Kein Wechsel einer vorzeitigen mit Abschlägen in Anspruch genommenen Altersrente für langjährig Versicherte in eine abschlagsfreie
Rente für besonders langjährig Versicherte
Eintreten der Anspruchsvoraussetzungen für eine begehrte abschlagsfreie Rente erst nach der Bewilligung und während des Bezugs
der abschlagsbehafteten Rente
Verfassungskonformität des Wechselausschlusses
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aus dem laufenden Bezug einer vorzeitigen, mit Abschlägen in Anspruch genommenen
Altersrente für langjährig Versicherte nach §
236 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI wechseln kann.
Der am 00.00.1941 geborene Kläger beantragte am 29.07.2004 bei der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte wegen
Vollendung des 63. Lebensjahres. Hierzu reichte er unter anderem den von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Vordruck R240
ein. Der Vordruck enthielt folgenden Hinweis:
"Eine vorzeitige Inanspruchnahme der jeweiligen Altersrente (frühestens ab Vollendung des 60. oder 63. Lebensjahres) ist möglich;
die monatliche Rente fällt dann jedoch - zeitlich unbegrenzt - für jeden vorgezogenen Monat um 0,3 % niedriger aus."
Der Kläger beantragte einen Altersrentenbeginn am 01.12.2004 mit einer Rentenminderung von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen
Inanspruchnahme.
Mit Bescheid vom 08.09.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Zugrundelegung von 584 Monaten Beitragszeit antragsgemäß
eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.12.2004. Bei der Berechnung nahm sie aufgrund der Inanspruchnahme der
Rente zwölf Monate vor Erreichen der Regelaltersrente einen Abschlag auf den Zugangsfaktor um 0,036 auf 0,964 vor. Der Bescheid
ist bestandskräftig geworden.
Während des laufenden Altersrentenbezugs beantragte der Kläger am 24.05.2014 bei der Beklagten, den Rentenbescheid gemäß §
48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben und im Sinne der geänderten rechtlichen Verhältnisse neu zu erlassen. Er verwies hierzu auf eine zum 01.07.2014
in Kraft tretende Änderung des Renteneintrittsalters bei Zurücklegung von mindestens 45 Beitragsjahren.
Die Beklagte deutete diesen Antrag als einen Antrag auf Gewährung einer Rente für besonders langjährig Versicherte und damit
als einen Antrag auf einen Wechsel der Rentenart. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom
22.07.2014 mit der Begründung ab, nach §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI sei es ausgeschlossen, von einer bindend bewilligten und bereits bezogenen Altersrente in eine andere Altersrente zu wechseln.
Hiergegen legte der Kläger am 31.07.2014 Widerspruch ein und führte aus, mit Einführung des §
236b SGB VI sei eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen im Sinne von § 48 SGB X eingetreten mit der Konsequenz, dass der Bescheid über Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres
mit Ablauf des 30.06.2014 aufzuheben und die ab dem 01.07.2014 mit Rechtsanspruch ausgestattete, ungekürzte Altersrente mit
Dauerwirkung mit Neubescheid zu gewähren sei. §
34 Abs.
4 SGB VI könne auf den neu eingeführten §
236b SGB VI nicht angewandt werden. Eine andere Auslegung des Gesetzes würde den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen. Außerdem hätte
in seinem letzten Rentenbescheid vom 03.05.2010 ein ausdrücklicher Hinweis auf §
34 Abs.
4 SGB VI erfolgen müssen. Dies wäre dann möglicherweise Anlass gewesen, auf die vorzeitige Inanspruchnahme der bisher bezogenen Rente
zu verzichten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2014 zurück, weil gemäß §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen sei. Diese
Regelung solle sicherstellen, dass Versicherte, die sich bereits für eine Altersrente entschieden haben, nicht mehr in eine
andere Rente wechseln könnten. Der Ausschluss gelte auch in den Fällen, in denen sich durch einen Wechsel zum Beispiel von
einer Altersrente in eine andere Altersrente ein günstigerer Zugangsfaktor ergebe. Der Gesetzgeber habe eine eindeutige Regelung
getroffen, welche der Rentenversicherungsträger entsprechend umzusetzen habe. Ferner bestünde auch keine Hinweispflicht i.S.d.
§
115 Abs.
6 SGB VI dahingehend, dass kein Wechsel in eine andere Altersrente stattfinden könne, da es sich um eine eindeutige gesetzliche Vorschrift
handele, die auch im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 21.11.2014 Klage erhoben. Der Rentenbescheid leide bereits unter einem formellen Fehler, da in
ihm §
34 Abs.
4 SGB VI nicht genannt sei. Die Vorschrift könne daher auch keine Rechtswirkung entfalten. Sein Grundrecht auf Gleichbehandlung nach
Art.
3 des
Grundgesetzes (
GG) sei verletzt, wenn er als sogenannter "Bestandsrentner" die neu eingeführte Rente nicht in Anspruch nehmen könne.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 22.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 aufzuheben, hilfsweise die Nichtigkeit des
Bescheides vom 22.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Das Verfahren hat im Einverständnis mit den Beteiligten im Hinblick auf ein Verfahren vor dem 3. Senat des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen (L 3 R 620/15) geruht (Beschluss des Sozialgerichts (SG) vom 01.09.2015). Auf Antrag des Klägers mit Schriftsatz vom 20.06.2016 hat das SG das Verfahren wiederaufgenommen und mit Urteil vom 02.11.2016 die Klage abgewiesen. Zwar habe der Kläger zum streitigen Zeitpunkt
am 01.07.2014 die Voraussetzungen für die Rentengewährung nach §§
38,
236b SGB VI erfüllt. Nach diesen Vorschriften könnte er auch eine abschlagsfreie Rente beziehen. Aufgrund des bereits bestehenden Altersrentenbezuges
nach §
236 SGB VI sei aber ein Wechsel in eine andere Rentenart wegen §
34 Abs.
4 SGB VI ausgeschlossen. Ein Wechsel i. S. d. §
34 Abs.
4 SGB VI liege immer dann vor, wenn sich für die neu begehrte Rente ein späterer Rentenbeginn ergeben würde als für die bereits bezogene
Rente.
Der Kläger beziehe seit 2004 eine Altersrente für langjährig Versicherte und begehre nun eine Umstellung der bisherigen Rente
in eine Altersrente, nämlich in die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Da der Kläger hier die begehrte abschlagsfreie
Rente für besonders langjährig Versicherte nach den Voraussetzungen des §
38 SGB VI erst zum 01.12.2006 und nach den Voraussetzungen des §
236b SGB VI erst nach dessen Inkrafttreten zum 01.07.2014 hätte in Anspruch nehmen können, stelle die begehrte Umwandlung der bisherigen
Rente in eine abschlagsfreie Rente einen Wechsel der Rentenart i. S. d. §
34 Abs.
4 SGB VI dar. Die Voraussetzungen des §
34 Abs.
4 SGB VI seien demnach erfüllt, sodass der begehrte Wechsel grundsätzlich ausgeschlossen sei.
Das SG hatte auch keine Zweifel an der Anwendbarkeit des §
34 Abs.
4 SGB VI auf die vorliegende Fallkonstellation. Mit §
236b SGB VI sei kein gänzlich neuer Rententatbestand geschaffen worden, sondern es seien lediglich die in §
38 SGB VI normierten Anspruchsvoraussetzungen, die bereits eine Rente wegen besonders langjähriger Versicherung vorsahen, modifiziert
worden (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, L 7 R 5354/14; O‘ Sullivan in juris-PK-
SGB VI §
236b Rn. 10). Daher sei §
34 Abs.
4 SGB VI ebenso auf §
236b SGB VI anzuwenden wie auf den bereits zuvor bestehenden §
38 SGB VI. Dies sei auch die logische Konsequenz daraus, dass der Gesetzgeber bewusst trotz der Einführung der Übergangsregelung des
§
236b SGB VI die Vorschrift des §
34 Abs.
4 SGB VI unverändert gelassen habe. Die Sperrregelung des §
34 Abs.
4 SGB VI sei gerade nicht angepasst worden, sodass nach dem Gesetzgebungsverfahren gerade nicht davon ausgegangen werden könne, dass
eine Anwendung des §
34 Abs.
4 SGB VI auf die Rente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI ausgeschlossen sein solle (Hinweis auf LSG Rheinland Pfalz, Urteil vom 12.08.2015, L 6 R 114/15; O‘ Sullivan in juris-PK
SGB VI §
236b Rn. 10; Gürtner in Kassler Kommentar, §
236b SGB VI Rn. 3). Weder aus der Gesetzessystematik noch aus dem Zweck der Vorschrift könne entnommen werden, dass §
236b SGB VI von der Wirkung des §
34 Abs.
4 SGB VI ausgenommen werden solle. Es lasse sich nicht begründen, warum Bestandsrentner, die nun eine Rente nach §
236b SGB VI in Anspruch nehmen wollten, gegenüber anderen Altersrentenbeziehern, denen die Umwandlung ihrer Rente in eine andere, für
sie günstigere Rente ebenfalls wegen §
34 Abs.
4 SGB VI nicht möglich sei, begünstigt werden sollten (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, L 7 R 5354/14).
§
34 Abs.
4 SGB VI solle möglichen Ausweichreaktionen entgegenwirken (so Gürtner in Kassler Kommentar, §
34 SGB VI Rn. 50 unter Hinweis auf BT-Drs. 13/4336 S. 22). Versicherte, die sich für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente entschieden
hätten, hätten sich durch eine bewusste Entscheidung dauerhaft vom (Vollzeit-) Arbeitsmarkt abgewandt. Einerseits solle für
diese Personen sichergestellt werden, dass sie dauerhaft Bezieher dieser Leistungen bleiben können, andererseits sollten im
Gegenzug dazu dann auch Dispositionen zu Lasten der Versichertengemeinschaft über §
34 Abs.
4 SGB VI ausgeschlossen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, L 7 R 5354/14). Wer sich bewusst für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben entscheide und zu einem frühen Zeitpunkt - wenn auch
mit Abschlägen - Rentenleistungen in Anspruch nehmen wolle, solle nicht später in gleichem Maße eine abschlagsfreie Rente
in Anspruch nehmen können wie die Personen, die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze im Erwerbsleben gestanden hätten.
Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, §
236b SGB VI nicht auf Bestandsrentner anzuwenden. Art.
3 GG sei nicht verletzt. Es liege schon keine vergleichbare Gruppe von Normadressaten vor. Personen, die bereits eine Rente beziehen,
und solche, die noch keine Rente in Anspruch genommen haben, unterschieden sich durch das Differenzierungsmerkmal des Rentenbezugs,
so dass der Schutzbereich des Art.
3 GG bereits nicht eröffnet sei. Selbst wenn man aber unter dem Begriff der Rentenberechtigten eine vergleichbare Gruppe von Normadressaten
sähe, sei die Ungleichbehandlung von dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und dem gesetzgeberischen Zweck verfassungsrechtlich
gedeckt. Dem Gesetzgeber sei die Einführung sogenannter Stichtagsregelungen zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte nicht
verwehrt. Im Hinblick auf die Sicherstellung der Finanzierbarkeit und der Funktionsfähigkeit des Systems könne der Gesetzgeber
darauf verzichten, die bereits abgeschlossenen Rentenvorgänge der Bestandsrentner aufzunehmen und diese in die ohnehin nur
zeitlich begrenzte Privilegierung (Geburtsjahrgänge bis 1964) einzubeziehen.
Der Kläger könne auch keinen Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente aus der Tatsache herleiten, dass die Beklagte weder im
Rentenbescheid noch in vorangegangenen Auskünften ausdrücklich auf §
34 Abs.
4 SGB VI hingewiesen habe. Dadurch allein sei die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht ausgeschlossen.
Es ergebe sich auch kein Anspruch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Zu beachten sei, dass die Beklagte über
die konkrete Möglichkeit, später noch eine Rente nach §
236b SGB VI beziehen zu können, im Zeitpunkt der Beratung im Jahr 2004 noch gar keine Auskunft habe geben können, da §
236b SGB VI zum damaligen Zeitpunkt noch nicht existiert habe. Auch die Möglichkeit für den Kläger, eine andere, für ihn günstigere Altersrente
beziehen zu können, sei seinerzeit nicht gegeben gewesen. Somit habe für die Beklagte kein den Anwendungsbereich des Herstellungsanspruchs
eröffnender Beratungsanlass bestanden. Darauf, dass bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Rente die Abschläge bestehen blieben,
habe die Beklagte den Kläger überdies hingewiesen. Dennoch habe dieser sich bewusst dafür entschieden, nicht zwei Jahre abzuwarten
und die abschlagsfreie Rente in Anspruch zu nehmen, sondern bewusst und in Kenntnis der Folgen die Rente unter Inkaufnahme
der Abschläge in Anspruch zu nehmen. Ohnehin habe es der Kläger selbst in der Hand gehabt, eine abschlagsfreie Rente zu beziehen,
indem er auf die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Rente verzichtet hätte. In Kenntnis der Tatsachen habe er genau dies nicht
getan und den Rentenbezug mit Abschlägen in Kauf genommen. Dies habe er auch in Kenntnis dessen getan, dass die Abschläge
durch die vorzeitige Inanspruchnahme dauerhaft bestehen blieben. Der Kläger habe demnach die Minderung der Rente durch Abschläge
durch sein eigenes Verhalten verursacht. Nicht ein eventueller Beratungsfehler - der vom Gericht nicht gesehen werde -, sondern
die freie Entscheidung des Klägers selbst, vorzeitig in Rente zu gehen, hätte somit die Minderung verursacht. Der Kläger habe
gerade nicht in Unkenntnis darüber, dass ihm alsbald eine ungeminderte Rente zustehen würde, eine Disposition getroffen, sondern
er habe bewusst auf die abschlagsfreie Rente verzichtet. Es erscheine daher auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nun
angebe, bei einem Hinweis auf §
34 Abs.
4 SGB VI in dem Bescheid hätte er sich eventuell veranlasst gesehen, auf die vorzeitige Inanspruchnahme zu verzichten.
Hinsichtlich des Hilfsantrags des Klägers sei die Klage bereits unzulässig. Die Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sei bereits aufgrund des Vorrangs der Anfechtungs- und Leistungsklage unzulässig.
Gegen dieses ihm am 16.11.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.11.2016 eingelegte Berufung des Klägers, mit der
er an seiner bereits vor dem SG vertretenen Rechtsauffassung festhält und nunmehr ergänzend rügt, die Beklagte habe ihn vor Erlass des streitgegenständlichen
Bescheids gemäß § 24 SGB X anhören müssen, weshalb die angefochtenen Bescheide bereits formell unrechtmäßig seien.
Der Kläger beantragt,
die Nichtigkeit des Ablehnungsbescheides vom 22.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 festzustellen
und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.11.2016 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag vom
24.05.2014 entsprechend neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.
Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 04.11.2014 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 S. 1
SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte
nach §
236b SGB VI ab dem 01.07.2014 anstatt der ihm von der Beklagten seit dem 01.12.2004 mit Abschlägen gewährten Altersrente für langjährig
Versicherte nach §
236 SGB VI.
Der von dem - anwaltlich unvertretenen - Kläger in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 26.01.2018 unter Bezugnahme auf
seine Berufungsschrift vom 22.11.2016 gestellte Antrag ist im Hinblick darauf, dass gemäß §
123 SGG das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, dahingehend
auszulegen, dass der Kläger begehrt, die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 02.11.2016 und unter
Aufhebung des Bescheides vom 22.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 zu verurteilen, ihm ab dem
01.07.2014 statt der bis dahin gewährten Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen nach §
236 SGB VI eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Hierauf hat der Kläger keinen Anspruch, weshalb die Berufung zurückzuweisen
war.
Durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz)
vom 23.06.2014 (BGBl. I, S. 787, 788) wurde §
236b SGB VI mit Wirkung zum 01.07.2014 eingeführt. Danach haben Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch
auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt haben.
Einen Anspruch auf diese vom Kläger begehrte Rentenart besteht nicht. Zwar erfüllt er am 01.07.2014 nach dem Wortlaut des
§
236b SGB VI dessen Voraussetzungen. Der Kläger ist vor dem 01.01.1964 geboren und hat zum 01.07.2014 sowohl das 63. Lebensjahr vollendet
als auch mit 584 Beitragsmonaten die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt. Da er auch bis zum 31.12.1952 geboren ist, wird die
Altersgrenze für ihn nicht angehoben.
Allerdings steht der Inanspruchnahme dieser Rente die Regelung des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI entgegen. Denn gemäß dieser Vorschrift ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere
Rente wegen Alters ausgeschlossen. Mit §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI hat der Gesetzgeber allgemeine Voraussetzungen für das Bestehen und den Wechsel von Altersrentenansprüchen aufgestellt. Diese
Norm verwehrt die Bewilligung der begehrten vorgezogenen Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend mit dem
01.07.2014 dann, wenn bereits vorher eine andere Altersrente bindend bewilligt war. Der sachliche Anwendungsbereich des §
34 Abs.
4 SGB VI ist ebenso eröffnet (1.) wie der persönliche Anwendungsbereich (2.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung
bestehen nicht (3.). Auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann der Kläger nichts für sein Begehren herleiten,
da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (4.).
1. §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI ist anwendbar. Er erfasst sachlich einen (begehrten) Wechsel aus einer Altersrente mit Abschlägen gemäß §
236 SGB VI in eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI. Denn beide Renten sind jeweils eine "Rente wegen Alters" i.S.d. §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI.
Im Zusammenhang mit der Einführung des §
236b SGB VI hat der Gesetzgeber zudem weder eine Änderung des §
34 Abs.
4 SGB VI normiert noch explizit bestimmt, dass diese Norm auf eine nach §
236b SGB VI zu gewährende Altersrente keine Anwendung finden soll.
Auch im Regelungskontext des §
77 SGB VI (Bestimmung des Zugangsfaktors) sowie der §§
306 ff.
SGB VI (Vorschriften über die Rentenhöhe bei Rechtsänderung) hat der Gesetzgeber keine besonderen Bestimmungen für die hier im Streit
stehende Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß §
236b SGB VI geschaffen.
Die Regelung über den Zugangsfaktor in §
77 SGB VI flankiert die mit dem Rentenreformgesetz 1992 zur Kosteneinsparung in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnene Anhebung
der Altersgrenzen für den Bezug von vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten. "Wegen der sonst entstehenden Vorfinanzierungskosten"
sollte ein Rentenbezug vor den geltenden Altersgrenzen grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die dennoch weiter bestehende
Möglichkeit, eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wurde durch Einführung eines altersabhängig abgesenkten Zugangsfaktors
mit Rentenabschlägen verbunden. Diese Abschläge sollten grundsätzlich für die gesamte Rentenlaufzeit gelten (hierzu Gesetzentwurf
der Fraktion CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drs. 11/4124, S. 144). Als Fälle einer späteren Änderung des Zugangsfaktors zugunsten
der Versicherten bzw. ihrer Hinterbliebenen wurden in der Entwurfsbegründung nur der Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
bzw. des Todes vor dem 65. Lebensjahr erwähnt (hierzu BT-Drs. 11/4124, S. 172 zu Art. 1 § 76 des Entwurfs). Darüber hinaus
wurde auch auf die angestrebte Flexibilisierung des Renteneintritts durch Teilrenten hingewiesen, die sich bei vorzeitiger
Inanspruchnahme nur durch eine anteilige Minderung des Zugangsfaktors auf die spätere Vollrente auswirken sollten (BT-Drs.
11/4124, S. 144 f; zum Ganzen: BSG, Urteil vom 13.12.2017, B 13 R 13/17 R, Rn. 28 juris).
Beim Kläger ist jedoch weder eine Erwerbsminderung eingetreten, noch ist er vor dem 65. Lebensjahr verstorben. Auch steht
kein Teilrentenbezug in Rede, so dass der Kläger aus §
77 SGB VI nichts für sein Begehren herleiten kann. Bei vorgezogenen Altersrenten ist gemäß §
77 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2a SGB VI vielmehr der dargestellte Abschlag vorzunehmen.
Dies verdeutlicht den mit §
77 SGB VI verfolgten Regelungszweck. Danach soll die mit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente verbundene längere Rentenbezugsdauer
durch einen Zugangsfaktor kleiner als 1,0 ausgeglichen werden, damit aus einem vorzeitigen Rentenbezug kein finanzieller Vorteil
gegenüber anderen Versicherten entsteht, die eine Rente nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig in Anspruch
nehmen (BSG, a.a.O, Rn. 35 m.w.N).
Genau einen solchen Vorteil würde der Kläger aber erlangen, wenn er zunächst die abschlagsbehaftete Rente für langjährig Versicherte
nach §
236 SGB VI beziehen und dann in die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI wechseln könnte.
Überdies hätte der Gesetzgeber, wenn er die Anwendbarkeit des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI auf die hier im Streit stehende Konstellation des begehrten abschlagsfreien Wechsels von einer Altersrente nach §
236 SGB VI in einer Altersrente nach §
236b SGB VI hätte ausschließen wollen, solches insbesondere in den §§
306 ff.
SGB VI regeln können. Dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit gehabt und gleichwohl von ihr keinen Gebrauch gemacht hat, zeigt sich
insbesondere daran, dass er zeitgleich mit der Einführung des §
236b SGB VI eine Vorschrift für die sogenannte Mütterrente in Artikel 1 Nr. 15 des Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetzes normiert hat. Für diese hat der Gesetzgeber nämlich - im Zusammenhang
mit der Festlegung der persönlichen Entgeltpunkte - in §
307b SGB VI für Bestandsrentner eine Ausnahme zu der Grundsatzregelung des §
306 Abs.
1 SGB VI zur Rentenhöhe bestimmt, wonach aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrundeliegenden persönlichen Entgeltpunkte
nicht neu bestimmt werden. Gemäß §
307d SGB VI beträgt der Zuschlag für jedes vor dem 01.01.1992 geborene Kind ab dem 01.07.2014 einen persönlichen Entgeltpunkt, auch wenn
bereits am 30.06.2014 Anspruch auf eine Rente bestand. Insofern kann mithin auch keine unbewusste Regelungslücke angenommen
werden, die der Anwendbarkeit des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI entgegenstehen könnte. (so auch bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.10.2016, L 14 R 536/16, Rn. 28 juris).
Der sachliche Anwendungsbereich des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI ist deshalb eröffnet.
2. Der persönliche Anwendungsbereich des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI ist ebenfalls eröffnet.
Die Beklagte hat dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte nach §
236 SGB VI ab dem 01.12.2004 mit Bescheid vom 08.09.2004 bestandskräftig und damit bindend bewilligt. Der Kläger hat diese Altersrente
seit dem 01.12.2004 auch tatsächlich bezogen; er bezieht sie weiterhin.
Der Kläger begehrt ferner einen Wechsel der Rentenart. Ein Wechsel im Sinne des §
34 Abs.
4 SGB VI liegt immer dann vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte abschlagsfreie Rente erst nach der Bewilligung und
während des Bezugs der abschlagsbehafteten Rente eingetreten sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.10.2016, a.a.O,
Rn. 27; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.08.2015, a.a.O, Rn. 22 juris). Ein solcher Wechsel liegt hier vor. Da §
236b SGB VI zum 01.07.2014 in Kraft getreten ist, konnten dessen Voraussetzungen erstmals zu diesem Zeitpunkt - und somit signifikant
nach dem Bewilligungs- und Bezugsbeginn der abschlagsbehafteten Altersrente des Klägers am 01.12.2004 - erfüllt werden. Mit
seinem am 24.05.2014 gestellten Antrag begehrt der Kläger eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte
beginnend mit dem frühestmöglichen Zeitpunkt ab Inkrafttreten des §
236b SGB VI zum 01.07.2014. Die ihm bereits bewilligte abschlagsbehaftete Altersrente für langjährig Versicherte gemäß §
236 SGB VI möchte er nur bis zum 30.06.2014 beziehen und begehrt somit ab dem 01.07.2014 einen Wechsel in eine andere Rente wegen Alters
im Sinne des §
34 Abs.4 Nr. 3
SGB VI, der nach der genannten Vorschrift jedoch ausgeschlossen ist, wie die Beklagte und das SG zu Recht festgestellt haben.
An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger meint, es liege kein Wechsel der Rentenart vor,
sondern das Inkrafttreten des §
236b SGB VI zum 01.07.2014 bewirke eine wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB X. Denn hierbei handelt es sich lediglich um eine unzutreffende rechtliche Würdigung des Klägers. Auch einer Anhörung vor Erlass
des ablehnenden Bescheides vom 22.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2014 bedurfte es entgegen der
Auffassung des Klägers nicht. Gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ist eine Anhörung nur erforderlich, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift. Mit
den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte jedoch lediglich den Erlass eines begehrten begünstigenden Verwaltungsakts abgelehnt
und nicht in bestehende Rechte des Klägers eingegriffen. Nur in letzterem Falle bestünde jedoch ein Anhörungserfordernis.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Geltung des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI oder seine Anwendung im vorliegenden Fall bestehen zur Überzeugung des Senates nicht. Für eine Aussetzung des Verfahrens
und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art.
100 Abs.
1 S. 1
GG) bestand daher kein Anlass. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte für die Rechtsauffassung des Klägers, der Gesetzgeber habe
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG dadurch verstoßen, dass er die zum 01.07.2014 gewährte Vergünstigung in §
236b SGB VI nicht auf Bestandsrentner ausgedehnt und für diese Gruppe keine Ausnahme von der für alle Altersrenten geltenden Bestimmungen
des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI getroffen hat (a). Auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbriefte Eigentumsrecht (Art.
14 Abs.
1 S. 1 Alt. 1, S. 2
GG) ist in dieser Vorgehensweise nicht zu erkennen (b).
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG ist nicht verletzt.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei Bestandsrentnern einerseits und Neurentnern (ab dem 01.07.2014) andererseits um eine vergleichbare
Gruppe von Normadressaten handelt. Denn jedenfalls ist angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden, dass dieser die Vergünstigung des §
236b SGB VI nur auf diejenigen Versicherten erstreckt hat, die sich am 01.07.2014 noch nicht (bindend) im Altersrentenbezug befunden
haben. Es obliegt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu beschließen, ob eine begünstigende Rechtsänderung, wie die
Gewährung einer Sozialleistung, in Kraft treten soll, ab wann dies geschehen soll sowie unter welchen Voraussetzungen und
für welche Normadressaten. Der Gesetzgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser erlaubte es ihm auch, die zum
01.07.2014 gewährte Vergünstigung in §
236b SGB VI überhaupt zu schaffen und sie nicht auf Bestandsrentner auszudehnen, so dass er von Verfassungs wegen keine Ausnahme von
der für alle Altersrentner geltenden Regelung des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI vorsehen musste. Mit der Einführung des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI zum 01.08.2004 (BGBl. I 2005, S. 1791) und mit dessen (über die bindende Bewilligung hinausgehender, bereits an den Bezug der Altersrente anknüpfenden) Neufassung
zum 01.01.2008 (BGBl. I 2007, S. 554) hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, dass ein Altersrentner nach bindender Bewilligung oder für Zeiten des Bezugs
dauerhaft "Bezieher" dieser Altersrente bleiben soll (BT-Drs. 16/3794, S. 33). Ein Wechsel in eine andere Altersrente mit
einer für ihn günstigeren Rentenberechnung sollte explizit ausgeschlossen werden (BT-Drs. 15/2149, S. 21). Bei einer Altersrente,
die ein Versicherter vorzeitig in Anspruch genommen und sich dadurch unter Abkehr vom Vollzeitarbeitsmarkt für eine längere
Rentenlaufzeit entschieden hat, bleibt er deshalb an die damit regelmäßig verbundenen Abschläge - zum Schutz der Versichertengemeinschaft
vor nicht kalkulierbaren Dispositionen - dauerhaft gebunden (so insbesondere Fichte, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum
SGB VI, Stand Juni 2016, §
34 Rn. 85). Für die gesamte Dauer des Rentenbezugs wird durch die auf diese Weise sichergestellte Berechenbarkeit des Rentenanspruchs
die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geschützt (BVerfG, Beschluss vom
07.02.2011, 1 BvR 642/09 m.w.N). Dies ist ein hinreichender sachlicher Grund für die gesetzliche Regelung. Diese gesetzgeberische Entscheidung liegt
erkennbar nicht jenseits des weiten Gestaltungsspielraums der Legislative bei der Normierung sozialer Leistungsansprüche (so
insbesondere auch LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O, Rn. 25 juris). Die Regelungen des § 34 Abs. 4 Nr.
3 wird zudem flankiert von §
77 Abs.
2 (vor Nummer
1)
SGB VI, welcher klarstellt, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer
Rente waren, sich nach Maßgabe der dann folgenden Ziffern bestimmt. §
77 Abs.
2 SGB VI ist somit für die Erstbestimmung des Zugangsfaktors maßgeblich (so auch LSG Baden Württemberg a.a.O, Rn. 25 a.E).
Aus diesem Regelungskontext heraus ist zur Überzeugung des Senates auch an der Verfassungsmäßigkeit des §
77 Abs.
2 S. 1 Nr.
2a SGB VI, welcher einen Abschlag von 0,003 des Zugangsfaktors von 1,0 pro Kalendermonat für die vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente
normiert, nicht zu zweifeln. §
306 Abs.
1 SGB VI zieht eine grundsätzliche Begrenzung der persönlichen Entgeltpunkte "nach unten" ein. Spätere Rechtsänderungen führen danach
regelmäßig nicht zu einer Rentenminderung. Warum es verfassungsrechtlich - unter Hintanstellung der vorstehend dargelegten
Konzeption des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI - zwingend geboten sein soll, dem Kläger als Bestandsrentner wie einem Neurentner ab dem 01.07.2014 eine abschlagsfreie Rente
für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI zukommen zu lassen, ihn also anders zu behandeln als alle anderen Rentenbezieher, die von §
34 SGB VI erfasst werden, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat in §
236b SGB VI eine Sonderregelung zu der allgemeinen, eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte normierenden Vorschrift des
§
38 SGB VI geschaffen, die einen zeitlich begrenzten Anwendungsbereich hat (LSG Baden-Württemberg, a.a.O, Rn. 24 juris), also eine befristete,
zeitlich sich selbst abschaffende Vergünstigung für alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.07.2014 noch nicht im Altersrentenbezug
stehenden Versicherten. Während vor dem 01.01.1953 geborene Versicherte Anspruch auf diese Altersrente bereits nach Vollendung
des 63. Lebensjahres haben (§
236b Abs.
2 S. 1
SGB VI), wird in §
236b Abs.
2 S. 2
SGB VI die Altersgrenze für zwischen dem 01.01.1953 und dem 31.12.1963 geborene Versicherte je nach Geburtsjahr um jeweils zwei
Monate angehoben, so dass es für alle ab dem 01.01.1964 geborenen Versicherten bei der allgemeinen Regelung des §
38 SGB VI verbleibt.
Der Gesetzgeber wollte diejenigen Versicherten mit der sogenannten "abschlagfreien Rente mit 63" erfassen, die ihr Arbeitsleben
bereits in jungen Jahren begonnen und die Rentenversicherung in 45 Beitragsjahren maßgebend gestützt haben. Indes hat er sich
bei angespannter Finanzlage - wiederum zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen
Rentenversicherung als solchem entschieden, einerseits eine zeitlich begrenzte Privilegierung einzuführen und andererseits
Bestandsrentner nicht in diese Privilegierung einzubeziehen. Damit hält sich der Gesetzgeber erkennbar in einem verfassungslegitimen
Rahmen bei der Schaffung einer über §
38 SGB VI hinausgehende leistungsrechtliche Vergünstigung. Von denselben Erwägungen getragen wird letztlich auch die gesetzgeberische
Anknüpfung an den Stichtag "01.07.2014" für das Inkrafttreten des §
236b SGB VI (so auch LSG Baden Württemberg, a. a. O. und LSG Rheinland-Pfalz a.a.O; BSG, Beschluss vom 30.12.2015, B 13 R 345/15 B, Rn. 12 - juris -, mit welchem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.08.2015 verworfen
worden ist).
Wird die Vergünstigung, die der Kläger begehrt, nämlich eine Kombination aus längerer Altersrentenlaufzeit mit Abschlagsfreiheit
auf Dauer bei lediglich abschlagbehafteter Interimszeit vom 01.12.2004 bis zum 30.06.2014, einmal aus der Perspektive der
Versichertengemeinschaft, einer Solidargemeinschaft, in den Blick genommen, ergibt sich folgendes Bild: Diese Kombination
von Vergünstigungen käme einem "Rosinenpicken" nahe. Denn die Versichertengemeinschaft hat sich aufgrund des vorzeitigen Rentenbeginns
des Klägers auf eine statistisch erwartbare längere Rentenlaufzeit - ausgeglichen durch die dauerhafte Absenkung des Zugangsfaktors
- eingestellt. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, dem Kläger (oder anderen Personen) einen Wechsel
in eine jeweils günstigere andere Rente zu ermöglichen.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Nichtannahmebeschluss vom 16.12.2015 (1 BVR 2408/15) betreffend das
Urteil des LSG Baden Württemberg vom 21.05.2015 (a.a.O.) klar zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche Ausführungen gegen die
gesetzgeberische Ausgestaltung des §
236b SGB VI allein wegen der - nicht zu beanstandenden Regelung - des §
34 SGB VI (so bereits BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 44/06, Rn. 27 juris) ins Leere gehen.
b) Das Eigentumsgrundrecht aus Art.
14 Abs.
1 S. 1 Alt. 1, S. 2
GG ist nicht verletzt.
Im Hinblick auf die durch eigene Beitragsleistung erworbene Anwartschaft auf eine Altersrente, die vom Schutzumfang des normgeprägten
Eigentumsgrundrechts aus Art.
14 Abs.
1 S. 1 Alt. 1
GG an sich umfasst ist, kommt ein Eingriff in Gestalt der Neuregelung des §
236b SGB VI entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht in Betracht. Denn zum 01.07.2014 bestand bei dem Kläger keine Anwartschaft auf
eine Altersrente (mehr). Die Anwartschaft auf eine Altersrente besteht nur so lange, bis das in der Anwartschaft angelegte
Vollrecht, die Rente, in Anspruch genommen wird. Mit der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die beantragte
Altersrentenart erstarkt die Anwartschaft zu einem Vollrecht und echten Leistungsanspruch. Die - verfassungsrechtlich geschützte
- Anwartschaft des Klägers auf die von ihm beantragte Altersrente für langjährig Versicherte war durch den Bewilligungsbescheid
der Beklagten vom 08.09.2004 zum Vollrecht auf Altersrente erstarkt. In diese dem Kläger gewährte Altersrente sind auch die
auf eigener Beitragsleistung beruhenden 584 Beitragsmonate einbezogen, haben sie doch maßgebend die Höhe der Entgeltpunkte
bestimmt. In diese Altersrente für langjährig Versicherte des Klägers hat der Gesetzgeber unstreitig nicht eingegriffen.
Eine weitere Anwartschaft auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte stand dem Kläger nicht zu, als die gesetzliche
Neuregelung zum 01.07.2014 in Kraft trat. Der Versicherte, der sich in Kenntnis des konkreten Abschlags wegen des vorzeitigen
Rentenbezugs, d.h. also sehenden Auges für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente entschieden und die damit verbundenen
Vorteile in Anspruch genommen hat, hatte für diesen Zuwachs in individueller Freiheit im Alter mit einer dauerhaften Rentenkürzung
für den früheren Renteneintritt zu rechnen (so bereits BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BVL 3/05 u.a, Rn. 80 ff. juris;
zum Ganzen: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.10.2016, L 14 R 534/16, Rn. 29 f. juris).
4. Der Kläger kann sich für sein Begehren schließlich nicht auf einen sozialgerichtlichen Herstellungsanspruch stützen, weil
dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Zunächst liegen die Voraussetzungen des §
115 Abs.
6 S. 1
SGB VI als spezialgesetzliche Ausgestaltung des sozialen Herstellungsanspruchs nicht vor. Hiernach sollen die Träger der Rentenversicherung
die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.
Aufgrund des Bezugs der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß §
236 SGB VI seit Dezember 2004 konnte der Kläger eine Rente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI jedoch zu keinem Zeitpunkt mit Aussicht auf Erfolg beantragen. Im Jahr 2004 war eine solche Rentenart noch nicht geschaffen,
ab dem 01.07.2014 steht - wie gezeigt - der Inanspruchnahme einer Rente nach §
236b SGB VI die Regelung des §
34 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI zwingend entgegen.
Zwar kann über die Regelung des §
115 Abs.
6 S. 1
SGB VI hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Verletzung von Pflichten, die dem Sozialleistungsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis
obliegen, für Leistungsberechtigte einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 15.12.1994, 4 RA 64/93, Rn. 19 ff. juris). Eine solche Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers besteht auch dann, wenn anlässlich einer
konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit
ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (ständige Rechtsprechung; zuletzt:
BSG, Urteil vom 24.04.2015, B 4 AS 22/14 R, Rn. 27 m.w.N). An einer derartigen Gestaltungsmöglichkeit, über die die Beklagte den Kläger hätte beraten müssen, fehlt
es hier jedoch, weil ein Antrag auf Rente für besonders langjährig Versicherte nach §
236b SGB VI aus den dargelegten Gründen zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG). Angesichts der dargelegten, bereits vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des BSG kommt der Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung zu (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).