Nicht auszuschließen ist allerdings, dass
die völlige Aufhebung gerichtlicher Spielräume in besonders gelagerten Einzelfällen zu unangemessenen Ergebnissen führen könnte.";
Fischer in: Musielak/Voit,
ZPO, 2021, §
104 Rn. 2). Anhaltspunkte dafür, dass das Sozialgericht eine eventuelle Atypik geprüft hat, sind nicht erkennbar. Es fehlen bereits
Hinweise darauf, dass das Sozialgericht erkannt hat, dass Grundlage der Aufhebung §
124 ZPO ist.
Die hier gebotene, aber unterbliebene Prüfung kann in der Rechtsbehelfsinstanz nicht nachgeholt werden. Der Beschluss vom
5.8.2021 war daher aufzuheben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§
73a SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
Der Beschluss ist unanfechtbar, §
177 SGG.